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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.04.2008
Aktenzeichen: 6 U 188/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 254
BGB § 286
BGB § 288
ZPO § 287
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26.07.2007 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Klägerin von weitergehenden Zahlungsverpflichtungen gegenüber der Fa. B2 GmbH, P-Straße, ####1 C in Höhe von weiteren 171,-- Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.03.2007 gemäß Mietwagenrechnung der Fa. B GmbH vom 27.12.2006 (Rechnungs-Nummer 151237) freizustellen. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des zweiten Rechtszuges tragen die Klägerin 5/7 und die Beklagten 2/7. Hinsichtlich der Kosten des ersten Rechtszuges bleibt es beim angefochtenen Urteil.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe:

I.

Der Pkw BMW der Klägerin wurde am 11.12.2006 gegen 19.30 Uhr in C bei einem Kreuzungsunfall beschädigt, als er mit einem zunächst entgegenkommenden und dann nach links abbiegenden Pkw Renault zusammenstieß. Dass der Beklagte zu 1) als Halter/Fahrer und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherer des Pkw dem Grunde nach zum vollen Schadensersatz verpflichtet sind, ist in dieser Instanz nicht mehr in Streit. Die Parteien streiten nur noch darum, in welcher Höhe die Beklagten die der Klägerin entstandenen Mietwagenkosten zu übernehmen haben.

Die Firma B2 GmbH, bei der die Klägerin für die Zeit vom 12.12.2006 bis zum 23.12.2006 (12 Tage) einen Pkw BMW 320 i als Ersatzfahrzeug angemietet hatte, hat ihr hierfür insgesamt 2.570,97 Euro brutto in Rechnung gestellt. Hiervon hat die Klägerin einen Teilbetrag in Höhe von 1.871,50 Euro gegen die Beklagten geltend gemacht, indem sie von ihnen die Freistellung gegenüber der Firma N GmbH begehrt hat.

Neben anderen Schadenspositionen, die nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens sind, hat das Landgericht durch das angefochtene Urteil dem Freistellungsantrag in Höhe von 1.246,50 Euro nebst Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage bezüglich des Freistellungsantrages abgewiesen.

Mit der form- und fristgerechten Berufung verfolgt die Klägerin ihren Freistellungsantrag in Höhe von 625,-- Euro nebst Zinsen weiter.

Die Beklagten verteidigen das angefochtene Urteil.

II.

Die Berufung der Klägerin hat teilweise Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

Das Landgericht hat zur Ermittlung der erforderlichen Mietwagenkosten unter Hinweis auf das BGH-Urteil VI ZR 99/06 vom 30.01.2007 (vgl. NZV 07, 178 = MDR 07, 713 = r + s 07, 306) den Schwacke-Mietpreisspiegel 2006 zum Ausgangspunkt genommen. Das greift die Berufung im Grundsatz nicht an, macht aber geltend, ihr beschädigter Pkw BMW sei in die Mietwagengruppe 7 des Schwacke-Mietpreisspiegels eingruppiert und nicht - wie vom Landgericht angenommen - in die Gruppe 06.

Das hat der Sachverständige Dipl.-Ing. V, von dem der Senat eine gutachterliche Stellungnahme eingeholt hat, bestätigt und hat dazu ausgeführt, dass in der Super-Schwacke-Liste des Monats 12/2006 der Pkw BMW 318 d in zwei Varianten aufgeführt sei, von denen die einfachere Version in die Mietwagenklasse 06 gehört; beim verunfallten Fahrzeug der Klägerin handele es sich jedoch nicht um eine Schlichtausführung, sondern um ein Fahrzeug mit der zusätzlichen Bezeichnung Edition Lifestyle; dieses werde in der Super-Schwacke-Liste in der Mietwagenklasse 07 geführt. Auf dieser Grundlage erweist sich die von der Klägerin vorgenommene Berechnung des Grundpreises als zutreffend. Für einen Pkw der Fahrzeugruppe 07 sind für eine Anmietdauer von 12 Tagen im Pkw-Normaltarif aufzuwenden:

 1 x Wochenpauschale Modus 610,00 Euro
5 Tage Modus á 105,-- Euro 525,00 Euro
Summe 1.135,00 Euro.

2.

Den darauf begehrten 30 %-Aufschlag für unfallbedingte Kosten und Risikofaktoren hat das Landgericht der Klägerin, die bei der Firma B2 GmbH ein Fahrzeug im Unfallersatztarif angemietet hat, zu Recht versagt.

Die Mietwagenkosten und speziell die in der Vergangenheit von den meisten Vermietern angebotenen Unfallersatztarife, welche teilweise erheblich über den Normaltarifen liegen, sind seit längerem Gegenstand einer heftigen Auseinandersetzung zwischen Autovermietern und Haftpflichtversicherern. Damit hat sich der BGH in den letzten Jahren in einer Anzahl von Entscheidungen befasst (vgl. die zusammenfassende Darstellung von Martis/Enslin in MDR 08, 6 mit zahlreichen Rechtsprechungs- und Literaturnachweisen). Zuammengefasst ergibt sich danach, dass der Geschädigte, der nach einem Unfall bei mußmaßlich bestehendem Ersatzanspruch zu Lasten des gegnerischen KH-Versicherers ein Ersatzfahrzeug anmieten will, damit rechnen muss, dass ihm ein solches vom Vermieter nicht zu dem Normaltarif für selbst zahlende Kunden angeboten wird, sondern zu einem deutlich höheren Unfallersatztarif. Er muss sich deshalb nach günstigeren Tarifen erkundigen und muss den Normaltarif für selbst zahlende Kunden auch dann wählen, wenn er für diesen Fall Vorleistungen bringen muss, aber dazu ohne Einschränkung in der Lage ist (vgl. Lemcke, r + s 07, 346 in Anmerkung zum BGH-Urteil VI ZR 161/06 vom 12.06.07; Greiner, zfs 06, 124, 128, 129; vgl. auch BGH-Urteil VI ZR 105/06 vom 13.02.07 - r + s 07, 341).

Dass ihr in diesem Sinne ein adäquates Mietfahrzeug zum Normaltarif nicht zugänglich gewesen wäre, ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht. Ihre umfangreichen Ausführungen und teilweise durch Gutachten gestützten betriebswirtschaftlichen Berechnungen, mit welchen sie die Berechtigung eines 30 %-Zugschlages auf den Normaltarif zu begründen versucht, betreffen lediglich die Frage, ob die Besonderheiten des Unfallersatzgeschäftes einen gegenüber dem Normaltarif höheren Preis rechtfertigen (vgl. hierzu Martis/Enslin, a.a.O. m. w. N.). Damit ist aber nichts zu der unabhängig davon zu prüfenden Frage gesagt worden, ob der Klägerin die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs zum Normaltarif zugänglich gewesen wäre. Allein ihre im Senatstermin abgegebene Erklärung, sie sei nach dem Unfall erst spät abends erschöpft nach Hause gekommen und habe am anderen Morgen bereits um 9.00 Uhr einen Termin in N2 wahrnehmen müssen, reicht hierfür nicht aus. Denn damit ist nichts dazu gesagt, ob sie bei entsprechender Nachfrage von der Firma N oder aufgrund telefonischer Erkundigung von einem anderen Vermieter nicht ebenso schnell ein Fahrzeug zum Normaltarif habe bekommen können, und erst recht nicht dazu, dass die Inanspruchnahme eines Mietfahrzeugs zum Unfallersatztarif auch für die folgenden 11 Tage erforderlich gewesen wäre. Damit hat also die Klägerin nicht dargelegt und bewiesen, das ihr ein wesentlich günstigerer Tarif nicht zugänglich gewesen wäre.

Die in diesem Zusammenhang häufig auftretende Frage, ob die Zugänglichkeit des Normaltarifs im konkreten Fall davon abhängt, dass der Geschädigte den Vermieter durch Einsatz von Kreditkarten oder auf ähnliche Weise Sicherheit bietet, betrifft zwar die Schadensminderungspflicht gem. § 254 BGB und steht damit zur Beweislast des Schädigers. Indessen trifft den Geschädigten eine sekundäre Darlegungslast (vgl. Greiner, a.a.O). Dass aber die Anmietung eines Fahrzeugs zum Normaltarif an der mangelnden Möglichkeit gescheitert wäre, dem Vermieter eine von diesem geforderte Sicherheit zu bieten, ergibt sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht.

3.

Bei den Mietwagennebenkosten hat das Landgericht die Kosten der Haftungsreduzierung gem. § 287 ZPO ausgehend von der Mietpreisliste der Firma B2 für die Mietwagenklasse 6 auf 20,-- Euro täglich geschätzt, und hat auf dieser Grundlage für 12 Tage einen Betrag von 240,-- Euro für erstattungsfähig gehalten.

Der Senat teilt die Auffassung der Berufung, dass nicht einerseits hinsichtlich des Mietpreises (Grundgebühr) auf die Schwacke-Liste abgestellt werden kann und andererseits hinsichtlich der Haftungsreduzierungskosten auf die Preisliste der Fa. B2 GmbH, der andere Kalkulationen zugrunde liegen mögen. Da es um die Ermittlung der erforderlichen Kosten für ein Mietfahrzeug geht, erscheint es sachgerecht, im selben System zu bleiben.

Der Sachverständige Dipl.-Ing. V2 hat mit Hilfe der Schwacke-Nebenkostentabelle 12/06 für die Klasse 7, in welcher das beschädigte Fahrzeug der Klägerin einzugruppieren war, im Wochenmodus 161,-- Euro und pro Tag 23,-- Euro als Mietwagenkosten für Vollkasko/Haftungsreduzierung ermittelt. Aufaddiert ergibt sich damit der von der Klägerin hierfür geltend gemachte Betrag von 276,00 Euro.

Die weiteren Nebenkosten für Winterreifen in Höhe von 120,00 Euro sind vom Landgericht zuerkannt worden und in dieser Instanz nicht im Streit. Insgesamt sind daher an Nebenkosten 396,00 Euro ersatzfähig.

4.

Ihren ursprünglichen Vortrag, sie habe ein klassenkleineres Ersatzfahrzeug angemietet, hat die Klägerin nicht aufrechterhalten, und auch der Sachverständige Dipl.-Ing. V hat bestätigt, dass das Unfallfahrzeug und das Ersatzfahrzeug übereinstimmend in der Mietwagengruppe 7 des Schwacke-Mietpreisspiegels einzuordnen sind. Deswegen hat das Landgericht zu Recht wegen der ersparten Eigenbetriebskosten einen Abzug vorgenommen (vgl. Senat NZV 99, 379 = OLGR 99, 370 = r + s 99, 194). Der Senat hält daran fest, dass dieser im Massengeschäft der KH-Schadenabrechnung mit 10 % der Mietwagenkosten bei einer Schätzung gem. § 287 ZPO angemessen erfasst werden kann (vgl. Lemcke, in Anmerkung zu OLG Frankfurt, r + s 97, 503; Greger, NZV 96, 430, 432). Das muss jedenfalls dann gelten, wenn - wie hier - der zu ersetzende Mietpreis nicht durch pauschale Zuschläge auf den Normaltarif einem deutlich höheren Unfallersatztarif angenähert wird, von dessen Höhe die ersparten Eigenbetriebskosten nicht abhängig sind. Die von der Klägerin geltend gemachten Preisunterschiede für den Dieselkraftstoff des Unfallfahrzeugs und für das Superbenzin für das Mietfahrzeug sind nicht so erheblich, dass sie entscheidenden Einfluss auf das Schätzungsergebnis nehmen müssten.

5.

Entsprechend dem Abrechnungsschema des Landgerichts errechnet sich der der Klägerin zuzuerkennende weitere Betrag wie folgt:

 Mietwagenkosten im Normaltarif für 12 Tage 1.135,00 Euro
abzüglich 10 % Eigenersparnis 113,50 Euro
Zwischensumme 1.021,50 Euro
zuzüglich Mietwagennebenkosten 396,00 Euro
Zwischensumme 1.417,50 Euro.
Abzüglich vom Landgericht zuerkannter 1.246,50 Euro,
waren auf die Berufung der Klägerin demgemäß weitere171,00 Euro

zuzusprechen.

Die Entscheidungen über Zinsen, Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit beruhen auf §§ 286, 288 BGB, §§ 92, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.

Ende der Entscheidung

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