Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 18.03.2008
Aktenzeichen: 5 Ws 86/08
Rechtsgebiete: StGB


Vorschriften:

StGB § 68 b Abs. 1 Nr. 3
Zur Zulässigkeit der Auferlegung eines Kontakverbotes zum Tatopfer im Rahmen der Führungsaufsicht.
Beschluss

Strafsache gegen S. A. H. V.,

wegen Beischlafs zwischen Verwandten,

(hier: Beschwerde des Verurteilten gegen einen die Führungsaufsicht ergänzenden Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg).

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 1. Februar 2008 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 24. Januar 2008 hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18.03.2008 durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass dem Verurteilten jeder persönliche Kontakt zu seiner Tochter Ma. für die Dauer der Führungsaufsicht untersagt wird. Ausgenommen hiervon sind telefonische oder briefliche Kontakte.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer wurde durch Urteil des Amtsgerichts Unna - Schöffengericht - vom 14. Mai 2003 rechtskräftig wegen Beischlafs zwischen Verwandten zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Gegenstand des Urteils war der Vollzug des Beischlafes mit seiner am 12. Juli 1973 geborenen Tochter Ma. im November 2001.

Aus der Verbindung des Verurteilten mit seiner Tochter waren zuvor bereits zwei Kinder hervorgegangen.

Durch nachträglichen Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Unna vom 18. August 2004 wurde daraus unter Einbeziehung einer weiteren Freiheitsstrafe von einem Jahr aus dem Urteil des Amtsgerichts Unna vom 29. Januar 2004 eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und 8 Monaten gebildet, die der Beschwerdeführer am 8. Februar 2007 voll verbüßt hatte.

Durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg vom 29. November 2006 wurde festgestellt, dass nach vollständiger Vollstreckung der Gesamtstrafe Führungsaufsicht eintrat.

Die Dauer der Führungsaufsicht wurde auf 4 Jahre festgesetzt und der Verurteilte wurde u.a. der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt.

Im Laufe der sich anschließenden Bewährungsüberwachung wurde seitens des Bewährungshelfers festgestellt, dass die Tochter Ma. sich des öfteren in der ehelichen Wohnung des Verurteilten aufhielt und auch dort übernachtete.

Auf Antrag der Staatsanwaltschaft Dortmund vom 3. Dezember 2007 hat die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg durch den angegriffenen - nicht begründeten - Beschluss vom 24. Januar 2008 gemäß § 68 b Abs. 1 Ziffer 3 StGB dem Verurteilten die Weisung erteilt, jeden Kontakt zu seiner Tochter Ma. Sc. zu unterlassen.

Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner näher begründeten Beschwerde vom 1. Februar 2008, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen inhaltlich Bezug genommen wird.

II.

Die gemäß §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 1 StPO, 68 b Abs. 1, 68 d StGB statthafte einfache Beschwerde gegen die erteilte nachträgliche Weisung ist nicht begründet.

Gemäß § 453 Abs. 2 StPO kann die Beschwerde nur darauf gestützt werden, dass eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist, insbesondere dass die angefochtene Entscheidung in der angewendeten Vorschrift keine ausreichende Rechtsgrundlage hat, einen Ermessensmissbrauch darstellt, unverhältnismäßig oder inhaltlich nicht hinreichend bestimmt ist (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 453 StGB, Rn. 12 m.w.N.).

a) Die von der Strafvollstreckungskammer getroffene nachträgliche Anordnung wird von der Regelung des § 68 b Abs. 1 Ziffer 3 StGB gedeckt.

§ 68 b Abs.1 Ziffer 3 StGB in der seit dem 18. April 2007 geltenden Fassung, erlaubt es der Strafvollstreckungskammer der verurteilten Person die Weisung zu erteilen, zu einer bestimmten Person, die ihr Gelegenheit oder Anreiz zu weiteren Straftaten bieten könnte, keinen Kontakt aufzunehmen oder nicht mit ihr zu verkehren.

Soweit sich der Verteilte auf die vermeintlich gegenteilige Meinung in SK-StGB-Horn, § 68 b Rn. 9 beruft, handelt es sich hierbei um eine Kommentierung zur alten, mittlerweile durch die Neufassung der Norm überholten Rechtslage.

b) Die angefochtene Weisung wird auch der Funktion des § 68 b StGB durchaus gerecht. Die Weisung ist ersichtlich ausgesprochen worden, um die Resozialisierung des Verurteilten zu unterstützen und um neue Straftaten zu verhindern.

c) Das ausgesprochene Kontaktverbot ist auch hinreichend bestimmt formuliert, als es jedweden Kontakt zur Tochter Ma. untersagt.

Anhaltspunkte dafür, dass es von dem Verurteilten nach seinen persönlichen Voraussetzungen und Umständen nicht verwirklicht werden könne, bestehen nicht.

d) Schließlich verstößt das Kontaktverbot grundsätzlich auch nicht gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, insbesondere gegen Art. 6 Abs. 1 GG.

Ehe und Familie sind durch die staatliche Rechtsgemeinschaft deshalb besonders zu schützen, weil sie einen existenziellen Bestandteil des menschlichen Zusammenlebens darstellen.

Dabei hat, wie das Bundesverfassungsgericht bereits mehrfach festgestellt hat, es seinen guten Sinn, im engsten Familienverband außerhalb des Verhältnisses der Eltern untereinander sexuelle Beziehungen zu verhindern (BVerfGE 36, 146, 167; BVerfG, Senatsentscheidung vom 26. Februar 2008, 2 BvR 392/07).

Die lebenswichtige Funktion der Familie für die menschliche Gemeinschaft, wie sie der Verfassungsgarantie des Art. 6 Abs. 1 GG zugrunde liegt, wird entscheidend gestört, wenn das vorausgesetzte Ordnungsgefüge durch inzestuöse Beziehungen ins Wanken gerät (BVerfGE 36, 146, 167). Unter anderem aus diesen Gründen hat das Bundesverfassungsgericht eine Vereinbarkeit des § 173 StGB mit dem Grundgesetz angenommen (BVerfG, Senatsentscheidung vom 26. Februar 2008, 2 BvR 392/07), ohne hierin einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG anzunehmen. An diese Entscheidung ist der Senat - trotz gewichtiger Gründe dagegen (vgl. das Minderheitenvotum des Vizepräsidenten Hassemer ) - gebunden.

Zwar betrifft die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lediglich den sogenannten Geschwisterinzest, gilt aber erst recht beim Inzest zwischen Eltern und Kindern.

Birgt aber der Kontakt zwischen Verurteilten und Tochter - wie hier - für beide die Gefahr der Begehung neuer Straftaten und ist die Vorschrift des § 173 StGB mit Art. 6 GG vereinbar, kann sich weder der Verurteilte noch dessen auf Tochter auf den Schutz des Art. 6 GG berufen, denn dieses Grundrecht gilt nicht schrankenlos, sondern findet seine Grenzen in den allgemeinen Gesetzen, wozu auch § 173 StGB und § 68 b StGB gehören.

Anhaltspunkte dafür, dass der Schutz der Familie zugunsten des volljährigen Kindes Ma. aus Gründen der familiären Lebenshilfe einen persönlichen Kontakt des Verurteilten unabdingbar erforderlich macht, sind nicht ersichtlich.

Allerdings erscheint es im Lichte des Art. 6 GG unverhältnismäßig, dem Verurteilten auch telefonische und briefliche Kontakte zu seiner Tochter zu untersagen. Insoweit war die Weisung im tenoriertem Umfang abzuändern und klarzustellen.

Da die angefochtene Entscheidung im übrigen nicht zu beanstanden war, war die Beschwerde mit der ausgesprochenen Maßgabe zu verwerfen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 473 Abs. 1, 4 StPO. Der Erfolg des Verurteilten war so gering, dass er kostenmäßig nicht zu berücksichtigen war.

Ende der Entscheidung

Zurück