Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 12.02.2009
Aktenzeichen: 6 WF 475/08
Rechtsgebiete: RVG, VV RVG, ZPO


Vorschriften:

RVG § 44
RVG § 45
RVG § 45 Abs. 1
RVG § 55
RVG § 58 Abs. 2
VV RVG Vorb. 2.5.
VV RVG Vorb. 3 Abs. 4
VV RVG Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 S. 1
VV RVG Nr. 2500
ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hagen vom 12.11.2008 abgeändert.

Auf die Erinnerung des Beteiligten zu 1) wird der Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hagen vom 8.8.2008 dahingehend abgeändert, dass die an den Beteiligten zu 1) aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 652,72 € festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1) begehrt die Festsetzung einer Vergütung gem. § 55 RVG als im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneter Rechtsanwalt. Dem von ihm vertretenen Beklagten war aufgrund seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Der Beteiligte zu 1) war für den Beklagten bereits vorprozessual tätig geworden, um gegen diesen gerichtete (weitergehende) Unterhaltsansprüche der Kläger abzuwehren. Ein Antrag auf Beratungshilfe ist beim Amtsgericht nicht gestellt worden.

Das Amtsgericht hat, der Ansicht des Beteiligten zu 2) folgend, die geltend gemachte Verfahrensgebühr im Hinblick auf die Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG von 1,3 auf 0,65 gekürzt, da die vorgerichtliche Geschäftsgebühr anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen sei.

Der Beteiligte zu 1) macht mit seiner Beschwerde u. a. geltend, durch den angefochtenen Beschluss würden seine Gebührenansprüche in nicht gerechtfertigter Weise gekürzt. Angesichts der finanziellen Verhältnisse seines Mandanten bestehe für ihn faktisch keine Möglichkeit, von diesem den gekürzten Gebührenanteil zu erhalten.

Der Senat hat den Beteiligten zu 3) angehört. Dieser unterstützt die angefochtene Entscheidung.

II.

Die Beschwerde des Beteiligten zu 1) ist aufgrund der Zulassung durch das Amtsgericht zulässig. Sie ist auch teilweise begründet.

1.

Der Senat folgt grundsätzlich der mittlerweile in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte vorherrschenden Ansicht, dass auch bei der Vergütungsfestsetzung für einen im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt die Anrechnungsvorschrift in Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 VV RVG Anwendung findet (in diesem Sinne auch OLG Braunschweig, B.v.12.9.2008, AGS 2008, 606; OLG Bamberg, B. v. 21.8.2008, JurBüro 2008, 640; OLG Düsseldorf, B. v. 27.11.2008, Az. I 10 W 109/08; OLG Koblenz, B. v. 14.11.2008, Az. 9 WF 728/08; OLG Celle, B. v. 13.11. 2008, Az. 10 WF 312/08; OLG Oldenburg, B. v. 27.5.2008, Az. 2 WF 81/08 sowie B. v. 8.5.2008, Az. 8 W 57/08; LAG Düsseldorf, B. v. 2.11.2007, Az. 13 Ta 181/07, Niedersächs. OVG, B. v. 29.4.2008, Az. 13 OA 39/08; a. A. OLG Oldenburg, B. v. 18.2.2008, Az. 6 W 8/08, und OLG Stuttgart, FamRZ 2008, 1013).

Wie der Bundesgerichtshof in Kostenfestsetzungsverfahren bereits mehrfach entschieden hat, entsteht die Verfahrensgebühr aufgrund der Anrechnungsvorschrift von vorneherein nur in gekürzter Höhe, so dass im Rahmen der Kostenfestsetzung auch keine darüber hinausgehende Kostenerstattung in Betracht komme. Ob die vom Prozessgegner auf materiell-rechtlicher Grundlage zu erstattende Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist, sei bereits nach dem klaren Wortlaut der Anrechnungsbestimmung ohne Bedeutung. Für die Anrechnung und damit die von selbst einsetzende Kürzung sei nach dieser Vorschrift vielmehr entscheidend, ob und in welcher Höhe eine Geschäftsgebühr bei vorausgesetzter Identität des Streitgegenstandes entstanden ist, der Rechtsanwalt zum Zeitpunkt des Entstehens der Verfahrensgebühr also schon einen Anspruch auf eine Geschäftsgebühr aus seinem vorprozessualen Tätigwerden erlangt hatte (BGH NJW 2008, 1323, 1324).

Aus diesen Ausführungen, die auch vom Senat geteilt werden, folgt zwingend, dass auch bei der Vergütungsfestsetzung des im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts die Verfahrensgebühr entsprechend zu kürzen ist, wenn die Voraussetzungen der Anrechnungsvorschrift vorliegen. Denn die Verfahrensgebühr entsteht dann von vorneherein nur in gekürzter Höhe, so dass sie nicht in voller Höhe festgesetzt werden kann. Dies gilt unabhängig von der Bewilligung von Prozesskostenhilfe, denn der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt erhält - vorbehaltlich der Sonderregelungen in Abschnitt 8 des RVG - gem. § 45 Abs. 1 RVG die gesetzliche Vergütung. Er soll also gegenüber dem nicht im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt nicht besser gestellt werden. Sondervorschriften, welche der genannten Anrechnungsvorschrift vorgehen würden, enthalten die §§ 45 RVG nicht. Der in diesem Zusammenhang teilweise zitierte § 58 Abs. 2 RVG ist insoweit nicht einschlägig, da er die Frage der Verrechnung von Vorschüssen und Zahlungen betrifft, während es hier um die vorgelagerte Frage der Entstehung des Gebührenanspruchs geht. Auch steht § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO der Anrechnung nicht entgegen, weil diese Forderungssperre nur die nach der PKH-Bewilligung entstehende Vergütung betrifft, während die Geschäftsgebühr bereits zuvor durch die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts für seinen Mandanten entstanden ist.

2.

Im vorliegend zur Entscheidung stehenden Fall scheitert eine Anrechnung gem. Teil 3 Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG indes daran, dass der Beteiligte zu 1) eine Geschäftsgebühr nicht geltend machen kann.

Nach der zu den Akten gereichten Erklärung des Beklagten über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist davon auszugehen, dass bei ihm auch schon zum Zeitpunkt der Übernahme des Mandats durch den Beteiligten zu 1) die Voraussetzungen für die Bewilligung von Beratungshilfe vorlagen. Diese Umstände hätten dem Beteiligten zu 1) auch bereits bei Übernahme des Mandats bekannt werden können. Der Beteiligte zu 1) wäre deshalb nach Auffassung des Senats, der sich insoweit der Rechtsprechung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg (JurBüro 2008,528) anschließt, bei sachgerechtem Vorgehen gehalten gewesen, den Beklagten auf die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Beratungshilfe hinzuweisen. Da er diese Pflicht jedoch versäumt hat, ist er nunmehr daran gehindert, eine Geschäftsgebühr gegenüber seinem Mandanten geltend zu machen. Denn die Bewilligung der Beratungshilfe hätte zur Folge gehabt, dass dem Beteiligten zu 1) gegenüber seinem Mandanten allenfalls ein Anspruch nach Nr. 2500 VV RVG in Höhe von 10,- € zustand. Dagegen war ein Anspruch auf eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ausgeschlossen, da der Rechtsanwalt für eine Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe ausschließlich eine Vergütung nach dem BerHG erhält, § 44 RVG, Vorb. 2.5. vor Nr. 2500 VV RVG.

3.

Dem Festsetzungsantrag des Beteiligten zu 1) ist jedoch deswegen nicht in vollem Umfang zu entsprechen, weil -entsprechend der Rechtsprechung des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg (JurBüro 2008,528), der sich der Senat auch in diesem Punkt anschließt - ein anteiliger Abzug der Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG vorzunehmen ist. Gemäß Nr. 2503 Abs. 2 VV RVG ist die im Rahmen der Beratungshilfe anfallende Geschäftsgebühr auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren zur Hälfte anzurechnen. Ob eine anzurechnende Geschäftsgebühr bereits geltend gemacht oder etwa schon beglichen ist, ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2008, 1323,1324) unerheblich.

Die von dem Beteiligten zu 1) verlangte Vergütung ist deshalb um (35,00 € zzgl. MwSt =) 41,65 € auf (694,37 € - 41,65 € =) 652,72 € zu vermindern.

4.

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG entbehrlich.

Ende der Entscheidung

Zurück