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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 26.04.2005
Aktenzeichen: 4 Ws 183/05
Rechtsgebiete: StGB, StPO


Vorschriften:

StGB § 67 d Abs. 3
StPO § 463 Abs. 3
Zur Anordnung der Fortdauer der Sicherungsverwahrung.
Beschluss

Maßregelvollzugssache

gegen P. K.,

zur Zeit in Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Werl,

wegen schweren Raubes,

hier: Fortdauer der Sicherungsverwahrung.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 9. März 2005 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 23. Februar 2005 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 26. April 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers mit der Maßgabe verworfen, dass die Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet wird.

Gründe:

I.

Mit seiner sofortigen Beschwerde wendet sich der Verurteilte gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer Arnsberg vom 23. Februar 2005, durch den "die bedingte Entlassung des Untergebrachten" nach Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. K., Anhörung der Staatsanwaltschaft Dortmund und der Justizvollzugsanstalt Werl sowie mündlicher Anhörung des Verurteilten abgelehnt worden ist.

Grundlage des vorliegenden Überprüfungsverfahrens ist die Verurteilung des Beschwerdeführers durch das Landgericht Dortmund vom 13. Dezember 1971 wegen schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren und anschließender Sicherungsverwahrung. Das Urteil ist seit dem 14. Juni 1972 rechtskräftig.

Nach den Feststellungen des zugrunde liegenden Urteils trat der Verurteilte erstmals 1958 strafrechtlich in Erscheinung. Nachdem 1958 ein Verfahren wegen schweren Diebstahls nach Ermahnung und Arbeitsauflage eingestellt und der Beschwerdeführer 1961 wegen Missbrauchs von Ausweispapieren, falscher Namensangabe und Verstoßes gegen die Gewerbeordnung zu Jugendarrest von zwei Wochen Dauer - verbüßt in der Zeit vom 10. bis zum 24. Juli 1961 - verurteilt worden war, wurde er am 27. August 1962 vom Jugendschöffengericht Gladbeck wegen versuchter Hehlerei, versuchten Diebstahls, Diebstahls in zwei Fällen, versuchten schweren Diebstahls in zwei Fällen und wegen schweren Diebstahls in zwei Fällen zu einer Jugendstrafe von einem Jahr verurteilt, die er bis zum 31. Mai 1963 verbüßte. Am 8. Dezember 1965 wurde er durch das Landgericht Essen wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in zwei Fällen, versuchten gemeinschaftlichen schweren Raubes, gemeinschaftlichen schweren Diebstahls in vier Fällen, versuchten gemeinschaftlichen schweren Diebstahls in drei Fällen, gemeinschaftlichen Diebstahls in 15 Fällen und wegen versuchten gemeinschaftlichen Diebstahls in sechs Fällen zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Nach einer Serie von verschiedenen Diebstahlstaten ab dem 18./19. April 1962 hatte der Verurteilte am 5. Oktober 1964 mit einem Mittäter versucht, einen Kaufmann unter Vorhalt einer scharfen Schusswaffe zu berauben, wobei er zwei Warnschüsse abgegeben hatte. Vier Tage später am 9. Oktober 1964 verübte er gemeinsam mit zwei Mittätern seinen ersten Bankraub, erneut unter Abgabe eines Warnschusses. Bereits am 19.Oktober 1964 folgte in ähnlicher Weise der nächste Bankraub mit drei Mittätern. Dabei war der Verurteilte bei den Raubüberfällen die treibende Kraft sowohl bei der Planung als auch der Ausführung. Der Verurteilte verbüßte die Strafe teilweise bis zum 2. Mai 1970, wobei er in Briefen an das Gericht immer beteuerte, es habe ihm bei den Taten an Einsichts- und Hemmungsvermögen gefehlt, er sei inzwischen nachgereift und könne nunmehr zwischen Gut und Böse unterscheiden. Bereits am 23. August 1971 beging der damals unter Bewährungsaufsicht stehende Verurteilte die Straftat, die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist. Er hatte dazu ein Kleinkalibergewehr dergestalt verändert, dass es den Eindruck einer Maschinenpistole machte. Damit ausgerüstet und unter Abgabe eines Warnschusses überfiel er eine Bank in Castrop, in der er rund 24.000,00 DM raubte. Im Rahmen der Strafzumessung hat die damalige Strafkammer u.a. seine erschreckende Halt- und Hemmungslosigkeit, seine starke kriminelle Energie und Zielstrebigkeit sowie seine Rücksichtslosigkeit gegenüber den Geschädigten hervorgehoben.

Mit Beschluss vom 30. März 1983 ordnete die Strafvollstreckungskammer Arnsberg seine bedingte Entlassung aus der Sicherungsverwahrung an, die seit dem 24. März 1979 vollzogen worden war. Diese Aussetzung wurde durch Beschluss derselben Kammer vom 16. April 1986 widerrufen. Grund dafür war, dass der Verurteilte durch das Landgericht Dortmund am 20. Februar 1985 wegen schwerer räuberischer Erpressung, erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit versuchter schwerer räuberischer Erpressung und mit Körperverletzung, wegen schweren Raubes in drei Fällen und versuchten schweren Raubes oder versuchter schwerer räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt worden war. Die zugrunde liegenden Taten, es handelte sich u.a. um Banküberfälle und Überfälle auf Supermärkte, hatte der Verurteilte teils während der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Rahmen von Hafturlauben und teils nach seiner bedingten Entlassung begangen. Straferschwerend war berücksichtigt worden, dass es sich in allen Fällen um Taten großen Stils gehandelt hatte, die sorgfältig geplant, jeweils von hoher Beuteerwartung getragen und kaltblütig durchgeführt worden waren. Auch hier kam es in mehreren Fällen zur Abgabe von Warnschüssen durch den Verurteilten.

Nach vollständiger Verbüßung der Freiheitsstrafen sind seit dem 29. Mai 2003 zehn Jahre Unterbringung in der Sicherungsverwahrung vollstreckt.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat nach Einholung einer schriftlichen Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Werl und Einholung eines fachpsychologischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. Simons mit Beschluss vom 21. Mai 2003 die bedingte Entlassung des Verurteilten aus der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung abgelehnt und die Fortdauer deren Vollstreckung angeordnet. Der Verurteilte hatte, wie in den Jahren zuvor am Termin zur mündlichen Anhörung nicht teilgenommen, eine Exploration durch den Sachverständigen und auch jeglichen Kontakt zu dem ihm beigeordneten Pflichtverteidiger abgelehnt.

In Hinblick auf das vorliegende erneute Überprüfungsverfahren hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg mit Beschluss vom 26. Mai/14. Juli 2004 die Einholung eines Gutachtens durch den Sachverständigen Prof. Dr. K. darüber angeordnet, "ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges voraussichtlich keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde des Verurteilten hat in der Sache letztlich keinen Erfolg. Die Strafvollstreckungskammer hat - jedenfalls im Ergebnis - zutreffend die Fortdauer der Sicherungsverwahrung angeordnet. Allerdings war der Tenor der angefochtenen Entscheidung wie geschehen zu berichtigen, weil nach § 67 d Abs. 3 StGB die Maßregel für erledigt zu erklären ist, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte infolge seines Hanges erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Nach diesem eindeutigen Gesetzeswortlaut ist für eine Anordnung der bedingten Entlassung des Verurteilten aus dem Maßregelvollzug kein Raum.

1. Ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Rückwirkungsverbot liegt nicht deshalb vor, weil die vormals zwingend auf zehn Jahre begrenzte erste Sicherungsverwahrung nunmehr gemäß § 67 d Abs. 3 StGB über diese Frist verlängert werden kann. Dieser erneut vom Verurteilten angesprochene und vom Senat bereits mit Beschluss vom 24. März 2003 beschiedene Gesichtspunkt ist nunmehr durch das Bundesverfassungsgericht (vgl. http://www.bverfg.de/entscheidungen/ rs20040205_2bvr202901.html = StV 2004, 267 = NJW 2004, 739) im Sinne der Entscheidung des Senats geklärt. Ein Verstoß liegt nicht vor.

2. Die aus § 67 d Abs. 3 StGB abzuleitenden Voraussetzungen für die getroffene Entscheidung liegen zur Überzeugung des Senats vor.

a) Allerdings hat das Landgericht im Rahmen der Beauftragung des Sachverständigen einen rechtsfehlerhaften Prüfungsmaßstab vorgegeben. Die Frage, ob "der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzuges voraussichtlich keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird", geht an der maßgeblichen Frage vorbei. Nach dem Willen des Gesetzgebers ist nach Ablauf von zehn Jahren die Erledigung der Sicherungsverwahrung nunmehr die Regel und eine Fortdauer nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen gestattet (BVerfG, http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20040205_2bvr202901.html, Absatz 82). § 67 d Abs. 3 StGB lässt demgemäß die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nur zu, wenn eine hangbedingte Gefahr künftiger Straftaten festgestellt wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Damit steht die Möglichkeit über zehnjähriger Sicherungsverwahrung schon von Gesetzes wegen nur in Fällen zur Verfügung, in denen elementare Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit sie zwingend rechtfertigen. Um diesem Ausnahmecharakter Rechnung zu tragen, müssen die Gerichte die Tatbestandsmerkmale des § 67d Abs. 3 StGB mit Blick auf das Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten restriktiv handhaben (BVerfG, a.a.O. Absatz 109). Damit wird die Erledigung der Maßregel nicht von einer positiven, sondern ihr Fortbestand von einer negativen Prognose abhängig gemacht (BVerfG, a.a.O., Absatz 110). Das Gesetz geht davon aus, dass sich die Gefährlichkeit nach Ablauf von zehn Jahren regelmäßig erledigt hat. Daher verbietet sich auch die schlichte Fortschreibung unwiderlegter Gefährlichkeitshypothesen. Vielmehr müssen konkrete und gegenwärtige Anhaltspunkte dafür festgestellt werden, dass die Gefährlichkeit entgegen der gesetzlichen Vermutung fortbesteht. Dabei ist eine Auseinandersetzung mit dem Anlassdelikt, der prädeliktischen Persönlichkeit, der postdeliktischen Persönlichkeitsentwicklung sowie dem sozialen Empfangsraum des Täters erforderlich (BVerfG, a.a.O., Absatz 122). Zweifelt das Gericht an der Wahrscheinlichkeit künftiger Straftaten, so ist zugunsten des Untergebrachten die Sicherungsverwahrung für erledigt zu erklären. Eine Fortsetzung der Maßregel jenseits der Zehnjahresgrenze kommt nur bei demjenigen in Betracht, dessen nunmehr vermutete Ungefährlichkeit widerlegt ist (BVerfG, a.a.O., Absatz 111). Allerdings erfasst die Regelung des § 67 d Abs. 3 StGB auch den chronisch unverbesserlichen Hangtäter, der sich dauerhaft jeder Behandlung verweigert und ungeachtet fortschreitenden Alters bis an sein Lebensende gefährlich bleibt. Im Interesse der Allgemeinheit gestattet § 67 d Abs. 3 StGB ohne Verfassungsverstoß seine möglicherweise über mehrere Jahrzehnte andauernde Verwahrung. dass in diesem Fall das Resozialisierungsziel des Strafvollzugs nicht mehr zum Tragen kommt, beruht nicht auf der Anordnung der Sicherungsverwahrung, sondern auf dem Verhalten des Betroffenen, das eine erfolgreiche Resozialisierung auf Dauer ausschließt (BVerfG, a.a.O., Absatz 113).

An die Vorbereitung der Entscheidung nach § 67 d Abs. 3 StGB über Erledigung oder Fortdauer des Maßregelvollzugs nach Ablauf von zehn Jahren stellt das Gesetz erhöhte verfahrensrechtliche Anforderungen: Das Gericht hat in jedem Fall ein Prognosegutachten einzuholen und dem nicht verteidigten Untergebrachten einen Pflichtverteidiger zu bestellen (§ 463 Abs. 3 Satz 4 und 5 StPO). Auf die grundsätzliche obligatorische mündliche Anhörung des Sachverständigen haben vorliegend Verurteilter, beigeordneter Verteidiger und Staatsanwaltschaft verzichtet. Die Entscheidung über die Fortdauer der Sicherungsverwahrung gemäß § 67 d Abs. 3 StGB hat sich auf ein Sachverständigengutachten zu stützen, das der besonderen Tragweite und dem Ausnahmecharakter dieser Entscheidung gerecht wird. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, dass das ärztliche Gutachten hinreichend substantiiert ist und anerkannten wissenschaftlichen Standards genügt. Der Gefahr repetitiver Routinebeurteilungen muss der Richter durch eine sorgfältige Auswahl des Gutachters entgegenwirken. So wird es - wenngleich dies § 463 Abs. 3 Satz 4 StPO nicht ausdrücklich vorsieht - regelmäßig geraten sein, einen externen Sachverständigen mit der Begutachtung zu beauftragen, um auszuschließen, dass anstaltsinterne Belange oder die Beziehung zwischen Therapeuten und Untergebrachtem das Gutachten beeinflussen. Des Weiteren kann es angezeigt sein, den Untergebrachten von einem Sachverständigen begutachten zu lassen, der im Lauf des Vollstreckungsverfahrens noch nicht mit ihm befasst war. Schließlich gilt es sicherzustellen, dass der Sachverständige ausreichend Zeit und Gelegenheit erhält, den Untergebrachten zu untersuchen und das Tatsachenmaterial aufzubereiten, auf dessen Grundlage die Prognose erstellt wird (BVerfG, a.a.O., Absatz 119).

b) Diesen Voraussetzungen wird das durch die Strafvollstreckungskammer beschrittene Verfahren gerecht. Auf der Grundlage des vorliegenden Gutachtens und der Stellungnahme des Leiters der Justizvollzugsanstalt Werl ist auch die Anordnung der Fortdauer der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung gerechtfertigt und erforderlich.

Der Sachverständige Prof. Dr. K. verfügt als Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Charité-Universitätsmedizin Berlin über eine herausragende Erfahrung in der Begutachtung im Maßregelvollzug Untergebrachter. Sein Gutachten wird den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht. Es stellt sich als Ergebnis der Erkenntnisse aus dem Vollstreckungsheft, den Sachakten und den Gefangenenpersonalakten sowie einer Exploration vom 23. November 2004 dar. Dabei hat sich der Sachverständige mit dem Werdegang des Verurteilten, seinen zahlreichen Straftaten, den verschiedenen eingeholten psychiatrischen und psychologischen Gutachten, seiner Entwicklung im Straf- und Maßregelvollzug, dem Ergebnis seiner Exploration sowie der möglichen Entlassungssituation auseinandergesetzt, die sich nach dem Ergebnis der Exploration als unklar und wenig konkret, somit als ungünstig darstellt.

Der Sachverständige ist auch letztlich von einem zutreffenden Beurteilungsmaßstab im Rahmen seiner Begutachtung ausgegangen (vgl. Seite 42 f. des Gutachtens). Daran ändert nichts, dass er im Schluss seines Gutachtens - auch - die fehlerhafte Frage der Strafvollstreckungskammer (mit-)beantwortet hat.

Der Sachverständige kommt in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass "jedenfalls keine positive Kriminalprognose gestellt werden kann". Es bestünden "nicht nur keine Anhaltspunkte dafür, dass die in den Taten zutage getretene Gefährlichkeit geschwunden ist", sondern es bestünden "durchaus gewichtige persönlichkeitsdiagnositische Anhaltspunkte dafür, dass diese Gefährlichkeit fortbesteht". Damit hat der Sachverständige die Wahrscheinlichkeit weiterer gleichartiger Straftaten für den Fall einer Entlassung des Untergebrachten positiv bejaht.

Der Sachverständige hat insoweit ausgeführt, die Delinquenz bei dem Untergebrachten gehe - insoweit stimme er den früheren Gutachtern zu - nicht auf irgendwelche psychischen Krankheiten oder eine schwere Störung der Persönlichkeit zurück, vielmehr handele es sich um eine früh beginnende Form eines typischen sozial abweichenden Verhaltens, nämlich die Entwicklung eines kriminellen Lebensstils und eines entsprechenden Repertoires an Einstellungen und egozentrischen Normbezügen. Seine Eitelkeit und sein Geltungsbedürfnis sowie der Umstand, dass er niemals in den Verdacht geraten sei, sein eigenes Verhalten zu hinterfragen und zu prüfen, habe dazu beigetragen, dass er niemals Tendenzen zur Änderung seines Verhaltensstils habe erkennen lassen. Sein auch jetzt vorgetragenes Bekenntnis, weitere Straftaten würden nicht lohnen, weil die Straferwartung immer höher werde und die Beute halt begrenzt sei, seien in der Vergangenheit mehrfach von ihm vorgebracht und jeweils kurz darauf widerlegt worden. Seit nunmehr 21 Jahren habe der Untergebrachte niemals zugelassen, dass seine Straffälligkeit und das, was diese für sein ganzes Leben und seine Entwicklungsperspektiven bedeutet habe, in irgendeiner Weise zum Gegenstand der Erörterung mit der Haftanstalt oder den Fachdiensten habe gemacht werden können. Es sei somit, und insoweit stimme er mit dem Vorgutachter Dr. Simons überein, in keiner Weise zu erkennen, dass er sich mit seiner früheren Delinquenz auseinandergesetzt, insbesondere eine andere Einstellung dazu entwickelt habe als in den beginnenden 80er Jahren. Der Untergebrachte habe vielmehr im Explorationsgespräch deutlich gemacht, dass er insoweit überhaupt keinen Arbeits-, Anstrengungs- und Veränderungsbedarf sehe. Bereits aus seiner Selbstdarstellung seien deutliche Hinweise dafür zu gewinnen, dass die motivationalen Hintergründe und die persönlichen Einstellungen, insbesondere der völlig fehlende Normbezug und die ausgeprägte Geringschätzung des mit seinen Taten verbundenen Rechtsbruchs, unverändert fortbestehen. Nicht an einem einzigen Gesichtspunkt könne die Hoffnung entwickelt werden, dass es zwischenzeitlich zu gravierenden Änderungen bei dem Untergebrachten gekommen sei. Zwar könnte die Distanz von 21 Jahren zu seiner letzten Straftat und das Alter des Untergebrachten grundsätzlich für ihn sprechen. Allerdings rückten viele derartige Straffällige im vorgerückten Alter in eine eher beratende Tätigkeit bei gleichartigen Delikten ein. Hinzu komme beim Verurteilten, dass er körperlich, geistig und von seinem Antrieb her ohne weiteres imstande sei, Straftaten wie früher zu begehen. Da bei ihm kein Einstellungswandel zu erkennen sei und er recht unverhohlen eine fortdauernde Grunddisposition für derartige Delikte habe erkennen lassen, sei davon auszugehen, dass die Frage der Begehung neuer gleichartiger Straftaten alleine von Kosten-Nutzen-Erwägungen bei ihm abhängen. Im Falle von Rückfälligkeit würde der Untergebrachte allerdings wohl "alles auf die Karte setzen", damit man ihm die Tat nicht nachweisen könne. Ein Fortbestehen seiner Gefährlichkeit im Sinne eines positiven Nachweises lasse sich aber nicht allein aus der weiteren Begehung gleichartiger oder weiterer Delikte ableiten, sondern auch aus der Fortdauer der antisozialen Einstellungen und der Charakterformation, die seinerzeit als Hang zu erheblichen Straftaten eingeschätzt worden sei. Diese antisozialen Einstellungen und Werthaltungen ließen sich auch heute noch belegen, so dass nach wie vor eine erhebliche Gefährlichkeit des Untergebrachten gegeben sei.

Diese Einschätzung wird auch vom Sachverständigen Dr. Simons in seinem Gutachten vom 28. April 2003 geteilt, der ebenfalls überzeugend die Voraussetzungen für eine Fortdauerentscheidung dargelegt hat. Der Sachverständige hat ausgeführt, der Verurteilte verfüge über eine dissoziale Persönlichkeitsstruktur und habe bisher nicht deutlich werden lassen, dass früher vorhandene kriminogen wirksame Einstellungen und Werthaltungen nicht mehr fortbestehen. Er neige dazu, zumindest einen Teil der von ihm begangenen Straftaten zu bagatellisieren, wobei er - so dieser Sachverständige - aufgrund seiner relativen Gefühlsarmut und fehlender Opferempathie nur beschränkten Zugang zu den psychischen Folgen seiner Taten habe. Es fehle auch jede selbstkritische Auseinandersetzung mit seinen Gewalttaten, die in den zugrunde liegenden Urteilen als kaltblütig und brutal beschrieben worden seien. Der Verurteilte habe keine Einsicht in gefährdende Strukturen und verfüge nur über eine eingeschränkte Kontrollfähigkeit. Erschwerend wirke sich aus, dass er trotz umfangreichen Hilfsangebotes keine Hilfe von außen annehme, sondern sich abschotte. Nach der Aktenlage müsse somit davon ausgegangen werden, dass vom Verurteilten aufgrund seines Hanges weiterhin erhebliche Straftaten zu erwarten seien, durch welche die Opfer seelisch und körperlich schwer geschädigt würden.

Die Einschätzung beider Sachverständigen wird durch die Stellungnahme der Justizvollzugsanstalt Werl vom 13. April 2004 und 19. Januar 2005 gestützt. Der Verurteilte wird als Einzelgänger beschrieben, dessen Gespräche oftmals die angebliche Unrechtmäßigkeit der Anordnung der Sicherungsverwahrung zum Inhalt gehabt hätten. Jegliche selbstkritische Auseinandersetzung mit seiner Situation lasse er vermissen. Die Teilnahme an ersten Vollzugslockerungen verweigere er, weil er insoweit kleine Schritte ablehne. Auch durch die Mitarbeiter der Justizvollzugsanstalt konnten handfeste Vorstellungen des Verurteilten über die Lebensgestaltung nach einer Entlassung nicht ermittelt werden.

Damit ist nachvollziehbar und überzeugend belegt, dass beim Untergebrachten weiter der Hang besteht, Gewalttaten wie in der Vergangenheit zu begehen. Es ist nach Ansicht des Senats sogar davon auszugehen, dass sich seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit im Vergleich zu früheren Taten sogar noch erhöht hat, weil er "alles auf die Karte setzen" würde, damit man ihm eine neue Tat nicht nachweisen könnte. dass es sich dabei um Straftaten handelt, welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer schädigen können, versteht sich angesichts der zahllosen Gewalttaten der Vergangenheit und der vom Sachverständigen dargelegten erhöhten Gefährlichkeit von selbst. Die Gefahr eines Blutbades hat sich in der Vergangenheit bei den zahlreichen Gewalttaten des Verurteilten nach Ansicht des Senats ohnehin nur deshalb nicht realisiert, weil sich die Bedrohten im wesentlichen vernünftig und ruhig verhalten haben und die Situation dem Verurteilten nicht aus der Hand geglitten ist. Die Gefahr, dass eine solche Tat durch von ihm nicht vorhergesehene Umstände eskaliert, ist jedoch augenscheinlich. In einer solchen Situation besteht die äußerst nahe liegende und somit konkrete Gefahr, dass der Verurteilte jedenfalls jetzt gewaltsam seine Überführung und Verhaftung verhindern würde.

Der Verurteilte muss sich vor Augen halten, dass es sich jedenfalls dann, wenn er sich nicht zu einem Wechsel seiner Einstellung zu Behandlungs- und Förderungsangeboten seitens der Justizvollzugsanstalt durchringen kann, um eine Unterbringungssituation handelt, die den chronisch unverbesserlichen Hangtäter, der sich dauerhaft jeder Behandlung widersetzt, erfasst.

Die in der Sache erfolglose sofortige Beschwerde war daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO zu verwerfen.

Ende der Entscheidung

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