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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.01.2005
Aktenzeichen: 8 U 44/04
Rechtsgebiete: BauGB


Vorschriften:

BauGB § 127
BauGB § 127 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung der Klägerinnen wird unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 27. Januar 2004 teilweise abgeändert.

Die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 24.09.2002 6 O 602/01 Landgericht Bielefeld ist in Höhe von 7.114,73 € unzulässig.

In Höhe weiterer 5.000,00 € ist die Zwangsvollstreckung aus dem genannten gerichtlichen Vergleich unzulässig bis zur Erfüllung der Bedingung gem. Ziffer 3 des Teilvergleichs vom 15. November 2004.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die bis zum 6. Juli 2003 angefallenen Kosten die Klägerinnen zu 93 % und die Beklagten zu 7 % und die anschließend angefallenen Kosten die Klägerinnen zu 90 % und die Beklagten zu 10 %.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Kosten des Urteils die Klägerinnen. Die übrigen Kosten des Berufungsverfahrens sowie die Kosten des Vergleichs tragen die Klägerinnen zu 90 % und die Beklagten zu 10 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe: I. Die Klägerinnen wenden sich im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gegen die Vollstreckung der Beklagten aus dem gerichtlichen Vergleich vom 24.09.2002 in dem Verfahren 6 O 602/01 Landgericht Bielefeld sowie dem in diesem Rechtsstreit ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluß. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, mit dem das Landgericht die Klage abgewiesen hat. Mit ihrer Berufung haben die Klägerinnen ihre Einwendungen gegen die titulierten Forderungen aufrechterhalten. Im Teilvergleich vor dem Senat vom 15. November 2004 haben die Parteien eine Einigung erzielt mit Ausnahme der zur Aufrechnung gestellten Forderungen der Klägerin zu 2) auf Erstattung von Anschlußgebühren gegen die Beklagten in Höhe von insgesamt 25.250,05 €. Auf die Berechtigung dieser Aufrechnung sowie die Kosten des Rechtsstreits hat sich der Streit der Parteien reduziert. Die Klägerinnen vertreten die Auffassung, daß die Beklagten jeweils nach § 4 Abs. 4 der Grundstückskaufverträge zwischen der Klägerin zu 2) und den Eheleuten I (Nr. #### der Urkundenrolle des Jahrgangs 1996 des Notars S in C vom 27.12.1996) und den Eheleuten L (Nr. ### der Urkundenrolle Jahrgang 1997 des Notars S vom 31.01.1997) Anschlussbeiträge schuldeten. In dieser Regelung war festgelegt, daß die Eheleute I und L als Käufer u.a. die Gebühren und Kosten für den erstmaligen Anschluß des verkauften Grundstücks an die öffentlichen Abwasseranlagen zu tragen hätten. Entgegen der Auffassung des Landgerichts, so meinen die Klägerinnen, stehe dem nicht der Inhalt von § 4 Abs. 5 der Grundstückskaufverträge entgegen, wonach die Erschließungsbeiträge und u.a. die Kosten der Verlegung der Regen- und Abwasserkanäle in die Q-Straße im Kaufpreis enthalten seien. Von der letztgenannten Regelung seien die Erschließungsbeiträge i.S.d. § 127 BauGB erfaßt, nicht dagegen der Anschlußbeitrag entsprechend der Entwässerungsanschlußbeitragssatzung der Stadt I (Bl. 253 ff GA). Von den Anschlußkosten seien auch klar die in § 4 Abs. 5 genannten Kosten der Verlegung der Regen- und Abwasserkanäle in die Q-Straße abgegrenzt, da die Anschlußbeiträge die Nutzung des gesamten Abwassernetzes der Stadt I beträfen, nicht lediglich die konkreten Anlagen im Erschließungsgebiet. Da die Beklagten sich zur Tragung der Anschlußgebühren verpflichtet hätten, hätten sie diese in der satzungsmäßig festgelegten Höhe an die Klägerin zu 2) zu zahlen, nachdem letztere aufgrund eines Erschließungsvertrages mit der Stadt I vom 04./12.06.1998 die Anschlußgebühren durch den Bau der öffentlichen Abwasseranlage im Erschließungsgebiet abgelöst habe. Die Klägerinnen, die zunächst beantragt haben, abändernd die Zwangsvollstreckung aus dem gerichtlichen Vergleich vom 24.09.2002 6 O 602/01 Landgericht Bielefeld und dem Kostenfestsetzungsbeschluß vom 26.11.2002 zu 6 O 602/01 Landgericht Bielefeld für unzulässig zu erklären, haben nach dem Teilvergleich vom 15. November 2004 den Antrag darauf beschränkt, die Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung in Höhe eines Betrages von 25.250,05 € festzustellen. Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen. Sie stellen weiterhin in Abrede, aus den Grundstückskaufverträgen mit der Klägerin zu 2) die geltend gemachten Anschlußgebühren zu schulden. Die Regelung in § 4 Abs. 4 der Kaufverträge enthalte bereits keine Zahlungspflichten der Käufer gegenüber der Verkäuferin, sondern beschränke sich auf den Hinweis, welche Forderungen Dritter auf sie zukommen könnten. Für das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien sei § 4 Abs. 5 entscheidend, der von den Käufern nur dahin verstanden werden konnte, daß sämtliche Nebenkosten im Kaufpreis enthalten seien. Dies gelte erst recht angesichts des Umstandes, daß den Käufern die Absicht der Klägerin bekannt gewesen sei, mit der Stadt I einen Erschließungsvertrag abzuschließen, wonach seitens der Stadt I Anschlußbeiträge auf die Erwerber nicht zukommen konnten. II. Die zulässige Berufung der Klägerinnen hat in dem Umfang, in dem sie nach dem Teilvergleich vom 15. November 2004 noch zur Entscheidung gestellt wird, keinen Erfolg. 1. Soweit die Parteien in dem Teilvergleich vom 15. November 2004 Einigkeit über das Erlöschen der titulierten Forderung in Höhe von 7.114,73 € (Ziffer 1 des Vergleichs) sowie über die Stundung von 5.000,00 € (Ziffer 3 des Vergleichs) erzielt haben und insoweit die Zwangsvollstreckung jedenfalls zunächst unzulässig ist, hat der Senat dies zur Klarstellung im Urteilstenor ausgesprochen. 2. In Höhe von 25.250,05 € ist die Zwangsvollstreckung aus dem Vergleich vom 24.09.2002 im Rechtsstreit 6 O 602/01 sowie aus dem dort ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluß nicht unzulässig. Die titulierten Forderungen sind nicht durch Aufrechnung mit Erstattungsforderungen wegen Anschlußgebühren aus den Grundstückskaufverträgen vom 27.12.1996 und 31.01.1997 erloschen. Der Klägerin zu 2) stehen die geltend gemachten Ansprüche in Höhe der Anschlußbeiträge (§ 3 Abs. 8 der Entwässerungsanschlußbeitragssatzung der Stadt I) nicht zu. Sämtliche von den Klägerinnen angeführten Anspruchsgrundlagen (unmittelbarer Anspruch aus § 4 Abs. 4 der Grundstückskaufverträge, Geschäftsführung ohne Auftrag, § 48 Abs. 2 AO etc.) setzen voraus, daß die Beklagten und ihre Ehemänner als Käufer im Verhältnis zu der Verkäuferin der Grundstücke verpflichtet sind, die Anschlußbeiträge gem. § 3 Abs. 8 der Entwässerungsanschlußbeitragssatzung der Stadt I zu tragen. Dies vermag der Senat nicht festzustellen. Er teilt insoweit die Auffassung des Landgerichts, daß zwischen den Regelungen in § 4 Abs. 4 und § 4 Abs. 5 der Grundstückskaufverträge zumindest teilweise ein Widerspruch liegt, der nicht aufzulösen ist und sich zu Lasten der Klägerinnen auswirkt. Auch die erläuternden Ausführungen der Klägerinnen im Anschluß an den Senatstermin vom 15. November 2004 haben den Widerspruch nicht zu beseitigen vermocht. Es mag sein, daß die Formulierung in § 4 Abs. 4 der Grundstückskaufverträge, wonach der Käufer die Gebühren und Kosten für den erstmaligen Anschluß des verkauften Grundstücks an die öffentlichen Abwasseranlagen trägt, auf die Anschlußbeitragspflicht entsprechend der Entwässerungsanschlußbeitragssatzung der Stadt I hinweist. Bereits im nächsten Absatz der vertraglichen Regelung heißt es jedoch, daß die Kosten der Verlegung der Regen- und Abwässerkanäle in die Q-Straße im Kaufpreis enthalten seien und darüber eine besondere Abrechnung nicht erfolge. Entgegen der Auffassung der Klägerinnen sind beide Regelungsgegenstände zumindest teilweise deckungsgleich. Es trifft nämlich nicht zu, daß in § 4 Abs. 5 der Grundstückskaufverträge allein Erschließungsbeiträge i.S.d. § 127 BauGB angesprochen werden, die sich von den Kosten für den Anschluß an das Abwassernetz abgrenzen lassen. Den Klägerinnen mag zugestanden sein, daß der in § 4 Abs. 5 der Grundstückskaufverträge genannte Begriff "Erschließungsbeiträge" die Kosten für die Errichtung von Erschließungsanlagen i.S.d. § 127 BauGB (Straßen, Wege, Plätze, Parkflächen etc.) betrifft. Das gilt jedoch nicht für die anschließend erwähnten Kosten der Verlegung der Regen- und Abwasserkanäle in die Q-Straße. § 127 Abs. 4 BauGB hebt ausdrücklich hervor, daß z.B. Anlagen zur Ableitung von Abwasser keine Erschließungsanlagen i.S.d. Vorschrift sind. Gerade die Errichtung von Kanälen ist Teil derjenigen Leistung, für die Kanalanschlußbeiträge erhoben werden, wie sich auch § 1 der Entwässerungsanschlußbeitragssatzung der Stadt I entnehmen läßt. Danach wird der Kanalanschlußbeitrag nicht etwa nur dafür erhoben, daß der Anlieger das weitere Abwassernetz der Stadt I nutzen kann, sondern auch und gerade dafür, daß im Erschließungsgebiet Abwasseranlagen hergestellt werden, also Abwasserkanäle verlegt werden. Diese Kosten sollen aber nach § 4 Abs. 5 der Grundstückskaufverträge im Kaufpreis enthalten sein, was mit der Auslegung durch die Klägerinnen nicht in Einklang zu bringen ist. Da die Klägerin zu 2) aufgrund des Erschließungsvertrages mit der Stadt I durch die von ihr vorgenommene Errichtung der Abwasserkanäle im Erschließungsgebiet die Anschlußbeitragspflicht für sämtliche Grundstückseigentümer in jenem Gebiet abgelöst hat, was den Erwerbern als Absicht bekannt war, konnten sie davon ausgehen, daß durch die in den Kaufpreis eingerechneten Kosten der Verlegung der Abwasserkanäle die grundsätzlich bestehende öffentlich-rechtliche Anschlußbeitragspflicht erledigt war. Selbst wenn man davon ausgehen wollte, daß die Kanalanschlußbeiträge nicht nur die Errichtung von Abwasseranlagen im jeweiligen Erschließungsgebiet vergüten sollen, sondern darüber hinaus den Aufwand der Stadt bei der Anschaffung und Erweiterung des gesamten Abwassernetzes, rechtfertigt dies die geltend gemachte Forderung nicht. Davon könnte allenfalls ein nicht abgrenzbarer Teil des Anschlußbeitrages nach § 3 Abs. 8 der Entwässerungsanschlußbeitragssatzung erfaßt werden, den die Klägerinnen nicht darlegen und wohl auch nicht darlegen können. In ihrem Schriftsatz vom 26.11.2004 vertreten die Klägerinnen weiter die Auffassung, mit den Kosten der Verlegung der Regen- und Abwässerkanäle seien lediglich die Kosten für die damit verbundene Arbeitsleistung gemeint, womit sie offenbar eine Abgrenzung zu den Materialkosten vornehmen wollen. Ein solches Verständnis der genannten Formulierung erscheint nicht lebensnah und kann vom Senat nicht geteilt werden, zumal üblicherweise Kanalbauarbeiten einheitlich vergeben werden, also einschließlich der Lieferung des erforderlichen Materials. Abgesehen davon wäre aber auch die mit der Errichtung von Abwässeranlagen verbundene Arbeitsleistung Gegenstand des Kanalanschlußbeitrags, so daß sich selbst dann eine Überschneidung zwischen den Regelungsinhalten von § 4 Abs. 4 und Abs. 5 ergäbe. Soweit die Klägerinnen sich auf das Zeugnis des Urkundsnotars zum Beweis ihrer Behauptung beziehen, dieser habe bei der Verlesung der Urkunde die Abgrenzung der verschiedenen Kosten erläutert, war dem Beweisantritt nicht nachzukommen. Hierzu hätte es der Darlegung bedurft, daß und in welcher Weise der Notar die widersprüchlichen Formulierungen aufgedeckt und klargestellt hat, daß ein vom Wortlaut abweichender Inhalt gelten solle, was von den Erwerbern akzeptiert worden wäre. Das ist jedoch nicht geschehen. Nach alledem fehlt es an einer Verpflichtung der Erwerber gegenüber der Verkäuferin, die Kanalanschlußbeiträge in der Höhe zu tragen, wie sie in der Entwässerungsanschlußbeitragssatzung der Stadt I festgelegt waren. Im Anschluß an die Übernahme der Erschließung hat die Klägerin zu 2) deshalb keinen entsprechenden Erstattungsanspruch erlangt, mit dem sie gegen die titulierte Forderung der Beklagten aufrechnen könnte. Ob die Aufrechnung auch deshalb unwirksam wäre, weil der Prozeßvergleich vom 24.09.2002 ein konkludentes Aufrechnungsverbot für bereits entstandene Forderungen enthielt, bedarf deshalb keiner Entscheidung. 3. Die Kostenentscheidung ergeht nach §§ 91 a, 92, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Ende der Entscheidung

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