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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.10.2006
Aktenzeichen: 8 Sch 5/06
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO §§ 330 ff. | |
ZPO § 1059 Abs. 2 | |
ZPO § 1062 | |
ZPO § 1063 Abs. 2 |
Entscheidung wurde am 15.12.2006 korrigiert: die Vorschriften wurden geändert, Rubrum und ein Leitsatz wurden hinzugefügt
Ist der Antragsgegner in einer nach § 1063 Abs. 2 ZPO anberaumten mündlichen Verhandlung säumig, bleiben die von ihm zuvor schriftsätzlich vorgebrachten Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO unberücksichtigt. Von Amts wegen zu prüfende Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind dagegen zu beachten.
OBERLANDESGERICHT HAMM BESCHLUSS
8 Sch 5/06 OLG Hamm
In dem Verfahren auf Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 11. Oktober 2006
beschlossen:
Tenor:
Die zwischen den Parteien ergangenen Schiedssprüche des Schiedsgerichts in Sachen N ./. Z GmbH & Co. KG
a) vom 3. Mai 2006 ("Schiedsurteil") hinsichtlich des Ausspruchs zu Nr. 1, durch den die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist an den Antragsteller 25.564,59 Euro nebst 5 % Zinsen hieraus seit dem 1. Oktober 1999 bis zum 31. Dezember 2004, 6,21 % Zinsen hieraus vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005, 6,17 % Zinsen hieraus vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2005 und 6,37 % Zinsen hieraus seit dem 1. Januar 2006 zu zahlen, und
b) vom 12. September 2006 ("gesonderter Kostenschiedsspruch") hinsichtlich des Ausspruchs, durch den die Antragsgegnerin verpflichtet worden ist an die Antragstellerin 4.928,84 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 17. August 2006 zu zahlen,
sind vollstreckbar.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten dieses Verfahrens zu tragen.
Dieser Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Vollstreckbarerklärung zweier Schiedssprüche.
Am 21. September 1999 wurde er Kommanditist der Antragsgegnerin mit einer "Zeichnungssumme" von 100.000,00 DM nebst Agio, die sich zu 50 % aus Kommanditkapital und zu 50 % aus einem Gesellschafterdarlehen zusammensetzte. Neben der Beitrittserklärung und dem KG-Vertrag unterzeichneten die Parteien auch einen Schiedsvertrag, wonach alle Streitigkeiten zwischen ihnen u.a. aus dem Gesellschaftsvertrag der Antragsgegnerin durch ein Schiedsgericht entschieden werden sollten.
Der Antragsteller, der fristgerecht den KG-Vertrag vom 31.12.2004 gekündigt und bereits zuvor Rückzahlung des Darlehens verlangt hatte, machte den Darlehensrückzahlungsanspruch mit Schreiben vom 27.01.2005 erneut geltend und kündigte eine Schiedsklage auf Rückzahlung an. Das Schiedsgericht, das aus einem von dem Antragsteller benannten Schiedsrichter, einem von dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Hamm auf Antrag des Antragstellers benannten Schiedsrichter sowie einem von beiden Schiedsrichtern benannten Obmann bestand, entschied mit "Schiedsurteil" vom 3. Mai 2006 im schriftlichen Verfahren und gab der auf Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 25.564,59 € nebst Zinsen gerichteten Klage bis auf einen Teil des Zinsanspruchs statt. In einem gesonderten Kostenschiedsspruch vom 12. September 2006 setzte das Schiedsgericht die von der Antragsgegnerin dem Antragsteller zu erstattenden Kosten auf 4.928,84 € fest.
Der Antragsteller beantragt im vorliegenden Verfahren, den Schiedsspruch sowie den Kostenschiedsspruch für vollstreckbar zu erklären.
Die Antragsgegnerin ist diesem Antrag schriftsätzlich entgegengetreten und hat die Aufhebung des Schiedsspruchs beantragt. Sie hat die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das Schiedsgericht gerügt. Zum einen habe das Schiedsgericht entgegen den Vorgaben des Schiedsvertrages nicht mündlich verhandelt, zum anderen sei der von ihr benannte Schiedsrichter K an der Entscheidung nicht beteiligt worden, ohne dass das Schiedsgericht über die gegen ihn gerichtete Ablehnung entschieden habe.
In dem vom Senat anberaumten Verhandlungstermin ist die Antragsgegnerin säumig geblieben. Der Antragsteller hat daraufhin beantragt, durch Säumnisentscheidung zu erkennen.
II.
Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung beider Schiedssprüche ist zulässig und begründet. Nachdem die Antragsgegnerin im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten war, war über die von ihr geltend gemachten Gründe zur Aufhebung der Schiedssprüche nicht zu entscheiden.
1. Vollstreckbarerklärung des "Schiedsurteils" vom 3. Mai 2006
a)
Der Antrag ist zulässig.
Nach § 1062 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ist das Oberlandesgericht, das in der Schiedsvereinbarung bezeichnet wird oder in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt, zuständig für Anträge auf Vollstreckbarerklärung oder Aufhebung eines Schiedsspruchs. Ein solches Verfahren liegt hier vor. Das Oberlandesgericht Hamm ist auch zuständig. In § 15 des Schiedsvertrages zwischen den Parteien, der noch nach der Rechtslage formuliert worden ist, die vor dem 01.01.1998 galt, wird als zuständiges staatliches Gericht für notwendig werdende richterliche Handlungen oder Entscheidungen das "Landgericht Rheine" genannt. Nachdem durch die Neuregelung des Rechts des Schiedsverfahrens die Oberlandesgerichte u.a. für die Vollstreckbarerklärung zuständig geworden sind, ist die Vereinbarung in § 15 des Schiedsvertrages dahin auszulegen, dass das für Rheine (Landgerichtsbezirk Münster) zuständige Oberlandesgericht zuständig sein soll.
Nachdem die Antragsgegnerin Gründe vorgetragen hat, nach denen die Aufhebung des Schiedsspruchs in Betracht kam, und ausdrücklich die Aufhebung beantragt hatte, war gem. § 1063 Abs. 2 1. Alt. ZPO aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden.
Die formelle Voraussetzung des § 1064 Abs. 1 ZPO ist erfüllt. Der Antragsteller hat den Schiedsspruch im Original vorgelegt.
b) Begründetheit des Antrags
aa)
Die Vollstreckbarerklärung bezieht sich auf Schiedssprüche, die den Erfordernissen des § 1054 ZPO entsprechen, das schiedsgerichtliche Verfahren abschließen und einen Anspruch zuerkennen (Zöller-Geimer, 25. Aufl. § 1060 Rdn. 5). Ein solcher Schiedsspruch liegt hier vor. Der als "Schiedsurteil" bezeichnete Schiedsspruch vom 3. Mai 2006 ist schriftlich erlassen, durch die Schiedsrichter unterzeichnet und begründet worden und entspricht damit den Voraussetzungen des § 1054 Abs. 1, Abs. 2 ZPO. Als Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens ist C angegeben, § 1054 Abs. 3 ZPO.
bb)
Die nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von der Antragsgegnerin schriftsätzlich vorgebrachten Aufhebungsgründe bleiben unberücksichtigt, da die ordnungsgemäß geladene Antragsgegnerin im Senatstermin nicht vertreten war und der Senat deshalb eine Säumnisentscheidung getroffen hat. Das bedeutet, dass lediglich schriftsätzlich angekündigte, im Senatstermin aber nicht vorgetragene Ausführungen keine Berücksichtigung finden können.
Eine Säumnisentscheidung war auch im vorliegenden Verfahren zur Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen zulässig. Zwar ist die entsprechende Geltung der §§ 330 ff ZPO in den Verfahrensregeln für die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen nicht ausdrücklich angeordnet. In Rechtsprechung und Literatur ist deshalb auch umstritten, ob im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren bei Anordnung einer mündlichen Verhandlung Säumnisentscheidungen zulässig sind. Der Bundesgerichtshof hat diese Frage ausdrücklich offen gelassen (BGH NJW 2004, 2226). Einige Stimmen im Schrifttum lehnen eine Säumnisentscheidung bei den hier vorliegenden Fallgestaltungen ab (MünchKomm (ZPO)-Münch, 2. Aufl. § 1063 Rdn. 6; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, 2. Aufl. Rdn. 1293; Musielak-Voit, ZPO, 1. Aufl. § 1063 Rdn. 2). Zur Begründung wird nicht nur darauf verwiesen, dass das Säumnisverfahren im 10. Buch der ZPO vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist, sondern auch darauf abgestellt, dass die §§ 330 ff ZPO eine notwendige mündliche Verhandlung voraussetzen, was nach § 1063 ZPO nicht der Fall sei, auch nicht bei der "erzwungenen" mündlichen Verhandlung nach § 1063 Abs. 2 ZPO (MünchKomm (ZPO)-Münch, § 1063 Rdn. 6).
Der Senat vermag sich dem nicht anzuschließen und folgt der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur, die zu Recht die Anwendung der Grundsätze einer Säumnisentscheidung nach §§ 330 ff ZPO jedenfalls in Verfahren nach § 1063 Abs. 2 ZPO befürwortet (BayObLG NJW-RR 2000, 807, 808; OLG Koblenz, OLGR 2004, 232; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, 7. Aufl. Kap. 28 Rdn. 10; Musielak-Voit, ZPO, 4. Aufl. § 1063 Rdn. 5; Stein/Jonas/Schlosser, ZPO, 22. Aufl. § 1063 Rdn. 8 a; Zöller-Geimer, ZPO, 25. Aufl. § 1063 Rdn. 7). Zwar wird die entsprechende Anwendung der §§ 330 ff ZPO in Beschlussverfahren regelmäßig nicht in Betracht kommen, doch liegt dies weniger an der Form der Entscheidung als an dem Umstand, dass die Regeln der Säumnisentscheidung eine notwendige mündliche Verhandlung voraussetzen (Zöller-Vollkommer/Herget, ZPO, vor § 330 Rdn. 2), was im Regelfall des § 1063 Abs. 1 ZPO ebenso wenig der Fall ist wie bei Entscheidungen über die sofortige Beschwerde nach § 567 ZPO, die nach freigestellter mündlicher Verhandlung ergehen können (vgl. § 128 Abs. 4 ZPO). In diesen Fällen hat die mündliche Verhandlung lediglich Informationscharakter und soll zur Ergänzung, Berichtigung und Vervollständigung des bereits schriftlich vorliegenden Prozessstoffes dienen; Entscheidungsgrundlage ist danach nicht das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, sondern der gesamte Akteninhalt einschließlich des mündlichen Vorbringens (MünchKomm (ZPO)-Münch, 2. Aufl. § 1063 Rdn. 4).
Anders stellt sich die Situation dar, wenn bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1063 Abs. 2 ZPO zwingend eine mündliche Verhandlung zur Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung anzuberaumen ist. In dem Fall handelt es sich entgegen der von Münch (MünchKomm (ZPO)-Münch, § 1063 Rdn. 6) vertretenen Auffassung um eine notwendige mündliche Verhandlung. Ist das Verfahren aber demjenigen des allgemeinen Erkenntnisverfahrens im ersten Rechtszug derart weitgehend angenähert, gibt es keinen nachvollziehbaren Grund, die Regeln des Versäumnisverfahrens nicht anzuwenden. Neben den aufgezeigten formellen Gesichtspunkten sprechen hierfür auch inhaltliche Gründe. Gibt eine Partei durch ihre Säumnis in der mündlichen Verhandlung über die Vollstreckbarerklärung zu erkennen, dass sie - aus welchen Gründen auch immer - an dem Verfahren nicht weiter mitzuwirken beabsichtigt, ist es im Interesse der gegnerischen Partei geboten, das Verfahren mit geringstmöglichem Aufwand abzuschließen. Wollte man trotz Säumnis etwa des Antragsgegners gleichwohl den gesamten schriftsätzlich vorgetragenen Akteninhalt der zu treffenden Entscheidung zugrunde legen, müsste ggf. über schriftsätzlich vorgetragene Aufhebungsgründe Beweis erhoben werden, sofern deren tatsächliche Voraussetzungen streitig waren. Dies wird den wohlverstandenen Interessen beider Parteien nicht gerecht. Die Bejahung etwa einer Säumnisentscheidung gegen den Antragsteller (§ 330 ZPO) oder der Geständnisfiktion des § 331 ZPO gegen den Antragsgegner stellt die säumige Partei nicht schutzlos, da dies konsequenterweise mit der Möglichkeit des Einspruchs nach § 338 ZPO verbunden sein muss (Musielak-Voit, ZPO, 4. Aufl. § 1063 Rdn. 5).
Nach alledem sind im Streitfall die schriftsätzlich vorgetragenen Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 1 ZPO nicht zu berücksichtigen, da sie nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung geworden sind. Die Rügen wären nach vorläufiger Beurteilung des Senats auch erfolglos geblieben, was nicht näher ausgeführt werden soll. Aufhebungsgründe nach § 1059 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (z.B. Verstoß gegen den ordre public), die auch im Rahmen einer Säumnisentscheidung von Amts wegen zu berücksichtigen wären (Musielak-Voit, a.a.O.; Zöller-Geimer, § 1059 Rdn. 84), kommen nicht in Betracht. Insbesondere kann dem Akteninhalt nicht entnommen werden, dass etwa im Schiedsverfahren der Anspruch der Antragsgegnerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt wurde.
2. Auch der gesonderte Kostenschiedsspruch vom 12. September 2006 war für vollstreckbar zu erklären. Die Erweiterung des Antrags hinsichtlich dieses Kostenschiedsspruchs ist in zulässiger Weise erfolgt. Die Einbeziehung in das vorliegende Verfahren war jedenfalls sachdienlich, um ein erneutes Verfahren zu vermeiden, § 263 ZPO.
Der Antrag ist auch begründet. Bei dem gesonderten Kostenschiedsspruch handelt es sich um einen eigenständigen Schiedsspruch gem. § 1057 Abs. 2 S. 2 ZPO, der selbständig anfechtbar und auch selbständig für vollstreckbar zu erklären ist. Die inhaltlichen Voraussetzungen des § 1054 ZPO sind darüber hinaus gegeben, so dass Bedenken gegen die Vollstreckbarerklärung nicht bestehen. Einwendungen gegen den Schiedsspruch zur Hauptsache, die sich auf den Kostenschiedsspruch auswirken könnten, sind wegen der vorliegenden Säumnisentscheidung nicht zu berücksichtigen, wie oben zu Ziffer 1. eingehend dargelegt wurde.
3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 1064 Abs. 2 ZPO.
Ende der Entscheidung
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