Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 28.04.2005
Aktenzeichen: 4 Ws 203/05
Rechtsgebiete: StPO, DNA-IFG


Vorschriften:

StPO § 81 g
DNA-IFG § 2
Zur Begründung der Anordnung der Entnahme von Körperzellen.
Beschluss

Strafsache

gegen S. H.,

wegen Vergewaltigung u.a.,

hier: Anordnung der Entnahme von Körperzellen, der molekulargenetischen Untersuchung und Speicherung.

Auf die Beschwerde des Angeschuldigten vom 11. März 2005 gegen den Beschluss der 1. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 7. März 2005 hat der 4 . Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28. 04. 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers mit der Maßgabe verworfen, dass die Anordnung der Entnahme von Körperzellen entfällt und der Sachverständige durch die Strafkammer noch konkret zu benennen ist.

Gründe:

Der Angeschuldigte wendet sich mit seiner Beschwerde vom 11. März 2005 gegen den Beschluss der 1. Strafkammer des Landgerichts Münster, durch den angeordnet worden ist, gemäß §§ 81 g StPO und 2 DNA-IFG eine DNA-Probe zu entnehmen und diese sodann vom LKA NW Abt. 5, Völklinger Straße 49 in Düsseldorf molekulargenetisch untersuchen zu lassen sowie das Ergebnis in der DNA-Kartei zu speichern, weil Grund zu der Annahme bestehe, dass gegen den Angeschuldigten künftig erneut Strafverfahren wegen der in § 81 g StPO genannten Taten zu führen sein werden.

Die Beschwerde ist im wesentlichen unbegründet.

Allerdings genügt der angefochtene und letztlich nicht mit einer Begründung versehene Beschluss nicht den Begründungsanforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an derartige Beschlüsse stellt (BVerfG, StV 2001, 145 (148), vgl. auch § 81 g Abs. 3 S. 2 StPO). Dieser Fehler verhilft der Beschwerde allerdings nicht zu einem (vorläufigen) Erfolg, da das Beschwerdegericht insoweit eine eigene Entscheidungsbegründung vorzunehmen hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 309 Rdnr. 7).

In der Sache hat die Generalstaatsanwaltschaft wie folgt Stellung genommen:

"Am 22.02.2005 hat die Staatsanwaltschaft Münster gegen den Beschwerdeführer Anklage beim Landgericht Münster - große Strafkammer - erhoben (BI. 19 ff d. SH), mit der ihm zur Last gelegt wird, in dem Zeitraum zwischen Sommer 1981 und Frühjahr 1995 in Vreden und Stadtlohn an verschiedenen Kindern sexuelle Handlungen vorgenommen zu haben. Im Sommer 1981 oder 1982 habe er unter Gewaltanwendung mit seiner zur Tatzeit 6 bzw. 7 Jahre alten Tochter Y. H. den Geschlechtsverkehr vollzogen, ebenso mit seiner zur Tatzeit 9 - 11 Jahre alten Nichte M. B. zwischen April 1987 und März 1990. Weiterhin habe er zwischen 1983 und 1995 in 10 Fällen sexuelle Handlungen an seiner am 24.05.1982 geborenen Nichte N. T. vorgenommen.

Mit Beschluss vom 07.03.2005 (BI. 11 d. SH) hat das Landgericht Münster gem. den § 81 g StPO und § 2 DNA-Identitätsfeststellungsgesetz angeordnet, dem Angeschuldigten eine DNA-Probe zu entnehmen und diese sodann molekulargenetisch zwecks Einstellung in die DNA-Kartei untersuchen zu lassen.

Gegen diesen Beschluss wendet sich der Angeschuldigte, der bereits im Zuge des Ermittlungsverfahrens am 08.12.2004 bei der Kreispolizeibehörde Borken freiwillig eine Speichelprobe abgegeben hatte (BI. 7 ff. d. SH), mit Beschwerde vom 11.03.2005 (BI. 18 d. SH), der das Landgericht Münster nicht abgeholfen hat (BI. 17 d. SH).

II. Die gem. § 304 Abs. 1 StPO statthafte Beschwerde ist zulässig, jedoch im Wesentlichen nicht begründet.

Die Voraussetzungen des § 81 g StPO liegen vor. Der Angeschuldigte ist mehrerer Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verdächtig; insoweit wird inhaltlich Bezug genommen auf die Anklageschrift der StA Münster vom 22.02.2005 (BI. 19 ff. d. SH).

Es ist auch zu erwarten, dass künftig Ermittlungsverfahren gegen den Angeschuldigten wegen derartiger Straftaten zu führen sein werden. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass eine hinreichend konkrete hohe - nicht notwendigerweise überwiegende - Wahrscheinlichkeit für derartige künftige Ermittlungsverfahren besteht (zu vgl. Senatsbeschluss vom 04.03.2004 - 4 Ws 722/03 -). Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben, weil der Angeschuldigte hinreichend verdächtig ist, die ihm zur Last gelegten Straftaten über einen langen Zeitraum begangen zu haben. Die Taten beziehen sich zudem auf wechselnde Opfer, so dass es sich nicht um auf besondere Lebensumstände zurückzuführende Entgleisungen handeln kann. Aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Angeschuldigten ist zu befürchten, dass er auch zukünftig ähnlich gelagerte Straftaten begehen wird. Deshalb kann allein dem Umstand, dass die letzte angeklagte Tat bereits 10 Jahre zurückliegt, keine entscheidende Bedeutung beigemessen werden.

Da der Angeschuldigte allerdings bereits am 08.12.2004 freiwillig eine Speichelprobe bei der Polizei abgegeben hatte (BI. 7 ff. d. SH), bedurfte es einer erneuten Anordnung der Entnahme von Körperzellen nicht. Soweit in der Beschwerde gegen die Anordnung der Entnahme von Körperzellen der Widerruf der am 08.12.2004 erteilten Einwilligung liegt, ist dieser unbeachtlich, denn die bis zum Widerruf gewonnenen Ergebnisse bleiben verwertbar (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 47. Aufl., § 81 a Rdnr. 5)."

Diesen zutreffenden Erwägungen schließt sich der Senat an.

Die Voraussetzungen für die molekulargenetische Untersuchung von Körperzellen gemäß § 81 g StPO - die Voraussetzungen von § 2 DNA-IFG liegen ersichtlich nicht vor - sind gegeben.

Der Tatverdacht gegen den Angeschuldigten, insgesamt 12 Straftaten der Vergewaltigung bzw. des sexuellen Missbrauchs von Kindern begangen zu haben, ergibt sich aus den Aussagen der Zeuginnen Y. H., N. T. und M. B., die ihn im Sinne der Anklage hinreichend differenziert und glaubhaft belastet haben. Deren Angaben werden insbesondere gestützt durch die Aussagen der Zeugen U. H., M. C., T. H., M. H. und B. C..

Der Senat teilt auch die Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft, dass aufgrund der Persönlichkeitsstruktur des Angeschuldigten Grund zu der Annahme besteht, dass gegen ihn künftig Strafverfahren wegen ähnlicher Straftaten zu führen sein werden. Der Tatzeitraum zieht sich über rund 14 Jahre hin. Es ist nach der Aktenlage zu einer erheblichen Anzahl von Taten gegen insgesamt drei Geschädigte gekommen. Damit ist auszuschließen, dass es sich um eine situationsbedingte, einmalige Entgleisung gehandelt hat, deren Wiederholung nicht zu befürchten ist. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich um persönlichkeitsbedingte Straftaten gehandelt hat.

Bei Abwägung des Rechts des Angeschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung und dem öffentlichen Interesse an der Erfassung des DNA-Identifizierungsmusters für künftige Ermittlungsverfahren überwiegt letzteres ersichtlich, so dass die Beschwerde im Ergebnis im wesentlichen keinen Erfolg hat.

Allerdings wird die Strafkammer den Sachverständigen noch konkret zu bestimmen haben (Meyer-Goßner, StPO, 47. Auflage, § 81 g Rdnr. 19 i.V.m. § 81 f Rdnr. 3 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Der Erfolg des Rechtsmittels ist so gering, dass eine teilweise Kostenentlastung nicht angemessen ist.

Ende der Entscheidung

Zurück