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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.07.2002
Aktenzeichen: 7 U 94/01
Rechtsgebiete: BGB, AGBG, ZPO


Vorschriften:

BGB § 326 Abs. 1 Satz 1 a.F.
BGB § 326 Abs. 1 Satz 2 a.F.
BGB § 536 a.F.
AGBG § 1 Abs. 1 a.F.
AGBG § 9 Abs. 1 a.F.
AGBG § 9 Abs. 2 Nr. 1 a.F.
ZPO § 91 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

7 U 94/01 Oberlandesgericht Hamm

Verkündet am 5. Juli 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm durch den Richter am Oberlandesgericht Schulte, den Richter am Oberlandesgericht Petermann und den Richter am Landgericht Hackbarth-Vogt auf die mündliche Verhandlung vom 05. Juli 2002

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 27.09.2001 verkündete Urteil des Einzelrichtes der 5. Zivilkammer des Landgerichts Siegen abgeändert.

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

(Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.)

Entscheidungsgründe:

Die zulässige, Berufung des Beklagten ist begründet.

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht kein Schadensersatzanspruch in Höhe von 3.672,18 Euro (7.182,16 DM) wegen unterlassener Renovierungsarbeiten und in Höhe von 4.627,19 Euro (9.050,00 DM) wegen Mietausfalls zu.

In Betracht käme allem ein Schadensersatzanspruch gem. § 326 Abs. 1 Satz 2 a.F BGB. Ein solcher Anspruch setzt gem. § 326 Abs. 1 Satz 1 a.F. BGB zunächst voraus, dass der Schuldner mit der ihm obliegenden Leistung im Verzüge ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt. Dem Beklagten oblag bei seinem Auszug nicht die Renovierung der gemieteten Räume. Die die Renovierung betreffenden Klauseln § 14 Nr. 2, § 15 Nr. 4 und § 22 Nr. 1 des Mietvertrages 1995 sind wegen Verstoßes gegen § 9 Abs. 1 a.F. AGBG unwirksam, mit der Folge, dass die Klägerin die ihr als Vermieterin grundsätzlich obliegende Pflicht zur Renovierung nicht mit Erfolg auf den Beklagten als Mieter überwälzt hat.

Bei dem Mietvertrag aus 1995, einschließlich der vorgenannten Klauseln, handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 1 Abs. 1 a F AGBG. Denn der Mietvertragstext war von Klägerseite (Verwender) für eine Vielzahl von Vertragen vorformuliert. Dies ist unstreitig geblieben. Die Klägerin hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, dass der Vertragstext auch für andere Objekte verwendet worden sei. Ebenfalls unstreitig schloss die Klägerin auch einen gleichlautender Mietvertrag mit dem Nachmieter des Beklagten.

Gem. § 9 Abs. 1 a.F. AGBG sind Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Gem. § 9 Abs. 2 Nr. 1 a.F. AGBG ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist. So liegt es hier. Nach der gesetzlichen Regelung, nämlich nach § 536 a.F. BGB, obliegt die Pflicht, die Mietsache durch Vornahme von Schönheitsreparaturen in dem zum vertragsmäßigen Gebrauch erforderlichen Zustand zu erhalten, dem Vermieter (BGHZ 92, 363, 367). Eine Überwälzung dieser Pflicht auf den Mieter durch Allgemeine Geschäftsbedingungen ist grundsätzlich möglich. Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die eine andere Beurteilung gebieten. Die oben genannten Vertragsklauseln § 14 Nr. 2, § 15 Nr. 4 und § 22 Nr. 1 des Mietvertrages 1995 benachteiligen zwar nicht jede für sich betrachtet, jedoch in ihrer Gesamtheit den Mieter unangemessen. Sie belasten ihn in mehrfacher Weise: Der Mieter wäre zum einen gem. § 15 Nr. 4 des Vertrages verpflichtet gewesen, während der Mietzeit regelmäßig Schönheitsreparaturen durchzuführen. Zusätzlich wäre er gem. § 14 Nr. 2 und § 22 Nr. 1 des Mietvertrages verpflichtet, die Mieträume bei Beendigung des Mietverhältnisses "in voll renoviertem Zustand" zurück zu geben. Diese Regelungen führen dazu, dass eine vollständige Renovierung bei Mietende auch dann durchzuführen wäre, wenn der Mieter kurze Zeit zuvor bereits aufgrund § 15 Nr. 4 des Vertrages umfassende Schönheitsreparaturen in den Mieträumen vorgenommen hätte Dies stellt bereits für sich genommen eine mit dem wesentlichen Grundgedanken des § 536 a F. BGB nicht zu vereinbarende Regelung dar. Als weiteres belastendes Element kommt hier noch hinzu, dass der Beklagte bei Mietbeginn die Räume unrenoviert übernommen hatte, was die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt hat. In diesem Lichte betrachtet sind die vorgenannten Renovierungsklauseln aufgrund der Kumulation der Vertragspflichten insgesamt unwirksam. Dies gilt nicht nur für den Fall der Wohnungsmiete (vgl. Rechtsentscheid des OLG Hamm NJW 1981, 1049), sondern auch für den Fall der Gewerberaummiete (vgl. auch KG Berlin GE 1986, 1167; LG Hamburg WuM 1994, 675).

Eine Abrede dahin gehend, dass der Beklagte bei Mietende in jedem Fall die Räume voll zu renovieren hat einschließlich der Erneuerung des Fußbodens, wäre lediglich als Individualvereinbarung wirksam. Eine solche, nach ihrer Behauptung mündlich getroffene Abrede hat die Klägerin jedoch durch die Aussage des Zeugen, der eine solche ausdrückliche mündliche Einigung mit dem Beklagten bekundet hat, nicht bewiesen. Es ist nicht plausibel und lebensnah, dass ein Mieter, der Gewerberäume ca. 5 Jahre zuvor in unrenoviertem, aber eindeutig renovierungsbedürftigem Zustand übernommen hat, sich auf eine Verpflichtung zur Vollrenovierung bei Mietende einläßt. Hierzu bestand schon deshalb objektiv kein Anlaß, weil der im Jahr 1990 geschlossene Mietvertrag, in dem lediglich besenreine Übergabe und Verfüllen von Dübellöchern vereinbart waren, über das Jahr 1995 hinaus unbefristet weiter gelaufen wäre. Die Klägerin hätte, um den Vertrag zu beenden, erst eine - ordentliche - Kündigung aussprechen müssen. Der Zeuge hat hierzu entsprechend der Behauptung der Klägerin bekundet, dass diese einen neuen Vertrag ohne Renovierungsverpflichtung des Beklagten nicht abgeschlossen hätte. Mit dieser Bekundung setzt sich der Zeuge jedoch in Widerspruch zu seiner weiteren Aussage, auch nach seiner Auffassung hätte der Beklagte "rechtlich" den neuen Vertrag gar nicht schließen müssen, sondern hätte ihn weiterlaufen lassen können. Gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen spricht zudem entscheidend, dass er ein starkes eigenes Interesse am Ausgang des Rechtsstreits hat. Er ist zum einen der Ehemann der Klägerin, so dass er von den wirtschaftlichen Folge des Verfahrensausgangs zumindest mittelbar betroffen ist. Zum anderen hat er ein persönliches Interesse, weil er selbst für seine Ehefrau die Verhandlungen in den Mietangelegenheiten führte. Nach der Erklärung der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat sei der Zeuge derjenige gewesen, der "die Ahnung" in Mietangelegenheiten gehabt und daher auch die Vertragsverhandlungen geführt habe. Ob der Zeuge mit dem Beklagten auch konkret darüber gesprochen habe, wie die Räume später einmal verlassen werden sollten, wisse sie nicht. Wegen der hierin zum Ausdruck kommenden starken persönlichen und sachlichen Verflechtungen des Zeugen kommt dessen Aussage kein höherer Beweiswert zu als dem Vortrag der Klägerin selbst. Der Beklagte hat hingegen erklärt, dass er ausgezogen wäre, wenn der Zeuge bei den Vertragsverhandlungen im Jahre 1995 von einer Renovierungspflicht gesprochen hätte. Welche der beiden sich widersprechenden Sachverhaltsschilderungen der Wahrheit entspricht, vermag der Senat auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen. Die vom Beklagten benannte Zeugin hat die Behauptung der Klägerin betreffend die Renovierungsvereinbarung nicht bestätigt.

Die Folgen der Beweislosigkeit treffen die Klägerin. Da die Renovierungsklauseln im Mietvertrag von 1995 wegen Verstoßes gegen das AGBG unwirksam waren, oblag es ihr, eine ihr günstige mündliche Individualvereinbarung über die Durchführung von Renovierungsarbeiten zu beweisen.

Mangels einer den Beklagten treffenden Renovierungspflicht kann dahin gestellt bleiben, ob sämtliche im Gutachten des Sachverständigen aufgeführten Positionen zum ersatzfähigen Schaden gehören.

Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch wegen erlittener Mietausfälle zu. Auch hier gilt, dass sich der Beklagte mangels Pflicht zur Renovierung nicht mit einer ihm obliegenden Leistung in Verzug befand (§ 326 Abs. 1 Satz 2 a.F. BGB).

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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