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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.01.2004
Aktenzeichen: 4 Ws 724/03
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 81 a |
Beschluss
Strafsache
gegen D.L. u.a.
wegen Kreditbetruges u.a., hier: Anordnung der Begutachtung des Angeklagten auf seine Verhandlungsfähigkeit.
Auf die Beschwerde des Angeklagten vom 2. Dezember 2003 gegen den Beschluss der 9. Strafkammer des Landgerichts Münster vom 6. 11. 2003 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 01. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird hinsichtlich Ziffer 3 im letzten Absatz aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
"Falls der Sachverständige Zusatzuntersuchungen, insbesondere eine erneute Kernspintomographie, für erforderlich hält, soll er sich zunächst dazu äußern, ob mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit gesundheitliche Nachteile, die über die Untersuchungsdauer erheblich hinauswirken, ausgeschlossen erscheinen, und mit welchen Beeinträchtigungen und mit welchen Folgen für den Angeklagten bei den für erforderlich erachteten Zusatzuntersuchungen gerechnet werden muss.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten der Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafkammer die Begutachtung des Angeklagten D.L. auf seine Verhandlungsfähigkeit angeordnet. Dazu hat sie in Ziffer 3 des Beschlusses u.a. eine psychiatrische Begutachtung des Angeklagten durch den Sachverständigen Dr. S. angeordnet. Im letzten Absatz von Ziffer 3 heißt es:
"Dem Sachverständigen wird gestattet, für seine Begutachtung erforderlich erachtete Zusatzuntersuchungen, insbesondere eine erneute Kernstpintomographie, durch Beauftragung anderer fachkundiger Personen durchführen zu lassen."
Gegen diese Anordnung wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde, mit der er unter Bezugnahme auf eine gutachterliche Stellungnahme von Prof. Dr. F. die Untersagung einer erneuten Kernspintomographie erstrebt. Eine derartige Untersuchung führe bei ihm mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Panikattacken und Angstzuständen, die angesichts seiner somatischen Disposition (Hochrisikopatient aus kardiologischer und diabetologischer Sicht) zu einer gravierenden körperlichen und/oder psychischen Dekompensation führen könne.
Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt, die Beschwerde gemäß § 305 S. 1 StPO als unzulässig zu verwerfen.
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch teilweise Erfolg.
1. Die Statthaftigkeit der Beschwerde ergibt sich aus § 305 S. 2 StPO. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind zwar grundsätzlich Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgehen, nicht anfechtbar. Von diesem Grundsatz lässt § 305 S. 2 StPO jedoch Ausnahmen zu. Diese betreffen Maßnahmen, die bei der Urteilsfällung nicht geprüft werden, weil sie weder rückwirkend beseitigt noch nachgeholt werden können. Die aufgezählten Fälle, die überwiegend Grundrechtseingriffe betreffen, sind nicht abschließend (Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, § 305 Rdnr. 6 f. m.w.N.).
Ein solcher Ausnahmefall liegt nach Ansicht des Senats - zumindest nicht augschließbar - auch hier vor. Der Angeklagte hat unter Vorlage eines entsprechenden fachärztlichen Gutachtens geltend gemacht, die Vornahme einer erneuten Kernspintomographie führe bei ihm zu nachhaltigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. In einem solchen Fall ist die Anfechtbarkeit der ergangenen Entscheidung nach den oben beschriebenen Grundsätzen nicht nach § 305 S. 1 StPO ausgeschlossen (vgl. auch KK-Engelhardt, StPO, 5. Auflage, § 305 Rdnr. 5).
Auch der Umstand, dass bisher unklar ist, ob der Sachverständige Dr. S. überhaupt eine derartige oder andere möglicherweise beeinträchtigende Zusatzbegutachtungen für erforderlich hält, führt vorliegend nicht zur Unzulässigkeit der Beschwerde. Die Strafkammer hat durch ihre Entscheidung dem Sachverständigen insoweit eine generelle Ermächtigung zur Erteilung von Zusatzbegutachtungen erteilt. Es erscheint zweifelhaft, ob der Angeklagte noch rechtzeitig Rechtsschutz erreichen kann, falls der Sachverständige derartige Untersuchungen für erforderlich erachtet.
2. Die danach zulässige Beschwerde hat in der Sache Teilerfolg.
Die Zulässigkeit der getroffenen Anordnung richtet sich nach § 81 a StPO. Vor der Anordnung einer über die reine Beobachtung unter Umständen erheblich hinausgehender Eingriffe in den Körper des Angeklagten muss der Richter wegen der damit möglicherweise verbundenen starken unmittelbaren Beeinträchtigung der Persönlichkeit und der Gesundheit des Betroffenen selbständig - erforderlichenfalls auf Grund sachverständiger ärztlicher Beratung - prüfen, ob der Eingriff nach dem Stande der Ermittlungen geboten ist, ob er nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu Untersuchungszwecken vorgenommen zu werden pflegt und ob er ohne gesundheitliche Gefährdung durchgeführt werden kann (vgl. BGHSt 8, 144, 148 zur Anordnung einer Enzephalographie). Der Senat verkennt nicht, dass die Vornahme einer Kernspintomographie regelmäßig einen wesentlich geringeren Eingriff darstellt als eine Enzephalographie. Allerdings, und das ist für den Senat entscheidungstragend, dürfen die Umstände des Einzelfalls, insbesondere persönliche Dispositionen, nicht unberücksichtigt bleiben. Ohne vorherige sachverständige Beratung ist die Kammer nicht in der Lage zu prüfen, ob die Vornahme des - grundsätzlich wenig invasiven - Eingriffs einer Kerspintomographie bei diesem Angeklagten nicht doch zu schweren gesundheitlichen Nachteilen führen kann. Dem Richter ist jedoch die eigenverantwortliche Prüfung dafür auferlegt, ob eine bestimmte Untersuchung im konkreten Fall erlaubt ist oder nicht. Dieser eigenverantwortlichen Prüfung hat sie sich durch die getroffene Anordnung entzogen.
Durch die in der Beschlussformel aufgeführte Neufassung des letzten Absatzes zu Ziffer 3 trägt der Senat den zu stellenden Anforderungen Rechnung.
Trotz des Teilerfolges der Beschwerde hat der Senat den Angeklagten mit den Kosten des Beschwerdeverfahrens belastet. Aufgrund des Umstandes, dass unklar ist, ;b der Sachverständige überhaupt eine Zusatzbegutachtung für erforderlich hält und ob die Strafkammer im Falle der Ertorderlichkeit, nach sachverständiger Beratung, gleichwohl zur Anordnung der Maßnahme kommen würde, erscheint es nicht unangemessen, den Angeklagten mit den gesamten Kosten des Beschwerdeverfahrens zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO).
Ende der Entscheidung
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