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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 19.02.1999
Aktenzeichen: 5 WF 56/99
Rechtsgebiete:


Vorschriften:

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS

5 WF 56/99 OLG Hamm 13 F 193/98 AG Iserlohn

In der Familiensache

der Frau ...

Klägerin,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Müller und Selheim in Iserlohn -

gegen

Herrn ...

Beklagten,

- Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte Busse, Lüdtke-Handjery und Dr. Busse in Iserlohn -

hat der 5. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm auf die Beschwerde der Klägerin vom 26. Januar 1999 gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Iserlohn vom 23.12.1998 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Klünemann und die Richter am Oberlandesgericht Warmuth und Jokisch am 19. Februar 1999

beschlossen:

Tenor:

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses und unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels wird der Klägerin Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin Selheim in Iserlohn für den Klageantrag bewilligt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin für die Zeit vom 01.08.1998 bis 31.12.1998 monatlichen Unterhalt in Höhe von 176,00 DM und für die Zeit ab 1. Januar 1999 in Höhe von monatlich 206,00 DM zu zahlen.

Gründe:

Die zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg. In dem aus dem Tenor ersichtlich Umfang ist die beabsichtigte Klage erfolgversprechend, so daß der bedürftigen Klägerin in diesem Umfange Prozeßkostenhilfe zu bewilligen ist.

I.

Die Klägerin, die mit dem bereits während der Ehe erzielten Einkommen ihren vollen eheangemessenen Bedarf nicht decken kann, ist während des Trennungsjahres nicht verpflichtet, ihre Erwerbstätigkeit auszuweiten. Eine entsprechende Obliegenheit ist erst dann zu bejahen, wenn vom endgültigen Scheitern der Ehe ausgegangen werden muß, in der Regel also erst nach Ablauf des Trennungsjahres. Vorher kann eine solche Ausweitung, welche geeignet ist, das endgültige Scheitern der Ehe zu fördern, nicht verlangt werden.

II.

Da das Einkommen des Beklagten zur vollen Deckung des Unterhaltsbedarfs der gemeinsamen Kinder der Parteien und der Klägerin nicht ausreicht, wobei die Klägerin sich den Kindesunterhalt ersichtlich vorgehen läßt, ist ihr als Unterhalt derjenige Betrag zuzusprechen, den der Beklagte ohne Beeinträchtigung seines billigen Eigenbedarfs von 1.650,00 DM (Ziff. 33 der Hammer Leitlinien) zu leisten vermag. Zu bemessen ist diese Leistungsfähigkeit mit 176,00 DM im Jahre 1998 und 206,00 DM ab Januar 1999.

Im einzelnen gilt folgendes:

1.

Von dem Einkommen des Beklagten in Höhe von 3.000,00 DM ist der von diesem sichergestellte Barunterhaltsbedarf der beiden Kinder der Parteien in Höhe der Mindestunterhaltsbeträge von 2 x 348,00 DM = 698,00 DM in Abzug zu bringen.

Der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 97, 806), welcher auch in echten Mangelfällen den Kindesunterhaltsbedarf mit denjenigen Beträgen in die Berechnung einstellt, die sich nach der dem Einkommen entsprechenden Einkommensgruppe ergeben, vermag der erkennende Senat sich nicht anzuschließen.

Die zur Begründung herangezogene Erwägung, der Ansatz bloßer Mindestkindesunterhaltsbeträge führe bei der Mangelverteilung zu verzerrten Ergebnissen, erscheint nicht überzeugend.

Das sich nach der Rechtsprechung des BGH (a.a.O.) bereits durch die Nichtanerkennung eines Mindestbedarfs des unterhaltsbedürftigen Ehegatten ergebende fragwürdige Verhältnis von Kindes- und Ehegattenunterhalt in Mangelfällen wird durch die Berücksichtigung eines erhöhten Kindesunterhalts weiter zu Lasten des Ehegatten verschoben. Im Ergebnis ergibt sich nach Auffassung des Senats ein Ungleichgewicht, das nicht mehr im Einklang mit den ehelichen Lebensverhältnissen steht. Diesen entspricht es nämlich in aller Regel nicht, daß bei beengten finanziellen Verhältnissen zu Lasten des Existenzminimums der Eltern ein erhöhter Kindesbedarf befriedigt wird. Es entspricht vielmehr der Lebenserfahrung und auch dem Anspruch des minderjährigen Kindes auf Teilhabe an der Lebensstellung seiner Eltern, daß sich bei nicht gesichertem Existenzminimum alle Familienangehörigen gleichermaßen beschränken.

2.

Da der Beklagte nicht nur den Bar-, sondern auch den Betreuungsbedarf der Kinder sicherstellt, ist ihm für die Betreuung ein weiterer Abzug vom Einkommen zuzubilligen. Der von ihm insoweit begehrte Abzug in Höhe der Mindesttabellenbeträge erscheint nicht übersetzt.

Zwar ist nach der Rechtsprechung des Senats der einkommensmindernd zu berücksichtigende Betreuungsaufwand in der Regel nicht pauschal entsprechend den Tabellenunterhaltsbeträgen zu bemessen. Zu berücksichtigen ist in Fällen einer Fremdbetreuung der Kinder, durch welche eine Erwerbstätigkeit überhaupt erst ermöglicht wird, aber in jedem Fall das für diese Fremdbetreuung zu zahlende Entgelt bzw. dann, wenn - wie hier - Familienangehörige die Betreuung unentgeltlich übernehmen, das hierfür üblicherweise zu zahlende Entgelt.

Die unentgeltliche Betreuung der Kinder stellt sich nämlich als eine vermögenswerte Leistung dar, welche in der familiären Verbundenheit mit dem Beklagten wurzelt und diesen entlasten soll, im Zweifel aber nicht dazu bestimmt ist, den anderen Elternteil zu begünstigen.

Hier ist der objektive Wert der von den Eltern bzw. der Schwester des Beklagten geleisteten Betreuung mit 698,00 DM nicht zu hoch bemessen. Die Kinder sind 2 und 3 Jahre alt, also während der Zeit der berufsbedingten Abwesenheit des vollschichtig erwerbstätigen Beklagten ständig zu beaufsichtigen und zu versorgen.

3.

Einkommenserhöhend zu berücksichtigen ist das hälftige Kindergeld. Da die Klägerin den Kindesunterhalt im Ergebnis dadurch mitträgt, daß sie sich diesen mit der Wirkung einer Herabsetzung ihres eigenen Unterhalts unter den eheangemessenen Bedarf vorgehen läßt, entspricht es der Billigkeit, das hälftige Kindergeld bei der Bemessung der Leistungsfähigkeit mitzuberücksichtigen. Dagegen erscheint es angesichts der beengten Verhältnisse billig und angemessen, daß dem Beklagten die andere Hälfte des ihm zufließenden Kindergeldes anrechnungsfrei verbleibt.

Es ergibt sich nach alledem ein zu berücksichtigendes Einkommen von 1.826,00 DM im Jahre 1998 und 1.856,00 DM im Jahre 1999.

III.

Unterhalt schuldet der Beklagte erst ab August 1998, da die mit Schreiben vom 31.07.1998 ausgesprochene Mahnung ihn erst in diesem Monat erreicht haben kann.

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