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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 22.01.2007
Aktenzeichen: 5 U 126/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, NachbG
Vorschriften:
ZPO § 132 Abs. 1 S. 1 | |
ZPO § 301 Abs. 1 S. 1 | |
BGB § 254 | |
BGB § 905 S. 2 | |
BGB § 1004 | |
BGB § 1004 Abs. 1 S. 1 | |
BGB § 1004 Abs. 2 | |
NachbG § 23 |
Tenor:
Die Widerbeklagten werden verurteilt,
1. die an der gemeinsamen Grundstücksgrenze der Parteien angebrachten Dachrinnen zu entfernern;
2. das an der Grenzwand befindliche Heizungsthermostat zu entfernen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
(§ 540 ZPO)
A.
Die Parteien sind Eigentümer von benachbarten Grundstücken. Die Widerkläger verlangen von den Widerbeklagten ein Entfernen des Thermostates und der Dachrinnen entlang der Grundstücksgrenze sowie das Unterlassen der Nutzung des vor ihrem Haus befindlichen Weges. Die Parteien führten vor der Klageerhebung erfolglos ein Schlichtungsverfahren durch. Die Widerkläger erwarben im Jahr 1994 das Eigentum an ihrem Grundstück. Die Widerbeklagten unterhalten auf dem eigenen Grundstück eine Grenzwand entlang der Grundstücksgrenze zu den Widerklägern. Im Jahr 2003 ersetzten sie die dortigen Dachrinnen. Die Widerkläger erhielten unter dem 03.02.2004 vom Bauordnungsamt der Stadt E u.a. eine Genehmigung zum Errichten eines Carports, der nach den vorliegenden Planungs- und Genehmigungsunterlagen im Bereich der Grundstücksgrenze der Parteien verlaufen und einen dort befindlichen Anbau ersetzen soll. Wegen der Einzelheiten wird auf die Genehmigung vom 03.02.2004 nebst Planungsunterlagen (Bl. 93-98 d. A.) verwiesen.
Mit Ordnungsverfügung vom 09.05.2005 gab die Stadt E den Widerbeklagten den Abriss von Anbauten entlang der Grundstücksgrenze zu den Widerklägern auf. Mit Bescheid vom 30.06.2006 wies die Bezirksregierung Arnsberg den Widerspruch der Widerbeklagten zurück. Nunmehr haben die Widerbeklagten eine Klage beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Az. 10 K 2276/06, erhoben. Eine Entscheidung ist noch nicht ergangen.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien einschließlich der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 318-321 d. A.).
Das Landgericht hat die Widerkläger durch Anerkenntnis-Teil-Urteil verurteilt, zu dulden, dass die Widerbeklagten und durch diese beauftrage Fachkräfte zur Durchführung von Instandsetzungsarbeiten an der Grenzwand ihres Hauses, das Grundstück der Widerkläger betreten. Das Landgericht hat Klage und Widerklage nach Einholung eines Gutachtens und einer Zeugenvernehmung abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung (Bl. 321-325 d. A.) verwiesen.
Hiergegen wenden sich die Widerkläger mit der Berufung, die sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens im wesentlichen noch wie folgt begründen: Wenn sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Verpflichtung zum Entfernen des gesamten Anbaus ergeben würde, seien auch Dachrinnen und Thermostat zu entfernen. Beide Gegenstände seien erst nach ihrem Erwerb im Jahr 1994 in ihrem Luftraum angebracht worden. Der jetzige Umfang der Dachrinnen sei gegenüber dem vorherigen Zustand um vier Zentimeter breiter. Zudem seien die Dachrinnen bei der Errichtung des Carports hinderlich. Die Berechnung des Sachverständigen sei unzutreffend, da er die vorgesehene Anpassung des Bodens an das vordere Grundstücksniveau nicht berücksichtigt habe. Hinsichtlich des Thermostates stehe den Widerbeklagten im Zusammenhang mit dem Entfernen kein Zahlungsanspruch zu.
Die Widerkläger beantragen,
1.) die Widerbeklagten zu verurteilen, die an der gemeinsamen Grundstücksgrenze angebrachten Dachrinnen zu entfernen,
2.) die Widerbeklagten zu verurteilen, das in der Grenzwand befindliche Heizungsthermostat zu entfernen,
3.) festzustellen, dass die Widerbeklagten nicht berechtigt sind, den im Nordwesten vor dem Haus der Widerkläger verlaufenden Teil der X-Straße zum Gehen, zum Fahren oder in sonstiger Weise zu benutzen,
hilfsweise die Widerbeklagten zu verurteilen,
an die Widerkläger dafür, dass sie den im Nordwesten vor dem Hause der Widerkläger verlaufenden Teil der X-Straße zum Gehen, zum Fahren oder in sonstiger Weise benutzen, eine monatliche Vergütung in Höhe von 200,00 Euro ab 01.01.2004 zu zahlen.
Die Widerbeklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
In der mündlichen Verhandlung haben die Widerkläger nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Unzulässigkeit des Feststellungsantrages zu 3.)
hilfsweise beantragt,
die Widerbeklagten zu verurteilen, es zu unterlassen, den im Nordwesten vor dem Haus der Widerkläger verlaufenden Teil der X-Straße zum Fahren oder zum Gehen oder in sonstiger Weise zu benutzen.
Die Widerbeklagten haben sich auf diesen Antrag nicht eingelassen.
Die Widerbeklagten verteidigen das angefochtene Urteil. Die Dachrinnen und das Thermostat seien nicht in deren Luftraum und hinderten auch nicht den bestrittenen Bau des Carports. Die Dachrinnen seien seit 1920 vorhanden und auch im Fall einer unterstellten Erneuerung nicht breiter als zuvor. Die Dachrinnen seien für den Neubau unschädlich, wobei der Sachverständige auch nicht an der falschen Stelle gemessen habe. Auch das Thermostat stelle aus diesen Gründen keine Beeinträchtigung dar.
B.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt, und hinsichtlich der Klageanträge zu 1.) und 2.) begründet.
I.)
Der Erlass eines Teilurteils ist nach § 301 Abs.1 S.1 ZPO zulässig, da die Entscheidung über die Klageanträge zu 1.) und 2.) von dem Streit der Parteien über die Nutzung des nordwestlichen Weges [Klageantrag zu 3.)] unabhängig ist. Bezüglich des Klageantrages zu 3.) fehlt hingegen auf Grund des erst in der mündlichen Verhandlung erfolgten Übergangs von der Feststellungs- zur Leistungsklage im Hinblick auf die verweigerte Einlassung der Widerbeklagten und die in § 132 Abs.1 S.1 ZPO enthaltene Frist die Entscheidungsreife.
II.)
1) Die Widerbeklagten sind zum Entfernen der Dachrinnen und des Thermostates nach § 1004 Abs.1 S.1 BGB verpflichtet, da beides in den Luftraum des Grundstücks der Widerkläger ragt. Dies haben die Widerbeklagten bereits im Schriftsatz vom 23.04.2004 auf Seite 3 (= Bl.18 d. A.) ausdrücklich eingeräumt. Zudem überragen die Dachrinnen die Grenzwand der Widerbeklagten bereits ausweislich des Fotos Nr.19 des Gutachtens deutlich und das Thermostat ist sogar auf der zum Grundstück der Widerkläger gewandten Seite der Grenzwand angebracht. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist das erstmalige pauschale und substanzlose Bestreiten einer Grenzüberschreitung durch die Widerbeklagten im Berufungsverfahren unerheblich, zumal keine Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass die Grenzwand nicht auch entlang der Grenze verläuft.
2) Eine Duldungspflicht auf Seiten der Widerkläger nach § 1004 Abs.2 BGB besteht nicht.
§ 23 NachbG greift nicht, da nicht alle dort genannten Voraussetzungen vorliegen und dies auch von demjenigen zu beweisen ist, der sich auf diese Vorschrift beruft (hierzu: BGH WM 1979, 644 [646]; Schäfer, Nachbarrechtsgesetz für NRW, 14.Auflage, § 23 NachbG, Rn.5). Die Widerbeklagten haben weder dargelegt noch bewiesen, dass nur auf ihrem Grundstück ein Bauen bis an die Grenze zulässig ist. Die erteilte Baugenehmigung für den Carport spricht vielmehr für das Gegenteil. Zudem liegt auch keine nur unwesentliche Beeinträchtigung vor, da die Widerkläger zu Recht darauf verweisen, durch die Dachrinnen und das Thermostat gestört zu werden. Auch immaterielle Interessen sind geschützt (Schäfer, aaO). Unerheblich ist, ob die Dachrinnen den genehmigten Bau des Carports bautechnisch beeinträchtigen. Das Interesse an der Beseitigung ist nämlich bereits auf Grund von ästhetischen Gesichtspunkten gerechtfertigt. Es muss von den Widerklägern nicht hingenommen werden, dass die Dachrinnen auch nur oberhalb des Carports und zudem auf ihrem Grundstück verlaufen, da auch dies eine optische Beeinträchtigung darstellt. Gleiches gilt erst Recht für das (noch) niedriger angebrachte Thermostat. Die Beeinträchtigung ist auch konkret, da bereits eine genehmigte Bauplanung vorliegt. Das Bestreiten der beabsichtigten Baumaßnahme durch die Widerbeklagten ist im Hinblick auf die vorgelegten Genehmigungs- und Planungsunterlagen nicht nachvollziehbar.
Eine Duldungspflicht nach § 905 S.2 BGB scheitert ebenfalls, da die Beeinträchtigung nicht in einer derartigen Höhe erfolgt, dass an der Ausschließung kein Interesse besteht. Dies ergibt sich aus den oben genannten Gründen, da auch in diesem Zusammenhang immaterielle und ästhetische Beeinträchtigungen zu berücksichtigen sind (hierzu: BGH WM 1981, 129 [130], Palandt, 65.Auflage, § 905 BGB, Rn.2).
Die Widerkläger sind auch nicht aus anderen Gründen zur Duldung verpflichtet. Eine Verwirkung scheidet bereits aus, da weder das Zeit- noch das Umstandsmoment vorliegen. Da im Jahr 2003 ein Austausch der Dachrinnen erfolgt ist, steht bereits nicht fest, dass vorher eine (vergleichbare) Störung vorlag. Zudem fehlen besondere Umstände, die das Beseitigungsverlangen als treuwidrig erscheinen lassen (hierzu: BGH WM 1979, 644 [646]). Das vorgesehene Errichten des Carports steht ebenfalls der Annahme einer Verwirkung entgegen. Auch Beschränkungen unter dem Gesichtspunkt das nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses sind bei diesem Sachverhalt nicht ersichtlich.
In diesem Zusammenhang besteht auch kein Anspruch der Widerbeklagten auf Zahlung im Zusammenhang mit der Verpflichtung zum Entfernen des Thermostates. Es ist zwar zutreffend, dass § 254 BGB im Rahmen des § 1004 BGB entsprechend anwendbar ist, mit der Folge, dass ein mitwirkendes Verschulden einen Anspruch beschränken oder ausschließen kann (BGH NJW 1995, 395, [Rz.13]; BGHZ 135, 235 [Rz.12]). An das Eingreifen dieser Grundsätze ist aber nicht zu denken. Es ist bereits unverständlich, dass die Widerbeklagten das Thermostat überhaupt auf dem Grundstück der Widerkläger angebracht haben, da nach ihren Angaben in der persönlichen Anhörung in erster Instanz einem Versetzen nichts im Wege stehen soll. Dann hätten sie das Thermostat auch nicht auf dem Grundstück der Widerkläger anbringen müssen. Zudem stellt das geplante Errichten eines Carports auf dem eigenen Grundstück keine gefahrträchtige Handlung oder das Nichtbeachten eigener Obliegenheiten dar. Den beiden in der im Urteil zitierten Fundstelle genannten Entscheidungen lagen andere Sachverhalte zu Grunde, die mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar sind. Zudem hätte dies auch keine Abweisung der Widerklage, sondern allenfalls eine Verurteilung mit dem Ausspruch einer Erstattung der Beseitigungskosten zur Folge haben können, was sich ebenfalls ausdrücklich aus einem der dort genannten Urteile ergibt.
III.)
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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