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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 15.01.2009
Aktenzeichen: 4 Ws 16/09
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 63 | |
StGB § 67 d Abs. 6 S. 1 2. Alt. | |
StGB § 67 d Abs. 6 S. 2 | |
StPO § 153 | |
StPO § 454 Abs. 4 S. 2 2. Hs. |
Tenor:
1.) Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
2.) Die Maßregel der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus aus dem Urteil der großen Hilfsstrafkammer S des Landgerichts Bochum vom 3. Oktober 1989 in Verbindung mit dem Widerrufsbeschluss der 2. großen Strafkammer S des Landgerichts Bochum vom 8. Mai 1991 wird mit Wirkung zum 1. Juni 2009 für erledigt erklärt.
3.) Mit der Entlassung des Untergebrachten aus der Unterbringung tritt Führungsaufsicht ein, deren Dauer vier Jahre beträgt.
4.) Der Untergebrachte wird für diese Zeit der Aufsicht und Leitung eines von der 18. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster zu benennenden Bewährungshelfers unterstellt.
5.) Mit der Belehrung des Untergebrachten über die Bedeutung der Führungsaufsicht, auch über die Folgen eines Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen, wird die LWL-Vollzugsklinik S2 beauftragt.
6.) Die Erteilung von Auflagen und Weisungen wird der 18. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster übertragen.
7.) Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Untergebrachten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Die große Hilfsstrafkammer S des Landgerichts Bochum hat mit Urteil vom 3. Oktober 1989, rechtskräftig seit dem 11. Oktober 1989, wegen einer im Zustand der Schuldunfähigkeit begangenen versuchten Vergewaltigung die Unterbringung des jetzigen Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet und gleichzeitig die Vollstreckung der Maßregel für die Dauer von fünf Jahren zur Bewährung ausgesetzt.
Zur Tat hat die Strafkammer folgende Feststellungen getroffen:
"Am ######## kurz vor ##### Uhr drang der Beschuldigte in der Absicht, die Zeugin H zu vergewaltigen, zunächst durch die unverschlossene Küchentür im Erdgeschoss des Hauses C-Straße in S in die Küche der Geschädigten ein. Diese hielt sich zu diesem Zeitpunkt im ersten Stock der Wohnung auf. Als die Zeugin gemeinsam mit ihrem Hund die Innentreppe zur Küche herabkam, bemerkte dies der Beschuldigte und flüchtete aus der Küche in den Hof. Dort stellte ihn die Zeugin und sprach ihn auf sein Verhalten an. Dabei erklärte der Beschuldigte der Zeugin, er wolle mit ihr reden. Noch während des Gespräches fasste der Beschuldigte der Zeugin plötzlich an die Brust und erklärte ihr: "Ich will Dich ficken". Die Zeugin verwies auf die in ihrer Hand befindliche Hundeleine, um den Beschuldigten von seinem Vorgehen abzubringen. Es gelang ihr zunächst auch, zurück in ihre Wohnung zu laufen. Der Beschuldigte folgte ihr jedoch und noch bevor die Zeugin die Tür endgültig von innen verriegeln konnte, kam es zu einem Gerangel, wobei der Beschuldigte nunmehr versuchte auf diesem Weg in die Wohnung zu gelangen, um mit der Zeugin dort den Geschlechtsverkehr auszuüben. Als der Zeugin das Abschließen der Tür nicht gelang, öffnete sie die Tür, verließ die Wohnung und rief im Hof den Vater des Beschuldigten zu Hilfe. Der Beschuldigte, der - was der Zeugin bereits zu Beginn des Vorfalles aufgefallen war - unter Alkoholeinfluss stand, folgte ihr wiederum nach, war aber aufgrund seiner alkoholischen Beeinträchtigung nicht in der Lage, die Zeugin nunmehr daran zu hindern, in die Wohnung zu flüchten und die Tür abzuschließen.
Nachdem die Zeugin ca. eine Stunde Ruhe vor dem Beschuldigten hatte, hörte sie plötzlich in der Nachbarwohnung, die eine verschlossene Verbindungstür zu ihrer Wohnung hat, Geräusche. Aus der Nachbarwohnung, in die der Beschuldigte zwischenzeitlich gelangt war, rief er der Zeugin zu: "Laß mich rein, ich bin geil auf Dich". Daraus schloss die Zeugin, dass der Beschuldigte seinen Versuch, mit ihr Geschlechtsverkehr auszuüben, noch nicht aufgegeben hatte. Die Zeugin rief sodann ihren Nachbarn auf seiner Arbeitsstelle an und bat um Hilfe. Der Beschuldigte, der die Nachbarwohnung zwischenzeitlich wieder verlassen hatte, versuchte nunmehr auf dem Weg über den Keller in die Wohnung der Zeugin einzudringen. Dazu musste er vor einem Kellerfenster Steine wegräumen und sodann ein Gitter entfernen. Noch während dieser Handlung traf der Nachbar der Zeugin ein und hielt den Beschuldigten von weiteren Taten ab.
Zum Zeitpunkt des Geschehens hatte der Beschuldigte eine Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,14 Promille."
Gestützt auf das Gutachten der Sachverständigen Dr. X, hat die Strafkammer wegen der geistigen Behinderung des Beschwerdeführers, der seit dem ######### wegen Geistesschwäche entmündigt war, sowie seiner Bezugsschwäche und der Alkoholisierung zur Tatzeit das Vorliegen von Schuldunfähigkeit nicht ausschließen können. (Mit dieser Feststellung allein, hätte eine Unterbringung nicht erfolgen dürfen, da es sicherer Feststellungen zu den Voraussetzungen des § 20 oder des § 21 bedarf.) Mit Beschluss vom 8. Mai 1991, rechtskräftig seit dem 15. Juni 1991, hat die 2. große Strafkammer S des Landgerichts Bochum die Aussetzung der Vollstreckung der Maßregel widerrufen und zur Begründung u.a. Folgendes ausgeführt:
"Im Rahmen der Bewährungsauflagen war dem Angeklagten aufgegeben worden, sich einer psychologischen ambulanten Therapie im ##### in ##### zu unterziehen. Eine solche Maßnahme war von der damaligen Sachverständigen, Frau Dr. X, vorgeschlagen worden. In der Folgezeit stellte sich heraus, dass eine solche ambulante Therapie nicht durchzuführen ist. Fest steht indes, dass der Angeklagte, der bereits zwei Mal einschlägig wegen sexuellen Fehlverhaltens in Erscheinung getreten ist, der Aufsicht und Leitung anderer bedarf. Er muss auch in regelmäßigen Abständen das triebhemmende Mittel B zu sich nehmen. Dies ist nicht gewährleistet, wenn dem Verurteilten hierbei keine Hilfe zuteil wird. Hinzu kommt, dass der Angeklagte häufig dem Alkohol zuspricht. Die Kammer hat deshalb am 29.08.1990 einen Sicherungshaftbefehl gegen den Angeklagten erlassen. Aufgrund dieses Sicherungshaftbefehls ist der Angeklagte dann im #################### # einstweilig untergebracht worden.
Die Kammer hat dann in Zusammenarbeit mit dem Bewährungshelfer und dem oben aufgeführten ############ in ### versucht, ein geeignetes Heim für Herrn T zu finden. Der ehemalige Arbeitgeber des Angeklagten war bereit, diesen wieder aufzunehmen, wenn er in unmittelbarer Nähe einen Heimplatz - behütetes Haus - finden können. Dieses Vorhaben ist nach intensiven Bemühungen der oben aufgeführten Beteiligten jedoch gescheitert. Fest steht indes, dass der Angeklagte nicht auf sich alleingestellt bleiben kann. Aufgrund eines bei ihm vorliegenden Schwachsinns sowie seiner Alkoholabhängigkeit und seines sexuellen Vorverhaltens besteht die Gefahr, dass der Angeklagte auch künftig Straftaten auf sexuellem Gebiet begeht. Er bedarf deshalb einer Therapie. Mangels eines geeigneten Heimplatzes ist zunächst das ####### in ##### aufgefordert, eine solche Therapie durchzuführen. Man wird dort aber immer im Auge behalten müssen, je nach Therapiestand, einen geeigneten Heimplatz für den Angeklagten zu finden."
Aufgrund des zuvor bereits ergangenen Sicherungshaftbefehls vom 29. August 1990 befindet sich der Beschwerdeführer seit diesem Tage in der Unterbringung.
In seiner Stellungnahme vom 26. August 1991 hat das ############ ### ausgeführt, bei dem Beschwerdeführer bestehe diagnostisch eine Debilität, ein Alkoholmissbrauch und eine sexuelle Verhaltensabweichung und Störung; er sei unter Alkoholeinfluss enthemmt. Eine positive Entwicklung war zum damaligen Zeitpunkt nicht erkennbar.
Mit Datum vom 12. Dezember 1994 hat die Ärztin für Psychiatrie und Neurologie Dr. B, die den Beschwerdeführer vom 1. September 1992 bis zum 2. Mai 1994 ärztlich behandelt hat, anlässlich des Gutachtens aber nicht aktuell exploriert hatte, eine leichte geistige Behinderung, eine Persönlichkeitsstörung und sexuelle Fehlentwicklung sowie einen Alkoholmissbrauch mit Tendenz zur Abhängigkeit diagnostiziert. Die Anwendung des § 63 StGB sei "in jedem Fall gerechtfertigt". Bereits in nüchternem Zustand seien von dem Beschwerdeführer sexuelle Übergriffe, etwa in Form des Anfassens von Gesäß und Brüsten, zu erwarten. Der Beschwerdeführer brauche einen straffen und engen Rahmen, in dem auf Regelverstöße sofort entsprechend reagiert werden könne. Eine derartige Einrichtung könnte Bestandteil einer Allgemeinpsychiatrie oder aber als Dauerwohnheim konzipiert sein.
Eine Ende 1994 begonnene Langzeitbeurlaubung in das Haus "U" in X F musste Anfang 1996 abgebrochen werden, nachdem der Betroffene nach Alkoholmissbrauch die Heimleiterin tätlich angegriffen hatte.
In der Folgezeit wurde, nach zwischenzeitlicher Erstattung eines weiteren Sachverständigengutachtens der Gutachtergemeinschaft L/Dr. M vom 6. Dezember 1996, die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. In seiner Anhörung am 11. April 1997 hat der Untergebrachte eingeräumt, immer wieder zum Alkohol zu greifen. Er werde sich bemühen, zukünftig die Finger davon zu lassen. Ob ihm das gelinge, wisse er nicht. Es sei unheimlich schwer.
Der Sachverständige Dr. T2 kommt in seinem Gutachten vom 17. Mai 2000 zu dem Schluss, die Möglichkeiten psychiatrischer Unterbringung seien ausgereizt. Es sei davon auszugehen, dass es nach Entlassung aus dem Maßregelvollzug zu weiteren rechtswidrigen Handlungen komme, deren Schwere aber, so im Übrigen auch bereits die Sachverständigen L und Dr. M, schwer einschätzbar sei.
Mit Beschluss der zuständigen Strafvollstreckungskammer vom 21. November 2003 wurde erneut die Fortdauer der Unterbringung angeordnet, nachdem sowohl die Klinik als auch der Sachverständige Dr. C4 mit Gutachten vom 2. Mai 2003 die fortbestehende negative Prognose gestellt hatten, da der Untergebrachte keinerlei Behandlungsbereitschaft gezeigt habe. Dieser handele bedürfnisorientiert und beachte Regeln nur im Hinblick auf sofortige Sanktionen. Es sei deshalb eine strenge Struktur erforderlich. Die Diagnose sei unverändert.
Mit Beschluss vom 30. November 2005 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Es sei nach wie vor keinerlei Therapiebereitschaft zu erkennen. Die seelische Befindlichkeit des Untergebrachten sei dadurch erheblich verschlechtert worden, dass er sich am ###### einer Krebsoperation habe unterziehen müssen. Dabei sei ihm der Kehlkopf, ein Teil des Zungengrundes sowie die benachbarten Lymphknoten entfernt worden. Seitdem benötige er eine Luftröhrenkanüle zum Atmen.
Zuletzt ist der Untergebrachte durch die Sachverständige Dr. T begutachtet worden. Bei dem Untergebrachten liege eine intellektuelle Grenzbegabung vor. Er habe jahrelang schweren Alkoholmissbrauch betrieben, möglicherweise bestehe eine Abhängigkeit. Im hoch beschützten Milieu der Unterbringung bestehe Abstinenz; es müsse davon ausgegangen werden, dass er außerhalb dieses Rahmens wieder Alkohol trinken werde. Mit einer entsprechend enthemmenden Wirkung auf sexuellem Gebiet sei dann zu rechnen. Es gebe keinen wirklichen Hinweis auf eine sexuelle Devianz im eigentlichen Sinn. Bei fehlender Beobachtung und Begrenzung müsse mit Verhaltensweisen des Untergebrachten gerechnet werden, die von Frauen als massive Belästigung aufgefasst werden dürften. Therapeutische Fortschritte seien schon lange nicht mehr zu erwarten. Es sei denkbar, auch im Hinblick auf die schwere Erkrankung des Untergebrachten, ihn nicht in einer forensischen Klinik, sondern in einem geschlossenen pflegerisch intensiv betreuten Langzeitheim für psychisch Kranke unterzubringen. Eine derartige Verlegung müsse langfristig vorbereitet werden. Außerhalb eines geschlossenen Settings sei mit der einschlägigen Wiederholung von sexuell übergriffigem Verhalten und Alkoholkonsum zu rechnen. Denkbar wären verbale Belästigungen ("Ich will Dich ficken") bis hin zu tätlichen Übergriffen (Brust anfassen etc.).
In einer Stellungnahme der Maßregelvollzugsklinik S2 vom 29. Januar 2007, in der es um die Frage einer Langzeitbeurlaubung ging, wird das "Rückfallrisiko hinsichtlich der Wiederbegehung einer sexuellen Straftat als auch anderer delinquenter Handlungen" als sehr gering eingeschätzt.
Mit Beschluss vom 12. November 2007 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Zwar zeichne sich, nachdem der Untergebrachte seit dem 17. Februar 2007 in ein Pflege- und Betreuungszentrum in C langzeitbeurlaubt sei, eine erfreuliche Entwicklung ab. Der Untergebrachte sei ausgeglichener, halte die Tagesstruktur ein und absolviere begleitete Ausgänge problemlos. Bei weiterhin positiver Entwicklung sei bis Ende 2007 eine bedingte Entlassung in Erwägung zu ziehen. Derzeit könne jedoch noch nicht erwartet werden, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Straftaten mehr begehen werde. Der weitere Vollzug der Maßregel sei erforderlich und auch nicht unverhältnismäßig.
Am 14. April 2008 wurde der Beschwerdeführer in die LWL-Maßregelvollzugsklinik S2 verlegt. Grund für die Verlegung war, so die Stellungnahme der Vollzugsklinik vom 27. August 2007, auffälliges Verhalten des Untergebrachten im Sinne einer manischen Entgleisung gewesen. Er sei beispielsweise halb bekleidet umhergelaufen, dabei sich ständig im Kreise drehend; das Auftragen von Sonnenschutz habe er abgelehnt; während einer Mahlzeit im Kreise der Patienten habe er Darmluft entweichen lassen; der Ergotherapeutin habe er wiederholt an das Gesäß gefasst; vor einer Mitpatientin habe er sein Geschlechtsteil entblößt; schließlich habe er vor den anderen Patienten versucht, den Sicherheitszaun hochzuklettern. Um der Gefahr der Begehung strafbarer Handlungen sowie der Entweichungsgefahr zu begegnen, sei die Rückverlegung nach S2 erfolgt. Dort sei das manische Zustandsbild unter medikamentöser Behandlung abgeklungen. Forensisch relevante Verhaltensauffälligkeiten seien dann nicht mehr aufgetreten. Das Stimmungs- und Antriebsverhalten sei bis dato ausgeglichen. An der Fortführung der Langzeitbeurlaubung solle in nächster Zeit festgehalten werden. Die Heimleitung in C sei dazu bereit. Die Frage einer bedingten Entlassung sollte erst nach einer längeren Verlaufsbeobachtung erörtert werden.
Durch den nunmehr angefochtenen Beschluss vom 17. November 2008 hat die 18. Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Münster die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Der Untergebrachte bedürfe weiterhin eines geschützten Rahmens, da seine Gefährlichkeit fortbestehe. Eine bedingte Entlassung könne nur nach einer weiteren Langzeitbeurlaubung in Betracht gezogen werden.
Hiergegen wendet sich der Untergebrachte mit seiner sofortigen Beschwerde vom 2. Dezember 2008, die mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 2. Januar 2009 begründet worden ist. Die Maßregel sei für erledigt zu erklären, die weitere Fortdauer verletze den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Das Rechtsmittel ist zulässig und führt zum angestrebten Erfolg.
Die Maßregel ist, da die weitere Vollstreckung unverhältnismäßig wäre, gemäß § 67 d Abs. 6 S. 1 2. Alt. StGB für erledigt zu erklären.
Nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gelten, je länger die Unterbringung andauert, umso strengere Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des Freiheitsentzuges (BVerfGE 70, 297 - 323). Der Freiheitsanspruch des - auch langjährig - Untergebrachten stoße jedoch dort an Grenzen, wo es im Hinblick auf die Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit der von ihm drohenden Taten mit dem staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit unvertretbar erscheine, den Untergebrachten zu entlassen (BVerfG a.a.O.). Maßstab für die Frage, ob eine Unterbringung als lang andauernd bezeichnet werden kann mit der Folge einer besonders strengen Prüfung der Verhältnismäßigkeit seien sowohl der Strafrahmen und das Strafmaß der der Einweisung zugrunde liegenden Anlasstaten als auch derjenigen Taten, die ggf. künftig im Falle der Entlassung aus der Maßregel von dem Untergebrachten zu befürchten seien.
Auf der Grundlage dessen gilt es im vorliegenden Fall Folgendes abzuwägen:
Das Krankheits- und Persönlichkeitsbild des Beschwerdeführers, das zur Anordnung und Vollstreckung der Maßregel über einen Zeitraum von fast 18 Jahren geführt, besteht nach den übereinstimmenden Ausführungen der Sachverständigen und der behandelnden Klinikärzte zwar unverändert fort. Auch die Gefahr, dass der Beschwerdeführer in Freiheit, insbesondere unter dem Einfluss von Alkohol, Sexualstraftaten begehen wird, ist nach wie vor gegeben, zumindest nicht auszuschließen. Die Entlassungssituation erfordert jedoch nicht die sichere Erwartung zukünftigen Wohlverhaltens (BVerfG a.a.O. m.w.N.). Es reicht aus, dass mit der Aussetzung bzw. der Erledigungserklärung ein vertretbares Risiko eingegangen wird (BVerfG a.a.O.). Beurteilungsmaßstab ist die Art, Häufigkeit und Schwere der von dem Betroffenen zu erwartenden Straftaten; diese müssen, um eine weitere Vollstreckung der Unterbringung rechtfertigen zu können, "erheblich" sein i.S.d. § 63 StGB (BVerfG a.a.O.).
Diese Voraussetzungen sind im Falle des Beschwerdeführers nicht erfüllt.
Dieser ist, wie die Staatsanwaltschaft Bochum in einem Vermerk vom 14. Februar 2008 (Bl. 641 des VH III) niedergelegt hat, ausweislich des Bundeszentralregisterauszuges vom 13. Februar 2008 nicht vorverurteilt. Ein früheres Verfahren wegen des Verdachts der versuchten Vergewaltigung (#################) sei wegen Schuldunfähigkeit eingestellt worden. Zwei weitere Verfahren seien gemäß § 153 StPO eingestellt worden.
Der hier betroffene Tatvorwurf, der zur Anordnung der Maßregel geführt hat, liegt an der untersten Grenze dessen, was noch als versuchte Vergewaltigung angesehen werden kann. Ausweislich des damaligen Urteils ist der Beschwerdeführer, abgesehen von einem Gerangel, gegenüber seinem Opfer nicht gewalttätig geworden. Zur Beginn des Tatgeschehens hat der bloße Verweis der geschädigten Zeugin auf die in ihrer Hand befindliche Hundeleine den Beschwerdeführer vorübergehend aufhalten können. Auch aus der Zeit der Unterbringung sind, mit Ausnahme des oben erwähnten Angriffs auf eine Heimleiterin, der, soweit ersichtlich, zu keinen Verletzungsfolgen geführt hat, keine Vorfälle bekannt geworden, die auf eine ausgeprägte Gewaltneigung des Beschwerdeführers schließen lassen könnten. Den in diesem Verfahren im Laufe der Jahre erstatteten Sachverständigengutachten lässt sich übereinstimmend lediglich die Neigung des Beschwerdeführers, Frauen an das Gesäß und die Brüste zu fassen, entnehmen. Eine konkrete Einschätzung der Schwere der von dem Beschwerdeführer zu erwartenden rechtswidrigen Handlungen ist, so die Sachverständigen Dr. T2, L und Dr. M, nicht möglich. Auch die Sachverständige Dr. T spricht in dem zuletzt erstatteten Gutachten aus dem Jahre 2006 von zu erwartenden Verhaltensweisen, "die von Frauen als massive Belästigung aufgefasst werden dürften", die sie dann im Weiteren als verbale Belästigungen ("Ich will Dich ficken"), bis hin zu tätlichen Übergriffen (Brust anfassen etc.) konkretisiert.
Damit ist zur Überzeugung des Senats - wenn denn überhaupt ein Rückfallrisiko besteht, laut Stellungnahme der Klinik vom 29. Januar 2007 sei das als sehr gering einzuschätzen - die Schwelle der Erheblichkeit i.S.d. § 63 StGB nicht erreicht. Die bloße Möglichkeit, der Beschwerdeführer könne auch schwere Sexualstraftaten unter Einsatz massiver körperlicher Gewalt verüben, liegt zum einen aufgrund der Vorgeschichte, seines Alters und seiner schweren Krebserkrankung, die verbale Belästigungen weitestgehend ausschließt, nicht sehr nahe, reicht aber auch nicht aus, um die weitere Maßregelvollstreckung zu rechtfertigen (BVerfG a.a.O. m.w.N.). Der eventuell verbleibenden Gefährlichkeit des Beschwerdeführers kann nach Auffassung des Senats im Übrigen mit geeigneten Auflagen und Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht, die das von den Sachverständigen für erforderlich gehaltene strenge Setting gewährleisten müssen, wirksam begegnet werden.
Unter Berücksichtigung aller Umstände ist daher bei Abwägung der betroffenen Rechtsgüter - hier der Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers nach fast zwei Jahrzehnten der Unterbringung, dort der Sicherungsanspruch der Allgemeinheit vor einem potentiell nur mäßig gefährlichen Täter - dem Freiheitsanspruch des Beschwerdeführers nunmehr aus Gründen der Verhältnismäßigkeit Vorrang einzuräumen.
Nach alledem war die Maßregel für erledigt zu erklären.
Der Senat hat die Erledigung mit Wirkung zum 1. Juni 2009 ausgesprochen, um der Anstalt und der Strafvollstreckungskammer ausreichend Zeit und Gelegenheit zu geben, die Entlassung vorzubereiten und das für erforderlich erachtete strenge Setting sicherzustellen.
Mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung tritt gemäß § 67 d Abs. 6 S. 2 StGB kraft Gesetzes Führungsaufsicht ein. Anlass, gemäß Satz 3 dieser Norm den Nichteintritt anzuordnen, besteht nicht.
Die Dauer der Führungsaufsicht hat der Senat mit vier Jahren für angemessen und erforderlich gehalten. Die nähere Ausgestaltung bleibt der Strafvollstreckungskammer im Wege der Erteilung geeigneter Auflagen und Weisungen vorbehalten.
Die Belehrung über die Bedeutung der Führungsaufsicht, auch über die Folgen des Verstoßes gegen Auflagen und Weisungen (§ 145 a StGB), wird der Anstalt übertragen, § 454 Abs. 4 S. 2 2. Hs. StPO.
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung der §§ 467, 473 StPO.
Da die Landeskasse die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers zu tragen hat, erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag des Verteidigers auf Beiordnung als Pflichtverteidiger.
Ende der Entscheidung
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