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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 20.05.2008
Aktenzeichen: 5 Ws 173/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 56 f
Von einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen erneuter erheblicher Beschaffungsdelikte eines Drogenabhängigen ist abzusehen, wenn eine durchgeführte Langzeittherapie erfolgversprechend erscheint und ein zukünftig straffreies Leben des Verurteilten erwarten lässt.
5 Ws 172/08 OLG Hamm 5 Ws 173/08 OLG Hamm

Beschluss

Strafsache

gegen C.S.

wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge,

(hier: Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung in zwei Verfahren).

Auf die sofortigen Beschwerden des Verurteilten vom 11. März 2008 gegen die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 29. Februar 2008 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 20. 05. 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die angefochtenen Beschlüsse werden aufgehoben.

Die Sachen werden zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch Über die Kosten der sofortigen Beschwerde, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 25. Juni 2003 ist der Verurteilte wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden.

Nach Teilverbüßung der Strafe und einer gern §§ 35,36 BtMG erfolgten Therapieanrechung ist die Vollstreckung der Reststrafe mit Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 27. Dezember 2004, rechtskräftig seit dem 05. Januar 2005, zur Bewährung ausgesetzt worden. Die Bewährungszeit ist auf zwei Jahre festgesetzt worden.

Mit Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 04. Februar 2002, rechtskräftig seit dem 12. Februar 2002, ist der Verurteilte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Die Bewährungszeit ist auf drei Jahre festgesetzt worden.

Die Bewährungszeit ist zweimal um jeweils ein Jahr verlängert worden. Anlass hierfür waren in der Bewährungszeit begangene Straftaten, wofür der Verurteilte jeweils vom Amtsgericht Hamm zum einen am 25. November 2002 zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung und zum anderen am 25. Juni 2003 zu der schon erwähnten Strafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden ist.

Am 27. Oktober 2006 ist der Verurteilte erneut straffällig geworden, indem er Betäubungsmittel aus den Niederlanden einführte. Er ist deswegen am 23. Februar 2007, rechtskräftig seit dem 23. August 2007, vom Amtsgericht - Schöffengericht - Ahaus wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden.

Die Vollstreckung dieser Strafe ist nach Teilverbüßung gem. § 35 BtMG zurückgestellt. Der Verurteilte befindet sich seit dem 19. November 2007 zu einer Entwöhnungsbehandlung in der Bernhard-Salzmann-Klinik Gütersloh.

Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg hat mit Beschlüssen vom 29. Februar 2008 die Straussetzung zur Bewährung in beiden Verfahren wegen der erneuten Verurteilung vom 23. Februar 2007 widerrufen.

Hiergegen richten sich die sofortigen Beschwerden des Verurteilten.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortigen Beschwerden als unbegründet zu verwerfen.

II.

Die gem. § 453 Abs. 2 S. 3 StPO statthaften sowie form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerden haben einen vorläufigen Erfolg.

Nach § 56 f Abs. 1 Nr. 1 StGB widerruft das Gericht die Strafaussetzung zur Bewährung, wenn der Verurteilte in der Bewährungszeit eine Straftat begeht und dadurch zeigt, dass die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Erwartung, die der Strafaussetzung zugrunde lag, sich nicht erfüllt hat, ist nicht allein auf ein bloßes Legalverhalten, sondern auch auf die Möglichkeit der Wiedereingliederung in die Gesellschaft und somit auf den voraussichtlichen Lebensweg des Verurteilten, d. h. auf die Sozialprognose im Zeitpunkt der Entscheidung, abzustellen. Deshalb müssen einschlägige Rückfallstraftaten Drogen- oder Alkoholabhängiger einer günstigen Sozialprognose nicht zwingend entgegenstehen, wenn neue tatsächliche Umstände vorliegen, die geeignet sind, die Möglichkeit der Wiedereingliederung im Einzelfall günstig zu beeinflussen (vgl. OLG Hamm, RuP 2008, 58; OLG Düsseldorf, StV 1998, 215, 216; OLG Düsseldorf, StV 1994, 199; Fischer, StGB, 55. Aufl., § 56 f Rdnr. 8 b).

Vorliegend befindet sich der Verurteilte derzeit in einer anerkannten Therapieeinrichtung und die Therapie verläuft nach einem Bericht der Therapieeinrichtung vom 12. Februar 2008 und einer erfolgten telefonischen Rückfrage des Senats positiv-, dem Verurteilten ist derzeit nach Einschätzung der Therapeuten eine positive Prognose zu stellen. Die Therapie, die an sich am 19. Mai 20008 -beendet war, wird auf Antrag des Verurteilten noch bis Mitte Juni 2008 fortgesetzt.

Von einem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung wegen erneuter erheblicher Beschaffungsdelikte eines Drogenabhängigen ist abzusehen, wenn eine durchgeführte Langzeittherapie erfolgversprechend erscheint und ein zukünftig straffreies Leben des Verurteilten erwarten lässt (vgl. OLG Düsseldorf aaO).

Der Verurteilte hat zwar nicht erstmalig eine Therapie angetreten, sondern vielmehr bereits andere Therapien angefangen, teilweise auch abgeschlossen, und ist dennoch wieder straffällig geworden. Nach Einschätzung der Therapeuten arbeitet der Verurteilte jedoch nunmehr ernsthaft mit, reflektiert seine Vergangenheit, seine familiäre Situation und seine Drogenproblematik, so dass nunmehr eine realistische Möglichkeit der Wiedereingliederung des Verurteilten in die Gesellschaft besteht. Unter diesen Umständen kommt derzeit aufgrund der jetzigen begründeten positiven Prognose ein Widerruf der Strafaussetzungen zur Bewährung nicht mehr in Betracht. Da vorliegend in beiden Verfahren - wie die Strafvollstreckungskammer zutreffend ausgeführt hat - eine Verlängerung der Bewährungszeiten als mögliches milderes Mittel gem. § 56 f Abs.2 Nr.2 StGB nicht mehr in Betracht kommt, aber auch eine Zurückstellung der Strafvollstreckung gem. § 35 BtMG nach erfolgtem Widerruf - wovon die Strafvollstreckungskammer bei ihren Entscheidungen noch ausgehen konnte - zwischenzeitlich wegen Zeitablaufs und dem nahen Ende der Therapie tatsächlich nicht mehr möglich ist , wären die Strafen letztlich zu erlassen.

III.

Eine abschließende Entscheidung des Senats ist nicht angezeigt.

Da für einen möglichen Straferlass in beiden Verfahren weitere tatsächliche Feststellungen - unter Umständen unter Gewährung rechtlichen Gehörs - getroffen werden müssen, hat der Senat davon abgesehen, in der Sache selbst zu entscheiden und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Die genannten Umstände machen es unerlässlich, von der Regel des § 309 StPO abzuweichen.

Ende der Entscheidung

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