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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 27.02.2002
Aktenzeichen: 8 U 153/01
Rechtsgebiete: BGB, Musterberufsordnung
Vorschriften:
BGB § 305 | |
BGB § 134 | |
BGB § 138 | |
Musterberufsordnung § 31 |
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
8 U 153/01 OLG Hamm
Verkündet am 27. Februar 2002
In dem Rechtsstreit
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 06. Februar 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Frey sowie die Richter am Oberlandesgericht Reinken und von der Beeck
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung der Kläger gegen das am 07. Juni 2001 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten der Berufungsinstanz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung gegen sich durch Sicherheitsleistung in Höhe von 21.000,00 € abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Das Urteil beschwert die Kläger um mehr als 20.000,00 €.
Tatbestand:
Die Kläger sind Fachärzte für Anästhesie und unterhalten eine Gemeinschaftspraxis. In den Jahren 1997 bis Ende 1999 führten sie in den Praxisräumen des Beklagten, der Facharzt für Chirurgie ist, an dessen Operationstagen Narkosen durch. In diesem Zeitraum haben sie an den Beklagten Pauschalzahlungen in Höhe von insgesamt 102.610,00 DM geleistet, deren Rückforderung Gegenstand ihrer Klage ist. Mit der Widerklage hat der Beklagte ausstehende Zahlungen in Höhe von 21.790,00 DM geltend gemacht.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und auf die Widerklage die Kläger verurteilt, an den Beklagten 21.790,00 DM zu zahlen. Wegen des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Würdigung wird auf das landgerichtliche Urteil verwiesen (Bl. 130 - 135 d.A.).
Gegen das Urteil richtet sich die Berufung der Kläger, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren hinsichtlich Klage und Widerklage weiterverfolgen. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor, entgegen der Würdigung des Landgerichts sei eine Vereinbarung nach Maßgabe der gemeinsamen Empfehlung des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) und des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten (BDA) zur Aufteilung der Zuschläge im Rahmen des ambulanten Operierens zwischen Operateur und Anästhesist zu keinem Zeitpunkt getroffen worden. Es sei keine Darlegung und Erörterung der Kostenstruktur des Beklagten erfolgt. Eine solche Darlegung müsse zu dem Ergebnis führen, daß die verlangten Pauschalzahlungen völlig unberechtigt seien. Leistungen des Beklagten seien nicht erbracht worden. Mangels vereinbarter Kostenbeteiligungen bzw. mangels tatsächlicher Leistungen des Beklagten sei jede Vereinbarung wegen Verstoßes gegen § 31 Musterberufsordnung der Ärzte nichtig. Diese Bestimmung sei zudem ein Schutzgesetz, dessen Verletzung nach § 823 Abs. 2 BGB ebenfalls die Rückforderung der Zahlungen rechtfertige.
Die Kläger beantragen,
in Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie 102.601,00 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 05.04.2000 als Gesamtgläubiger zu zahlen, und die Widerklage abzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Zur Verteidigung des angefochtenen Urteils verweist er im wesentlichen auf den widersprüchlichen Vortrag der Kläger, die erstinstanzlich noch mit Geständniswirkung von einer Vereinbarung ausgegangen seien. Eine solche sei auch entsprechend den geleisteten Zahlungen getroffen worden. Die so über nahezu zwei Jahre praktizierte Vereinbarung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere liege ein Verstoß gegen § 31 Musterberufsordnung nicht vor, denn die Kostenbeteiligung sei keine Vermittlungsprovision. Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und auf Schadensersatz seien schlüssig nicht dargelegt, denn die Kläger dürften in erheblichem Umfang eigene Aufwendungen erspart haben, weil sie ihre anästhesiologischen Leistungen in seiner Praxis hätten erbringen können.
Wegen des weitergehenden Vertrages wird auf die Schriftsätze der Parteien gemäß ihren Anlagen sowie dem Inhalt der verbundenen Akte 9 O 136/00 Landgericht Bielefeld verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen und die Kläger auf die Widerklage hin zur Zahlung von 21.790,00 DM nebst Zinsen verurteilt. Die Klageforderung rechtfertigt sich weder aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung nach § 812 Abs. 1 BGB noch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 31 Musterberufsordnung. Die Widerklage ist berechtigt, denn aufgrund der getroffenen Vereinbarungen kann der Beklagte von den Klägern noch weitere 21.790,00 DM verlangen.
1.
Rechtsgrund für die von den Klägern geleisteten Zahlungen sowie den Anspruch des Beklagten auf Zahlung weiterer 21.790,00 DM ist die - unstreitig - zwischen den Parteien anläßlich ihrer Zusammenarbeit getroffene Vereinbarung, die eine Zahlungspflicht der Kläger gegenüber dem Beklagten in Höhe von 70,00 DM pro Kassenpatient und in Höhe von 200,00 DM pro Privatpatient unabhängig von der konkreten ärztlichen Behandlung vorsah und ferner dem Beklagten die sogenannte Aufwachgebühr allein zuwies. Auf dieser Grundlage haben die Parteien für die Dauer ihrer Zusammenarbeit bis Ende 1999 abgerechnet.
a)
Die nicht schriftlich fixierte Vereinbarung der Parteien unterliegt gesellschaftsrechtlichen Formerfordernissen nicht. Die Parteien haben die Zusammenarbeit nicht auf eine gesellschaftsrechtliche Ebene gehoben, sie vielmehr auf eine ohne weiteres zulässige, dem Grundsatz der Vertragsfreiheit unterliegende einzelvertragliche Grundlage gestellt.
b)
Die Vereinbarung ist nicht wegen Verstoßes gegen § 31 Musterberufsordnung nichtig. Ein Anwendungsfall dieser Bestimmung ist nach dem Sach- und Streitstand nicht gegeben. § 31 Musterberufsordnung regelt die unerlaubte Zuweisung von Patienten gegen Entgelt. Dem Arzt ist es nicht gestattet, für die Zuweisung von Patienten oder Untersuchungsmaterial ein Entgelt oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren. Die Bestimmung untersagt sogenannte "Koppelgeschäfte", die die Höhe der Vergünstigung von der Anzahl der in Auftrag gegebenen Untersuchungen bzw. überwiesenen Patienten abhängig macht (BGH MedR 1990, 77; zur ähnlichen Regelung in § 18 Berufsordnung für die Nordrheinischen Ärzte vgl. BGH NJW 1986, 2360). Die zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung tangiert diesen Regelungsbereich jedoch nicht. Sie beinhaltet eben nicht ein sogenanntes Kopfgeld für Patienten. Es handelt sich vielmehr um die Zahlung eines Ausgleichs der beiderseitigen Leistungsanteile an der gemeinsamen Behandlung eines Patienten. Es ist unstreitig, daß die Parteien in Übereinstimmung mit den jeweiligen Ansätzen der Gebührenordnung für Ärzte die von ihnen jeweils erbrachten Leistungen abgerechnet haben. Aus den so in Übereinstimmung mit der ärztlichen Abrechnungspraxis erzielten Einkünften wurden die vereinbarten Pauschalzahlungen geleistet.
c)
Die Unwirksamkeit der mündlich getroffenen Vereinbarung können die Kläger auch nicht mit der von ihnen in den Vordergrund gestellten Erwägung herleiten, nur auf ihrer Seite habe die Kostenlast der Zusammenarbeit gelegen, es habe kein arbeitsteiliges Vorhalten von Geräten gegeben, nur für diesen Fall komme eine Ausgleichszahlung aufgrund der Stellungnahmen der Berufsverbände in Betracht. Diese Sichtweise verkennt zunächst die Bedeutung der gemeinsamen Empfehlung der Berufsverbände. Die Empfehlung, die aufgrund der in den letzten Jahren entstandenen Kooperationsformen zwischen verschiedenen ärztlichen Fachrichtungen entstanden ist, will lediglich Handreichungen geben, um eine nach Lage des Falles sachgerechte Vereinbarung zwischen den kooperationswilligen Ärzten zu ermöglichen. Die Empfehlungen verweisen auf die unterschiedlichen Bereiche, die durch die Kooperation betroffen sein können. Sie überlassen es aber dem jeweiligen Einzelfall, wie eine Vereinbarung ausgestaltet wird. Zutreffend ist indes, daß nach diesen Empfehlungen Ausgleichszahlungen in aller Regel erst dann in Betracht zu ziehen sind, wenn sich dies im Einzelfall nach Art der Zusammenarbeit und im Umfang der jeweils entstandenen Kosten als angemessen erweist. Die Einzelheiten der jeweiligen Kooperation bestimmen natürlich auch den Umfang und die konkrete Höhe einer eventuellen Ausgleichszahlung.
Es bleibt gleichwohl der freien Entschließung der Vertragsparteien überlassen, ob und in welcher Weise sie in ihrem Verhältnis zueinander eine Regelung finden. Es gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit, der lediglich durch die gesetzlichen Grenzen beschränkt ist.
Im Streitfall sind diese Grenzen auch im Blick auf die gemeinsamen Empfehlungen nicht tangiert oder überschritten. Im Rahmen dieser Beurteilung ist es nicht erforderlich, entsprechend den Vorstellungen der Kläger alle Kostenstrukturen der gemeinsamen Zusammenarbeit auf ihrer und der Seite des Beklagten aufzudecken und zu beurteilen. Die im Rahmen der Vertragsfreiheit zwischen den Parteien getroffene Vereinbarung hat ihre Rechtfertigung bereits darin, daß auf Seiten des Beklagten im Rahmen der gemeinsamen Tätigkeit Praxisräume zur Verfügung gestellt werden, für die dem Beklagten Kosten entstanden sind und laufend entstehen. Es ist nach Aktenlage unstreitig, jedenfalls von den Klägern nicht ausgeräumt, daß der Beklagte allein in den Operationssaal rund 170.000,00 DM investiert hat. Hierbei handelt es sich um Investitionskosten in die Neugründung seiner Praxis. Es ist daher angemessen, wenn die Kläger, die im Rahmen ihrer Tätigkeit jedenfalls diesen Raum mitnutzen, als Kostenbeteiligung eine Ausgleichszahlung leisten. In gleicher Weise wäre dies angemessen, wenn der Beklagte als Chirurg seine Leistungen in von den Klägern vorgehaltenen Räumlichkeiten seine Operationstätigkeit verrichten würde.
d)
Weitere Gründe, die der Vereinbarung die Wirksamkeit nehmen könnten, sind seitens der Kläger weder vorgetragen noch bewiesen. Der nochmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragene Gesichtspunkt einer maximalen wirtschaftlichen Abhängigkeit von dem Beklagten erfüllt nicht die Voraussetzungen der in Betracht kommenden §§ 134, 138, 826 BGB. Diese wirtschaftliche Abhängigkeit kann für sich allein nicht die Nichtigkeit der getroffenen Vereinbarung nach sich ziehen, sofern nicht weitere, die sittenwidrige Schädigung der Kläger ausmachende Gesichtspunkte hinzutreten. Solche sind nicht erkennbar.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Nr. 10, 711, 26 Ziff. 8 EGZPO.
Die Revision konnte nicht zugelassen werden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind (§ 543 Abs. 2 ZPO).
Ende der Entscheidung
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