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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 03.05.2007
Aktenzeichen: 4 Ws 209/07
Rechtsgebiete: BGB, StGB


Vorschriften:

BGB § 1896 Abs. 2 S. 1
BGB § 1902
StGB § 63
Zur Zulässigkeit einer sofortigen Beschwerde des Betreuers im Maßregelvollzugsverfahren.
4 Ws 209/07 OLG Hamm

Maßregelvollzugssache

wegen versuchten Totschlags u.a.,

hier: Erledigung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Auf die sofortige Beschwerde des Betreuers vom 3. April 2007 gegen den Beschluß der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn vom 21. März 2007 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 3. Mai 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Leygraf, den Richter am Oberlandesgericht Duhme und den Richter am Amtsgericht Meiring

nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Betreuers als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Der Untergebrachte ist durch das Landgericht Paderborn am 24. Januar 1991 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und wegen versuchten Totschlags zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten verurteilt worden. Außerdem ist seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden.

Durch den angefochtenen Beschluß hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Paderborn die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus zu einem Zeitpunkt von drei Monaten ab Rechtskraft des Beschlusses aus Gründen der Verhältnismäßigkeit für erledigt erklärt und zugleich die noch offene Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt. Es hat festgestellt, daß Führungsaufsicht eintritt, die Dauer der Führungsaufsicht und Bewährungszeit auf drei Jahre festgesetzt, einen Bewährungshelfer beigeordnet und Weisungen erteilt.

Dieser Beschluß ist dem Untergebrachten, dem für das Überprüfungsverfahren Rechtsanwalt Z. als Pflichtverteidiger beigeordnet worden war, sowie dem Betreuer jeweils am 29. März 2007 zugestellt worden.

Mit Schreiben des Betreuers vom 3. April 2007, das am selben Tage beim Landgericht Paderborn eingegangen ist, hat der Betreuer sofortige Beschwerde eingelegt. Er hat das Rechtsmittel damit begründet, bei Beendigung der Unterbringung sehe er eine erhebliche Gefährdung für die Allgemeinheit.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zurückzugeben, weil die Kammer es unterlassen habe, vor ihrer Entscheidung ein Sachverständigengutachten einzuholen und den Sachverständigen mündlich zu hören.

II.

Das Rechtsmittel ist unzulässig.

1. Die Einlegung des Rechtsmittels durch den Betreuer war nicht von dessen Vertretungsmacht gedeckt.

Wer gesetzlicher Vertreter ist, richtet sich nach den Regeln des bürgerlichen Rechts (vgl. Löwe-Rosenberg-Hanack, StPO, 25. Auflage, § 298 Rdnr. 3; KMR-Plöd, StGB, 44. Aktualisierungslieferung Stand Oktober 2006, § 298 Rdnr. 1, Karlsruher Kommentar-Ruß, StPO, 5. Auflage, § 298 Rdnr. 1). Bei Volljährigen besteht für Straf- und Vollstreckungsverfahren eine gesetzliche Vertretung nur, wenn ein Betreuer bestellt ist, dessen Aufgabenbereich sich speziell oder nach dem allgemeinen Umfang der Bestellung auf eine Betreuung als Vertreter in dem Straf- oder Vollstreckungsverfahren bezieht (vgl. Löwe-Rosenberg-Hanack, a.a.O. § 298, Rdnr. 3). Das ergibt sich bereits aus § 1902 BGB, wonach der Betreuer den Betreuten in seinem Aufgabenkreis gerichtlich und außergerichtlich vertritt.

Bestellt worden ist der Betreuer vorliegend für folgende Aufgabenkreise:

"Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung und Vermögensangelegenheiten inklusive Wohnungs- und Behördenangelegenheiten".

Durch den Aufgabenkreis "Gesundheitsfürsorge" werden erfaßt die Inanspruchnahme von Leistungen der Gesundheitsfürsorge, sei es ärztliche oder andere Beratung, sei es die Versorgung mit Medikamenten, die Einwilligung in eine ärztliche Behandlungsmaßnahme, in eine Untersuchung, einen ärztlichen Eingriff usw., durch die Gestattung der Vornahme einer medizinischen Maßnahme am oder mit dem Körper, das Einverständnis mit dem Aufenthalt in einer Klinik zwecks Durchführung einer medizinischen Maßnahme sowie der Abschluß eines Behandlungs- oder eines Krankenhaus- und Behandlungsvertrages (Staudinger-Bienwald, BGB, 13. Auflage 2006, § 1896 Rdnr. 90).

Einer dieser Fälle liegt hier nicht vor, denn die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB wird als Maßnahme der Besserung und Sicherung nicht von dieser Vorschrift umfaßt (Staudinger, a.a.O., § 1906 Rdnr. 8). Daß dem auch nicht sein kann, liegt auch auf der Hand, da der Betreuer im Rahmen seines Wirkungskreises den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich vertritt. Die Frage der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus stellt jedoch keine Behandlung dar, die dem rechtsgeschäftlichen Willen des Betreuten unterliegt. Sie erfolgt vielmehr im öffentlichen Interesse und dient allein dem Schutz der Allgemeinheit vor aufgrund psychiatrischer Erkrankung oder Behinderung gefährlichen Tätern, gegen die wegen dieses Zustandes hinsichtlich der Tat ein Schuldvorwurf nicht (§ 20 StGB) oder nur eingeschränkt (§ 21 StGB) erhoben werden kann (Tröndle/Fischer, StGB, 54. Auflage, § 63 Rdnr. 2).

Aus denselben Gründen entfällt vorliegend auch die Vertretungsbefugnis aus dem Gesichtspunkt des Wirkungskreises für die "Bestimmung des Aufenthaltsbestimmungsrechts". Die Frage, ob bzw. wie lange die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu vollziehen ist, richtet sich allein nach gesetzlichen Vorschriften, ist vom Willen des Untergebrachten unabhängig und einer Vertretung nicht zugänglich.

Soweit der Wirkungskreis auch "Behördenangelegenheiten" umfaßt, ist schon zweifelhaft, ob damit überhaupt isoliert eine gerichtliche Vertretung erfaßt sein könnte, da ein solcher Kompetenzbereich im Regelfall einer konkreten Anordnung bedarf. Jedenfalls durch die Formulierung "Vermögensangelegenheiten inklusive Wohnungs- und Behördenangelegenheiten" wird vorliegend unzweifelhaft klar gestellt, daß die Behördenangelegenheiten sich auf Vermögensangelegenheiten beziehen müssen.

Im übrigen weist der Senat darauf hin, daß dem Untergebrachten für das vorliegende Überprüfungsverfahren ein Pflichtverteidiger beigeordnet worden ist, der deshalb zu bestellen war, weil der Untergebrachte nicht in der Lage ist, seine Interessen in diesem Verfahren selbst sachgerecht wahrzunehmen. Die Einrichtung einer Betreuung allgemein zum Zwecke der Wahrnehmung prozessualer Rechte des Betreuten dürfte deshalb bereits nach § 1896 Abs. 2 S. 1 BGB grundsätzlich nicht erforderlich, wenn nicht sogar ausgeschlossen sein.

Soweit der hiesige 2. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 30. November 2000 - 2 Ws 313/00 - möglicherweise eine gegenteilige Auffassung vertreten hat, ist diese jedenfalls nicht näher begründet worden.

2. Die Unzulässigkeit des Rechtsmittels ergibt sich noch aus einer weiteren Erwägung. Der gesetzliche Vertreter hat nämlich lediglich dieselben Befugnisse wie der Vertretene (vgl. Karlsruher-Kommentar-Ruß, .a.a.O. § 298 Rdnr. 1, 7; Löwe-Rosenberg-Hanack, a.a.O., § 298 Rdnr. 3; KMR-Plöd, a.a.O. § 298 Rdnr. 7). Das bedeutet, daß er lediglich zugunsten des Vertretenen ein Rechtsmittel einlegen kann (vgl. KMR-Plöd, a.a.O., § 298 Rdnr. 5; Meyer-Goßner, StPO, 49. Auflage, § 298 Rdnr. 1; Pfeiffer, StPO, 5. Auflage, § 298 Rdnr. 1).

Vorliegend wendet sich der Betreuer allein gegen die Erledigung der Maßregel, was den Untergebrachten jedoch nicht beschwert. Sein Rechtsmittel wäre somit, hätte er es selbst oder durch seinen Verteidiger eingelegt, mangels Beschwer unzulässig. Weitergehende Rechte hat der Betreuer jedoch nicht, so daß sein Rechtsmittel, das zudem allein mit einer Gefährdung für die Allgemeinheit begründet ist, auch aus diesem Grunde unzulässig ist.

Der Betreuer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen, da er es eingelegt hat und es erfolglos geblieben ist. Dabei hat es auch zu verbleiben, da er für die Einlegung des Rechtsmittels keine Vertretungsmacht besaß.

Ende der Entscheidung

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