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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 03.12.2008
Aktenzeichen: 8 U 34/08
Rechtsgebiete: SpruchG, AktG, ZPO, BGB


Vorschriften:

SpruchG § 2
SpruchG § 13 S. 2
SpruchG § 14
SpruchG § 16
AktG § 305
AktG § 320 Abs. 5 a.F.
AktG § 320 Abs. 5 S. 1
AktG § 320 Abs. 5 S. 2 a.F.
ZPO § 167
ZPO § 308 Abs. 1
BGB § 195 a. F.
BGB § 199
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der VI. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Dortmund vom 14. November 2007 teilweise abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 297,56 € Zug um Zug gegen Lieferung von fünf Stück J AG - Abfindungsansprüchen zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Gründe:

A.

Der Kläger war Aktionär der J AG (im Folgenden: J), die im Jahre 1992 in die Beklagte eingegliedert wurde. Er macht im vorliegenden Rechtsstreit restliche Abfindungsansprüche für den Verlust seiner Aktien geltend, soweit die Beklagte seinen Forderungen vorprozessual noch nicht nachgekommen ist.

Die Beklagte hatte sich im Zusammenhang mit der Eingliederung verpflichtet, für je sechs Stückaktien der J eine Stammaktie der T AG im Nennbetrag von 50,00 DM zu gewähren und für Spitzenbeträge einen Ausgleich von 156,50 DM (80,02 €) zu zahlen. Durch spätere Kapitalmaßnahmen (Aktiensplit, Ausgabe von Gratisaktien) bedingt entspricht eine Aktie der Beklagten im Nennbetrag von 50,00 DM heute 15 nennwertlosen Stückaktien.

In dem vor dem Landgericht Dortmund und dem Oberlandesgericht Düsseldorf geführten Spruchverfahren (20 AktE 8/94 LG Dortmund = I19 W 9/00 AktE OLG Düsseldorf) setzte das Oberlandesgericht Düsseldorf mit Beschluss vom 31. Januar 2003 die angemessene Abfindung der ausgeschiedenen Aktionäre von J dahin fest, dass für 13 J-Aktien im Nennwert von 50,00 DM drei Stammaktien der Beklagten im Nennwert von 50,00 DM bzw. 30 Stammaktien im Nennwert von 5,00 DM zu gewähren seien. Die letzte Kapitalmaßnahme der Beklagten war dabei noch nicht berücksichtigt worden. Zwischen den Parteien ist jedoch unstreitig, dass an die Stelle der im Beschluss genannten 30 Stammaktien im Nennwert von 5,00 DM 45 nennwertlose Stückaktien treten. Darüber hinaus ordnete das OLG Düsseldorf an, dass Aktienspitzen durch bare Zuzahlung von 76,90 € je J-Aktie auszugleichen seien. In den Gründen führte das Gericht u.a. aus, das Umtauschverhältnis, bezogen auf die 1992 bestehenden Aktien, betrage 4,3 : 1 oder 13 : 3.

Die Beklagte setzte den Beschluss in der Weise um, dass sie als Abfindung eigene Aktien nur für jeweils 13 J-Aktien oder für durch 13 teilbare Stückzahlen gewährte. Für Differenzen bis 13 leistete sie die vom Oberlandesgericht Düsseldorf festgesetzte bare Zuzahlung.

Der Kläger hält dieses Vorgehen für rechtswidrig und verlangt mit der Klage eine seiner Ansicht nach ordnungsgemäße Umsetzung des Spruchstellenergebnisses. Er hatte für sich und Mitglieder seiner Familie in den Jahren 1992 bis 1994 insgesamt 2.330 J-Aktien in 5er-Paketen (insgesamt 466 Vorgänge) eingereicht und, da jeweils die damalige Mindestzahl von sechs J-Aktien pro Umtauschvorgang nicht erreicht wurde, ausnahmslos Zahlungen und keine Aktien erhalten. Mit dem Klageantrag zu 1. strebt er nunmehr, teilweise aus abgetretenem Recht von Familienmitgliedern, die Übertragung von Aktien der Beklagten für die seinerzeit eingereichten 2.330 Stück J-Aktien an. Er hat dazu die Auffassung vertreten, die damalige Aufteilung in 5er-Pakte sei heute bedeutungslos. Für den Fall, dass dies anders gesehen werde, verfolgt er mit dem Hilfsantrag den Tausch von Aktien je 5er-Paket, wobei er die Anzahl jeweils durch Multiplikation mit 45/13 ermittelt und nur für die geringen Spitzen von jeweils 0,3 Aktien Geldzahlung verlangt. Der Beschluss des OLG Düsseldorf, so der Kläger, sei dahin auszulegen, dass nicht erst ab einer Summe von 13 J-Aktien ein Ausgleich in Aktien der Beklagten zu erfolgen habe, sondern bereits mit der ersten Aktie sei durch Anwendung des vom Oberlandesgericht Düsseldorf ermittelten Umtauschverhältnisses von jetzt richtig 13 : 45 die zu liefernde Anzahl an T-Aktien zu ermitteln. Den Anspruch macht der Kläger Zug um Zug gegen Rückzahlung der seinerzeit erhaltenen baren Zuzahlung gekürzt um die von ihm für die Zwischenzeit zu beanspruchende Dividende geltend.

Mit dem Klageantrag zu 2. verlangt er Ausgleich für bisher noch nicht eingereichte fünf Stück J-Aktien. Der Klageantrag zu 3. zielt auf die Erhöhung der Zahl an Aktien der Beklagten ab, die er für 270 J-Aktien erhalten hat zzgl. eines Anspruchs auf Spitzenausgleich und Dividende.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Klage sei bereits unzulässig, da der Kläger eine Änderung der rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2003 anstrebe. Sie hat die Klage aber auch für unbegründet gehalten, weil die berechtigten Ansprüche des Klägers erfüllt seien. Eine Abfindung in Aktien sei nach dem Beschluss im Spruchverfahren erst ab der 13. Aktie möglich; für geringere Mengen könne nur ein Ausgleich in Geld verlangt werden. Da der Kläger hinsichtlich der 2.330 Aktien an die seinerzeitige Einlieferung in 5er-Paketen gebunden sei, erfüllten alle 466 Einlieferungsvorgänge nicht die Voraussetzung für den Erhalt von Aktien der Beklagten. Entsprechend könne der Kläger auch die mit den Anträgen zu 2. und 3. verlangten Aktien nicht beanspruchen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat im Wesentlichen die Argumentation der Beklagten für zutreffend gehalten. Wegen der Begründung der landgerichtlichen Entscheidung im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im ersten Rechtszug wird auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge im Wesentlichen weiter, er modifiziert lediglich die Zug um Zug zurückzugewährenden Beträge wegen geringer Rechenfehler und trägt dem Umstand Rechnung, dass Aktien mit einem Gewinnbezugsrecht für das Geschäftsjahr 2006/2007 nicht mehr geliefert werden können.

Der Kläger greift die vom Landgericht vertretene Auffassung an, die 466 Einlieferungsvorgänge seien auch heute noch bindend und die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2003 im Spruchverfahren sei dahin zu verstehen, dass ein Umtausch in Aktien der Beklagten erst ab einer Zahl von 13 und im Übrigen bei durch 13 teilbaren Stückzahlen von J-Aktien verlangt werden könne. Hierzu wiederholt und vertieft der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 14. November 2007 aufzuheben und

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zug um Zug gegen Erstattung eines noch verbleibenden Anspruchs gegenüber dem Kläger in Höhe von 57.146,79 € aus einem dem Kläger früher zugeflossenen Spitzenausgleich 8.065 nennwertlose T-Stückaktien X mit Gewinnbezugsrecht ab dem Geschäftsjahr 2007/2008 an den Kläger zu übertragen,

hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, an ihn Zug um Zug gegen Erstattung eines noch verbleibenden Anspruchs gegenüber dem Kläger in Höhe von 53.749,50 € aus einem dem Kläger früher zugeflossenen Spitzenausgleich 7.922 nennwertlose T-Stückaktien X mit Gewinnbezugsrecht ab dem Geschäftsjahr 2007/2008 zu übertragen,

2. die Beklagte zu verurteilen, Zug um Zug gegen Lieferung von fünf Stück J AG - Abfindungsansprüche durch den Kläger 17 nennwertlose T-Stückaktien X mit Gewinnbezugsrecht ab dem Geschäftsjahr 2007/08 an den Kläger zu übertragen und diesem darüber hinaus für Dividendenansprüche aus den vorgenannten Aktien und für einen Spitzenausgleich einen Betrag von insgesamt 297,56 € zu zahlen,

3. die Beklagte zu verurteilen, 34 nennwertlose T-Stückaktien X mit Gewinnbezugsrecht ab dem Geschäftsjahr 2007/2008 an den Kläger zu übertragen und diesem darüber hinaus für Dividendenansprüche aus den vorgenannten Aktien und für einen Spitzenausgleich einen Betrag von insgesamt 595,13 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Hinsichtlich des mit dem Antrag zu 2) verfolgten Anspruchs erhebt sie die Einrede der Verjährung.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags in zweiter Instanz wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Akten 20 AktE 8/94 LG Dortmund haben zu Informationszwecken vorglegen.

B.

Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache nur geringen Erfolg.

I.

Die Berufung ist zulässig. Insbesondere ist das Oberlandesgericht Hamm örtlich zuständig. Eine anderweitige Zuständigkeitsregelung, die etwa zur örtlichen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Düsseldorf führen könnte, folgt nicht aus § 16 SpruchG. Nach dieser Vorschrift ist zwar für Klagen auf Leistung u.a. der Abfindung, die im Spruchverfahren bestimmt worden ist, das Gericht des ersten Rechtszugs zuständig, das gemäß § 2 SpruchG mit dem Verfahren zuletzt inhaltlich befasst war. Zur Zuständigkeit des Rechtsmittelgerichts etwa in Anlehnung an den Rechtszug im Spruchstellenverfahren enthält diese Vorschrift jedoch keine Regelung. Es entspricht auch ganz überwiegender Auffassung, dass § 16 SpruchG im Berufungsverfahren weder direkt noch entsprechend anwendbar ist; der Senat, der über die sofortige Beschwerde im Spruchverfahren entschieden hat, ist also deshalb nicht für eine Berufung in einer anschließenden Klagesache zuständig (z.B. Hüffer, AktG 8. Aufl. Anh. § 305 § 16 SpruchG, Rdn. 2; Büchel, NZG 2003, 793, 800; Meilicke, NZG 2004, 547, 552).

Nach den allgemeinen Regeln ist das Oberlandesgericht Hamm für Berufungen gegen Urteile des Landgerichts Dortmund örtlich zuständig.

II.

Die Berufung erweist sich weitgehend als unbegründet. Die Klage ist zwar zulässig, sie ist aber nur wegen des mit dem Klageantrag zu 2. verfolgten Zahlungsanspruchs begründet.

1.

Die Klage ist nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger eine Abänderung der rechtskräftigen Entscheidung des Beschwerdegerichts im Spruchverfahren anstrebt, wie die Beklagte meint. Der Kläger greift nämlich nicht das Ergebnis des Spruchstellenverfahrens an, sondern verlangt im Wege der Leistungsklage eine konkret bestimmte Abfindung. Eine solche Leistungsklage nach einem Spruchverfahren ist zulässig, da jenes Verfahren nicht zu einem Vollstreckungstitel für die betroffenen Aktionäre führt. Soweit der Kläger zur Begründung seines Begehrens die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf als Beschwerdegericht im Spruchverfahren in einer bestimmten Weise auslegt, führt dies nicht zur Unlässigkeit seiner Klage. Der Kläger will damit nicht die Spruchstellenentscheidung geändert wissen, sondern sie in einer Weise anwenden, die er für zutreffend hält. Ob die von ihm vorgenommene Auslegung richtig ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat.

2.

a)

Mit dem Klageantrag zu 1. verlangt der Kläger Abfindung in Form der Lieferung von Aktien der Beklagten für insgesamt 2.330 J-Aktien, die er in insgesamt 466 Einzelaktionen zum Umtausch eingereicht hat. Ein solcher Anspruch auf Lieferung von Aktien der Beklagten steht dem Kläger in Ansehung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2003 im Spruchstellenverfahren nicht zu, und zwar weder im Umfang des in erster Linie verfolgten Antrags noch im Umfang des Hilfsantrags.

aa)

Der Kläger hat nach § 320 Abs. 5 S. 1, S. 2 AktG in der bis zum 31. Dezember 1994 geltenden Fassung keinen Anspruch auf angemessene Abfindung in Form von Aktien der Beklagten für die übergebenen 2.330 J-Aktien, bei denen es sich richtigerweise nur noch um verbriefte Abfindungsansprüche handelte. Das vom Oberlandesgericht Düsseldorf im Spruchverfahren festgelegte Umtauschverhältnis, durch das die angemessene Abfindung i.S.v. § 320 Abs. 5 S. 1 AktG a.F. konkretisiert worden ist, sieht bei der Einlieferung von jeweils fünf J-Aktien einen Tausch in Aktien der Beklagten nicht vor. Ein solcher Tausch kommt erst bei einer Stückzahl von mindestens 13 J-Aktien in Betracht. Zwar hat der Kläger eine deutlich größere Zahl an J-Aktien bzw. Abfindungsansprüchen zum Umtausch in Aktien der Beklagten eingereicht. Dies ist jedoch jeweils in Paketen zu fünf Stück geschehen. Die einzelnen 5er-Pakete erreichen nicht die zum Umtausch in T-Aktien erforderliche Stückzahl von 13. Der Kläger kann sich auch heute nicht von den seinerzeitigen Umtauschvorgängen lösen und die 2.330 J-Aktien einheitlich behandeln lassen. Das lässt sich zwar nicht damit begründen, dass von 1992 bis 1994 zwischen den Parteien insgesamt 466 Kaufverträge zustande gekommen seien, an denen grundsätzlich festzuhalten sei, wie das Landgericht gemeint hat. Anders als in den Fällen des § 305 AktG beruht die Abfindung aufgrund einer Eingliederung nach § 320 Abs. 5 AktG a.F. (= § 320 b AktG n.F.) nicht auf vertraglicher Grundlage. Der Anspruch entsteht vielmehr kraft Gesetzes mit der Eingliederung (Hüffer, a.a.O. § 320 b Rdn. 2; OLG Düsseldorf, AG 2004, 212, Juris-Rdn. 25). Beruht die Abfindung danach auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis, bleibt kein Raum für die Annahme von Kaufverträgen über die zur Abfindung zu übertragenden Aktien der Hauptgesellschaft.

Gleichwohl hat das Verhalten des Klägers, der offensichtlich zur Vermeidung eines Umtauschs in Aktien eine Vielzahl von Paketen zu jeweils fünf J-Aktien zur Abfindung eingereicht hat, auch nach Beendigung des Spruchverfahrens weiter Bedeutung. Durch dieses Vorgehen hat er sich selbst gebunden mit der Folge, dass es ihm anschließend nicht mehr freisteht, J-Abfindungsansprüche in anderer Stückzahl geltend zu machen. Wenn ein Aktionär im Rahmen der Geltendmachung von Abfindungsansprüchen eine bestimmte Gestaltung wählt und die Abfindungsschuldnerin sich hierauf einlässt und diese Gestaltung der Durchführung der Abfindung zugrunde legt, muss es auch künftig dabei bleiben. Die Transparenz und Vorhersehbarkeit des Verfahrens wäre für die Gesellschaft in unzumutbarer Weise beeinträchtigt, wenn Aktionäre beliebig die Umtauschvorgänge modifizieren und damit indirekt die Entscheidung zwischen Aktienerhalt und Barabfindung ändern könnten. Entgegen der Auffassung des Klägers rechtfertigt allein der Umstand, dass zwischenzeitlich ein Spruchverfahren durchgeführt worden ist, dieses Verhalten nicht. Das Ergebnis jenes Verfahrens ändert nichts an den Umständen der Geltendmachung der Abfindung, sondern modifiziert lediglich die Rechtsfolge, d.h. die Höhe der angemessenen Abfindung.

Die Bindung des Klägers an sein Vorgehen im Rahmen der Einreichung der J-Aktien führt auch nicht zu einem ihm auferlegten Verzicht auf die Verbesserung der Abfindungskonditionen im Spruchverfahren, wie der Kläger im Senatstermin gemeint hat. An einer im Spruchverfahren angestrebten Erhöhung des Abfindungsanspruchs partizipierte der Kläger in gleicher Weise wie andere Aktionäre. Der Umstand, dass sich für ihn nach Abschluss des Spruchverfahrens mehr als 10 Jahre nach dem Eingliederungsbeschluss die Abfindung in Aktien der Beklagten wirtschaftlich vorteilhafter darstellte, beruht auch nicht auf dem Ergebnis des Spruchverfahrens, sondern auf der Entwicklung des Aktienkurses sowie den zwischenzeitlich erfolgten Dividendeausschüttungen.

Die Beurteilung des Senats, die sich auf den aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleiteten Gesichtspunkt der Selbstbindung stützt, führt auch entgegen der vom Kläger im Senatstermin geäußerten Annahme nicht zu einer faktischen Umqualifizierung des Abfindungsanspruchs zu einem vertraglichen Anspruch. Der Grundsatz von Treu und Glauben, zu dem auch das Verbot widersprüchlichen Verhaltens zählt, beherrscht das gesamte Zivilrecht und nicht nur vertragliche Ansprüche.

bb)

Für den Fall, dass die 466 Einlieferungsvorgänge jeweils getrennt bewertet werden, hat der Kläger den Hilfsantrag zur Entscheidung gestellt. Auch insoweit ist die Klage jedoch nicht begründet.

Der Kläger vertritt die Auffassung, nach dem Inhalt der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2003 sei die angemessene Abfindung dahin zu berechnen, dass für jeweils fünf J-Aktien 17 Aktien der Beklagten einzutauschen seien sowie ein geringer Spitzenausgleich zu gewähren sei. Zu diesem Ergebnis gelangt er rechnerisch durch Multiplikation der fünf Aktien mit dem Quotienten 45/13. Diese Berechnung wird jedoch dem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2003 nicht gerecht und kann deshalb nicht mit Erfolg zur Grundlage der Klageforderung gemacht werden.

Der Senat ist im vorliegenden Leistungsprozess an die Entscheidung im Spruchverfahren gebunden, wie sich bereits aus § 13 S. 2 SpruchG ergibt (vgl. Hüffer, a.a.O. Anh. § 305, § 13 SpruchG Rdn. 3 zur heutigen Rechtslage, die inhaltlich der maßgeblichen früheren Rechtslage entspricht, § 306 Abs. 2 i.V.m. § 99 Abs. 5 S. 2 AktG a.F.). Daraus folgt, dass es für das vorliegende Verfahren nicht darauf ankommt, welche Abfindungsregelung richtigerweise nach den aktienrechtlichen Bestimmungen hätte festgelegt werden müssen. Allein maßgeblich ist der Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2003.

In diesen Beschluss hat das Oberlandesgericht Düsseldorf die angemessene Abfindung der ausgeschiedenen Aktionäre von J dahin festgesetzt, dass für 13 J-Aktien im Nennwert von 50,00 DM drei Stammaktien der Beklagten im Nennwert von 50,00 DM bzw. 30 Stammaktien im Nennwert von 5,00 DM zu gewähren sind. Unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich durchgeführten weiteren Kapitalmaßnahme der Beklagten ist nach übereinstimmender Auffassung der Parteien der Beschlusstenor dahin ergänzend auszulegen, dass für 13 J-Aktien nunmehr 45 Aktien der Beklagten zu gewähren sind.

Der Wortlaut ist eindeutig: Für (jeweils) 13 J-Aktien soll ein Umtausch in die festgelegte Anzahl an Aktien der Beklagten vorgenommen werden. Ein solcher Tausch ist danach bei der Einlieferung einer geringeren Stückzahl als 13 J-Aktien nicht möglich. Für diesen Fall greift die Regelung, wonach ein Spitzenausgleich in Geld geschuldet wird.

Ein anderes Ergebnis lässt sich entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht im Wege der Auslegung unter Heranziehung der Gründe des Beschlusses vom 31. Januar 2003 ermitteln. Der Senat lässt offen, ob die Entscheidungsgründe überhaupt in zulässiger Weise zur Ermittlung des Inhalts der Spruchstellenentscheidung herangezogen werden dürfen. Dagegen könnte sprechen, dass die Entscheidung inter omnes wirkt, also auch gegenüber am Verfahren nicht beteiligten Aktionären, und nach § 14 SpruchG die deshalb vorgesehene Veröffentlichung nur den Beschlusstenor ohne Gründe betrifft. Aber selbst wenn man dies anders beurteilt, rechtfertigt sich kein anderes Ergebnis.

Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf in den Gründen seines Beschlusses vom 31. Januar 2003 das Umtauschverhältnis mit (bezogen auf die ursprünglichen Nennwerte der Aktien) 4,3 : 1 ermittelt hat (S. 42 des Beschlusses). Daraus lässt sich aber nicht der Schluss ziehen, dass dieses Umtauschverhältnis bei der Umsetzung der Abfindungsregelung anzuwenden ist. Das Gericht hat nämlich weiter ausgeführt, dass es aufgrund des dargelegten rechnerischen Wertes eine Umtauschrelation von 13 : 3 festlege. Grund hierfür war das Bestreben des Oberlandesgerichts Düsseldorf, mit ganzen Zahlen operieren zu können. Entsprechend ist dann auch der Beschlusstenor gefasst worden.

Eine ergänzende Auslegung des Beschlusstenors ist auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil infolge von Kapitalmaßnahmen der Beklagten deren Aktien heute pro Stück einen geringeren Wert verkörpern als bei der Ermittlung der Relation auf der Basis einer Akte im Nennwert von 50,00 DM angenommen wurde. Zwar trifft es zu, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf in seinem Beschluss die letzte Kapitalmaßnahme, die durch Ausgabe von Gratisaktien den Wert veränderte, nicht berücksichtigt hat. Dem Beschlusstenor ist aber zu entnehmen, dass das Gericht den ersten Aktiensplit von 1 : 10 nicht nur bedacht, sondern auch die Konsequenz in seine Entscheidung aufgenommen hat. Für den Fall der Lieferung von Aktien der Beklagten im Nennwert von 5,00 DM ist eine Umtauschrelation von 13 : 30 angegeben worden und nicht ein Quotient, der auch für geringere Stückzahlen als 13 die Lieferung von Aktien der Beklagten ermöglicht hätte. Allein der Umstand, dass eine andere Festsetzung des Umtauschverhältnisses möglich gewesen wäre und zu Ergebnissen geführt hätte, bei denen geringere Spitzen verblieben, die in bar auszugleichen wären, lässt nicht den Schluss zu, dass das Gericht entgegen dem Wortlaut des Beschlusstenors eine derartige Relation festsetzen wollte. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf in dem Beschlusstenor unvollständig oder gar unzutreffend zum Ausdruck gekommen ist, liegen nicht vor. Das Gericht hat es in seinem Beschluss vom 29. Juli 2003 (Bl. 2083 ff BA) ausdrücklich abgelehnt, seine Entscheidung entsprechend den Vorstellungen des Klägers zu ergänzen, was etwa bei einer offensichtlichen Unrichtigkeit oder Unklarheit naheliegend gewesen wäre.

Gegen die vom Kläger für richtig gehaltene Auslegung spricht auch die Formulierung in dem Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf Seite 43, 3. Absatz, wonach jeder Aktionär für Aktien, die nicht zum Bezug weiterer Aktien der Beklagten berechtigen, einen Anspruch auf näher dargelegte Barentschädigung hat. Dieser Formulierung lässt sich die Vorstellung des Gerichts entnehmen, es sei ein Fall denkbar, in dem auch mehrere Aktien nicht zum Bezug weiterer Aktien der Beklagten berechtigen. Wäre dagegen die Auslegung des Klägers richtig, könnte dieser Fall nicht eintreten, da selbst eine J-Aktie bei Multiplikation mit dem zugrunde liegenden Quotienten zum Bezug von mehreren Aktien berechtigt hätte, selbst wenn man die vom OLG Düsseldorf zugrunde gelegten Aktien mit einem Nennwert von 5,00 DM heranzieht.

Ob die Festsetzung der angemessenen Abfindung durch das Oberlandesgericht Düsseldorf unter Verstoß gegen das Verbot der Schlechterstellung der Aktionäre ergangen ist, wie der Kläger für den Fall meint, dass der Beschlusstenor seinem Wortlaut nach umgesetzt wird, kann dahinstehen. Der Senat hat die Entscheidung inhaltlich nicht auf ihre sachliche Richtigkeit zu überprüfen. Als Auslegungskriterium führt dieser Gesichtspunkt nicht zu einer für den Kläger positiven Beurteilung.

b)

Der Klageantrag zu 2. ist im Hinblick auf das Zahlungsbegehren begründet. Die Lieferung von Aktien kann der Kläger auch insoweit nicht verlangen.

Mit diesem Klageantrag begehrt der Kläger Entschädigung für fünf J-Aktien, für die bisher unstreitig eine Entschädigung nicht geleistet worden ist. Ein Umtausch in Aktien der Beklagten ist ausgeschlossen, da die Stückzahl von 13 nicht erreicht wird. Zur Begründung nimmt der Senat auf die vorstehenden Ausführungen Bezug, die hier entsprechend gelten.

Der Kläger kann als angemessene Abfindung somit nur Entschädigung in bar beanspruchen. Dieser Anspruch ist Inhalt des Zahlungsantrages, mit dem ein Betrag von 297,56 € verlangt wird. Zwar begründet der Kläger seinen Zahlungsanspruch in erster Linie mit entgangener Dividende für von ihm zu beanspruchenden Aktien der Beklagten und in geringem Umfang mit der Forderung nach einem Spitzenausgleich, der bei der Lieferung von 17 Aktien noch verbleiben würde. Auch wenn die Forderung nach Dividendezahlungen unbegründet ist, weil schon die Lieferung von Aktien, aus denen sich das Recht auf Dividendeausschüttungen ergeben hätte, nicht verlangt werden kann, ist der Senat nicht gehindert, die bei zutreffender Beurteilung begründete Forderung auf Zahlung einer Barentschädigung für fünf J-Aktien bis zur Höhe des Klageantrags, das sind 297,56 €, zuzusprechen. Es handelt sich insbesondere nicht um einen anderen Streitgegenstand, der nicht zur Entscheidung gestellt worden wäre. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bestimmt sich der Streitgegenstand nach dem Klageantrag sowie dem zur Entscheidung gestellten Lebenssachverhalt, wobei auf eine natürliche, vom Standpunkt der Parteien ausgehende Betrachtungsweise abzustellen ist (z.B. BGH NJW 1999, 3126, 3127). Der zugrunde liegende Lebenssachverhalt ist hier die Eingliederung von J in die Beklagte und die daraufhin begründeten Abfindungsansprüche des Klägers für fünf J-Aktien auf der Grundlage des Ergebnisses des Spruchverfahrens. Der Streitgegenstand wird dagegen nicht dadurch maßgeblich bestimmt, welche konkrete Rechtsfolge sich bei zutreffender Anwendung des zugrunde liegenden Rechtssatzes ergeben. Die Barentschädigung für insgesamt fünf J-Aktien wird danach vom Streitgegenstand, der dem Klageantrag zu 2. zugrunde liegt, erfasst.

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2003 hat die Beklagte für eine J-Aktie einen Spitzenausgleich von 76,90 € zu gewähren, so dass dem Kläger für die von ihm zur Entschädigung vorzulegenden fünf Aktien ein Anspruch von 384,50 € zusteht. Auch insoweit ist der Senat an die rechtskräftige Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf gebunden, so dass der Berechnung nicht der ursprünglich von der Beklagten beschlossene Betrag von 80,02 € zugrunde zu legen ist. Da der Senat nach § 308 Abs. 1 ZPO bei seiner Entscheidung durch die Antragstellung beschränkt ist, war lediglich ein Betrag von 297,56 € zuzusprechen, und zwar Zug um Zug gegen Lieferung von fünf J-Abfindungsansprüchen.

Der Anspruch ist nicht verjährt. Zwar ist die Beklagte nicht gehindert, erstmals im Berufungsverfahren die Einrede zu erheben (BGH NJW 2008, 3434). Verjährung ist jedoch nicht eingetreten, da der Kläger den Lauf der Verjährungsfrist durch Klageerhebung rechtzeitig gehemmt hat.

Auf den Abfindungsanspruch fand ursprünglich die regelmäßige Verjährungsfrist von 30 Jahren gem. § 195 BGB a. F. Anwendung. Mit Wirkung vom 1. Januar 2002 richtet sich die Verjährung nach §§ 195, 199 BGB. Der Anspruch verjährt danach nach Ablauf von 3 Jahren, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Kläger Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Diese Kenntnis hatte der Kläger nicht vor der Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 31. Januar 2003 im Spruchverfahren. Erst mit Kenntnis der genauen Umtauschrelation sowie der Höhe der Barabfindung war er in der Lage, eine Erfolg versprechende Klage zu erheben.

Die danach Ende 2006 ablaufende Verjährungsfrist ist durch die am 28. Dezember 2006 eingereichte und "demnächst" im Sinne des § 167 ZPO zugestellte Klage rechtzeitig gehemmt worden.

c)

Mit dem Klageantrag zu 3. verfolgt der Kläger einen Anspruch auf weitere Entschädigung für die Einreichung von 270 J-Aktien im Jahre 1994. Ein solcher Anspruch steht dem Kläger nicht zu, da die Beklagte seine berechtigten Forderungen bereits erfüllt hat.

Die Beklagte hat dem Kläger für die 270 J-Aktien insgesamt 900 eigene Aktien geliefert. Damit hat sie die Vorgaben des Oberlandesgerichts Düsseldorf im Spruchverfahren zutreffend umgesetzt: Für 260 J-Aktien standen dem Kläger 20 x 45 Aktien der Beklagten zu, das sind 900. Da die verbleibende Anzahl von 10 J-Aktien nicht zum Bezug weiterer Aktien der Beklagten berechtigte, wie oben im Zusammenhang mit der Erörterung des Klageantrags zu 1. dargelegt worden ist, war hierfür als Spitzenausgleich ein Betrag von 76,90 € pro Aktie, insgesamt 769,00 € nebst Zinsen zu zahlen. Diese berechtigten Ansprüche des Klägers hat die Beklagte erfüllt, weitergehende Forderungen stehen dem Kläger nicht zu.

III.

Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 92 Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Insbesondere ist die Rechtssache nicht von grundsätzlicher Bedeutung, da es um die Anwendung einer in einem Einzelfall getroffenen Abfindungsregelung geht.

Ende der Entscheidung

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