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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.01.2004
Aktenzeichen: 4 Ws 733/04
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 44
StPO § 311
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 44 Satz 1, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO kommt nur dann in Betracht, wenn die Rechtsmittelschrift bei der unzuständigen Stelle so rechtzeitig eingeht, dass sie bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang noch rechtzeitig an das zuständige Gericht hätte weitergeleitet werden können (entgegen OLG Hamm, Beschl. v. v. 6. 8. 2003; 2 Ws 164/03).
4 Ws 732/04 OLG Hamm 4 Ws 733/04 OLG Hamm

Beschluss

Strafvollstreckungssache

wegen Betruges u.a.,

hier: Widerruf der Reststrafaussetzung in zwei Verfahren.

Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 9. November 2003 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Detmold vom 31. Oktober 2003 hat der 4 . Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 06. 01. 2004 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Gründe:

I.

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Münster vom 22. November 1994 und aus dem Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Münster vom 8. Januar 1991 widerrufen.

Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Verurteilten.

II.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 453 StPO statthaft, es ist jedoch nicht rechtzeitig eingelegt worden. Der Beschluss ist dem Beschwerdeführer mit Rechtsmittelbelehrung ausweislich der Akten am 6. November 2003 selbst zugestellt worden. Die sofortige Beschwerde, die gemäß § 311 Abs. 2, 35 Abs. 2 StPO innerhalb einer Woche seit der Zustellung einzulegen gewesen wäre, hätte daher nach § 43 Abs. 1 StPO spätestens bis zum 13. November 2003 bei dem Landgericht Detmold eingehen müssen. Sie ist aber tatsächlich erst am 13. November 2003 zunächst bei dem Amtsgericht Münster, dem bezeichneten Empfänger, eingegangen. Die Rechtsmittelschrift ist zunächst vom Amtsgericht Münster an die Staatsanwaltschaft Münster und sodann am 19. November 2003 an das Landgericht Detmold weitergeleitet worden, wo sie am 1. Dezember 2003 und damit deutlich verspätet einging. Das Rechtsmittel musste daher mit der Kostenfolge aus § 473 Abs. 1 StPO als unzulässig verworfen werden.

Es besteht keine Veranlassung, dem Verurteilten von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zu gewähren.

Zwar hat der hiesige 2. Strafsenat in seiner Entscheidung vom 6. August 2003 - 2 Ws 164/03 - ausgeführt, ein angegangenes unzuständiges Gericht sei aufgrund seiner prozessualen Fürsorgepflicht jedenfalls dann zum Ergreifen außerordentlicher Maßnahmen wie der Übermittlung der Rechtsmittelschrift per Telefax verpflichtet, wenn sich der Eingabe - wie auch hier - neben dem korrekten Adressaten sogleich entnehmen lasse, dass der Ablauf der Rechtsmittelfrist unmittelbar bevorstehe und andernfalls deren Versäumung drohe.

Dem folgt der erkennende Senat jedoch nicht.

Mit dieser Entscheidung geht der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm über die Anforderungen hinaus, die nach heute nahezu einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur in einem derartigen Fall zu stellen sind. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß §§ 44 Satz 1, 45 Abs. 2 Satz 3 StPO kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn die Rechtsmittelschrift bei der unzuständigen Stelle so rechtzeitig eingeht, dass sie bei ordnungsgemäßem Geschäftsgang noch rechtzeitig an das zuständige Gericht hätte weitergeleitet werden können (zu vgl. Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 44 Rdnr. 12; KK-Maul, StPO, 5. Aufl., § 44 Rdnr. 26; OLG Hamm, NJW 1997, 2829, 2830 m.w.N.). Gegen diese Ansicht bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken (BVerfG, NJW 1995, 3173, 3175), so dass die gerichtliche Fürsorgepflicht - auch im Lichte der Verfassung - eine weitergehende Verpflichtung des angegangenen unzuständigen Gerichts als die Weiterleitung im ordentlichen Geschäftsgang nicht erfordert.

Ein amtliches Versäumnis liegt damit hier nicht vor. Die Beschwerdeschrift ist erst am 13. November 2003 und damit am letzten Tag der Beschwerdefrist beim Amtsgericht Münster eingegangen. Damit konnte sie im ordentlichen Geschäftsgang nicht mehr rechtzeitig dem nach § 306 Abs. 1 StPO zuständigen Landgericht Detmold zugeleitet werden.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beschwerdeschrift ggf. noch fristgerecht per Telefax an das Landgericht Detmold hätte weitergeleitet werden können. Ein angegangenes unzuständiges Gericht ist nämlich, wie bereits ausgeführt, gerade nicht verpflichtet, außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen, um den rechtzeitigen Eingang einer Rechtsmittelschrift bei dem zuständigen Gericht zu gewährleisten. Die Übermittlung des Inhalts eines Schriftstücks per Telefax durch das Gericht stellt eine außerordentliche Maßnahme dar, die über den Rahmen des ordentlichen gerichtlichen Geschäftsganges hinausgeht. Denn diese Maßnahme wird von den Gerichten nur dann ergriffen, wenn eine rechtzeitige Bearbeitung oder Erledigung einer dringlichen Angelegenheit auf dem Wege des üblichen Schriftverkehrs durch Übersendung durch die Post nicht möglich ist. Nähme man eine Verpflichtung des angegangenen unzuständigen Gerichtes an, auch derartige außerordentliche Maßnahmen zu ergreifen, hätte dies zur Folge, dass der von einer ungünstigen Gerichtsentscheidung Betroffene seine Rechtsmittelschrift bei jedem beliebigen Gericht oder jeder Staatsanwaltschaft bis kurz vor Ende der normalen Dienstzeit einreichen könnte, ohne eine Fristversäumung befürchten zu müssen. Da aber gemäß § 35 a StPO strafgerichtliche Entscheidungen, die durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten werden können, bei ihrer Bekanntmachung gegenüber dem Betroffenen mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen sind, die auch eine Angabe des Gerichtes enthält, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, besteht kein Anlass den Rechtsmittelführer von dem Risiko einer Fristversäumung infolge der Einreichung eines Rechtsmittels bei dem unzuständigen Gericht nahezu vollständig zu befreien (zu vgl. OLG Hamm, a.a.O.) bzw. § 306 Abs. 1 StPO auszuhöhlen. Diese Vorschrift, die bestimmt, dass die Beschwerde bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich einzulegen ist, wäre überflüssig, würde man der Ansicht des hiesigen 2. Strafsenats folgen.

Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass die sofortige Beschwerde auch in der Sache keinen Erfolg hätte haben können.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

Ende der Entscheidung

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