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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 4 Ws 438/07
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 121
StPO § 122
Zur Tat i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO gehören alle Taten des Angeklagten von dem Zeitpunkt an, in dem sie bekannt geworden sind und daher in den Haftbefehl hätten aufgenommen werden können. Die Dauer der Untersuchungshaft kann ohne Rücksicht auf ihre bisherige Dauer aufgrund eines wegen erst im Laufe des Ermittlungsverfahrens bekannt gewordener neuer Tatsachen erlassenen Haftbefehls oder aufgrund einer Erweiterung des Haftbefehls bis zur Grenze des § 121 Abs. 1 StPO vollzogen werden. Die Frist beginnt sodann von dem Zeitpunkt an zu laufen, in dem der Tatverdacht so dringend geworden ist, dass der zweite Haftbefehl hätte erlassen bzw. der erste Haftbefehl hätte ergänzt werden können.
Beschluss

Strafsache gegen R. W.,

wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz, (hier: Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO).

Auf die Vorlage der Akten (Haftprüfungshefte) zur Entscheidung nach §§ 121, 122 StPO hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 16. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Leygraf sowie die Richter am Oberlandesgericht Eichel und Kallhoff nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft und des Angeklagten sowie seiner Verteidiger beschlossen:

Tenor:

Eine Entscheidung des Senats ist nicht veranlasst.

Gründe: Der Angeklagte ist am 11. April 2007 vorläufig festgenommen worden und befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Paderborn vom 12. April 2007 (26 Gs 646/07) seit diesem Tage ununterbrochen in dieser Sache in Untersuchungshaft.

Unter dem 24. August 2007 ist Anklage wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 27 Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln gegen den Angeklagten vor dem Landgericht Paderborn erhoben worden. Durch Beschluss des Landgerichts Paderborn vom 5. September 2007 ist der Haftbefehl wesentlich erweitert und neu gefasst worden. Der Inhalt der Anklageschrift ist identisch mit dem neu gefassten Haftbefehl. Dieser neu gefasste Haftbefehl ist dem Angeklagten am 18. September 2007 verkündet worden.

Am 13. September 2007 hat die Jugendkammer des Landgerichts Paderborn das Hauptverfahren gegen den Angeklagten eröffnet und Haftfortdauer beschlossen. Der Vorsitzende hat den Termin zur Hauptverhandlung bestimmt auf den 29. November 2007 und die Kammer hat durch Vermittlung der Staatsanwaltschaft die Akten dem Senat zur Haftprüfung gemäß §§ 121, 122 StPO vorgelegt.

Eine Entscheidung des Senats ist indessen nicht veranlasst.

Der Angeklagte befindet sich nicht "wegen derselben Tat" i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO seit sechs Monaten in Untersuchungshaft. Zur Tat i.S.d. § 121 Abs. 1 StPO gehören alle Taten des Angeklagten von dem Zeitpunkt an, in dem sie bekannt geworden sind und daher in den Haftbefehl hätten aufgenommen werden können (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 121 Rdnr. 12 m.w.N.). Nach inzwischen ganz herrschender Meinung in Rechtsprechung (OLG Düsseldorf StV 04, 496 m.w.N.) und Literatur (Meyer-Goßner, a.a.O., § 121 Rdnr. 14 m.w.N.), der sich der Senat anschließt, kann die Dauer der Untersuchungshaft ohne Rücksicht auf ihre bisherige Dauer aufgrund eines wegen erst im Laufe des Ermittlungsverfahrens bekannt gewordener neuer Tatsachen erlassenen Haftbefehls oder aufgrund einer Erweiterung des Haftbefehls bis zur Grenze des § 121 Abs. 1 StPO vollzogen werden. Die Frist beginnt sodann von dem Zeitpunkt an zu laufen, in dem der Tatverdacht so dringend geworden ist, dass der zweite Haftbefehl hätte erlassen bzw. der erste Haftbefehl hätte ergänzt werden können. Der gegen den Angeklagten am 12. April 2007 vom Amtsgericht Paderborn erlassene Haftbefehl betrifft diejenigen Taten, denen der Angeklagte bis zu diesem Zeitpunkt dringend verdächtig war. Anschließend sind umfangreiche Ermittlungen sowohl gegen den Angeklagten als auch gegen andere Beschuldigte geführt worden. Im Zuge dieser Ermittlungen wurde den Ermittlungsbehörden am 15. und 16. Mai 2007 im Rahmen einer informationellen Befragung des anderweitig Verfolgten Pi. bekannt, dass der Angeklagte in weit größerem Umfang Handel mit Betäubungsmitteln betrieben haben soll. Eine förmliche Beschuldigtenvernehmung des Pi. zu diesen neuen Tatkomplexen erfolgte jedoch erst am 13. Juni 2007, so dass wegen der neu bekannten Taten auch erst zu diesem Zeitpunkt ein neuer Haftbefehl erlassen oder der Ursprungshaftbefehl hätte erweitert werden können. Mithin beginnt der Lauf der 6-Monats-Frist hinsichtlich der letztgenannten Taten mit dem 13. Juni 2007 mit der Folge, dass der voraussichtliche Hauptverhandlungstermin am 29. November 2007 vor dem Ende der 6-Monats-Frist i.S.v. § 121 Abs. 1 StPO liegt und eine Vorlage der Akten zur Haftprüfung nach §§ 121, 122 StPO nicht veranlasst ist.

Ende der Entscheidung

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