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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 21.05.2001
Aktenzeichen: 6 U 243/00
Rechtsgebiete: StVG, BGB, PflVG, ZPO


Vorschriften:

StVG § 7
StVG § 17
StVG § 18
BGB § 823
BGB § 249
BGB § 251
BGB § 251 II
BGB a. F. § 288
PflVG § 3 Nr. 1
ZPO § 92
ZPO § 97 II
ZPO § 100
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
ZPO § 546
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

6 U 243/00 OLG Hamm

Verkündet am 21. Mai 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 21. Mai 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Baur und die Richter am Oberlandesgericht Korves und van Beeck

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 28.08.2000 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an die Klägerin 8.795,49 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 04.05.2000 zu zahlen.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten der ersten Instanz tragen zu 1/3 die Klägerin und zu 2/3 die Beklagten.

Die Kosten der Berufungsinstanz trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschwer der Parteien: unter 10.000,00 DM.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klägerin stieß am 04.04.2000 in mit ihrem Pkw Fiat als Linksabbiegerin in einer Ampelkreuzung mit dem entgegenkommenden vom Beklagten zu 1) geführten Pkw Honda zusammen. Fahrzeughalter des Pkw Honda war der Beklagte zu 2); er war beim Beklagten zu 3) haftpflichtversichert.

Mit der Behauptung, der Beklagte zu 1) sei bei Rot durchgefahren, hat die Klägerin die Beklagten auf vollen Ersatz ihres mit 13.269,62 DM bezifferten materiellen Schadens in Anspruch genommen.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht die Klage mit der Begründung abgewiesen, als Linksabbiegerin habe sie den Vorrang des entgegenkommenden Beklagten zu 1) beachten müssen; mit ihrer Behauptung, er sei bei Rot durchgefahren, sei sie beweisfällig geblieben; die Betriebsgefahr des Pkw Honda sei bei dieser Sachlage nicht mehr in Anschlag zu bringen.

II.

Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihr Schadensersatzbegehren auf 100%-Basis unter geringfügiger Reduzierung der Hauptforderung und Erweiterung des Zinsanspruchs weiterverfolgt, hat nach dem Ergebnis der vor dem Senat durchgeführten Beweisaufnahme teilweise Erfolg; im übrigen ist sie unbegründet.

1.

Gemäß §§ 7, 17, 18 StVG, § 823 BGB, § 3 Nr. 1 PflVG haben die Beklagten 75 v, des erstattungsfähigen Schadens der Klägerin zu ersetzen, weil der Beklagte zu 1) den Unfall durch einen Rotlichtverstoß verschuldet hat. Die Klägerin muß 25 % selbst tragen, denn sie hat den Pkw Honda aus der Gegenrichtung kommen sehen und konnte unter den gegebenen Umständen nicht darauf vertrauen, daß er noch vor der Kreuzung anhalten würde.

Der Rotlichtverstoß des Beklagten zu 1) steht aufgrund der Beweisaufnahme zweifelsfrei fest. Als er in den Kreuzungsbereich einfuhr, hatte sich der für ihn von links kommende Querverkehr bereits in Bewegung gesetzt, nachdem dieser Grün erhalten hatte. Davon ist der Senat überzeugt aufgrund der Angaben der unbeteiligten Zeugen und. Aus dem beigezogenen Ampelphasenplan und der dazu gegebenen Erläuterung des Tiefbauamtes der Stadt ergibt sich, daß zwischen dem Ende der drei Sekunden dauernden Gelbphase für den Beklagten zu 1) und dem Beginn der Grünphase für den Zeugen eine Sekunde lag; die Zwischenzeit zum Beginn der Grünphase für die Zeugin betrug je nach Programmablauf 1 oder 2 Sekunden. Die Zeugin hatte, als der Beklagte zu 1) den von ihr benutzten Fußgängerüberweg überquerte, auf diesem schon einige Schritte zurückgelegt, nachdem die Fußgängerampel für sie auf Grün umgesprungen war. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, daß die Ampel für den Beklagten zu 1) bereits deutlich mehr als 1 Sekunde Rot zeigte, als er die Haltelinie überquerte. Die Zeugenaussagen der Schwestern des Klägers, die als Beifahrerinnen bei ihm im Fahrzeug gesessen haben, sind nicht geeignet, dieses Beweisergebnis zu erschüttern. Sie haben zwar bekundet, der Kläger sei bei Grün oder frühem Gelb in den Kreuzungsbereich eingefahren. Ob diesen Aussagen eine bewußte Begünstigungsabsicht zugrundeliegt oder ob das Erinnerungsbild dieser Zeuginnen durch nachträgliche Gespräche mit dem Beklagten zu 1) überlagert worden ist, kann offenbleiben. Gegenüber den detailreichen und auch voneinander unabhängigen Aussagen der unbeteiligten Zeugen kommt ihnen jedenfalls keine Überzeugenskraft zu.

Weil aber die Klägerin den Unfall selbst mitverschuldet hat, muß sie aufgrund der Abwägung der Verursachungsanteile gem. § 17 StVG einen Teil ihres Schadens selbst tragen. Als sie als Linksabbiegerin im Kreuzungsbereich wartete, um den bevorrechtigten Gegenverkehr durchzulassen, konnte sie nicht direkt sehen, ob für diesen inzwischen durch Umschalten der Ampel die weitere Durchfahrt gesperrt war. Sie hat das ihrer Angabe zufolge lediglich daraus geschlossen, daß im rechten Fahrstreifen des Gegenverkehrs ein Fahrzeug anhielt, hat aber gesehen, daß sich der vom Beklagten zu 1) geführte Pkw Honda im linken Fahr streifen näherte. Sie konnte nicht uneingeschränkt darauf vertrauen, daß er auch anhalten werde, da seine Fahrbewegung diesem Schluß entgegenstand. Bei der gebotenen sorgfältigen Beobachtung des Gegenverkehrs hätte ihr nicht entgehen dürfen, daß er anders als das Fahrzeug im rechten Fahrstreifen keine Anstalten zum Anhalten machte, sondern vielmehr sein Fahrzeug beschleunigte.

Bei der Abwägung überwiegt jedoch deutlich der von den Beklagten zu verantwortende Verursachungsanteil, denn der Beklagte zu 1) hat deutlich mehr als eine Sekunde nach Erscheinen von Rot die Haltelinie überquert, und die Klägerin mußte auch darauf bedacht sein, rechtzeitig vor dem Einsetzen des Querverkehrs die Kreuzung zu räumen. Unter diesen Umständen erschien dem Senat eine Anspruchskürzung um 25 % sachgerecht.

2.

Zur Schadenshöhe gilt Folgendes:

2.1

Die Erstattung der von der Klägerin geltend gemachten Mietwagenkosten scheitert daran, daß bei ihrem geringen Fahrbedarf die Anmietung eines Mietwagens unverhältnismäßig war.

Allerdings steht nach der gesetzlichen Wertung der §§ 249, 251 BGB die Naturalrestitution im Vordergrund, die - soweit es die Nutzung betrifft - in erster Linie dadurch bewirkt wird, daß der Geschädigte für die Dauer des Ausfalls seines Fahrzeugs auf Kosten des Schädigers einen Mietwagen nimmt. Die Grenze dafür, ob in solchen Fällen Naturalrestitution durch einen Ersatzwagen verlangt werden kann, setzt § 251 II BGB (vgl. BGH VersR 85, 283 m.d.N.). Hiernach tritt erst dann Kompensation an die Stelle der Restitution, wenn die Herstellung nur mit unverhältnismäßigen Aufwendungen möglich ist.

Hier hat die Klägerin alsbald nach dem Unfall durch den Abschleppunternehmer, der ihren beschädigten Pkw Fiat geborgen hat, einen Ersatzwagen angemietet. Ihr sind für 16 Tage 2.115,00 DM zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer 338,40 DM insgesamt 2.453,40 DM berechnet worden.

Sie hat in dieser Zeit insgesamt 170 km zurückgelegt, hat also - wie sie auch im Senatstermin erläutert hat - das Fahrzeug im wesentlichen nur für ihre täglichen Fahrten zur Arbeitsstelle benutzt, die etwa 6 km von ihrer Wohnung entfernt ist. Wäre dieser geringe Fahrbedarf durch Taxifahrten abgedeckt worden, so hätten dafür jedenfalls weniger als 500,00 DM aufgewendet werden müssen. Berufliche, gesundheitliche oder sonstige private Gründe, die der Inanspruchnahme eines Taxis entgegengestanden hätten, bestanden nicht. Die Klägerin hat auch ihrer Erklärung im Senatstermin zufolge überhaupt keine derartigen Überlegungen angestellt, sondern hat ohne weitere Überprüfung ein Mietfahrzeug genommen, nachdem ihr seitens des Abschleppunternehmers erklärt worden ist, sie könne für drei Wochen ein Mietfahrzeug in Anspruch nehmen auf Kosten der Versicherung des Unfallgegners. Wenngleich an die Erkundigungspflichten des in Schadensregulierungsfragen unerfahrenen Unfallgeschädigten keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen (vgl. BGH VersR 96, 902), wäre es hier angesichts des deutlich unterdurchschnittlich geringen Fahrbedarfs der Klägerin doch erforderlich gewesen, vorab den Preis des Mietfahrzeugs zu erfragen und eine überschlägige Gegenüberstellung zu den voraussichtlichen Taxikosten vorzunehmen. Dann hätte sich ihr die Erkenntnis aufdrängen müssen, daß Mietwagenkosten von weit mehr als 2.000,00 DM unverhältnismäßig sind im Vergleich zu Taxikosten, die unter 500,00 DM liegen (vgl. hierzu auch OLG Hamm - 13. ZS - r+s 95, 417 = OLGR 95, 76; OLG Frankfurt, OLGR 96, 61; VersR 92, 620; OLG München, VersR 93, 768 - OLGR 92, 114; Möller/Durst, VersR 93, 1070; Greger, NZV 94, 11, 13). Deswegen durfte sie sich nicht ohne weiteres auf die Angabe des Abschleppunternehmers verlassen, sie habe für drei Wochen Anspruch auf einen Mietwagen, den der Versicherer des Gegners bezahlen müsse.

Andererseits ist die Klägerin nicht darauf beschränkt, fiktive Taxikosten geltend zu machen. Sie kann vielmehr Nutzungsentschädigung verlangen, denn die tatsächliche Benutzung eines Mietfahrzeugs zeigt, daß sie ihr beim Unfall beschädigtes Fahrzeug benutzt hätte. Der Umfang dieser Nutzung ist für den Anspruch auf Nutzungsentschädigung ohne Bedeutung (vgl. OLG Frankfurt VersR 92, 620). Die Klägerin hat infolge des Unfalls jedenfalls für 16 Kalendertage - den Zeitraum, den der Schadensgutachter für die Wiederbeschaffung eines entsprechenden Ersatzfahrzeugs veranschlagt hatte - ein eigenes Fahrzeug entbehrt und kann deswegen für diesen Zeitraum Ersatz für Nutzungsausfall beanspruchen. Den Tagessatz bemißt der Senat in Anlehnung an die üblichen Tabellen für ein Fahrzeug dieses Typs und Alters mit 85,00 DM, so daß für den Nutzungsausfall insgesamt 1.360,00 DM zu veranschlagen sind.

Die Pauschale bemißt der Senat in ständiger Rechtsprechung mit 40,00 DM. Abschleppkosten, die zunächst irrtümlich doppelt angesetzt worden waren, sind angefallen in Höhe von brutto 438,48 DM. Die weiteren Schadenspositionen sind außer Streit, nämlich der Fahrzeugschaden 8.900,00 DM, die Sachverständigenkosten 868,84 DM sowie die An- und Abmeldekosten 120,00 DM. Anrechnungsfähig ist demgemäß ein Gesamtschaden von 11.727,32 DM, wovon die Beklagten entsprechend ihrer Haftungsquote von 75 % 8.795,89 DM zu erstatten haben.

4.

Dieser Betrag ist gemäß § 288 BGB a.F. mit 4 % seit Verzugseintritt zu verzinsen. Die Neuregelung der Vorschrift mit dem von der Klägerin geforderten höheren Zinssatz ist erst nach dem Unfall in Kraft getreten. Für Altforderungen gilt die Neuregelung nicht.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92, 97 II, 100 ZPO. Die erstinstanzliche Klageabweisuug beruhte darauf, daß in erster Instanz seitens der Klägerin für den von ihr behaupteten und erst in zweiter Instanz bewiesenen Sachvortrag kein Beweis angetreten worden war.

Die prozessualen Nebenentscheidungen im übrigen beruhen auf §§ 708 Nr. 10, 713, 546 ZPO.

Ende der Entscheidung

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