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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.05.2008
Aktenzeichen: 5 (s) Sbd X - 36/08
Rechtsgebiete: RVG
Vorschriften:
RVG § 42 |
Beschluss
Strafsache
gegen F.M.
wegen unerlaubter Veranstaltung eines Glücksspiels, (hier: Feststellung einer Pauschgebühr gemäß § 42 RVG).
Auf den Antrag des Wahlverteidigers Rechtsanwalt Guido Bongers in Bad Homburg vom 7. Februar 2008 auf Feststellung einer Pauschgebühr gemäß § 42 Abs. 1 RVG für die Tätigkeit im vorbereitenden und im amtsgerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Rheine hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 05. 2008 durch die Richterin am Oberlandesgericht (als Einzelrichterin gemäß § 42 Abs. 3 S. 1 RVG) nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Tenor:
Dem Wahlverteidiger des früheren Angeklagten wird für seine Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren und gerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Rheine anstelle der gesetzlichen Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG von höchstens 300,- € eine Pauschgebühr von 450,- €, für die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG in Höhe von höchstens 250,- € eine Pauschgebühr von 375,- € und für die Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG in Höhe von höchstens 250,-. € eine Pauschgebühr in Höhe von ebenfalls 375,- € (insgesamt 1.200,- €, i.W.: eintausendzweihundert Euro) bewilligt.
Der weitergehende Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 Abs. 1 RVG wird abgelehnt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller vertrat den früheren Angeklagten seit dem 8. Mai 2006 als Wahlverteidiger, und damit bereits vor Eingang der zweiseitigen Anklageschrift vom 3. November 2006 bei dem Amtsgericht Rheine. Der frühere Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Rheine vom 8. Januar 2008 rechtskräftig freigesprochen worden.
Der Antragsteller beantragt mit näherer Begründung, auf die Bezug genommen wird, die Feststellung einer Pauschgebühr gemäß § 42 RVG in Höhe des Doppelten der gesetzlichen Höchstgebühren hinsichtlich der Grundgebühren Nr. 4100 VV RVG in Höhe von 600,- €, der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG in Höhe von 500,- € und der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG in Höhe von ebenfalls 500,- €.
Der Vertreter der Staatskasse hat zu dem Antrag dahingehend Stellung genommen, dass er gegen die Wertung der einfachen Höchstgebühren als unzumutbar und die Feststellung einer Pauschgebühr zwar keine Bedenken habe, jedoch den Antrag auf Feststellung der Höchstgrenze der einzelnen Gebühren für übersetzt halte.
II.
Der Antrag auf Feststellung einer Pauschgebühr nach § 42 RVG ist im bezeichneten Umfang begründet.
Nach § 42 Abs. 1 RVG wird dem gewählten Verteidiger auf Antrag eine Pauschgebühr für das gesamte Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte festgesetzt, wenn aufgrund des besonderen Umfangs oder der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit die in den Teilen 4 bis 6 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren eines Wahlanwaltes nicht zumutbar sind. Die Prüfung der Unzumutbarkeit schließt die Berücksichtigung der weiteren Umstände, die nach § 14 RVG bei der Bemessung der Rahmengebühren durch den Verteidiger maßgeblich sind, nämlich der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers ein (vgl. OLG Jena, Beschluss vom 26.08.2005, RVGreport 2006, 146). Eine Pauschgebühr kommt nach § 42 RVG vorrangig dann in Betracht, wenn bereits die Bedeutung der Sache für den (früheren) Angeklagten und/oder die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers überdurchschnittlich sind sowie zusätzlich ein besonderer Umfang der anwaltlichen Tätigkeit bzw. eine besondere Schwierigkeit derselben gegeben sind. Insoweit unterscheidet sich die Festsetzung der Pauschgebühr nach § 42 RVG, auch wenn der Gesetzeswortlaut fast identisch ist, wesentlich von der Festsetzung einer Pauschgebühr gemäß § 51 RVG, worauf der Vertreter der Landeskasse zutreffend hingewiesen hat.
Angesichts der überdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen, für den die Entscheidung existentielle Auswirkungen haben konnte, und aufgrund seiner überdurchschnittlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei einem durchschnittlichen Bruttoeinkommen von rund 2.300,- € monatlich, liegen diese besonderen Voraussetzungen hier vor. Nach der Stellungnahme des Gerichtsvorsitzenden vom 07.April 2008, der sich der Senat anschließt, hat die Strafsache für den Antragsteller auch besondere Schwierigkeiten in rechtlicher Hinsicht geboten. Der Antragsteller hat diese besondere Rechtsproblematik in seiner Antragsschrift zutreffend dargetan. Schließlich waren die Tätigkeiten des Antragstellers für ein amtsgerichtliches Verfahren in der Gesamtschau auch besonders umfangreich i.S.v. § 42 RVG.
Bei Würdigung aller Umstände erscheinen die einfachen Höchstgebühren zur Abgeltung der Tätigkeiten des Wahlverteidigers als unzumutbar. Diese betragen bei der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG 300,- €, bei der Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG 250,- € und bei der Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG ebenfalls 250,- €. Der Antrag auf Feststellung der einzelnen Gebühren in Höhe der doppelten Höchstgebühren ist indes nur teilweise begründet. Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles hält der Senat anstelle der gesetzlichen Gebühren folgende Gebühren für angemessen, aber auch ausreichend: für die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG 450,- €, für die Verfahrensgebühr Nr. 4104 VV RVG 375,- € und für die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4106 VV RVG ebenfalls 375,- €, mithin insgesamt 1.200,- €.
Der weitergehende Antrag in Höhe der zweifachen Höchstgebühr für die genannten drei Gebühren war hingegen abzulehnen. Für eine Verdoppelung der Höchstgebühren sind keinerlei Ansätze erkennbar. Von einem Sonderfall, der die Feststellung der absoluten Höchstgrenze rechtfertigt, ist vorliegend nicht auszugehen. Selbst unter den Voraussetzungen des § 51 RVG kommt eine Pauschgebühr schon in Höhe der einfachen Wahlverteidigerhöchstgebühren nach der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts grundsätzlich nur in Betracht, wenn die Gebühr in einem grob unbilligen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers stand oder das vorliegende Verfahren die Arbeitskraft des Verteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hätte, was beispielsweise bei außergewöhnlich umfangreichen und schwierigen Strafsachen angenommen wird (vgl. OLG Hamm in StRFo 1998, 215 und in NStZ 2000, 555). Diese Rechtsprechung erscheint für die Feststellung der absoluten Höchstgrenzen nach § 42 RVG jedenfalls im Grundsatz übertragbar. Umstände, die einen entsprechend gearteten Sonderfall begründen können, sind nicht ersichtlich.
Die Spezialisierung des Antragstellers auf das vorliegend einschlägige Rechtsgebiet rechtfertigt für sich genommen eine andere Beurteilung nicht, denn dem besonderen Aufwand, mit dem der Erwerb entsprechender Kenntnisse generell verbunden ist, steht im Allgemeinen eine Vereinfachung des Arbeitsaufwandes im Einzelfall durch mögliche Rückgriffe auf solche Umstände gegenüber, die aufgrund des besonderen Fachwissens bereits bekannt sind. Anhaltpunkte, die dieser Bewertung vorliegend entgegenstehen, liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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