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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 08.04.2009
Aktenzeichen: 8 U 174/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 85 Abs. 2
ZPO § 233
ZPO § 520 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 522 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der Antrag des Beklagten auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund vom 26.08.2008 (Az.: 1 O 193/07) wird als unzulässig verworfen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Die Parteien waren Geschäftsführer und Gesellschafter der Y N1 und N GmbH, die 2006 insolvent wurde. Die GmbH hatte Darlehen bei der Volksbank Z aufgenommen, wobei sich die Parteien im weiteren Verlauf darüber stritten, zu welchen Teilen sie im Rahmen eines Gesamtschuldnerausgleichs zur Zahlung verpflichtet waren. Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht Dortmund den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 34.108,69 Euro zu zahlen. Weiterhin hat es ihn verurteilt, die Klägerin von Forderungen der Volksbank in Höhe von 55.029,20 Euro freizustellen und an sie 1.196,43 Euro vorgerichtliche Kosten zu zahlen.

Das Urteil ist dem Beklagten zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten am 29.08.2008 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 26.09.2008, der am selben Tag beim Oberlandesgericht Hamm eingegangen ist, hat der Beklagte Berufung eingelegt. Mit Verfügung vom 05.11.2008 hat der Senat den Beklagten darauf hingewiesen, dass die Frist zur Begründung der Berufung abgelaufen, allerdings keine Berufungsbegründung eingegangen sei. Deswegen sei beabsichtigt, das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. Unter dem 19.11.2008, per Fax am selben Tag bei dem Oberlandesgericht Hamm eingegangen, hat der Beklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Die Berufungsbegründung hat er am 21.11.2008 per Fax vorgelegt. Er strebt damit die Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und die Abweisung der Klage an.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt der Beklagte vor, nach Zustellung des Urteils am 29.08.2008 habe der sachbearbeitende Rechtsanwalt die zuständige Büroangestellte angewiesen, sowohl die Berufungsfrist als auch die Begründungsfrist im Fristenkalender zu markieren. Die Überwachung von Notfristen seien so organisiert, dass diese in einem besonderen Kalender notiert würden und zusätzlich eine Woche vor Fristablauf eine Vorfrist eingetragen werde. Bei Ablauf der Vorfrist werde dem sachbearbeitenden Rechtsanwalt ein roter Merkzettel zugeleitet, auf dem der Fristablauf notiert werde. Die Eintragung und Kontrolle der Frist obliege der Angestellten, die im vorliegenden Fall versehentlich nur die Frist zur Berufungseinlegung notiert habe, nicht aber die Begründungsfrist. Bei der Bürokraft handele es sich aber um eine ansonsten zuverlässige Person, die den Kalender seit über vier Jahren sorgfältig und fehlerlos geführt habe.

Der Beklagte hat zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung der genannten Büroangestellten vorgelegt.

Die Klägerin tritt dem Antrag auf Wiedereinsetzung entgegen. Sie ist der Auffassung, dem Wiedereinsetzungsgesuch sei nicht stattzugeben, da der Prozessbevollmächtigte des Beklagten nicht dargestellt habe, wie er seine Angestellte bei der Fristenüberwachung kontrolliert habe.

II.

1.

Die Berufung war gemäß §522 I 1 Satz 2 ZPO zu verwerfen, da der Beklagte das Rechtsmittel nicht innerhalb der Frist des §520 II Satz 1 ZPO begründet hat. Die mit der Zustellung des Urteils am 29.08.2008 in Lauf gesetzte Frist von zwei Monaten endete am 29.10.2009 und konnte mit dem Begründungsschriftsatz vom 19.11.2008 bzw. 21.11.2008 nicht gewahrt werden. Die Berufung war als unzulässig zu verwerfen, da die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen. Im Einzelnen:

2.

Nach §233 ZPO ist einer Partei auf ihren Antrag Wiedereinsetzung u. a. wegen Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung zu gewähren, wenn sie ohne ihr Verschulden verhindert war, die Frist einzuhalten. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da die Fristversäumung auf einem schuldhaften Verhalten des Prozessbevollmächtigten des Beklagten beruht, das er sich zurechnen lassen muss, §85 II ZPO. Der Prozessbevollmächtigte muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs alles ihm Zumutbare tun und veranlassen, damit die Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels gewahrt wird (z. B. BGH, Beschluss vom 28. 9. 1989, VII ZR 115/89; Beschluss vom 21. 4. 2004, XII ZB 243/03; vgl. Zöller/Greger, 27. Auflage, §233 ZPO, Rdnr. 23).

Im Streitfall hatte der Prozessbevollmächtigte des Beklagten die Pflicht zur Kontrolle der zutreffenden Fristennotierung bei Vorlage der Akten zur Fertigung der Berufungsschrift, bei der es sich um eine fristgebundene Prozesshandlung handelte. Zwar ist es einem Rechtsanwalt unbenommen, die Führung eines Fristenkalenders auf sein Büropersonal zu übertragen, sofern er dieses sorgfältig ausgewählt und belehrt hat (Zöller/Greger §233 ZPO, Rdnr. 23 Stichwort "Büropersonal") und die Fristwahrung durch Führen eines geeigneten Fristenkalenders sowie Notieren der Fristen gesichert ist. In solchen Fällen darf sich der Rechtsanwalt darauf verlassen, dass die Einhaltung der im Fristenkalender notierten Fristen von seinem Büropersonal überwacht wird (Zöller/Greger a. a. O.; BGH NJW 1995, 1682). Der zur Fristversäumnis führende Umstand lag hier zunächst darin, dass die Büroangestellte entgegen der klaren Arbeitsanweisung des Anwalts versäumte, neben der Berufungsfrist auch die Frist zur Berufungsbegründung - ggf. nebst Vorfrist - im Fristenkalender einzutragen. Dies stellt ein typisches Büroversehen dar, welches - isoliert betrachtet - nicht zu Lasten des Anwalts und damit gem. §85 II ZPO zu Lasten einer Partei gehen kann.

Trotz der oben dargestellten Grundsätze liegt gleichwohl ein Verschulden des Rechtsanwalts vor, das sich der Beklagte nach §85 II ZPO zurechnen lassen muss: Wird die Handakte im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift vorgelegt, erstreckt sich die Kontrollpflicht des Rechtsanwalts auch auf die Erledigung der Notierung der Berufungsbegründungsfrist (BGH, Beschluss vom 21. 4. 2004, XII ZB 243/03; Zöller/Greger §233, Rdnr. 23 Stichwort "Fristenbehandlung"). Er hat zur Erfüllung dieser Pflicht die Anbringung von Erledigungsvermerken über die Notierung der Berufungs- und Berufungsbegründungsfrist nicht nur anzuordnen, sondern nach diesen Erledigungsvermerken auch zu forschen, wenn ihm die Handakten im Zusammenhang mit einer fristgebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden (ständige Rechtsprechung des BGH, z. B. Beschluss vom 11. 2. 1992, VI ZB 2/92; Beschluss vom 21. 4. 2004, XII ZB 243/03, Juris-Rdnr. 5). Weder dem Antrag auf Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch der zur Glaubhaftmachung beigefügten eidesstattlichen Versicherung kann jedoch entnommen werden, ob - und welche - Kontrollmaßnahmen ergriffen wurden, um die Einhaltung der Begründungsfrist sicherzustellen. Aus den genannten Schriftsätzen kann lediglich geschlossen werden, dass die Handakte dem Prozessbevollmächtigten vorgelegen haben muss, da die Berufungsschrift rechtzeitig gefertigt und vorab per Fax an das Oberlandesgericht Hamm übermittelt wurde. Insofern kann sich der Rechtsanwalt aber nicht darauf berufen, seine geschulte Kraft arbeite seit Jahren sorgfältig und fehlerfrei, da hier ein Sorgfaltspflichtverstoß des Büropersonals eher sekundäre Bedeutung hat. Primär kommt es darauf an, dass der Rechtsanwalt bei Vorlage der Akte seine eigene Pflicht zur Fristenkontrolle nicht eingehalten hat. Dass er nicht an einen Fristablauf erinnert worden sein mag, hat nach den obigen Ausführungen keine andere Beurteilung zur Folge. Er war nämlich selbst zur Kontrolle der Notierung / Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehalten, was bei Vorlage der Akte möglich und auch zumutbar war.

3.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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