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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 13.02.2003
Aktenzeichen: 4 Ws 69/03
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f.
Zum Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen Nichterfüllung einer Arbeitsauflage.
Beschluß

Strafvollstreckungssache

wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.,

hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 14. Januar 2003 gegen den Beschluß der 3. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 19. Dezember 2002 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 13. Februar 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Steinberger, den Richter am Oberlandesgericht Duhme und den Richter am Oberlandesgericht Kallhoff nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Der Antrag der Staatsanwaltschaft Münster auf Widerruf der durch Urteil der 3. großen Strafkammer des Landgerichts Münster vom 3. Dezember 2001 gewährten Strafaussetzung zur Bewährung wird zurückgewiesen.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die dem Verurteilten insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen.

Gründe:

Die Strafkammer hat durch den angefochtenen Beschluß die dem Verurteilten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung wegen gröblich und beharrlicher Auflagen- und Weisungsverstöße widerrufen.

Das zulässige Rechtsmittel des Verurteilten hat entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft Erfolg.

1. Auf einen groben und beharrlichen Verstoß gegen die erteilte Arbeitsauflage kann der Widerruf nicht gestützt werden. Es kann dahinstehen, ob, wie hier geschehen, die nähere Ausgestaltung der Arbeitsauflage dem Bewährungshelfer überhaupt übertragen werden konnte (so der hiesige 2. Senat, NStZ 1998, 56) oder ob die konkret abzuleistende Arbeit durch das Gericht bestimmt werden muß (so die wohl hM: OLG Frankfurt, NStZ-RR 1997, 2 (3); OLG Schlewig-Holstein, OLGSt, § 56 b StGB Nr. 1; Schleswig-Holsteinisches OLG, OLGSt, § 56 b StGB Nr. 2; Schönke-Schröder-Stree, StGB, 26. Auflage, § 56 b Rdnr. 34, § 56 d Rdnr. 4). Keinesfalls rechtfertigt jedoch vorliegend die Nichterfüllung der Arbeitsauflage den ergangenen Widerruf, weil der Bewährungshelfer ausweislich seines Berichts vom 14. Oktober 2002 den Verurteilten angewiesen hatte, "sich bezüglich der Erledigung der Arbeitsauflage mit der Stadt Lengerich ... in Verbindung zu setzen". Damit wurde vom Verurteilten praktisch verlangt, sich selbst um eine Arbeitsstelle zu bemühen, so daß eine konkrete Arbeitsauflage, gegen die der Verurteilte verstoßen haben könnte, überhaupt nicht vorgelegen hat.

2. Auch der Verstoß gegen die erteilte Therapieweisung rechtfertigt zumindest derzeit den ergangenen Widerruf noch nicht. Insoweit dürfte zwar ein grober und beharrlicher Weisungsverstoß vorliegen. Die Annahme aber, daß deshalb Anlaß zur Besorgnis der Begehung neuer Straftaten durch den Angeklagten besteht, läßt sich nicht hinreichend begründen. Dabei ist einerseits zu berücksichtigen, daß bei dem im übrigen nicht vorbestraften Verurteilten eine schwere Persönlichkeitsstörung besteht, die vorwiegend durch selbstunsichere, geltungsbedürftige und dissoziale Anteile gekennzeichnet ist und mit einer erheblichen emotionalen Labilität einhergeht, auf deren Boden sich durch zusätzliche Faktoren wie Heimatlosigkeit, Entwurzelung, hohe Verschuldung, Langzeitarbeitslosigkeit und Bestehens versorgungsbedürftigen Familie eine depressive Symptomatik entwickelt hat (vgl. S. 10 UA). Andererseits kann jedoch bei der nunmehr anzustellenden neuen Prognoseentscheidung nicht außer Betracht bleiben, daß die früher bestandene Alkoholproblematik, die bei allen der Verurteilung zugrundeliegenden Taten eine wesentliche Rolle gespielt hatte, die Grundstörung verstärkt hatte. Insoweit ist im zugrundeliegenden Urteil festgestellt, daß sich das Verhalten des Verurteilten im Hinblick auf den Alkohol bereits seit Oktober 2000 zum Positiven geändert hatte, er sich bei der ambulanten Untersuchung im Sommer 2001 subjektiv deutlich besser gefühlt hatte, weil er unter Alkoholkarenz mehr Respekt und Anerkennung von anderen erfahren hatte. Aus dem weiteren Bewährungsverlauf ergeben sich für einen von dieser grundsätzlich positiven Entwicklung abweichenden Krankheitsverlauf keine Anhaltspunkte. Auch sind neue Ermittlungsverfahren gegen ihn nicht bekannt geworden. Berücksichtigt man weiter, daß der Verurteilte nunmehr bereit ist, sich der psychiatrischen Behandlung zu unterziehen, ist der ergangene Widerruf zumindest derzeit nicht gerechtfertigt.

3. Der Senat weist darauf hin, daß auch das Widerrufsverfahren nicht frei von durchgreifenden Rechtsfehlern ist. Gemäß § 453 Abs. 1 S. 3 StPO ist dem Verurteilten grundsätzlich die Möglichkeit zu geben, sich mündlich zu äußern, wenn wegen Auflagen- oder Weisungsverstoßes ein Widerruf erfolgen soll. Die Strafkammer hat den Verurteilten zwar für den 12. November 2002 zur mündlichen Anhörung geladen, nach der Aktenlage ist der Verurteilte jedoch nicht davon in Kenntnis gesetzt worden, daß er zu einem möglichen Widerruf der Strafaussetzung angehört werden sollte. Der Vermerk über sein Nichterscheinen zu diesem Termin ist der Staatsanwaltschaft unter dem 18. November 2002 zur Kenntnis gebracht worden, die daraufhin unter dem 22. November 2002 einen Widerrufsantrag gestellt hat. Zu diesem Antrag ist der Verurteilte jedoch nur schriftlich angehört worden, ohne daß ihm Gelegenheit zur mündlichen Äußerung angeboten worden wäre.

Die Staatskasse hatte die Kosten des Verfahrens und die dem Verurteilten in diesem Verfahren erwachsenen notwendigen Auslagen zu tragen, weil das Rechtsmittel vollen Erfolg hatte.

Ende der Entscheidung

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