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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 04.12.2002
Aktenzeichen: 8 U 40/02
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 138
Eine in einem Gesellschaftsvertrag enthaltene Regelung, die im Fall der Einziehung des Gesellschaftsanteils den zu zahlenden Abfindungsanspruch von vornherein auf ein Drittel des ermittelten Zeitwerts beschränkt, stellt eine unangemessene Benachteiligung des ausscheidenden Gesellschafters dar und ist nach § 138 BGB nichtig. Als eine weitere unangemessene Benachteiligung ist anzusehen, wenn der so begrenzte Abfindungsanspruch nach dem Gesellschaftsvertrag noch über einen Zeitraum von fünfeinhalb Jahren ausgezahlt werden soll.
OBERLANDESGERICHT HAMM IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

8 U 40/02 OLG Hamm

Verkündet am 04. Dezember 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 06. November 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Frey, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Hütte und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Ebmeier

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 18.12.2001 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Beschwer der Beklagten übersteigt 20.000,00 €.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages.

Wegen des tatsächlichen Vorbringens wird auf die Entscheidung des Landgerichts Bochum Bezug genommen. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und zur Begründung ausgeführt, daß die in § 10 Abs. 4 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten enthaltene Regelung zur Berechnung der Höhe der im Falle einer Einziehung zu zahlenden Vergütung gegen § 138 BGB verstoße. Bereits die Anteilsbewertung nach dem Stuttgarter Verfahren sei grundsätzlich ungeeignet. Die in der Satzung vorgesehene Berechnungsmethode könne dazu führen, daß der ausscheidende Gesellschafter nicht einmal ein Drittel des wahren Zeitwertes erhalte. Damit werde auf den Gesellschafter ein unzumutbarer Druck ausgeübt. Benachteiligt werde der Gesellschafter zudem durch die Streckung der Auszahlung auf 5 Jahresraten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beklagte mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung.

Sie führt aus, bereits die Auffassung des Landgerichts, nach der das Stuttgarter Verfahren insgesamt zur Bemessung der Abfindung eines Gesellschafters ungeeignet sei und zu einer unangemessenen Benachteiligung führe, sei zu beanstanden. Das Stuttgarter Verfahren sei zur Ermittlung des Unternehmenswertes in ständiger Rechtsprechung als zulässig angesehen worden. Es sei auch nicht zutreffend, daß es im Vergleich zur discounted cash-flow-Methode zu unangemessenen Benachteiligungen führe. Das Landgericht habe das für die betriebswirtschaftliche Beurteilung dieser Frage erforderliche Fachwissen nicht nachgewiesen.

Selbst wenn man die Überlegenheit der discounted cash-flow-Methode unterstelle, so komme es für die Frage, ob das Stuttgarter Verfahren zu Nach- oder Vorteilen für den ausscheidenden Gesellschafter führe, auch nach Ansicht der vom Landgericht zitierten Autoren darauf an, ob es sich um ein kapitalintensives Unternehmen handele. Hierzu habe der Kläger nichts vorgetragen.

Der Gesellschaftsvertrag habe ursprünglich eine zulässige Abfindung nach dem Buchwert vorgesehen. Die Satzungsänderung habe dazu geführt, daß eine gegenüber der Abfindung nach Buchwert erhebliche Besserstellung der Gesellschafter zu erwarten war. Diese Verbesserung des zulässigen Status quo könne nicht zu einer Sittenwidrigkeit der Abfindungsklausel führen.

Schließlich führe auch die Fälligkeitsklausel nicht zur Unwirksamkeit der Abfindungsregel, da eine Auszahlung über einen Zeitraum von fünf Jahren regelmäßig nicht zu beanstanden sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Bochum vom 18.12.2000 teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er führt aus, bei der Anwendung des Stuttgarter Verfahrens errechne sich für ihn ein Abfindungsguthaben von 182.725,00 DM, also ein Betrag, der deutlich unter dem von ihm für den Geschäftsanteil gezahlten Preis von 250.000,00 DM liege, obwohl deutliche Umsatz- und Gewinnsteigerungen der Gesellschaft im Vergleich zu den Vorjahren erzielt worden seien. Sowohl das Sachwert- als auch das Ertragswertverfahren und die discounted cash-flow-Methode kämen zu einem wesentlich höheren Unternehmenswert. Auch die Streckung der Auszahlung über fünfeinhalb Jahre sei im Hinblick darauf, daß er keinerlei Sicherheit erhalte, sittenwidrig. Zudem stelle auch die äußerst geringe Verzinsung eine unangemessene Benachteiligung dar. Er sei darüber hinaus auch durch § 3 des Gesellschaftsvertrages in seiner Verfügungsbefugnis über den Gesellschaftsanteil erheblich eingeschränkt und damit unangemessen benachteiligt worden. Einen Vertrag, der eine Buchwertklausel erhalten hätte, hätte er niemals unterzeichnet.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Der bei einer Einziehung des Gesellschaftsanteils zu zahlende Abfindungsanspruch besteht, soweit sich in der Satzung keine abweichende Regelung findet, grundsätzlich in Höhe des Verkehrswertes des Anteils (Schröder, Die Geltendmachung des Abfindungsanspruches, GmbHR 2002, S. 542). Ist dieser Wert, der sich aus zeitnahen und objektiv vergleichbaren Veräußerungen von Geschäftsanteilen Dritter ergibt, nicht zu ermitteln, so ist der Wert des Anteils im Verhältnis zum Unternehmenswert zu berechnen.

Die Satzung der Beklagten kann grundsätzlich eine hiervon abweichende Regelung vorsehen und einen Abfindungsanspruch zur Sicherung des Fortbestandes der Gesellschaft beschränken. Allerdings unterliegen diese Einschränkungen den Grenzen des § 138 BGB. Eine Abfindungsregelung ist dann als nichtig anzusehen, wenn die mir ihr verbundene Einschränkung des Abflusses des Gesellschaftskapitals vollkommen außer Verhältnis zu der Beschränkung steht, die erforderlich ist, um im Interesse der verbleibenden Gesellschafter den Fortbestand der Gesellschaft und die Fortführung des Unternehmens zu sichern (vgl. BGH, GmbHR 1992, S. 257). Es darf somit bei Vertragsschluß kein grobes Mißverhältnis zwischen dem wirklichen Anteilswert und dem vertraglich vorgesehenen Abfindungsbetrag bestehen. Im vorliegenden Verfahren kann dahinstehen, ob das Stuttgarter Verfahren für die Berechnung des Anteilswertes geeignet war, da bereits unabhängig von der für die Berechnung des Anteils gewählten Methode aufgrund des Wortlautes der Abfindungsklausel ein grobes Mißverhältnis besteht. Durch die Abfindungsklausel wird der Anspruch des Klägers von vornherein auf ein Drittel des ermittelten Zeitwertes beschränkt. In dieser obligatorischen Kürzung des Anteilswertes ist eine unangemessene Benachteiligung des ausscheidenden Gesellschafters zu sehen, denn eine Abfindung mit nur einem Drittel des Zeitwertes kann in keinem Fall als verhältnismäßig angesehen werden. Eine so erhebliche Beschränkung des ermittelten Anteilswertes ist auch nicht zwingend erforderlich, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.

Die in der Abfindungsregelung enthaltene Beschränkung des Abfindungsbetrages führt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, auch zu einer unzulässigen Einschränkung des Austrittsrechtes, denn ein Gesellschafter wird in der Regel genau überlegen, ob er die Gesellschaft verläßt, wenn er hierbei nur ein Drittel des tatsächlichen Anteilswertes erhält.

Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß die nunmehr geregelte Abfindungsklausel gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Buchwertklausel eine Verbesserung dargestellt habe. Zwar ist grundsätzlich eine Abfindung nach dem Buchwert zulässig, seine Grenzen hat aber auch ein solcher Abfindungsanspruch dort, wo der Buchwert in einem krassen Mißverhältnis zum tatsächlichen Wert der Beteiligung steht. Auch in diesem Falle wäre eine Klausel entweder, wenn das Mißverhältnis von vornherein bestand, sittenwidrig, oder, wenn das Mißverhältnis erst im Laufe der Zeit eingetreten ist, anzupassen (vgl. BGH, GmbHR 1993, S. 505). Wenn die Beschränkung auf ein Drittel des Zeitwertes gegenüber der zuvor vorgesehenen Buchwertklausel eine Verbesserung dargestellt hat, ist schon nach dem Vortrag der Beklagten davon auszugehen, daß nach der damaligen Regelung jedenfalls eine Anpassung hätte erfolgen müssen.

Zu berücksichtigen ist auch, daß der erheblich reduzierte Anteilswert dann noch über einen Zeitraum von fünfeinhalb Jahren ausgezahlt werden sollte. Zwar wird ein Auszahlungszeitraum von fünf Jahren in der Regel als nicht zu beanstanden angesehen (vgl. Baumbach/Hueck, § 34 Rn. 32), so daß diese Regelung für sich betrachtet nicht als sittenwidrig anzusehen wäre. Wenn man jedoch berücksichtigt, daß bei einem Anspruch auf Auszahlung des vollen Anteilswertes eine Auszahlung innerhalb von 15 Jahren als sittenwidrig angesehen wurde (BGH, NJW 1989, S. 2685), so führt bei einer von vornherein vorgesehenen Reduzierung auf 1/3 des Anteilswertes die Auszahlung über einen Zeitraum von fünfeinhalb Jahren zu einer weiteren unangemessenen Benachteiligung des ausscheidenden Gesellschafters.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die sofortige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Ende der Entscheidung

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