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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.09.2001
Aktenzeichen: 8 U 11/01
Rechtsgebiete: AktG


Vorschriften:

AktG § 304
AktG § 305
1. Scheidet nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages ein außenstehender Aktionär erst aus der beherrschten AG aus, nachdem er bereits Ausgleichszahlungen gemäß § 304 AktG erhalten hat, so findet eine Verrechnung der geleisteten Ausgleichszahlungen nur mit dem Verzinsungsanspruch aus § 305 Abs. 3 S. 3 AktG statt.

Eine Verrechnung mit der Barabfindung scheidet auch dann aus, wenn die geleisteten Ausgleichszahlungen höher sind als der Zinsanspruch.

2. Bei Auszahlung der Barabfindung nicht verrechnete Ausgleichszahlungen können ggf. zu einem späteren Zeitpunkt verrechnet werden, wenn - z.B. aufgrund einer höheren Festsetzung der Verzinsung im Spruchstellenverfahren - ein weiterer Verzinsungsanspruch entsteht.


OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 11/01 OLG Hamm

Verkündet am 17. September 2001

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 13. August 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Frey, die Richterin am Oberlandesgericht Betz und den Richter am Oberlandesgericht Lehmann

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 26. Oktober 2000 verkündete Urteil der 3. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Essen abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an den Kläger zu 1) 9.481,50 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit dem 21.6.2000,

2. an den Kläger zu 2) 1.173,81 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes aus 967,49 DM seit dem 21.6.2000 und aus weiteren 206,32 DM seit dem 6.7.2000 und

3. an die Klägerin zu 3) 240,25 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes seit dem 6.7 2000

zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers zu 1) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 15.000 DM und die des Klägers zu 2) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 4.500 DM abzuwenden, falls nicht diese zuvor in jeweils gleicher Höhe Sicherheit leisten. Die Sicherheitsleistung kann auch durch unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines in der Bundesrepublik Deutschland als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erfolgen.

Das Urteil beschwert die Beklagte mit weniger als 60.000 DM.

Soweit die Beklagte zur Zahlung an die Kläger zu 1) und 2) verurteilt ist, wird die Revision zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger waren Aktionäre der R AG in E. Diese hat mit der Beklagten als herrschendem Unternehmen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag gemäß §§ 304 ff. AktG geschlossen, dessen Bestehen am 22.6.1999 in das Handelsregister eingetragen worden ist.

Nachdem die Kläger zunächst Ausgleichszahlungen gemäß § 304 AktG in Höhe von 26,- DM je Aktie erhalten haben, haben sie im Sommer 2000 von der Beklagten gemäß § 305 AktG den Erwerb ihrer Aktien gegen die im Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag bestimmte Abfindung von 550,- DM je Aktie verlangt. Ein Spruchstellenverfahren nach § 306 AktG wegen der festgesetzten Höhe der Ausgleichszahlungen und der Abfindungen ist noch rechtshängig.

Die Beklagte hat die zu zahlenden Abfindungen in der Weise berechnet, dass sie den jeweiligen Abfindungsbetrag für die Zeit ab 22.6.1999 gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG verzinst und dann die an die Kläger zuvor erbrachten Ausgleichszahlungen, die in allen Fällen hoher als der errechnete Zinsbetrag lagen, in voller Höhe abgezogen hat.

Die Kläger sind der Ansicht, dass ihnen die gegenüber den Zinsen höhere Ausgleichsleistung verbleiben müsse und machen den jeweiligen Differenzbetrag mit der Klage geltend.

Die Beklagte vertritt demgegenüber den Standpunkt, dass ihre Abrechnungsmethode der Rechtslage entspreche und in Einklang mit der herrschenden Ansicht in Rechtsprechung und Literatur stehe.

Das Landgericht hat sich dieser Auffassung angeschlossen und die Klage abgewiesen. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Kläger, die ihre erstinstanzlich vorgetragene Rechtsauffassung wiederholen und vertiefen.

Zwar seien Zinsen und gezahlter Ausgleich miteinander zu verrechnen; jedoch könne ein etwaiger Überschuss bei der Verrechnung nicht die Barabfindung gemäß § 305 Abs. 1 AktG selbst kürzen. Die Verrechnung von Zinsen und Ausgleich könne nur jeweils bis zur Höhe des kleineren der beiden Beträge gehen.

Das bedeute, dass kraft Gesetzes die Abfindung sowie die Differenz zwischen Zinsen und erhaltenen Ausgleichen zur Auszahlung komme, wenn die Zinsen höher als die erhaltenen Ausgleichsbeträge seien, während es bei der Zahlung der Abfindung verbleibe, wenn der Zinsanspruch niedriger als die erhaltenen Ausgleichsbeträge sei. Die Verzinsung nach § 305 Abs. 3 S. 3 AktG sei lediglich die gesetzlich festgeschriebene Mindestvergütung für die Kapitalnutzung, bis die angemessene Abfindung feststehe und gewählt sei. Nur dieses Ergebnis entspreche auch der Zielsetzung des Gesetzgebers bei Einführung des Zinsanspruchs auf die Barabfindung im Jahre 1994, der die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre habe verbessern wollen. Die Auffassung des angefochtenen Urteils könne demgegenüber dazu führen, dass die Barabfindung bei einem lange genug dauernden Spruchstellenverfahren auf Null oder darunter sinke, wenn die Zinsen sehr niedrig und der Ausgleich sehr hoch lägen.

Die Kläger meinen, dass ihre Rechtsauffassung entgegen der Ansicht des angefochtenen Urteils auch den Entscheidungen LG München DB 1997, 2013 und OLG München DB 1998, 123 zugrunde liege.

Sie beantragen,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens den Standpunkt, dass gezahlte Ausgleichsbeträge, die die Zinsforderung übersteigen, mit dem Abfindungsanspruch aus § 305 Abs. 1 AktG verrechnet werden könnten.

Insoweit sei mangels Regelung im AktG auf die Regeln des BGB zurückzugreifen. Danach sei der gezahlte Ausgleich gemäß § 812 Abs. 1 S. 2 BGB bei nachträglicher Wahl der Abfindung vollständig zurückzuerstatten, weil der Rechtsgrund für seine Zahlung, die nichts anderes als eine Dividendenzahlung darstelle, entfallen sei. Mit Wahl der Abfindung scheide der außenstehende Aktionär rückwirkend aus der AG aus, so dass ihm kein Dividendenbezugsrecht mehr zustehe, sondern nur noch ein Anspruch auf Barabfindung und Verzinsung des Abfindungsbetrags. Die wechselseitigen Ansprüche könnten gegeneinander aufgerechnet werden. Dies erfolge gemäß § 396 Abs. 2 i.V.m. § 367 BGB in der Weise, dass zunächst gegenüber der Zinsforderung und, soweit die Gegenforderung nicht verbraucht sei, gegenüber der Hauptforderung aufgerechnet werde.

Für einen Ausschluss der Aufrechnung gebe es keine Anhaltspunkte. Insbesondere lasse sich § 305 Abs. 3 AktG kein solches Verbot entnehmen. § 305 Abs. 3 S. 3 AktG sehe nur eine Verzinsung, aber keine causa für ein Behaltendürfen der Ausgleichsbeträge vor. Durch die Verzinsung werde auch die Rechtsstellung der außenstehenden Aktionäre in jedem Falle verbessert. Auch praktische Überlegungen rechtfertigten keine andere Auffassung. Die Gefahr, dass bei lange dauerndem Spruchstellenverfahren und niedrigem Zinsniveau der Abfindungsanspruch in ertragsstarken Gesellschaften gegen Null tendieren könne, sei fernliegend, weil Aktionäre derart ertragsstarker Unternehmen ohnehin keine Abfindung wählen würden. Wesentlich relevanter sei aber die umgekehrte Missbrauchsgefahr, dass außenstehende Aktionäre das Spruchstellenverfahren in ertragsstarken Jahren dilatorisch führten, um bei verschlechterter Ertragslage die Abfindung zu wählen, wenn sie die Ausgleichsbeträge in jedem Falle behalten dürften.

Schließlich streiten die Klägerin zu 3) und die Beklagte noch darüber, ob die der Klägerin zu 3) zunächst gutgeschriebene Dividende von 26,00 DM je Aktie auf Veranlassung der Beklagten wieder storniert und durch insgesamt 240,25 DM niedrigere Zinsgutschriften ersetzt worden ist. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf die Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat Erfolg.

A.

Die Klage der Klägerin zu 3) ist unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfrage, wie die geleisteten Ausgleichszahlungen auf den Abfindungsanspruch zu verrechnen sind, schon deshalb begründet, weil die Beklagte die begehrten 240,25 DM selbst dann schuldet, wenn ihre Abrechnungsmethode grundsätzlich zutreffend ist. Das ergibt sich aus folgenden Umständen:

Nach der eigenen Berechnung der Beklagten in der Klageerwiderung ist der Klägerin zu 3) bei Ermittlung der Abfindung die Ausgleichsleistung von 24.570,00 DM in voller Höhe abgezogen und nur ein Zinsbetrag von 23.915,71 DM gutgebracht worden. Die Beklagte will insgesamt 519.095,71 DM zzgl. 24.570,00 DM, mithin insgesamt 543.665,71 DM gezahlt haben (so nochmals ausdrücklich im Schriftsatz vom 10.10.2000). Das würde, wenn die Rechtsauffassung der Kläger zutrifft, zu einer nachzuzahlenden Differenz von sogar 654,29 DM führen, da der Klägerin zu 3) nach dieser Auffassung 519.750,00 DM zzgl. 24.570,00 DM = 544.320,00 DM zustehen. Die Klägerin zu 3) begehrt aber lediglich 240,25 DM. Sie geht davon aus, dass ihr außer der Zahlung von 519.095,71 DM noch Zinsen von insgesamt 24.329,75 DM (8.098,44 DM + 16.231,31 DM) und damit insgesamt 543.425,46 DM zugeflossen sind. Mit dem Klagebetrag verlangt sie somit nur die Differenz zu dem Betrag von 543.665,71 DM, den die Beklagte nach ihrer Darstellung gezahlt haben will und der der Klägerin in jedem Falle zusteht, aber nicht den Mehrbetrag, der ihr nach ihrer eigenen Rechtsauffassung darüber hinaus noch zustünde.

Das Klagebegehren in dem dargestellten Umfang ist begründet, weil die Beklagte weder nachgewiesen noch geeigneten Beweis dafür angetreten hat, dass sie mehr als die von der Klägerin zu 3) zugestandenen 543.425,46 DM gezahlt hat. Insoweit hätte die Beklagte, wie in der mündlichen Verhandlung erörtert, darlegen und unter Beweis stellen müssen, dass sie die streitbefangenen 240,25 DM tatsächlich zur Anweisung gebracht hat. Ihre allgemeinen Darlegungen zur Abwicklung des Zahlungsverkehrs sind nicht ausreichend Der nicht nachgelassene Schriftsatz vom 15.8.2001 gab keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

B.

Begründet ist darüber hinaus auch die Klage der Kläger zu 1) und 2).

I.

Allerdings ist die Frage der Verrechnung gemäß § 304 AktG geleisteter Ausgleichszahlungen auf den Anspruch des erst zu einem späteren Zeitpunkt ausscheidenden Aktionärs gemäß § 305 AktG umstritten. Weitgehende Einigkeit besteht lediglich darüber, dass Ausgleich und Zinsen nicht nebeneinander zu zahlen sind (so schon BayObLG 1995, 1703, 1704). Im übrigen werden zur Art und Weise der Berücksichtigung von Ausgleichszahlungen bei späterer Wahl der Barabfindung mit der hierbei gegebenen Verzinsungspflicht im wesentlichen folgende Meinung vertreten:

1.

Nach einer Ansicht sind die gezahlten Ausgleichsbeträge in der Weise auf den Abfindungsbetrag anzurechnen sind, dass danach nur noch ein jeweils um den gezahlten Ausgleich verminderter restlicher Abfindungsbetrag zu verzinsen ist; Ausgleichsbeträge und Zinsen werden damit zu unselbständigen Rechnungsposten der Abfindungsrechnung (so u.a. Hüffer, AktG, 4. Aufl. 1999, Rn 26 b zu § 305 AktG).

2.

Nach anderer Ansicht soll der Zinsanspruch ruhen, solange der Ausgleich verlangt wird (so u.a. OLG Celle NZG 1998, 987, 990).

3.

Nach einer dritten Auffassung soll der Zinsanspruch mit Wirksamwerden des Unternehmensvertrages beginnen, wobei jedoch ihrerseits unverzinste Ausgleichsbeträge (nur) mit den Zinsen (so u.a. Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, 2. Aufl. 2001, Rn 33 zu § 305 AktG) oder zunächst mit den Zinsen und danach mit der Barabfindung (so Krieger, in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts, Band 4, AG, 2. Aufl. 1999, § 70 Rn 94) zu verrechnen sind (weitere Nachweise zum Meinungsstand insgesamt bei Emmerich/Habersack, a.a.O., Hüffer, a.a.O., und Bilda, in Münchener Kommentar zum AktG Rn 95 ff. zu § 305 AktG [Fn 139-144]).

II.

Der Senat schließt sich aus nachstehenden Gründen der letztgenannten Auffassung in der Weise an, dass der gezahlte Ausgleich nur mit den Zinsen zu verrechnen ist, so dass er den außenstehenden Aktionären verbleibt, wenn er höher ist als die Zinsen, während die Differenz nachzuzahlen ist, wenn die Zinsen höher sind als der gezahlte Ausgleich:

Gegen die erstgenannte Ansicht spricht, dass die Barabfindung als feste Größe und gleichbleibende Berechnungsgrundlage für die Zinsen durch die Ausgleichszahlungen nicht berührt werden und der Abfindungswert nicht gemindert werden darf (so schon LG München, DB 1997, 2013 und OLG München, DB 1998, 123 mit zust. Anm. von Hirte/Olschewsky in EWiR § 305 AktG 3/98, 967). Die zweitgenannte Ansicht versagt, weil sie den außenstehenden Aktionären den Zinsanspruch nimmt, wenn dieser den Ausgleich übersteigt, was vom Gesetzgeber bei Einführung der Verzinsungspflicht gerade nicht gewollt war (so zu Recht Bilda, a.a.O., Rn 95, und Hüffer, a.a.O.).

Zu folgen ist deshalb der letztgenannten Auffassung, wobei für die hier vorliegende Fallgestaltung, dass die gezahlten Ausgleichsbeträge höher sind als der Zinsanspruch nach § 305 Abs. 3 S. 3 AktG, noch die Frage zu entscheiden ist, ob die Verrechnung der Ausgleichsbeträge nur gegenüber den Zinsen erfolgen kann, so dass die Differenz bereits gezahlter höherer Ausgleichsbeträge dem ausscheidenden außenstehenden Aktionär verbleiben muss, oder ob auch eine Verrechnung mit der Barabfindung stattfinden kann, wie von der Beklagten vorgenommen. Nach Ansicht des Senats muss jedoch eine Verrechnung auch mit der Barabfindung ausscheiden:

Soweit die Beklagte ihre gegenteilige Ansicht auf einen Erstattungsanspruch aus § 812 BGB stützt, überzeugt das nicht, weil dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, dass das Ausscheiden des außenstehenden Aktionärs mit Andienung der Aktien sich rückwirkend vollziehen soll. Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt.

Auf der anderen Seite hat der Gesetzgeber mit der Einführung der Verzinsungsregelung in § 305 Abs. 3 S. 3 AktG die Rechtsstellung des außenstehenden Aktionärs verbessern wollen (vgl. die Begründung zum Regierungsentwurf des Umwandlungsrechtbereinigungsgesetzes BT-Drucksache 12/6699 S. 88). Eine Kürzung des Abfindungsanspruchs im Vergleich zur früheren Rechtslage würde somit dem Gesetzeszweck zuwiderlaufen. Zu einer solchen Verschlechterung käme es jedoch, wenn man eine Verrechnung geleisteter Ausgleichszahlungen nicht nur mit den Zinsen, sondern auch mit der Barabfindung zuließe. Denn wenn der Aktionär die Ausgleichszahlungen behalten darf, die den Zinsbetrag übersteigen, wird er genauso behandelt wie vor der Gesetzesänderung, als es noch keine Verzinsungspflicht gab, der ausscheidende Aktionär aber die erhaltenen Ausgleichszahlungen in jedem Falle in voller Höhe behalten konnte. Dagegen wird seine Rechtsstellung - wie vom Gesetzgeber beabsichtigt - verbessert, wenn der Zinsanspruch höher ist als der erhaltene Ausgleich, indem er die Differenz hinzugewinnt Durfte der ausscheidende Aktionär, der eine Barabfindung erhält, den evtl. bereits gezahlten im Vergleich zur Verzinsung höheren Ausgleich nicht in jedem Falle behalten, so würde er zusätzlich auch noch im Vergleich zu ausscheidenden Aktionären benachteiligt, die keinen Anspruch auf Barabfindung, sondern einen Anspruch auf Abfindung in Aktien haben; denn diesen steht mangels Verzinsungspflicht und Verrechnungsmöglichkeit der Anspruch auf den Ausgleich in jedem Falle zu (ebenso Bilda a.a.O. Rn 99). Dafür dass die Verzinsungsregelung in § 305 Abs. 3 S. 3 AktG so zu verstehen ist, dass dem Aktionär Abfindung zuzüglich Verzinsung als Mindestentschädigung zustehen sollen, ihm aber ggf. - z.B. wegen gezahlter Ausgleichsleistungen - auch ein höherer Anspruch verbleiben kann, spricht zudem ihr 2. Halbsatz. Sie zeigt, dass die Verzinsungsregelung keine Regelung zur Begrenzung des Anspruchs des Aktionärs darstellt.

Der Senat geht dabei allerdings davon aus, dass derjenige Teil der Ausgleichszahlungen, der bei dieser Art der Abrechnung nicht verrechnet worden ist, von der Gesellschaft dann verrechnet werden kann, wenn - z.B. aufgrund einer höheren Festsetzung der Abfindung im Spruchstellenverfahren - zukünftig noch ein weiterer Verzinsungsanspruch entsteht.

Diesem Ergebnis steht schließlich nicht entgegen, dass damit dem außenstehenden Aktionär Missbrauchsmöglichkeiten zu Lasten der Gesellschaft eröffnet würden, indem er u.U. bei einer ertragsstarken Gesellschaft zunächst höhere Ausgleichszahlungen entgegennimmt, um sich später ggf. doch noch zur Andienung der Aktien und Barabfindung zu entschließen. Es ist bereits fraglich, ob es generell als missbräuchlich zu bewerten ist, dass ein Aktionär zwar nicht zusätzlich, aber anstatt dieser Mindestverzinsung den Ausgleich erhält, der für die Kapitalnutzung gemäß § 304 Abs. 2 AktG als angemessen festgesetzt worden ist, sofern dieser höher liegt als die Verzinsung. Unabhängig hiervon können die Parteien des Unternehmensvertrages einem etwaigen Missbrauch durch Verzögerung des Umtauschs der Aktien aber dadurch begegnen, dass sie das Umtauschangebot nach § 305 Abs. 4 S. 1 AktG befristen. Machen sie von dieser gesetzlich eingeräumten Möglichkeit keinen Gebrauch, so müssen sie die nachteiligen Rechtsfolgen eines verspäteten Umtauschs hinnehmen (ebenso Bilda, a.a.O. Rn 98).

Ebensowenig sieht der Senat einen Verstoß gegen den gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz darin, dass ein zu einem späteren Zeitpunkt ausscheidender Aktionär aufgrund der geleisteten Ausgleichszahlungen u.U. insgesamt einen höheren Betrag erhält als derjenige, der seine Aktien früher angedient hat und deshalb nur die Abfindung nebst Verzinsung bekommt. Denn insoweit liegen ungleiche Sachverhalte vor: Der später ausscheidende Aktionär hat sein Kapital der Gesellschaft auch länger zur Nutzung überlassen und in dieser Zeit nicht selbst anderweitig nutzen können.

C.

Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 284, 288 BGB.

D.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Festsetzung der Beschwer beruht auf § 546 Abs. 2 ZPO und die Zulassung der Revision hinsichtlich der Klage der Kläger zu 1) und 2) auf § 546 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 ZPO. Die Frage der Verrechnung von Zinsansprüchen nach § 305 Abs. 3 S. 3 AktG mit geleisteten Ausgleichszahlungen nach § 304 AktG ist für eine Vielzahl von Abfindungsfällen von Bedeutung, im Schrifttum umstritten und in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärt. Insbesondere lässt sich eine Antwort auf die hier zu beantwortende Rechtsfrage nicht der Entscheidung des BGH vom 12.3.2001 - II ZB 15/00 - (NJW 2001, 2080) entnehmen, in der ausgeführt ist, dass eine frühere Abfindungsleistung infolge Eingliederung auf eine günstigere Abfindung aus einem Unternehmensvertrag anzurechnen ist (a.a.O., S. 2081) Insoweit handelt es sich nämlich um einen anderen Sachverhalt.

Ende der Entscheidung

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