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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 29.04.2008
Aktenzeichen: 5 (s) Sbd X 23/08
Rechtsgebiete: RVG
Vorschriften:
RVG § 51 |
Beschluss
Strafsache
gegen P.J.
wegen Mordes u. a. (hier: Pauschgebühr für den Beistand der Nebenklägerin).
Auf den Antrag der Rechtsanwältin T. in G. vom 06. Februar 2008 auf Bewilligung einer Pauschgebühr für die Tätigkeit als Beistand der Nebenklägerin S. hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29. 04. 2008 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gem. §§ 51, 42 Abs. 3 S. 1 RVG nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:
Tenor:
Der Antragstellerin wird an Stelle der gesetzliche Gebühren in Höhe von 9.230,00 € eine Pauschgebühr in Höhe von 12.500,00 € (i. W.: zwölftausendfünfhundert Euro) bewilligt.
Gründe:
I.
Dem ehemaligen Angeklagten P.J. ist im vorliegenden Verfahren vorgeworfen worden, als Heranwachsender in der Nacht zum 20.08.2006 die damals 15jährige Tochter der Nebenklägerin N.O. zunächst körperlich verletzt und sodann ermordet zu haben. Die große Jugendkammer des Landgerichts Hagen verurteilte den ehemaligen Angeklagten am 21. Juni 2007 nach 21 Verhandlungstagen und Anhörung von über 80 Zeugen und Sachverständigen wegen gefährlicher Körperverletzung und wegen Mordes zu 10 Jahren Jugendstrafe. Das Urteil ist rechtskräftig.
Die Antragstellerin ist Frau A.S. als Mutter der bei der Tat getöteten Nadine Ostrowski gem. §§ 395 Abs. 2 Nr. 1, 397 a Abs. 1 Nr. 1 StPO durch Beschluss des Landgerichts vom 02. Januar 2006 als Beistand bestellt worden.
Mit Antrag vom 06. Februar 2008 hat die Antragstellerin die Festsetzung einer Pauschgebühr beantragt, deren Höhe sie in das Ermessen des Senats stellt. Sie ist im vorgerichtlichen und gerichtlichen Verfahren tätig geworden. Ihren Antrag stützt sie darauf, dass die Sach- und Rechtslage sowohl besonders umfangreich als auch besonders schwierig gewesen sei. Wegen ihrer Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren wird auf die Ausführungen des Leiters des Dezernats 10 in seiner Stellungnahme vom 12. März 2008, in der die Tätigkeit im Einzelnen, u. a. ihre Sitzungsteilnahme an 20 Hauptverhandlungsterminen mit einer durchschnittlichen Terminsdauer von über 4 Stunden detailliert aufgeführt ist, Bezug genommen. Die Antragstellerin hat im Übrigen unter dem 15. April 2008 vorgetragen, dass sie außergerichtlich, insbesondere im Ermittlungsverfahren jede Woche mit der Nebenklägerin und deren Vertrauten am Wohnort der Nebenklägerin Besprechungen von jeweils 1 1/2stündiger Dauer durchgeführt habe. Neben diesem Zeitaufwand seien auch die Fahrtzeiten von je 20 Minuten pro Fahrstrecke und die gegenüber der Gerichtskasse nicht geltend gemachten Fahrtkosten zu berücksichtigen. Der schwer traumatisierten Mutter der Getöteten seien Besprechungen in der Kanzlei nicht zumutbar gewesen.
Die gesetzlichen Gebühren der Antragstellerin betragen wie der Leiter des Dezernats 10 in seiner Stellungnahme zutreffend dargetan hat, 9.230,00 €.
Der Vorsitzende der Jugendkammer hat das Verfahren für die Antragstellerin als in tatsächlicher Hinsicht besonders schwierig angesehen. Der Vertreter der Staatskasse hat dem nicht widersprochen; er sieht das Verfahren auch als besonders umfangreich an.
II.
Der Antragstellerin war nach § 51 Abs. 1 RVG eine Pauschgebühr zu bewilligen.
Entsprechend der Ansicht des Vorsitzenden der Jugendkammer war die Strafsache für die Antragstellerin besonders schwierig i. S. v. § 51 Abs.1 RVG. Besonders schwierig in diesem Sinne ist nach ständiger Rechtsprechung ein Verfahren, das aus besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Gründen über das Normalmaß hinaus erheblich verwickelt ist (vgl. Burhoff/Burhoff, RVG, Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl. 2007, § 51 Rdnr. 19 ff. m. w. N.). Das ist vorliegend nach Einschätzung des Senats der Fall. Insoweit schließt sich der Senat der Einschätzung des Vorsitzenden der Strafkammer an. Zwar hat der Vorsitzende seine Auffassung auch mit Umständen begründet, die eher für einen besonderen Umfang des Verfahrens sprechen, der Senat ist jedoch aufgrund der schwierigen Feststellungen zum eigentlichen Tathergang, der den Angaben des Angeklagten nur teilweise entspricht, sowie den Hintergründen der Tat sowie der komplizierten Persönlichkeitsstruktur des Täters der Auffassung, dass die Sache in tatsächlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten geboten hat.
Das Verfahren war für die Antragstellerin auch besonders umfangreich i. S. d. § 51 Abs. 1 RVG. Die Antragstellerin hat an 20 von 21 Hauptverhandlungsterminen teilgenommen, die durchschnittlich über 4 Stunden dauerten. Über 80 Zeugen und Sachverständige sind - teilweise mehrfach - gehört worden; zudem eine Vielzahl von Aktenauszügen, Lichtbildern und Beiakten verlesen bzw. in Augenschein genommen worden. Bei der Bewertung als besonders umfangreich ist berücksichtigt, dass der Gesetzgeber dem in der Regel höheren Schwierigkeitsgrad und größeren Umfang von Schwurgerichtssachen bereits durch erheblich erhöhte gesetzliche Gebühren gegenüber sonstigen Strafsachen, die von einer großen Strafkammer verhandelt werden, Rechnung getragen hat. Hierauf hat der Vertreter der Staatskasse zutreffend hingewiesen.
Allerdings erhält das Verfahren auch dadurch ein besonderes Gepräge, dass die Antragstellerin bereits im Ermittlungsverfahren wöchentlich mit der Nebenklägerin und einer von dieser als Vertrauensperson anerkannten Mitarbeiterin des Weißen Ringes Besprechungen von jeweils 1 1/2stündiger Dauer durchgeführt und die Nebenklägerin mit Rücksicht auf ihre schwere Traumatisierung an ihrem Wohnsitz aufgesucht hat, wodurch weiterer erheblicher Zeitaufwand entstanden ist. Die Antragstellerin hat damit das Erfordernis der besonderen anwaltlichen Betreuung der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren geltend gemacht. Grundsätzlich kann ein besonderer Betreuungsaufwand, der von einem Rechtsanwalt zu erbringen ist, bei der Bemessung der Pauschgebühr berücksichtigt werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08. Juni 2007, 2 (s) Sbd. IX - 87/07 = BeckRS 2007, 15446 m. W. N.). Dieser zusätzliche Zeitaufwand ist durch die Antragstellerin auch hinreichend dargetan worden. Der hiermit gegebene besondere Umfang der Sache und die besondere Schwierigkeit führen bei der für das gesamte Verfahren anzustellenden Gesamtbetrachtung dazu, dass die gesetzlichen Gebühren der Antragstellerin nicht ausreichend erscheinen, um deren Tätigkeit angemessen zu vergüten. Sie sind daher nicht mehr zumutbar i. S. d. § 51 Abs. 1 RVG, so dass dem Grunde nach eine Pauschgebühr zu bewilligen war.
Da die Antragstellerin nicht nur für einzelne Verfahrensabschnitte eine Pauschgebühr geltend macht, sondern eine solche für das gesamte Verfahren und ihre gesamte Tätigkeit, ist die Pauschgebühr nicht nach einzelnen Verfahrensabschnitten vorzunehmen, sondern insgesamt. Die Höhe hat die Antragstellerin in das Ermessen des Gerichts gestellt.
Bei Würdigung aller Umstände dieses Einzelfalls erscheint es hier gerechtfertigt, der Antragstellerin an Stelle der gesetzlichen Gebühren eine Pauschgebühr in Höhe von 12.500,00 € zu bewilligen; diese Pauschgebühr erscheint angemessen aber auch ausreichend.
Ende der Entscheidung
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