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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 09.03.2006
Aktenzeichen: 6 UF 73/05
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 33 | |
BGB § 1361 | |
BGB § 1361 Abs. 2 |
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 24. Februar 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts - Familiengericht - Detmold unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin folgenden Trennungsunterhalt zu zahlen:
- für die Monate Oktober 2004 bis Dezember 2004 monatlich 335,- €;
- für den Monat Januar 2005 = 75,- €;
- für die Monate Februar bis Juni 2005 monatlich 239,- €;
- ab dem Monat Juli 2005 fortlaufend in Höhe von monatlich 170,- €.
Die Beträge sind bzw. waren jeweils monatlich im voraus bis zum 3. eines jeden Monats zur Zahlung fällig und ab ihrer jeweiligen Fälligkeit in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 2/5 und der Beklagte zu 3/5.
Hinsichtlich der kosten für das Verfahren in 1. Instanz verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Amtsgerichts.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
(§ 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)
I.
Die Parteien sind seit 1994 verheiratet; seit Juni 2004 leben sie getrennt. Die vormalige Ehewohnung wurde bis Mitte Oktober 2004 von der Klägerin bewohnt. Bis einschließlich September 2004 hat der Beklagte dafür unstreitig die monatliche Miete von 680,- € entrichtet.
Aus der Ehe der Parteien sind zwei Kinder hervorgegangen. Die am xxx geborene Tochter K hat seit Dezember 2003 bei der Mutter der Klägerin gelebt und anschließend ab dem Beginn des Jahres 2005 bei der Klägerin. Seit März 2005 wohnt sie in einer vom Jugendamt der Stadt E unterhaltenen Einrichtung in M. Der am xxx geborene Sohn L I ist seit dem 19.062004 auf Veranlassung des Jugendamtes im F in E untergebracht.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Trennungsunterhalt in Anspruch. Dazu behauptet sie, dass sie krankheitsbedingt arbeitsunfähig sei. Die Klägerin hat eine abgeschlossene Berufsausbildung zur Bürokauffrau; sie hat aber seit der Geburt der Tochter nicht mehr gearbeitet. Sie bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Wegen Schwerhörigkeit, Sehbehinderung, Funktionsstörungen der Kniegelenke und der Wirbelsäule wurde bei ihr ein Grad der Behinderung von 80 festgestellt. Zudem leidet die Klägerin nach ihrer Darstellung unter psychischen Problemen.
Der Beklagte arbeitet als Maler und Lackierer und geht noch einer Nebentätigkeit an einer Tankstelle nach.
Wegen der weiteren Darstellung des Sachverhaltes sowie des Parteivorbringens und der Anträge in 1. Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat der Klage nur teilweise stattgegeben und auf einen Trennungsunterhalt in Höhe von 335,- € für die Monate Oktober bis Dezember 2004, von 75,- € für den Monat Januar 2005 und von 339,- € fortlaufend ab Februar 2005 erkannt.
Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne vom Beklagten Trennungsunterhalt verlangen, weil sie ihren eheangemessenen Unterhalt nicht selbst bestreiten könne.
Die Ehe sei davon geprägt gewesen, dass die Klägerin kein eigenes Einkommen gehabt und unter erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gelitten habe. Es sei zwar davon auszugehen, dass die Klägerin bei geeigneter ärztlicher Behandlung wieder arbeitsfähig sein werde. Für eine Übergangszeit, deren Dauer noch nicht bestimmt werden könne, könne ihr jedoch noch kein fiktives Einkommen zugerechnet werden.
Das Einkommen des Beklagten habe für die Zeit bis zum 31.12.2004 bei Steuerklasse III unstreitig 1.848,46 € betragen. Seine Nebentätigkeit bei der Tankstelle sei eheprägend, weil er sie spätestens im März 2004 aufgenommen habe. Die Einkünfte daraus hätten sich auf monatsdurchschnittlich 101,- € belaufen, so dass von einem Einkommen in Höhe von 1.919,46 € netto auszugehen sei. Davon seien Fahrtkosten von 75,- € und Kreditraten von 187,- € abzuziehen. Bis zum 31.01.2005 sei weiterhin der Barunterhalt für die Kinder in voller Höhe von je 241,- € vorweg abzuziehen. Die Klägerin habe erst mit Schriftsatz vom 07.01.2005 klargestellt, dass eine Mangelverteilung erfolgen solle.
Bis einschließlich September 2004 sei auch die vom Beklagten gezahlte Miete für die vormalige Ehewohnung von 680,- € zu berücksichtigen. Abzüglich des auf ihn entfallenden Wohnwertvorteils von 340,- € seien demnach 340,- € von seinem Einkommen abzuziehen. Dass er die Miete auch noch im Oktober 2004 bezahlt habe, habe der Beklagte nicht nachgewiesen.
Bis einschließlich September 2004 habe dem Beklagten demnach nur ein Einkommen von 835,- € zur Verfügung gestanden, so dass er unter Berücksichtigung seines Selbstbehaltes für diese Zeit keinen Unterhalt an die Klägerin zu leisten habe.
Ab Oktober 2004 sei der Selbstbehalt wegen des Wegfalls der Mietzahlungen um 335,- € überschritten, so dass der Beklagte in dieser Höhe Trennungsunterhalt zu zahlen habe.
Ab Januar 2005 sei von einem geringeren Einkommen des Beklagten auszugehen, weil er in die ungünstigere Steuerklasse II falle- Der Beklagte müsse aber vom begrenzten Realsplitting Gebrauch machen. Dies führe im Januar 2005 zu einem Nettoeinkommen von 1659,31 € und nach Abzug der Belastungen zu einer Unterhaltspflicht von 75,- €.
In der Zeit ab Februar 2005 betrage das Nettoeinkommen 1.744,25 €, sodass dem Beklagten nach Abzug der Fahrtkosten von 75,- € und der Kreditrate von 187,- € noch 1.482,25 € verbleiben würden. Bei einer Mangelquote von 46,4 % würde sich dann ein Unterhalt für die Klägerin von 339,- € monatlich errechnen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Beklagte mit der Berufung, mit der er eine Herabsetzung seiner Unterhaltspflicht begehrt.
Er macht geltend, der Klägerin sei eine eigene Erwerbstätigkeit zuzumuten und abzuverlangen. Ihre Erkrankungen bzw. Behinderungen ließen sich durch ärztliche Maßnahmen wesentlich lindern. Die Klägerin habe jedoch schon zu Ehezeiten ärztliche Behandlungen und Hilfsmittel, wie bspw. ein Hörgerät, abgelehnt- Sie habe sich daher in vorwerfbarer Weise weder um ihre Gesundung noch um eine Arbeitsstelle bemüht. Im wesentlichen wegen ihrer Schwerhörigkeit habe die Klägerin auch die Kinder nicht betreuen können, so dass diese aus der Familie hätten genommen werden müssen. Bereits in diesem Zusammenhang sei die Klägerin massiv aufgefordert worden, sich um ihre gesundheitliche Situation zu kümmern.
Unter Zubilligung einer Übergangszeit sei die Klägerin danach spätestens ab Ende 2004 verpflichtet gewesen, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Dadurch hätte sie ein Einkommen von wenigstens 400,- € erzielen können, so dass ihr dieser Betrag als fiktives Einkommen anzurechnen sei. Inzwischen habe die Klägerin ihre Schwerhörigkeit mit Hilfe eines Hörgerätes auch weitestgehend kompensiert.
Der Barunterhalt für die Kinder von je 241,- € sei auch über den 31.01.2005 hinaus vorweg vom Einkommen des Beklagten abzuziehen. Insoweit habe eine konkludente Vereinbarung zwischen den Parteien bestanden, von der sich die Klägerin nicht einseitig lösen könne. Ein Vorrang des Kindesunterhaltes sei auch deshalb geboten, weil beide Kinder im Heim leben würden, wodurch erhebliche Kosten entstünden. Schließlich sei auch die Titulierung des Kindesunterhaltes auf Betreiben der Klägerin erfolgt.
Das Einkommen des Beklagten aus seiner Nebentätigkeit bei der Tankstelle sei nicht zu berücksichtigen. Es handele sich dabei um Einkünfte aus überpflichtgemäßer Tätigkeit, die auch nicht eheprägend gewesen seien. Der Beklagte habe die Tätigkeit erst wenige Wochen vor der Trennung der Parteien aufgenommen. Eine eheprägende Wirkung trete jedoch erst ein, wenn ein Einkommen über einen zumindest längeren Zeitraum bezogen werde. Es sei daher von einem Nettoeinkommen des Beklagten in 2004 in Höhe von 1.818,46 € auszugehen. Vom Einkommen des Beklagten sei auch der Erwerbstätigenbonus von 1/7 abzuziehen. In Mangelfällen habe eine Berücksichtigung dieses Bonus nach Billigkeitsgrundsätzen zu erfolgen. In Anbetracht der Umstände, dass hier der Beklagte auf der einen Seite in erheblichem Maße Überstunden leiste und zudem einer Nebentätigkeit nachgehe und die Klägerin auf der anderen Seite nicht erwerbstätig sei, sei zugunsten des Beklagten ein Erwerbstätigenbonus zumindest teilweise zu berücksichtigen.
Abzuziehen sei auch die Miete für Oktober 2004. Die vormalige Ehewohnung sei erst Mitte Oktober 2004 geräumt worden, so dass der Mietzins für diesen Monat noch habe entrichtet werden müssen. Es entspreche allen Erfahrungssätzen, dass Schuldner, die ihren Zahlungsverpflichtungen regelmäßig nachkommen würden, diese auch umfassend und vollständig erfüllen würden. Danach sei auch hier davon auszugehen, dass der Beklagte, der die Miete für die vorhergehenden Monate bezahlt habe, auch die Miete für Oktober noch beglichen habe. Das Bestreiten der Klägerin in Hinsicht auf diese Mietzahlung sei in jeder Weise unsubstanziiert.
Der Realsplittingvorteil hingegen entstehe frühestens im Rahmen der Steuererklärung für 2005 und auch nur unter der Voraussetzung, dass die Klägerin einem Realsplitting tatsächlich zustimme.
Ab 2005 habe sich das Einkommen des Beklagten - auch aus der Nebentätigkeit- infolge der geänderten Versteuerung und geringerer Stundenzahlen so verringert, dass er zumindest ab diesem Zeitpunkt zur Leistung von Trennungsunterhalt nicht mehr in der Lage sei.
Steuererklärungen seien vom Beklagten bzw. von den Parteien seit Jahren nicht abgegeben worden.
Der Beklagte hat zunächst beantragt, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung die Klage abzuweisen.
Mit dem Schriftsatz vom 29.09.2005 hat der Beklagte seinen Antrag an den Umfang der ihm bewilligten Prozesskostenhilfe angepasst und die weitergehende Berufung zurückgenommen. Wie der neue Berufungsantrag zu verstehen ist, hat der Beklagte im Rahmen der Antragsstellung in der mündlichen Verhandlung vom 16.02.2006 klargestellt.
Er beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung
a) die Klage abzuweisen soweit er für die Monate Oktober bis Dezember 2004 zu höherem Unterhalt als monatlich 255,- € und für die Monate Februar bis Juni 2005 zu höherem Unterhalt als monatlich 239,- € verurteilt worden ist,
b) die Klage für den Monat Januar 2005 und ab Juli 2005 insgesamt abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Dazu führt sie aus, sie sei krankheitsbedingt nicht in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. So sei sie vom 01. bis zum 30.03.2005 im H A in E und vom 11.04. bis zum 03.05.2005 in der M Nervenklinik in C stationär behandelt worden (Bl. 160 ff.).
Das Einkommen des Beklagten sei nicht vollständig belegt; es würden die Abrechnungen für Oktober bis Dezember 2004 fehlen. Es werde daher bestritten, dass das Einkommen des Beklagten in 2004 nur 1.818,46 € betragen habe. Die Klägerin schätze es vielmehr auf mindestens 1.850,- €.
Die Einkünfte aus der Nebentätigkeit des Beklagten seien anzurechnen, da diese Tätigkeit bereits vor der Trennung aufgenommen und damit eheprägend gewesen sei. Angesichts der beengten finanziellen Verhältnisse sei eine Nebentätigkeit auch zuzumuten und zu verlangen.
Die angebliche Mietzahlung für Oktober 2004 sei vom Beklagten immer noch nicht belegt worden.
Die Klägerin habe weder vorprozessual noch im Rechtsstreit jemals eine Erklärung zum Vorrang des Kindesunterhaltes abgegeben. Vielmehr habe sie schon im vorgerichtlichen Schreiben vom 29.07.2004 (Bl. 7 GA) darauf hingewiesen, dass der Beklagte ihr und den Kindern gegenüber gleichrangig zum Unterhalt verpflichtet sei. Es sei also durchgängig -auch für das Jahr 2004- eine Mangelverteilung vorzunehmen. Bei dieser Mangelverteilung sei ein Erwerbstätigenbonus auf Seiten des Beklagten nicht zu berücksichtigen.
Fahrtkosten habe der Beklagte bislang nicht substantiiert dargelegt. Sofern die vom Beklagten behaupteten berufsbedingten Fahrtkosten jedoch berücksichtigt würden, sei jedenfalls auch ein daraus erwachsender Steuervorteil fiktiv in Ansatz zu bringen. Für 2005 werde das (ebenfalls nicht ausreichend belegte) Einkommen des Beklagten auf 1.650,- € netto zzgl. 101,- € aus der Nebentätigkeit geschätzt.
Der Senat hat Beweis erhoben über die Frage der Erwerbsfähigkeit der Klägerin in dem Zeitraum ab Juli 2005. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird verwiesen auf das schriftliche Gutachten des Facharztes für Psychiatrie H. A1 vom 09.02.2006, das der Sachverständige im Senatstermin vom 16.02.2006 mündlich erläutert hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig; sie hat in der Sache teilweise Erfolg.
Die Klägerin hat gemäß § 1361 BGB Anspruch gegen den Beklagten auf Trennungsunterhalt in der austenorierten Höhe.
1.
Seine Einwendungen gegen die Geschäftsfähigkeit der Klägerin und der wirksamen Erteilung der Prozessvollmacht durch sie hat der Beklagte im Senatstermin am 16.02.2006, in dem die Klägerin persönlich anwesend war, fallen gelassen. Für die Annahme, dass die Klägerin Geschäfts- und damit prozessunfähig ist, haben sich an Hand der überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen auch keine Anhaltspunkte ergeben.
2.
Geht man damit von einer wirksamen Vollmachtserteilung und Klageerhebung aus, hängt die Höhe der Unterhaltsansprüche der Klägerin gemäß § 1361 BGB von den eheprägenden Einkommensverhältnissen sowie von der Leistungsfähigkeit des Beklagten ab.
a) Einkommen der Klägerin
aa) Die Klägerin hat durchgängig Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG bzw. SGB II bezogen. Diese Leistung ist gegenüber dem Unterhaltsanspruch subsidiär; der Unterhaltsanspruch erlischt mithin nicht dadurch, dass Sozialhilfe gewährt wird. Einen mit der Stadt C geschlossenen Abtretungsvertrag vom 10.01.2005 betreffend das Jahr 2004 hat die Klägerin vorgelegt (BI. 123 GA). Eine Überleitung hinsichtlich der in 2005 gezahlten Beträge nach § 33 BGB ist nach ihren unbestrittenen Angaben bislang nicht erfolgt.
bb) Die Klägerin ist in dem in Rede stehenden Unterhaltszeitraum auch nicht erwerbspflichtig gewesen, so dass ihr ein fiktives Einkommen nicht zuzurechnen ist.
(1)
Eine Erwerbspflicht der Klägerin bestand bis einschließlich Juni 2005 ungeachtet ihres Gesundheitszustandes nicht. Vor Ablauf des Trennungsjahres setzt eine Erwerbsverpflichtung gemäß § 1361 Abs. 2 BGB regelmäßig nicht ein, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte -wie hier die Klägerin seit der Geburt des ersten Kindes im Jahr 1995- im Zeitpunkt der Trennung längere Zeit nicht erwerbstätig war (vgl. BGH FamRZ 1990, 283).
(2)
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht weiterhin zur Überzeugung des Senates fest, dass die Klägerin spätestens ab Juli 2005 bis auf weiteres krankheitsbedingt voll arbeitsunfähig ist.
Der Sachverständige Facharzt für Psychiatrie H. A1 kommt insoweit in seinem fundiert begründeten und nachvollziehbaren Gutachten vom 09.02.2006 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin wegen eines anhaltenden, erheblich ausgeprägten, depressiv-ängstlichen und situativ melancholisch gefärbten Syndroms mit erheblicher psychischer Minderbelastbarkeit mindestens seit Juli 2005 in vollem Umfang erwerbsunfähig sei. Allein die physischen Beeinträchtigungen der Klägerin, aufgrund derer das Versorgungsamt im Dezember 2004 einen Grad der Behinderung von 80 festgestellt habe, würden zwar eine Teilzeitarbeit durchaus zulassen. Objektiv und entscheidend einschränkend wirke sich jedoch aktuell und bis auf weiteres die auf nervenärztlichem Gebiet zusätzlich festgestellte depressive Störung in Hinsicht auf eine volle Erwerbsunfähigkeit der Klägerin aus. Diese Feststellungen hat der Sachverständige im Senatstermin am 16.02.2006 noch einmal überzeugend erläutert. Sie decken sich mit dem persönlichen Eindruck, den der Senat sich in der mündlichen Verhandlung von der Klägerin verschaffen konnte und sind insbesondere auch vor dem Hintergrund des von ihr glaubhaft geschilderten neuerlichen Suizidversuches im November 2005 mit anschließendem stationären Klinikaufenthalt plausibel. Anhaltspunkte zu Zweifeln an dem vom Sachverständigen gefundenen Ergebnis sind daher nicht ersichtlich.
Nach den weiteren Feststellungen des Sachverständigen ist die psychische Erkrankung der Klägerin jedoch behandlungsbedürftig und auch -fähig. Nach einer therapeutischen Behandlung, die sich mindestens über das erste Halbjahr 2006 erstrecken müsse, könne sich eine Besserung des Krankheitsbildes bei der Klägerin -bis hin zu einer (mw. teilweisen) Erwerbsfähigkeit- einstellen.
Dass die Klägerin bislang eine solche ambulante Therapie nicht in Angriff genommen hat, ist ihr jedoch unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen, sodass sich auch aus diesem Gesichtspunkt eine Anrechnung eines fiktiven Einkommens der Klägerin nicht herleiten lässt.
Dazu führt der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 09.02.2006 aus, dass eine Vorwerfbarkeit des Unterlassens von gebotenen Behandlungen medizinisch überwiegend zu verneinen sei. Das hat der Sachverständige im Senatstermin vom 16.02.2006 dahingehend näher präzisiert, dass es der Klägerin nicht an der nötigen Krankheitseinsicht, wohl aber eindeutig und erheblich an der ebenso erforderlichen Umsetzungsfähigkeit fehle. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass bis zur Eröffnung der Tagesklinik in C eine entsprechende Einrichtung nur in E vorhanden gewesen sei. Aufgrund der Struktur der Erkrankung der Klägerin und ihrer hinzu tretenden physischen Beeinträchtigungen sei es für sie aber schon schwer, die Distanz zwischen ihrem Wohnort und der bis vor kurzem lediglich zur Verfügung stehenden Klinik in E von ca. 30 km zu überwinden. Vor diesem Hintergrund sei es aus fachärztlicher Sicht durchaus nachvollziehbar, dass die Klägerin ohne externe Behandlungskoordination und -überwachung, die ihr nach den jeweiligen Entlassungen aus den stationären Behandlungen nicht zuteil geworden sei, nicht in der Lage gewesen sei, ihre ambulante (Weiter-)Behandlung selbst und allein zu organisieren und durchzuführen.
Auch diese Feststellungen des Sachverständigen stehen in vollem Einklang mit dem persönlichen Eindruck, den der Senat sich von der Klägerin verschafft hat. Die Klägerin hat demnach eine ambulante Behandlung ihrer psychischen Erkrankung deshalb unterlassen, weil es ihr -gerade als Ausfluss dieser Krankheit- an der nötigen Umsetzungsfähigkeit in dieser Hinsicht gefehlt hat. Ein unterhaltsrechtlich vorwerfbares Fehlverhalten der Klägerin liegt damit nicht vor.
Auf Seiten der Klägerin ist somit bei der Berechnung des Unterhaltes weder ein tatsächliches noch ein fiktives Einkommen zu berücksichtigen.
Der Unterhaltsanspruch der Klägerin ergibt sich daher anhand der Einkünfte des Beklagten.
I. Einkommen des Beklagten
a) 2004
aa)
In 1. Instanz hat die Klägerin selbst ein monatliches Nettoeinkommen des Beklagten von 1.818,46 € vorgetragen, was vom Beklagten auch nicht bestritten worden ist (81. 2 GA). Die Klägerin ist in der ersten Instanz bei ihrer Unterhaltsberechnung von diesem Betrag auch nicht mehr abgewichen (vgl. Bl. 2,14, 35, 45 GA).
In ihrer Berufungserwiderung vom 16.01.2006 (Bl. 227 GA) behauptet die Klägerin nun jedoch erstmals ein Einkommen des Beklagten von mindestens 1.850,- €. Das begründet sie lediglich damit, dass der Beklagte für 2004 sein Einkommen nicht vollständig belegt habe; die Abrechnungen für Oktober bis Dezember 2004 würden fehlen.
Nach der Vorlage der Verdienstabrechnung für Dezember 2004 im Senatstermin am 16.02.2006 durch den Beklagten (BI. 252 GA) kann jedoch die Frage dahinstehen, ob ein Einkommen des Beklagten in 2004 von 1.818,46 € schon als von der Klägerin zugestanden anzusehen ist. Denn auch aus den in der Verdienstabrechnung für Dezember 2004 ausgewiesenen Jahresbeträgen ergibt sich kein höheres durchschnittliches Monatseinkommen des Beklagten als 1.818,46 € netto.
bb)
Hinzuzurechnen sind die Einkünfte des Beklagten aus der Nebentätigkeit bei der Tankstelle. Diese Arbeit hat der Beklagte unstreitig noch vor der Trennung der Parteien angenommen (Bl. 107 GA), sodass sie eheprägend ist. Sie ist auch nicht als überobligatorisch zu bewerten. Der Kläger ist daran -wie die faktische Ausführung der Nebentätigkeit zeigt- nicht gehindert. Sie ist ihm auch zur Steigerung seiner Leistungsfähigkeit zumutbar, weil er selbst mit diesem Nebenverdienst -wie die nachfolgenden Unterhaltsberechnungen erweisen werden- nicht in der Lage ist, sämtliche ihm obliegende Unterhaltspflichten zu erfüllen.
Die Höhe des Nebenverdienstes mit monatsdurchschnittlich 101,- € im Jahr 2004 wird vom Beklagten mit der Berufung nicht angegriffen (Bl. 105 GA).
cc)
Abzuziehen ist unstreitig die monatliche Kreditrate von 187,- € (Bl. 38 GA).
dd)
Abzusetzen sind weiterhin monatliche Fahrtkosten von 75,- €.
Der Beklagte hat im Senatstermin nachvollziehbar und glaubhaft dargelegt, dass er für die Fahrten zum Sitz seines Arbeitgebers (Fahrtstrecke = 5 km) oder zu seinen Einsatzorten entweder seinen PKW oder seinen Motorroller benutzt. Die Fahrtstrecke zu den Einsatzstellen sei dabei mitunter weiter als diejenige zum Sitz seines Arbeitgebers. Vor diesem Hintergrund erachtet auch der Senat die vom Amtsgericht vorgenommene Schätzung von monatsdurchschnittlichen Fahrtkosten in Höhe von 75,- € für angemessen und zutreffend.
Ein fiktiver Steuervorteil ist insoweit nicht anzusetzen, da durch eine Berücksichtigung der Fahrtkosten der Pauschbetrag von 920,- € nicht erreicht wird, zumal steuerlich nur eine geringere Fahrtkostenpauschale anerkannt wird als dies unterhaltsrechtlich der Fall ist.
ee)
Die Mietzahlung auch noch für Oktober 2004 hat der Beklagte nach wie vor nicht belegt. Seine Ausführungen zu verlässlichen Schuldnern (Bl. 156 GA) vermögen einen solchen Zahlungsnachweis nicht zu ersetzen.
ff)
Das Amtsgericht und auf dieser Basis auch noch der Senat im Prozesskostenhilfe-Beschluss vom 04.07.2005 sind davon ausgegangen, dass sich die Klägerin den Kindesunterhalt bis einschließlich Januar 2005 hat vorgehen lassen. Zutreffend weist die Klägerin allerdings darauf hin, dass sie schon in ihrem vorprozessualen Schreiben vom 29.07.2004 (Bl. 7 GA) von einer Gleichrangigkeit der Unterhaltsansprüche und einer vorzunehmenden Mangelverteilung ausgegangen sei. Die Klägerin hat die Unterhaltszahlungen an die Kinder auch nicht in Empfang genommen. Sie hat den Beklagten nach dessen eigenen Erklärungen im Senatstermin am 16.02.2006 weder selbst auf Kindesunterhalt in Anspruch genommen noch die Schaffung entsprechender Titel von ihm verlangt. Vielmehr sei das Jugendamt an ihn herangetreten und habe ihn zur Zahlung von Kindesunterhalt aufgefordert. Mit seiner Frau habe er über Kindesunterhalt überhaupt nicht gesprochen.
Nach dieser Schilderung des Beklagten hat es keine -auch nur konkludente- Willenserklärung der Klägerin oder Abrede zwischen den Parteien des Inhalts gegeben, dass die Klägerin den Kindesunterhalt ihren eigenen Unterhaltsansprüchen zeitweise vorgehen lassen wollte. Über den gesamten hier in Rede stehenden Zeitraum ist daher nicht von einem Vorrang des Kindesunterhaltes auszugehen.
gg)
Ein Erwerbstätigenbonus kann bei dem hier in Rede stehenden Mangelfall nicht berücksichtigt werden (vgl. Gerhardt in: Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl. 2004, § 4 Rdnr. 382 a. E.).
hh)
Danach ist für die Zeit von Oktober bis Dezember 2004 wie folgt zu rechnen:
Nettoeinkommen | 1.818,46 |
Nebentätigkeit | 101,00 |
abzgl. Kreditrate | - 187,00 |
abzgl. Fahrtkosten | -75,00 |
1.657,46 | |
abzgl. Kindesunterhalt (Gruppe 3/Stufe 2): 275 x 2 | -550,00 |
1.107,46 |
Der Bedarf der Klägerin beträgt 3/7 davon = 474,63 €.
Unter Berücksichtigung des billigen Selbstbehaltes von 920,- € (Ziff. 21.4.1 der Hammer Leitlinien - Stand 01.07.03) ist der Beklagte jedoch nur in Höhe von rund 737,46 € leistungsfähig, so dass er mit diesem Betrag nicht den Unterhalt der Klägerin und der beiden Kinder in voller Höhe bestreiten kann. Daher ist eine Mangelverteilung vorzunehmen.
Die Einsatzbeträge belaufen sich nach Ziff. 23.2.1 und 23.2.2 der Hammer Leitlinien (Stand 1. Juli 2003) auf je 326,- € für die Kinder und 730,- € für die Beklagte. Dem gesamten Unterhaltsbedarf von 1.382,- € steht damit eine Leistungsfähigkeit von lediglich 737,46 € gegenüber. Das ergibt eine Mangelquote von 53,36 %, so dass der Unterhaltsanspruch der Klägerin sich für den Zeitraum von Oktober bis Dezember 2004 auf rund 390,- € beläuft. in der angefochtenen Entscheidung sind lediglich 335,- € ausgeurteilt, so dass die Berufung hinsichtlich dieses Zeitraumes ohne Erfolg bleibt.
b) Januar 2005
aa)
Das Einkommen des Beklagten erfährt dadurch eine Änderung, dass der Beklagte nunmehr nach Steuerklasse 2 versteuert. Ausweislich der von ihm vorgelegten Lohnabrechnung für Dezember 2005 hat der Beklagte aber lediglich einen Kinderfreibetrag von 0,5 eintragen lassen. Das ist auf zwei halbe Kinderfreibeträge zu korrigieren. Weitere Korrekturen sind nicht vorzunehmen. Insbesondere hat der Beklagte in 2005 kein Krankengeld bezogen.
Bei Steuerklasse 2 und einem Kinderfreibetrag von1,0 errechnet sich aus den in der Dezemberabrechnung 2005 enthaltenen .Jahresbeträgen ein Jahresnetto von 18.102,24 € = monatlich 1.508,52 €. Zu belassen ist dem Beklagten die Nettoquote des Arbeitgeber-Anteils an den Vermögenswirksamen Leistungen = 63 % von 26,59 = 16,75 €, sodass sich ein Nettoeinkommen von 1.491,77 € ergibt.
Aus seiner Nebentätigkeit hat der Beklagte ausweislich des in der Gehaltsabrechnung für Dezember 2005 enthaltenen Jahresbetrages 1.042,41 € erzielt (Bl. 244 GA) = monatsdurchschnittlich 86,87 €.
bb)
Ein Realsplittingvorteil ist nicht zu berücksichtigen. Die Inanspruchnahme (mittels Eintragung eines Freibetrages) ist dem Beklagten erst dann möglich, wenn die genaue Höhe des geschuldeten Unterhaltes feststeht. Das war bislang nicht der Fall, da sich der Beklagte mit der Berufung zunächst insgesamt gegen seine Verurteilung in Trennungsunterhalt gewendet hat. Das ist ihm unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen, da er dabei auf anwaltlichen Rat vertraut hat.
Auch sind Beträge aus Steuererstattungen nicht hinzuzusetzen. Nach den übereinstimmenden Bekundungen der Parteien im Senatstermin am 16.02.2006 sind während der Ehezeit keine Steuererklärungen abgegeben worden. Es ist dem Beklagten ebenfalls nicht vorzuwerfen, wenn er nach der Trennung diese Praxis beibehalten hat, zumal nicht erkennbar ist, welche steuermindernde Belastungen der Beklagte überhaupt geltend machen könnte.
cc)
Für Januar 2005 berechnet sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin danach wie folgt:
Nettoeinkommen | 1.491,77 |
Nebentätigkeit | 86,87 |
abzgl. Kreditrate | - 187,00 |
abzgl. Fahrtkosten | -75,00 |
1.316,64 | |
abzgl. Kindesunterhalt (Gruppe 2/Stufe 2): 258 x 2 | 516,00 |
800,64 |
Der Bedarf der Klägerin beträgt 3/7 davon = 343,13 €.
Unter Berücksichtigung des Selbstbehaltes von 920,- € ist der Beklagte damit lediglich in Höhe von 396,64 € leistungsfähig, so dass er den Unterhaltsbedarf der Klägerin und der beiden Kinder nicht decken kann. Es ist wie folgt eine Mangelverteilung vorzunehmen:
Die Einsatzbeträge belaufen sich nach Ziff. 23.2.1 und 23.2.2 der Hammer Leitlinien (Stand 1. Juli 2003) auf je 326,- € für die Kinder und 730,- € für die Beklagte. Dem gesamten Unterhaltsbedarf von 1.382,- € steht damit eine Leistungsfähigkeit von lediglich 396,64 € gegenüber. Das ergibt eine Mangelquote von 28,70 %, so dass der Unterhaltsanspruch der Klägerin sich für den Monat Dezember 2005 auf rund 210,- € beläuft. In der angefochtenen Entscheidung sind lediglich 75,- € ausgeurteilt, so dass die Berufung auch hinsichtlich des Monats Januar 2005 ohne Erfolg bleibt.
c) Februar bis Juni 2005
Insoweit führt die Mangelverteilung auf dem selben Rechenweg zum identischen Ergebnis: Unterhaltsanspruch der Klägerin = 210,- €.
In der angefochtenen Entscheidung ist für diesen Zeitraum jedoch ein monatlicher Unterhalt von 339,- € ausgesprochen. Die Berufung, mit der der Beklagte das amtsgerichtliche Urteil nur bezüglich eines über 239,- € hinausgehenden Betrages angegriffen hat, hat daher Erfolg. Die angefochtene Entscheidung ist daher bzgl. der Monate Februar bis Juni 2005 auf einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 239,- € abzuändern. Eine weitergehende Herabsetzung ist wegen des eingeschränkten Berufungsantrags nicht möglich.
Eine Berufungserweiterung auf 210 € und die Bewilligung weitergehender Prozesskostenhilfe kam wegen der Berufungsrücknahme nicht mehr in Betracht.
d) ab Juli 2005
Auch für diesen Zeitraum ist vom selben Einkommen des Beklagten (bereinigt = 1.316,64 €) auszugehen. Es haben sich aber zum 01.07.2005 die Einsatzbeträge für die Mangelverteilung sowie der Selbstbehalt des Beklagten infolge der Anpassung der Düsseldorfer Tabelle und der Hammer Leitlinien zum 01.07.2005 geändert.
Die Einsatzbeträge belaufen sich nunmehr auf 334,- € für jedes Kind und auf 770,- € für die Klägerin. Der Selbstbehalt des Beklagten beträgt 1.000,- €. Dem gesamten Unterhaltsbedarf von 1.438,- € steht damit eine Leistungsfähigkeit von 316,64 € gegenüber. Das ergibt eine Mangelquote von 22 %, so dass sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin ab Juli 2005 auf rund 170,- € beläuft. Auch insoweit hat die Berufung daher teilweise Erfolg.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1, 516 Abs. 3 S. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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