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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 21.08.2006
Aktenzeichen: 6 WF 221/06
Rechtsgebiete: ZPO, UVG
Vorschriften:
ZPO § 114 | |
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 | |
UVG § 7 |
Tenor:
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 6. Juli 2006 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - Detmold vom 22. Mai 2006 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die der Klägerin mit Beschluss vom 8. September 2004 bewilligte Prozesskostenhilfe sich auf die Anträge aus dem Schriftsatz vom 30. November 2005 insoweit erstreckt, als die Klägerin für Juni 2004 Unterhalt in Höhe von 50,- € ab Juli 2004 Unterhalt in Höhe von 214,- € monatlich, ab Juli 2005 in Höhe von 186,- € und ab September 2005 in Höhe von 128,- € geltend macht.
Die weitergehende Beschwerde der Klägerin wird zurückgewiesen.
Eine Kostenerstattung findet nicht statt.
Gründe:
I)
Die Klägerin ist die minderjährige Tochter des Beklagten. Sie lebt in Deutschland, der Beklagte lebt in Belgien und hat dort zwei weitere Töchter, die am 7. Januar 2004 und am 13. September 2005 geboren sind. Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterhalt seit März 2004 in Anspruch genommen.
Nachdem der Beklagte im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zu der beabsichtigten Stufenklage der Klägerin nicht Stellung genommen hatte, hat das Familiengericht der Klägerin mit Beschluss vom 8. September 2004 unter Beiordnung von Rechtsanwältin T aus E Prozesskostenhilfe bewilligt. Nachdem der Beklagte zunächst Auskunft zu seinen Einkommensverhältnissen erteilt und auch seine Bereitschaft bekundet hatte, den von ihm errechneten Unterhalt ab November 2004 zu zahlen, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. November 2005 beantragt, den Beklagten zu verurteilen,
1.) an die Klägerin ab dem 01.12.2005 Kindesunterhalt in Höhe von 147,- € monatlich zu zahlen;
2.) rückständigen Unterhalt für die Monate März 2003 bis November 2005 in Höhe von 7.191,-€ zu zahlen.
Sie hat später klargestellt, dass Rückstände erst für die Zeit ab März 2004 geltend gemacht werden sollen.
Der angegriffene Beschluss des Familiengerichts vom 22. Mai 2006 enthält unter Ziff. I die Feststellung:
"Die der Klägerin durch Beschluss vom 8.9.2004 bewilligte Prozesskostenhilfe gilt nicht für die Anträge aus dem Schriftsatz vom 30.11.2005".
In der Begründung heißt es dazu, die erteilte Auskunft rechtfertige den Zahlungsantrag nicht mit hinreichender Erfolgsaussicht. Hinsichtlich der geltend gemachten Rückstände habe die Klägerin für die bestrittenen Voraussetzungen des Verzuges keinen Beweis angetreten. Die Zahlungsklage sei darüber hinaus insgesamt mutwillig, soweit sie wegen der vollen Unterhaltsbeträge erhoben worden sei, da der Beklagte im vorliegenden Verfahren mehrfach erklärt habe, die von ihm errechneten Unterhaltsbeträge zahlen und in entsprechender Höhe Unterhaltstitel erstellen zu wollen. Dies sei lediglich an mangelnder Mitwirkung der (gesetzlichen Vertreterin der) Klägerin gescheitert.
Mit ihrer sofortigen Beschwerde macht die Klägerin geltend, ein Aufforderungsschreiben vom 2. März 2004 sei an die damals bekannte und auch zutreffende Adresse des Beklagten in Belgien versendet worden und auch nicht zurückgekommen. Der Beklagte habe im Übrigen seit März 2004 mehrfach die Gelegenheit gehabt, der Klägerin Unterhalt zukommen und Unterhaltstitel erstellen zu lassen. Erstmals mit Schriftsatz vom 25. Februar 2005 habe er seine Bereitschaft zur Erstellung eines Unterhaltstitels bekundet. Im Übrigen sei dem Beklagten die Bankverbindung der gesetzlichen Vertreterin der Klägerin bekannt gewesen, so dass er jederzeit hätte Unterhalt leisten können.
Die gem. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
1.) Die Bezifferung der Leistungsstufe der erhobenen Stufenklage beurteilt das Familiengericht zu Unrecht als insgesamt mutwillig, nachdem es der Klägerin bereits für die Stufenklage Prozesskostenhilfe bewilligt hat. Hierfür kann nicht auf den zwischenzeitlichen Verfahrensablauf nach bereits eingetretener Rechtshängigkeit abgestellt werden. Weil davon auszugehen ist, dass der Beklagte den Klageentwurf im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren bereits im Juni 2004 erhalten hat (dazu s.u. 2.) c)), hatte er genug Zeit, seine Mitwirkungs- und Zahlungsbereitschaft vor Rechtshängigkeit in entsprechende Erfüllungshandlungen umzusetzen. Eine Reaktion erfolgte aber erst nach Zustellung der Klage am 8. November 2004, nämlich durch den Schriftsatz vom 25. November 2004. Zu diesem Zeitpunkt war die Klage aber bereits im Hinblick auf den noch unbestimmten Leistungsantrag rechtshängig geworden. (BGH NJW-RR 1995, 513; Zöller - Greger, ZPO, 25. Aufl., § 254 Rn. 1). Auch die der Klägerin bereits bewilligte Prozesskostenhilfe erstreckte sich auf den Unterhaltsanspruch, der sich aus der noch zu erteilenden Auskunft errechnete (Zöller-Philippi, aaO, § 114 Rn. 37a mwN), weswegen der hier angefochtene Beschluss lediglich klarstellende Wirkung hat. Deshalb konnte sich aus der zu diesem Zeitpunkt erstmalig und später weiter dokumentierten Mitwirkungs- und Erfüllungsbereitschaft des Beklagten keine rückwirkende Mutwilligkeit der erhobenen Klage mehr ergeben.
2.) Danach erstreckte sich die bereits bewilligte Prozesskostenhilfe auf die konkretisierte Unterhaltsforderung in der Höhe, in der sich der Unterhaltsanspruch aus der erteilten Auskunft ergab.
a) Für den Unterhaltsanspruch ist nach Art. 18 Abs. 1 EGBGB deutsches Recht maßgeblich. Dabei sind auch die weiteren Unterhaltspflichten des Beklagten und sein Selbstbehalt zu berücksichtigen. Die hierfür einzusetzenden Beträge müssen sich nach Art. 18 Abs. 7 EGBGB zwar an den konkreten wirtschaftlichen Bedürfnissen des Unterhaltsberechtigten und den konkreten Verhältnissen des Unterhaltsverpflichteten orientieren. Das bedingt einen Kaufkraftvergleich, wenn beide Parteien in unterschiedlichen Ländern wohnen (Dose in Wendl/Staudigl, 6. Aufl., § 7 Rn. 22 ff.; OLG Hamm, FamRZ 2000, 908). Dass der Beklagte und seine beiden weiteren Kinder in Belgien leben, erfordert aber angesichts des nur geringfügigen Kaufkraftunterschiedes zwischen Deutschland und Belgien (1,- €/0,98 €' Stand: Juni 2006; Quelle: www.destatis.de) nicht, andere Beträge in die Berechnung einzusetzen, als in der Düsseldorfer Tabelle vorgesehen.
b) Danach ergeben sich auf der Grundlage des unstreitigen Einkommens des Beklagten in Höhe von monatlich 1.229,- € die von dem Beklagten im Schriftsatz vom 11.10.2005 zutreffend errechneten Unterhaltsansprüche, die allerdings nach Ziff. 25 HLL auf volle Euro aufzurunden waren und sich demnach bis Juni 2005 auf monatlich 214,- €' ab Juli 2005 auf monatlich 186,- € und ab September 2005 auf monatlich 128,- € belaufen. Lediglich für die darüber hinaus geltend gemachten Unterhaltsansprüche der Klägerin besteht keine Erfolgsaussicht, § 114 ZPO.
c) Soweit Rückstände geltend gemacht werden, hat die Klage für die Zeit bis einschließlich Mai 2004 keine Erfolgsaussicht, weil der Zugang des Schreibens vom 2. März 2004 nicht bewiesen werden kann. Es besteht für Postsendungen kein Anscheinsbeweis, dass eine zur Post gegebene Sendung den Empfänger auch erreicht (Palandt-Heinrichs, BGB, 65. Aufl. 2006, § 130 Rn. 21 mwN).
Eine Mahnung kann aber auch konkludent durch Übersendung eines PKH-Antrags erfolgen (Palandt-Heinrichs, aaO, § 286 Rn. 18 mwN). Ausweislich des Aktenvermerks der Geschäftsstelle des Amtsgerichts (Bl. 12 d.A.) ist das Prozesskostenhilfegesuch der Klägerin, verbunden mit dem Klageentwurf, am 3. Juni 2004 abgesandt worden. Der Beklagte behauptet nicht, dieses nicht erhalten zu haben. Es kann daher von einem Zugang noch im Juni 2004 ausgegangen werden. Im Umfang des Anspruchsübergangs auf die Unterhaltsvorschusskasse nach § 7 UVG (164,- €' BI. 76 d.A.) war die Klägerin allerdings zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Anspruchsinhaberin, so dass ein Verzug für diesen Monat nur hinsichtlich des übersteigenden Betrages (214,- € - 164,- € = 50,- €) eintreten konnte. Verzug in vollem Umfang konnte daher nur hinsichtlich des laufenden Unterhalts ab Juli 2004 eintreten. Insoweit waren auch noch keine Ansprüche auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen. Danach besteht Erfolgsaussicht, soweit Unterhalt ab Juli 2004 geltend gemacht wird. Der zwischenzeitliche Anspruchsübergang auf den Unterhaltsvorschussträger hat die Verzugswirkungen nicht beseitigt.
3.) Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs. 4 ZPO).
Ende der Entscheidung
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