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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.11.2006
Aktenzeichen: 6 U 139/06
Rechtsgebiete: UStG, BGB


Vorschriften:

UStG § 1
UStG § 24
BGB § 249
BGB § 252
BGB § 286 Abs. 1
BGB § 288 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 09.08.2006 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, über den zuerkannten Betrag hinaus weitere 1.132,20 Euro nebst 5 % Zinsen seit dem 18.10.2005 zu zahlen.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden der Beklagten auferlegt.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin 2/11 und die Beklagte 9/11.

Der Streitwert für den zweiten Rechtszug wird auf 1.132,20 Euro festgesetzt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin ist Inhaberin eines Fischzuchtbetriebes. Am 26.04.2005 wurde einer ihrer für den Transport von Lebendfischen bestimmten Spezial-Lkw erheblich beschädigt. Die volle Haftung der Beklagten, bei welcher das vom Unfallverursacher geführte Fahrzeug haftpflichtversichert war, ist außer Streit. Der Spezial-Lkw der Klägerin hatte lebende Fische geladen. Diese waren gem. Rechnung vom 25.04.2005 an die Firma F in C verkauft und befanden sich auf dem Weg zur Auslieferung. Infolge des Unfalls verendete ein erheblicher Teil der Fische.

Die Beklagte ersetzte vorprozessual einen Teil des Schadens. Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht der Klägerin - neben anderen hier nicht mehr interessierenden Schadenspositionen - den gesamten mit dem Abnehmer vereinbarten Kaufpreis für die verendeten Fische zugesprochen, jedoch nur mit dem Nettobetrag; wegen des ebenfalls verlangten Mehrwertsteueranteils hat es die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die form- und fristgerechte Berufung der Klägerin, mit der sie weiterhin auch den Mehrwertsteueranteil des mit dem Abnehmer vereinbarten Kaufpreises für die verendeten Fische geltend macht.

Zur Begründung stützt sie sich - wie auch schon in erster Instanz - darauf, dass ihr Betrieb der Teichwirtschaft und damit auch der Landwirtschaft zuzuordnen sei, so dass er umsatzsteuerrechtlich nach § 24 UStG zu behandeln sei; demgemäß habe sie ihren Abnehmern den Durchschnittssteuersatz der Land- und Forstwirtschaft zu berechnen, sei aber gleichzeitig nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Sie meint, dass der Umsatzsteueranteil, da sie ihn im Falle des erfolgreichen Verkaufs habe behalten können, zu dem gem. § 252 BGB zu ersetzenden entgangenen Gewinn gehöre.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Das Landgericht hat der Klägerin die Erstattung des Mehrwertsteueranteils mit der Begründung versagt, sie könne gem. § 252 BGB den entgangenen Gewinn aus der Veräußerung der verendeten Fische geltend machen; dieser bestehe in dem nicht gezahlten Kaufpreis ohne Mehrwertsteuer, da nicht ersichtlich sei, dass die Klägerin diese abführen müsse; aufgrund der fehlgeschlagenen Lieferung an den Käufer mache die Klägerin keinen der Umsatzsteuer unterliegenden Umsatz gem. § 1 UStG; der Erhalt der Summe als Schadensersatz unterliege nicht der Umsatzsteuerpflicht; es sei somit lediglich der Nettoverkaufspreis für die verendeten Fische abzüglich des von der Beklagten darauf gezahlten Betrages zu erstatten.

Zutreffend wird mit der Berufung geltend gemacht, dass mit diesen Erwägungen der erstattungsfähige Schadensumfang nicht hinreichend erfasst wird.

Durch die Schadensersatzleistung soll der Geschädigte wirtschaftlich so gestellt werden, wie er ohne das schädigende Ereignis stünde. Dieses dem Grundsatz der Totalreparation entsprechende Ziel würde verfehlt, wenn der Klägerin im vorliegenden Fall nur der Nettobetrag des Kaufpreises zugesprochen würde, den sie mit ihrem Abnehmer für die Fische vereinbart hatte. Allerdings gehören zu den drei wesentlichen Grundsätzen des Schadensersatzrechts neben dem Grundsatz der Totalreparation auch der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und das Verbot der Überkompensation. Von diesen drei wesentlichen Grundsätzen des Schadensersatzrechts hat sich auch die Gesetzgebung bei der Modifikation der zentralen Schadensersatznorm des § 249 BGB leiten lassen, welche in dem am 01.08.2002 in Kraft getretenen Zweiten Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften enthalten ist (vgl. BT-Drucksache 14/7752 S. 11 ff; zusammenfassend Notthoff, VersR 06, 1464). Maßgebliches Anliegen des Gesetzgebers war es dabei, den Grundgedanken einer konkreten Schadensabrechnung wieder stärker in den Mittelpunkt zu rücken und die Gefahr einer Überkompensation (speziell im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer) dadurch zu verringern, dass der Umfang des Schadensersatzes stärker als bisher an den Dispositionen ausgerichtet wird, welche der Geschädigte tatsächlich zur Schadensbeseitigung trifft.

Aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls können die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele nur dann angemessen verwirklicht werden, wenn auch die auf den Rechnungsbetrag entfallende Umsatzsteuer der Klägerin zugesprochen wird, und zwar unabhängig davon, ob sie - was hier nicht geschehen ist - eine Ersatzbeschaffung vorgenommen hat.

Die Klägerin ist nicht vorsteuerabzugsberechtigt, obwohl sie berechtigt und verpflichtet ist, auf ihre Verkaufspreise Mehwertsteuer zu berechnen, und zwar nach § 24 UStG in Höhe der Durchschnittssätze für land- und forstwirtschaftliche Betriebe, hier also 9 %. Zur Landwirtschaft im Sinne dieser Vorschrift gehört auch die Teichwirtschaft, wie sie die Klägerin betreibt (vgl. BFH-V R 55/77 - vom 13.03.1987, BB 87, 1868 = BFHE 149, 288). Umsatzsteuerrechtlich ist also der Betrieb der Klägerin nach § 24 UStG zu behandeln; sie hat also den Durchschnittssteuersatz der Land- und Forstwirtschaft mit 9 % zu berechnen, ist aber gleichzeitig nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Dieser durchschnittliche Umsatzsteuersatz von 9 % ergibt sich aus einer vom Gesetzgeber angestellten Kalkulation, wonach er unterstellt, dass der Land- und Forstwirt (und auch der Teichwirt) für eigene Investitionen, die dem eigenen Umsatz gegenüber stehen, durchschnittlich 9 % Vorsteuer zahlt. Die Privilegierung der Land- und Forstwirtschaft (und auch der Teichwirtschaft) wird dann umsatzsteuerrechtlich so durchgeführt, dass diese Unternehmer die als Durchschnittssatz ermittelte Vorsteuer von 9 % auch als Umsatzsteuer für ihre eigenen Verkäufe berechnen und vereinnahmen. Statt einer Vorsteuerabzugsberechtigung wird die Umsatzversteuerung vereinfacht dann so geregelt, dass diese Unternehmer die von ihnen berechnete 9 %ige Umsatzsteuer auf ihre Umsätze behalten können. Sie haben sie allerdings als Einkommen zu versteuern. Im Gegenzug bekommen sie die von ihnen gezahlten Vorsteuerbeträge für ihre Einkäufe nicht als Vorsteuer vom Finanzamt erstattet; sie stellen dann allerdings für den Unternehmer gleichzeitig auch Betriebsausgaben dar. Das bedeutet, dass der in der Rechnung vom 25.04.2005 ausgewiesene 9 %ige Mehrwertsteuerbetrag von 1.132,95 Euro bei ungestörter Abwicklung des mit dem Abnehmer abgeschlossenen Vertrages der Klägerin verblieben wäre. Er gehörte somit zu dem entgangenen Gewinn, den die Beklagte gemäß § 252 BGB zu ersetzen hat, weil er nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

Der beherrschende Grundsatz der Totalreparation würde also, wenn im vorliegenden Fall der Klägerin der Ersatz des Mehrwertsteueranteils abgesprochen würde, unangemessen eingeschränkt, ohne dass dies durch den gleichwertigen und damit in Einklang zu bringenden Grundsatz des Verbotes einer Überkompensation gerechtfertigt wäre.

Die Zinsentscheidung und die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 286 I, 288 I BGB, §§ 91, 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst.

Ende der Entscheidung

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