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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.12.2007
Aktenzeichen: 4 Ws 477/07
Rechtsgebiete: StPO, StGB, AO


Vorschriften:

StPO § 172 Abs. 1
StPO § 172 Abs. 2
StPO § 172 Abs. 3
StGB § 355
StGB § 355 Abs. 1 Ziff. 1
AO § 69
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
4 Ws 477/07 4 Ws 478/07

Tenor:

Der Antrag wird als unbegründet verworfen.

Die durch das Verfahren über den Antrag veranlassten Kosten werden den Antragstellern auferlegt.

Gründe:

I.

Der am 24. Oktober 2007 eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom selben Tage richtet sich gegen den Bescheid des Generalstaatsanwalts vom 19. September 2007 (bei den Antragstellern eingegangen am 25. September 2007), mit dem die Beschwerde der Antragsteller vom 7. August 2007 gegen den Einstellungsbescheid der Staatsanwaltschaft Arnsberg vom 20. Juli 2007 (bei den Antragstellern eingegangen am 27. Juli 2007) als unbegründet zurückgewiesen worden ist.

II.

Der fristgerecht angebrachte Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist in Übereinstimmung mit der Auffassung des Generalstaatsanwalts zulässig, aber nicht begründet.

Der Antrag genügt den in § 172 Abs. 3 StPO gestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen. Danach muss ein Klageerzwingungsantrag eine aus sich heraus verständliche und vollständige Darlegung des dem Ermittlungsverfahren zugrundeliegenden Sachverhalts unter Angabe der Beweismittel, welche die Erhebung der öffentlichen Klage begründen sollen, enthalten. Die Sachdarstellung muss ferner den Gang des Ermittlungsverfahrens, den Inhalt der angegriffenen Bescheide und die Gründe für deren angebliche Unrichtigkeit im wesentlichen umfassen. Schließlich muss dem Antrag zu entnehmen sein, dass die Beschwerdefristen des § 172 Abs. 1 und Abs. 2 StPO eingehalten sind. Diesen Erfordernissen wird der vorliegende Antrag auf gerichtliche Entscheidung gerecht. Insoweit wird der Vorwurf der Verletzung des Steuergeheimnisses erhoben.

Genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage gegen die Beschuldigten besteht aber nicht, weil diese nach dem Ergebnis der Ermittlungen einer Verletzung des Steuergeheimnisses gemäß § 355 StGB nicht hinreichend verdächtig sind.

Bei der abschließenden Bewertung des Ermittlungsstandes, die im angefochtenen Einstellungsbescheid ihren Ausdruck gefunden hat, ist die Staatsanwaltschaft im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage gegen die Beschuldigten nicht besteht.

Zuzugeben ist den Antragstellern zwar, dass es sich bei der streitgegenständlichen Mitteilung im Insolvenzantrag, "die Gesellschafter (gemeint ist eindeutig "Geschäftsführer") hätten erhebliche Steuerschulden, die durch Vollstreckungsmaßnahmen bisher nicht eingetrieben werden konnten (siehe Insolvenzantrag E vom heutigen Tage)" um Verhältnisse eines anderen im Sinne des § 355 Abs.1 Ziffer 1 StGB handelt, die den Beschuldigten als Amtsträger bekannt geworden sind (vgl. insoweit Tröndle/Fischer § 355 StGB, Rn.7, Schönke-Schröder-Lenckner/Perron § 355 StGB, Rn.8). Denn bei Kapitalgesellschaften sind die Verhältnisse der Gesellschaft und der einzelnen Gesellschafter immer die eines anderen ( Tröndle/Fischer aaO, Schönke-Schröder aaO).

Entgegen der Auffassung der Antragsteller haben die Beschuldigten diese Verhältnisse eines anderen aber nicht unbefugt offenbart.

Ein Offenbaren setzt voraus, dass zumindest einer Person Tatsachen mitgeteilt werden, die sie zuvor subjektiv nicht kannte und die auch nicht objektiv offenkundig waren ( SK-StGB-Hoyer § 355, Rn.11, Schönke-Schröder-Lenckner/Perron § 355 StGB, Rn.14, Tröndle/Fischer § 355 StGB, Rn.13).

In diesem Zusammenhang kann zunächst dahingestellt bleiben, ob ein Offenbaren bereits tatbestandlich im Verhältnis zu dem Antragsteller E C im Hinblick auf den zeitgleich bei der selben Behörde gestellten Insolvenzantrag ausscheidet. Denn der Begriff der Offenbarung setzt begrifflich voraus, dass dem anderen - wie oben ausgeführt - die Verhältnisse nicht bereits bekannt sind (vgl. BFH BStBl. 1993, 666). Auf die Gegenargumente der Antragsteller auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 18.12.2007 braucht aber nicht näher eingegangen zu werden.

Auf jeden Fall handelten die Beschuldigten nämlich anlässlich der Stellung des Insolvenzantrages bezüglich der Firma H betreffend der streitgegenständlichen Mitteilung nicht unbefugt.

Unbestritten steht das Steuergeheimnis, dass die Amtsträger des Steuergläubigers zu wahren haben, der Glaubhaftmachung und der weiteren Offenbarung von Verhältnissen des Steuerpflichtigen gegenüber dem Insolvenzgericht nicht entgegen (Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung - Schmahl - § 14 InsO, Rn.90, Jaeger, Kommtar zur InsO, 2004, § 14, Rn.20; Hess/Weis/Wienberg, InsO, § 14 Rn.33 f). Die Offenbarung ist erlaubt, soweit sie der Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens in Steuersachen dient, wozu neben dem Vollstreckungsverfahren auch das Verfahren vor dem Insolvenzgericht zählt (wie vor). Der Schuldner hat wegen seiner eigenen umfassenden Auskunftspflicht gegenüber dem Insolvenzgericht ( § 20 Abs.1, § 97 InsO) kein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung durch den Gläubiger. Aufgrund dessen dürfen auch im weiteren Verlauf des Verfahrens alle Umstände offenbart werden, die für eine Entscheidung des Insolvenzgerichtes bedeutsam sein können ( Münchener-Kommentar aaO, Rn.91). Zwar sind hiermit unmittelbar zunächst die Verhältnisse des Steuerpflichtigen gemeint und nicht die Offenbarung von Verhältnissen Dritter, wie hier der Antragsteller.

Bei der Stellung eines Insolvenzantrages durch ein Finanzamt wird von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber verlangt, dass die Finanzbehörde im Hinblick auf ihre öffentlich rechtliche Verantwortung und wegen der irreparablen Folgen für den Schuldner besonders sorgfältig zu prüfen hat, ob alle Möglichkeiten der Einzelvollstreckung ausgeschöpft sind und ein Eröffnungsantrag gestellt werden muss (Hess/Weis aaO, Rn.37), was sich mithin als Ausfluss des Rechtsschutzbedürfnisses darstellt und von der Finanzbehörde auch darzulegen ist (Münchener-Kommentar zur InsO - Ganter- , § 5, Rn. 13) Dabei hat das Insolvenzgericht das Fehlen des Rechtschutzbedürfnisses in jedem Stadium des Eröffnungsverfahrens von Amts wegen zu prüfen (Jaeger aaO, § 14, Rn 15, Nerlich Römmermann- Mönning, InsO, 2007, § 14, Rn.9). Der Steuergläubiger muss und darf insoweit lediglich prüfen, ob der Zweck des Insolvenzverfahrens die Offenbarung offenkundig nicht rechtfertigt (BFH in BB 2003, 2216 zur § 35 GewO, Münchener Kommentar aaO, Rn.90).

Das Rechtsschutzinteresse fehlt aber, wenn für die Finanzbehörde als der antragstellenden Gläubigerin eine einfachere und billigere Möglichkeit besteht, ihren Anspruch durchzusetzen (Nerlich/Römmermann.Mönning aaO, Rn.15; Münchener-Kommentar aaO, § 14, Rn.48, Jaeger, aaO, Rn.2, Hess/weis aaO, Rn.14). Eine solche Möglichkeit besteht für die Finanzbehörde, wenn sie die maßgeblichen Steuerschulden und Nebenforderungen oder zumindest Teile davon durch einen Haftungsbescheid gemäß § 69 AO gegen die Antragsteller hätte durchsetzen können, was in Anbetracht des Umstandes, dass die Gesellschaft, vertreten durch die Antragsteller seit Juni 2005 keine Steuererklärungen und Voranmeldungen mit Ausnahme der Umsatzsteuervoranmeldung für das 2. Quartal 2005 am 11.9.2006r abgegeben haben, nahe lag.

Dabei war die Finanzbehörde im Rahmen des Insolvenzantrages nicht verpflichtet die Voraussetzungen des § 69 AO im Hinblick auf die Antragsteller im einzelnen darzulegen. Für den Nachweis eines Rechtschutzinteresses für das hier in Rede stehende Insolvenzverfahren reichte die Mitteilung, dass aufgrund eigener Steuerschulden und durchgeführter Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Antragsteller mit einer einfacheren Realisierung der Steuerschuld der Schuldnerin nicht zu rechnen war. Die pauschale Offenbarung von Steuerschulden und Vollstreckungsmaßnahmen gegen die Antragsteller war im Hinblick auf das darzulegende Rechtschutzinteresse nicht offenkundig ungerechtfertigt und damit auch nicht unbefugt im Sinne des § 355 StGB.

Nach alledem besteht genügender Anlass zur Erhebung der öffentlichen Klage im vorliegenden Verfahren gegen die Beschuldigten nicht, weil diese einer Verletzung des Steuergeheimnisses nicht hinreichend verdächtig sind.

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war daher als unbegründet zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 177 StPO.

Ende der Entscheidung

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