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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 26.02.2007
Aktenzeichen: 8 U 59/05
Rechtsgebiete: HGB, ZPO, BGB, AGBG


Vorschriften:

HGB § 171 Abs. 1 1. Halbsatz
HGB § 172 Abs. 4
ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 4
BGB § 195 a.F.
BGB § 195 n.F.
AGBG § 2 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 4. Februar 2005 verkündete Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Münster teilweise abgeändert.

Der Zahlungsanspruch gegen die Beklagte zu 2) ist dem Grunde nach berechtigt.

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, gesamtschuldnerisch mit dem Beklagten zu 1) den Kläger von seiner Kommanditistenhaftung als Kommanditist der T KG (Amtsgericht Beckum HRA ####) freizustellen.

Die Berufung des Beklagten zu 1) wird zurückgewiesen.

Der Beklagte zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.

Zur Entscheidung über die Höhe des Anspruchs gegen die Beklagte zu 2) wird der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen, und zwar auch zur Entscheidung über die Kosten, soweit nicht durch den Senat über sie erkannt ist.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000,00 € abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe:

I.

Der Kläger verlangt von beiden Beklagten im Wege des Schadensersatzes Rückzahlung seiner Kommanditeinlage von 100.000,00 DM zzgl. 5.000,00 DM Agio abzüglich zwischenzeitlich erhaltener Ausschüttungen bei der T KG. Der Beklagte zu 1) war Gründungskommanditist dieser Gesellschaft und Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagten zu 2), die vor ihrer zwischenzeitlichen formwechselnden Umwandlung eine GmbH war und als I GmbH firmierte. Die Beklagte zu 2) war Prospektverantwortliche und befasste sich mit dem Vertrieb der Kapitalanlage. Wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Das Landgericht hat den gegen den Beklagten zu 1) gerichteten Zahlungsanspruch dem Grunde nach für berechtigt erklärt und diesen weiter verurteilt, den Kläger von seiner Kommanditistenhaftung als Kommanditist der T KG freizustellen. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) hat es abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte zu 1) hafte dem Kläger als Gründungskommanditist wegen schuldhafter Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Die Prospektunterlagen der T KG seien fehlerhaft gewesen. Insbesondere das Kurzexposé, das dem Kläger vor Zeichnung seiner Anlage zugegangen sei, habe zu Unrecht den Eindruck vermittelt, dass mit den vorgesehenen Ausschüttungen auf das Fondskapital die Kommanditistenhaftung in Höhe dieser Ausschüttung nicht wieder auflebe. Diese fehlerhafte Angabe sei in dem Hauptprospekt nicht mit der nötigen Deutlichkeit korrigiert worden. Die fehlerhafte Information sei auch ursächlich für die Anlageentscheidung des Klägers gewesen, wie bereits aus der allgemeinen Lebenserfahrung folge. Die deshalb dem Grunde nach gegebenen Ansprüche des Klägers seien nicht verjährt. Da zur Höhe des Anspruchs noch weitere Feststellungen insbesondere zu den Steuervorteilen des Klägers getroffen werden müssten, hat das Landgericht insoweit nur ein Grundurteil erlassen.

Eine Haftung der Beklagten zu 2) hat das Landgericht verneint und zur Begründung ausgeführt, zwischen ihr und dem Kläger sei kein Beratungsvertrag zustande gekommen, der Grundlage eines Schadensersatzanspruchs wegen Verletzung vertraglicher Pflichten sein könne. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Dieses Urteil fechten der Kläger einerseits und der Beklagte zu 1) andererseits mit ihren Berufungen an, mit denen sie ihre jeweiligen erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen.

Der Kläger vertritt die Auffassung, auch die Beklagte zu 2) hafte auf Schadensersatz. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei zwischen ihm und der Beklagten zu 2) im Rahmen der Vermittlung der Kapitalanlage ein Auskunftsvertrag zustande gekommen, der die Beklagte zu 2) zu vollständiger und zutreffender Information verpflichtet habe. Aus ihren Aufgaben und Funktionen ergebe sich, dass die Beklagte zu 2) nicht nur eine von mehreren Funktionsträgern gewesen sei. Sie sei vielmehr entscheidende Funktionsträgerin gewesen, die in einer besonderen Nähe zu den einzelnen Anlegern gestanden habe. Sie habe sich von Anfang an als die entscheidende Interessenwahrerin der Anleger dargestellt und gegenüber den Anlageinteressenten mit ihrer Seriosität, Erfahrung und Sachkompetenz geworben. Dadurch habe sie von Anfang an das Vertrauen der Anleger für sich selbst in Anspruch genommen.

Der Kläger sieht eine zur Haftung führende Pflichtverletzung beider Beklagten auch darin, dass diese nicht über die Zahlung von Provisionen aufgeklärt hätten, die die Beklagte zu 2) bei der Finanzierungsvermittlung betreffend das Eigenkapital von Anlegern von den finanzierenden Banken erhalten habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Münster vom 04.02.2005 abzuändern und die Beklagte zu 2) gemäß den in erster Instanz gestellten Anträgen zu verurteilen.

Zur Entscheidung über die Höhe des Zahlungsanspruchs beantragt er,

das Verfahren an das Landgericht Münster zurückzuverweisen.

Die Beklagte zu 2) beantragt,

die gegnerische Berufung zurückzuweisen.

Sie meint, das Landgericht habe zu Recht die Voraussetzungen einer Beratungs- und Auskunftspflicht verneint, da zwischen ihr und den Anlegern weder ein Beratungs- noch ein Vermittlungsvertrag zustande gekommen sei. Sie, die Beklagte zu 2), habe vielmehr nur Werbung für ein eigenes Produkt betrieben, was für den Kläger auch erkennbar gewesen sei. Wenn dem Kläger aber klar gewesen sei, dass sie selbst Funktionen bei der Fondskonzeption wahrgenommen und lediglich das Interesse des Vertriebes eines eigenen Produktes verfolgt habe, könne er nicht eine unabhängige neutrale Beratung in Bezug auf den Fonds und die Prospektangaben erwartet haben. Selbst wenn zwischen den Parteien ein Vermittlungsvertrag zustande gekommen sein sollte, führe dies nicht zu einer Haftung, da es an der Inanspruchnahme des besonderen Vertrauens des Vermittlers fehle. Der Kläger habe nicht dargelegt, auf die Werbeaussagen der Beklagten zu 2) vertraut und diese zur Grundlage seiner Anlageentscheidung gemacht zu haben.

Der Beklagte zu 1) vertritt die Auffassung, das Landgericht habe seine Haftung zu Unrecht angenommen. Allein seine Stellung als Gründungskommanditist genüge nicht, um darauf eine Schadensersatzverpflichtung zu stützen, zumal die Fondsgesellschaft nicht Herausgeberin des Prospekts gewesen sei, was von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig gefordert werde.

Weiterhin rügt er, das Landgericht habe zu Unrecht den Vorwurf falscher Prospektangaben erhoben. Auf Aussagen in dem Kurzexposé könne schon deshalb nicht abgestellt werden, weil dieses keinen Prospektcharakter gehabt habe, sondern nur als Werbeaussage zu verstehen sei. Es bleibe auch bestritten, dass der Kläger dieses Kurzexposé überhaupt erhalten habe. Die dazu vom Landgericht getroffenen Feststellungen seien unzutreffend. Schließlich müsse der Inhalt dieses Exposés im Zusammenhang mit dem ausführlichen Hauptprospekt gesehen werden, dessen Lektüre von einem Anleger erwartet werden könne. Evtl. missverständliche Aussagen im Kurzexposé seien im Hauptprospekt jedoch mit großer Deutlichkeit klargestellt worden, so dass der Anlegeinteressent hinreichend aufgeklärt worden sei.

Der Beklagte stellt weiterhin die Kausalität des angeblichen Aufklärungsmangels in Abrede. Das Wiederaufleben der Haftung bei einem Fonds, wie er hier in Rede stehe, sei systemimmanent, und der Kläger hätte auch in Kenntnis der Umstände nicht von der beabsichtigten Kapitalanlage abgesehen. Darüber hinaus sei das Haftungsrisiko vernachlässigbar gering. Der Beklagte zu 1) vertieft schließlich seine Auffassung, evtl. Ansprüche seien verjährt, da durch die entsprechende Regelung im Prospekt, die in das Vertragsverhältnis mit dem Kläger einbezogen worden sei, die Verjährungsfrist auf drei Jahre verkürzt worden sei.

Der Beklagte zu 1) beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage auch gegen ihn abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung des Beklagten zu 1) zurückzuweisen.

Er verteidigt insoweit das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung des Beklagten zu 1) hat in der Sache keinen Erfolg. Die Berufung des Klägers ist dagegen begründet und führt unter Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung zur Stattgabe wegen des Zahlungsanspruchs gegen die Beklagte zu 2) dem Grunde nach sowie zur Verurteilung auch der Beklagten zu 2) zur Freistellung des Klägers von seiner Kommanditistenhaftung als Kommanditist der T KG.

1. Zur Berufung des Beklagten zu 1):

Die Berufung ist unbegründet, da das Landgericht zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz wegen Verletzung vorvertraglicher Pflichten (Prospekthaftung im weiteren Sinn) dem Grunde nach bejaht hat.

a)

Der Beklagte ist aufgrund seiner Stellung als Gründungskommanditist in ein vorvertragliches Schuldverhältnis zum Kläger einbezogen worden, woraus sich Auskunfts- und Aufklärungspflichten ergeben. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt den Gründungskommanditisten von Publikums-KGs bzw. Gründungsgesellschaftern einer Publikums-GbR als Vertragspartnern der neu eintretenden Gesellschafter die Verpflichtung zur sachlich richtigen und vollständigen Aufklärung über das mit dem Beitritt verbundene Risiko (z.B. BGH NZG 2003, 920 = DStR 2003, 1760). Der Beklagte zu 1) zählt hier zu dieser Personengruppe. Er hat, wie er selbst vorträgt, seinen über viele Jahre erworbenen guten Ruf unter Ausnutzung bestehender Kontakte eingesetzt, um Kommanditisten für die T KG I zu gewinnen. Zudem besaß er einen erheblichen Einfluss auf die Kommanditgesellschaft über die Beklagte zu 2), deren Geschäftsführer er war. Das folgt aus § 7 Abs. 2 e, i, l sowie §§ 9 Abs. 3 und 16 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages der Kommanditgesellschaft. Der Beklagte hat damit in erheblicher Weise persönliches Vertrauen hinsichtlich der Seriosität und Tragfähigkeit des Konzepts in Anspruch genommen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1) kommt es für die Haftung als Gründungskommanditist nicht darauf an, ob die Anlagegesellschaft selbst den Emissionsprospekt herausgegeben und der Gründungskommanditist deshalb Verantwortung für den Prospekt gehabt hat. Eine derartige Beschränkung ist auch der von dem Beklagten zu 1) zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH DStR 2003, 1494 und DStR 2003, 1760) nicht zu entnehmen. Die konkrete Erstellung des Prospekts und die formelle Verantwortlichkeit hierfür spielen in den genannten Entscheidungen sowie auch der weiteren Rechtsprechung keine erkennbare Rolle. Maßgeblich ist die Stellung des Gründungsgesellschafters als künftiger Vertragspartner und seine Aufklärungspflicht gegenüber beitrittswilligen Anlegern. Die Aufklärungspflicht hat ihren inneren Grund darin, dass der Gründungsgesellschafter über einen Informationsvorsprung verfügt und hinter dem mit der Gesellschaft verfolgten Projekt steht. Demgemäß hat der Bundesgerichtshof bereits im Jahre 1980 (BGHZ 79, 337) erkannt, dass dann, wenn die Aufklärung mittels eines Prospekts erfolgt, die Haftung für fehlerhafte oder unvollständige Angaben nicht nur die Personen trifft, die zu der für die Herausgabe des Prospekts verantwortlichen eigentlichen Leitungsgruppe gehören, sondern auch diejenigen, die Gründer der Gesellschaft sind, die das Management bilden oder beherrschen oder die hinter der Anlagegesellschaft stehen und besonderen Einfluss in der Gesellschaft ausüben und Mitverantwortung tragen. Diese Situation hebt sich grundlegend von der bei einer typischen KG ab, in der ein zufällig früherer Kommanditist gegenüber später eintretenden Kommanditisten keine oder geringere Informationspflichten hat.

b)

Als Gründungskommanditist, der entsprechend den vorstehenden Ausführungen persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat, war der Beklagte zu 1) verpflichtet, den Kläger als in die Kommanditgesellschaft Eintretenden über alle Nachteile und Risiken der Kapitalanlage zu informieren. Dieser Pflicht kann dadurch genügt werden, dass dem Eintretenden ein Prospekt überreicht wird, der zutreffend und vollständig ein umfassendes Bild über die Risiken der Kapitalanlage gewährt. Soweit das nicht der Fall ist, hat der Gründungskommanditist die Eintretenden entsprechend ergänzend zu informieren. Dieser Pflicht ist der Beklagte zu 1) hinsichtlich einer Haftung der Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB nicht ausreichend nachgekommen.

aa)

Der Beklagte zu 1) kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass das Wiederaufleben der Kommanditistenhaftung infolge Ausschüttungen zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, durch das Prospektmaterial in ausreichender Weise dargestellt worden ist.

Zu dem Prospektmaterial, das der Information der Anlageinteressenten dienen sollte, zählt auch das Kurzexposé (Anlage 3 zur Klageschrift). Dieses Kurzexposé enthält unter Ziffer 4 den Hinweis, mit den Ausschüttungen ab 1995 sei keine teilweise Rückzahlung des Haftungskapitals verbunden. Für den unbefangenen Leser ist dies dahin zu verstehen, dass mit der Ausschüttung auch seine Haftung als Kommanditist nicht wieder aufleben würde. Eine solche Aussage war unzutreffend, denn die ab 1995 vorgesehenen Ausschüttungen sollten zu einem Zeitpunkt erfolgen, als die Kapitalkonten der Kommanditisten bereits durch die Verluste der Investitionsphase aufgezehrt waren. Für die Kommanditisten bestand daher die Gefahr, im Umfang der Ausschüttungen bis zur Höhe ihrer Einlage nach § 171 Abs. 1 1. Halbsatz HGB von Gläubigern der Kommanditgesellschaft in Anspruch genommen zu werden. Hierin lag ein systemimmanentes und damit unvermeidbares Risiko.

bb)

Der Beklagte zu 1) meint, evtl. Unrichtigkeiten seien schon deshalb unerheblich, weil dem Kurzexposé keine Prospektqualität zukomme. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar ist dem Beklagten beizupflichten, dass allein mit dem Exposé die Aufklärungspflicht nicht vollständig erfüllt werden konnte und dass zudem am Schluss des Textes auf den Hauptprospekt hingewiesen wurde. Gleichwohl handelt es sich nicht um ein belangloses und damit haftungsrechtlich unerhebliches "Werbeblättchen". Das Exposé ist immerhin benutzt worden, um Interessenten zu werben und ihr Interesse für die Anlage zu wecken. Den Verantwortlichen musste auch klar sein, dass die komprimierten Aussagen von Interessierten durchaus zur Kenntnis genommen würden und als maßgebliche Grundlage für die Willensbildung dienen konnten. Mit unrichtigen Angaben in dem sog. Flyer konnte der Beklagte zu 1) der ihm obliegenden Aufklärungspflicht nicht genügen.

cc)

Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des Beklagten zu 1), der Anleger sei letztlich ausreichend und richtig dadurch informiert worden, dass die Rechtslage zum Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB im Hauptprospekt zutreffend dargelegt worden sei. Der Beklagte, so meint er, habe erwarten dürfen, dass Anleger den vollständigen Prospekt zur Kenntnis nähmen, die Klarstellung erkannten oder zumindest einen Widerspruch zu der Aussage im Kurzexposé feststellten und dies zum Anlass hätten nehmen müssen, durch Nachfrage Aufklärung zu erlangen.

Zwar trifft es zu, dass der Aufklärungspflichtige erwarten darf, dass jeder Adressat sorgfältig und eingehend die Unterlagen liest (BGH WM 1992, 901, 904). Dies führt aber im Streitfall nicht dazu, dass die unzutreffende Darstellung im Kurzexposé durch andere Ausführungen im Hauptprospekt quasi aufgehoben wurden und damit bedeutungslos waren. Eine zunächst fehlerhafte Information kann nämlich dazu führen, dass bei dem Leser ein Vorverständnis geprägt wird, das sich auf die weitere Lektüre auswirkt. Der Beklagte zu 1) musste davon ausgehen, dass der juristisch nicht gebildete Anleger nach den plakativen Informationen im Exposé die näheren Ausführungen im Hauptprospekt, die sich mit demselben Thema befassen, weniger kritisch hinterfragen würde mit der Folge, dass ihm evtl. Widersprüche nicht in der Schärfe bewusst würden. Unter diesen Umständen hätte eine ordnungsgemäße Aufklärung nur dadurch erfolgen können, dass entweder die das Vorverständnis prägende Vorabinformation entfiel oder sie mit ausreichender Deutlichkeit richtiggestellt wurde. Allein durch einen entsprechenden Hinweis auf das genannte Risiko in Teil B des Hauptprospekts unter der Rubrik "Das steuerliche Konzept - Ausschüttungen", also keineswegs an hervorgehobener Stelle, konnte eine ausreichende Richtigstellung nicht erfolgen.

dd)

Der Senat geht auch davon aus, dass der Kläger vor seinem Beitritt zur Kommanditgesellschaft das Kurzexposé erhalten hat. Das Landgericht hat entsprechende Feststellungen getroffen. Hieran ist der Senat nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO gebunden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Feststellung begründen. Derartige Anhaltspunkte hat der Beklagte zu 1) nicht dargelegt. Er meint , die tatsächliche Grundlage für die vom Landgericht getroffene Feststellung sei nicht tragfähig, da sie vorrangig auf Äußerungen des Sohns des Klägers beruhe, der an den Vorgängen nicht beteiligt gewesen sei. Darüber hinaus wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen, wonach an Mandanten des Steuerberaters L Kurzexposés nicht versandt worden seien, weil diese Mandanten unmittelbar über den Steuerberater informiert worden seien; bei dem Kläger habe es sich um einen Mandanten des Steuerberaters gehandelt.

Der Senat sieht in den Berufungsangriffen keine Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit der landgerichtlichen Feststellungen begründen und erneute Feststellungen des Senats erforderlich machten. Das Landgericht hat seine Feststellung, der Kläger habe das Kurzexposé erhalten, darauf gestützt, dass zum einen der im Termin angehörte Sohn des Klägers dies überzeugend auf der Grundlage der Angaben des Klägers und der Systematik der vorhandenen Unterlagen dargelegt habe und zudem andere Kläger in Kammerterminen vor derselben Kammer ebenfalls bekundet hätten, das Exposé vor Zeichnung erhalten zu haben. Die Darstellung des Beklagten sei dagegen widersprüchlich und nicht überzeugend.

Die Entscheidungsgrundlage des Landgerichts ist tragfähig. Die Überzeugungsbildung anhand der Angaben des persönlich angehörten Vertreters des Klägers sowie anhand von ähnlichen Darstellungen anderer ebenfalls angehörter Kapitalanleger ist grundsätzlich nicht zu beanstanden, zumal sie plausibel unterlegt wird. Insbesondere weisen die vorgelegten Urkunden nicht darauf hin, dass bei der Versendung von Prospektmaterial zwischen Mandanten des Steuerberaters L und anderen Kunden der Beklagten zu 2) differenziert wurde. Dem Kläger ist unstreitig ein Schreiben entsprechend dem als Anlage 11 zur Klageschrift vorgelegten Schreiben vom 04.11.1993 zugegangen. Im Eingangssatz dieses Schreibens wird zudem auf die kürzlich erfolgte Zuleitung von Vorabinformationen Bezug genommen. Damit lässt sich plausibel in Einklang bringen, dass es sich bei dieser Vorabinformation um das Kurzexposé gehandelt hat. Insofern ist die Auffassung des Landgerichts auch nicht zu beanstanden, die Darstellung der Beklagten sei widersprüchlich, wenngleich diese im Rechtsstreit durchgehend bestritten hatten, dass dem Kläger das Exposé zugeleitet worden war.

Der Senat sieht sich auch gehindert, dem Beweisantritt durch Vernehmung des Zeugen L nachzugehen, da dieser Zeuge erstmals im Berufungsverfahren benannt worden ist, ohne dass dies entschuldigt wird. Dem Landgericht ist auch nicht als Verfahrensfehler vorzuhalten, nicht auf einen entsprechenden Beweisantritt hingewirkt zu haben, da die Erklärung, Mandanten des Steuerberaters L hätten kein Exposé erhalten, schriftsätzlich erst nach Schluss der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden ist und keine Veranlassung bestand, daraufhin die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen.

c)

Die unzureichende Aufklärung war auch ursächlich für die Entscheidung des Klägers, dem Fonds beizutreten. Insoweit entspricht es der Lebenserfahrung, dass ein wesentlicher Prospektfehler für die Anlageentscheidung ursächlich geworden ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Der Beklagte zu 1) vertritt zwar die Auffassung, für Fallgestaltungen der hier gegebenen Art existiere eine derartige Lebenserfahrung nicht, da das Risiko des Wiederauflebens der Haftung systemimmanent und faktisch zu vernachlässigen gewesen sei. Dies rechtfertigt jedoch keine andere Beurteilung der Kausalitätsfrage.

Der Senat vermag schon dem Beklagten zu 1) nicht in seiner Einschätzung zu folgen, ein Haftungsrisiko sei gänzlich vernachlässigbar gewesen. Unabhängig davon, ob die Darlehensgläubigerin als wesentliche Gläubigerin der Kommanditgesellschaft aus dem Verkaufserlös der Immobilie befriedigt werden könnte, war auch denkbar, dass die Bank sich in Höhe der Einlagerückgewähr unmittelbar an die Kommanditisten hielt und von diesen Befriedigung suchte, ohne die Vollstreckung in die Immobilie vorzunehmen. Auch ist ein dramatischer Wertverfall des von der Kommanditgesellschaft errichteten Objekts für den Fall denkbar, dass sich die Vermietungssituation erheblich verschlechtert. Der Wert einer Geschäftsimmobilie bemisst sich vorrangig nicht nach dem Substanzwert, sondern nach dem mit dem Objekt erzielbaren Ertrag. Auch das Argument, das Wiederaufleben der Haftung sei systemimmanent, so dass dem Kläger eine alternative Anlagemöglichkeit nicht zur Verfügung gestanden habe, steht der Kausalität nicht entgegen. Es lässt sich keineswegs mit der notwendigen Sicherheit feststellen, dass der Kläger in Kenntnis aller Umstände die Anlage gleichwohl gezeichnet hätte.

d)

Der Anspruch ist auch nicht verjährt. Für den Zahlungsanspruch galt gem. § 195 BGB a.F. die 30-jährige Verjährungsfrist, deren Lauf durch die Erhebung der Klage gehemmt worden ist. Dies geschah rechtzeitig vor Ablauf der seit dem 01.01.2002 geltenden Verjährungsfrist von drei Jahren gem. § 195 BGB n.F. im Jahr 2004.

Entgegen der Auffassung des Beklagten zu 1) ist die Verjährungsfrist nicht vertraglich auf drei Jahre verkürzt worden. Dies folgt insbesondere nicht aus der Regelung in dem Prospekt (Beteiligungsangebot Teil B S. 13) wonach die Verjährung in den dort genannten Fällen auf maximal drei Jahre verkürzt worden ist. Diese Klausel erfasste bereits den Beklagten zu 1) nicht, da sie sich auf "Prospektherausgeber oder einen anderen in diesem Prospekt genannten Vertragspartner" sowie auf "Vertriebsbeauftragte" bezog. Abgesehen davon ist die Regelung nicht Inhalt einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung zwischen den Parteien geworden, was Voraussetzung wäre, wenn die Verkürzung der Verjährung, die auch zum Schutz Dritter möglich wäre, wirksam vereinbart werden sollte (BGH ZIP 2004, 414). Der Beitritt des Klägers zur Kommanditgesellschaft erfolgte durch Abgabe des Angebots auf Abschluss eines Beitrittsvertrages vom 23.12.1993 (Anlage 14 zur Klageschrift), das sodann angenommen wurde. Dieses Angebot nimmt den Prospekt nicht auch nicht teilweise in Bezug. Gleiches gilt für den Zeichnungsschein vom 22.12.1993 (Anlage 12 zur Klageschrift). Eine Einbeziehung ist auch nicht konkludent dadurch erfolgt, dass es im Anschluss an die Übergabe des Prospekts zu einem Vertragsschluss gekommen ist. Die Regelung über eine Verkürzung der Verjährungsfrist wird man als Allgemeine Geschäftsbedingungen ansehen können. Deren Einbeziehung richte sich nach dem damals geltenden § 2 Abs. 1 AGBG, dessen Voraussetzungen allerdings nicht erfüllt sind. Erforderlich wäre gewesen, dass der Verwender auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen hätte und zum anderen, dass die andere Vertragspartei mit ihrer Geltung einverstanden gewesen wäre. Der Senat hat bereits Zweifel, ob die Aussage auf Seite 13 des 2. Teils eines umfangreichen Prospektwerks einen ausreichenden Hinweis auf die AGB darstellt. Der Prospekt diente in erster Linie der Information des Anlegers, nicht der Widergabe rechtsgeschäftlicher Erklärungen. Jedenfalls kann nicht davon ausgegangen werden, dass aus dem anschließenden Vertragsschluss auf den Einbeziehungswillen des Klägers zu schließen ist. Selbst wenn dies regelmäßig bei der Vorlage von AGB der Fall sein sollte, liegt hier ein solcher Regelfall nicht vor. Für den Anleger war keineswegs ersichtlich, dass der Prospekt neben Informationen über die in Aussicht genommene Kapitalanlage auch rechtsgeschäftlich bedeutsame Erklärungen enthielt. Da die Lektüre nur eine Obliegenheit im Rahmen der Aufklärung und Information darstellt, kann der Anleger nicht daran festgehalten werden, dass sich auf Seite 13 auch AGB-Klauseln befinden, deren Geltung er billigt.

2. Berufung des Klägers

Die Berufung des Klägers ist begründet und führt unter Abänderung des angefochtenen Urteils zur Feststellung der Begründetheit des Zahlungsanspruchs gegen die Beklagte zu 2) dem Grunde nach sowie zur Verurteilung der Beklagten zu 2) zur Freistellung.

a)

Dem Kläger steht auch gegen die Beklagte zu 2) ein Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung eines Auskunftsvertrages im Rahmen der Anlagevermittlung zu. Die Beklagte zu 2) wurde als Anlagevermittlerin tätig und trat aktiv an den Kläger heran, um ihn für die Kapitalanlage zu werben. Zumindest durch das Schreiben vom 4. November 1993 (Anlage 11 zur Klageschrift), das gleichlautend auch dem Kläger zugegangen ist, hat sie sich als Vermittlerin der Kapitalanlage angeboten und ihre besonderen Erfahrungen auf diesem Gebiet herausgestellt. Durch die Inanspruchnahme der Dienste der Beklagten zu 2) kam ein Auskunftsvertrag zustande. Im Rahmen einer Anlagevermittlung kommt zwischen den Beteiligten ein Auskunftsvertrag dann zumindest stillschweigend zustande, wenn der Anleger die besonderen Kenntnisse des Vermittlers in Anspruch nehmen will (BGH NJWRR 2005, 1120, 1121; BGH NJWRR 2003, 1690). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Beklagte zu 1) hat als Geschäftsführer der Beklagten zu 2) dieser die Kenntnisse vermittelt, die für den Kläger von Bedeutung waren. Diese Kenntnisse wollte der Kläger auch in Anspruch nehmen, was die Beklagte mit ihrer Werbung bezweckte.

Der Senat folgt nicht der Auffassung der Beklagten zu 2), sie habe lediglich ein eigenes Produkt beworben, so dass nicht davon ausgegangen werden könne, ein Anlageinteressent habe diesen Angaben vertrauen und darauf seine Anlageentscheidung stützen wollen. Zwar war die Beklagte zu 2) sowohl als Prospektherausgeberin als auch durch die Konzeption und das Marketing in Vorbereitung und Abwicklung der Kapitalanlage involviert. Gleichwohl handelte es sich bei den vermittelten Kommanditanteilen nicht um eigene Produkte der Beklagten zu 2). Auch das Bestehen eigener wirtschaftlicher Interessen am Erfolg der Vermittlung führt nicht dazu, dass Anleger sich bei ihrer Anlageentscheidung nicht maßgeblich auf die Darlegungen und Aussagen der Beklagten zu 2) stützten und der Beklagten zu 2) dies auch bekannt war. Dies folgt wesentlich daraus, dass die Beklagte zu 2) in ihrer Außendarstellung gegenüber den Anlageinteressenten besonderes Vertrauen in Anspruch genommen hat. Beispielhaft sei nur auf die Darstellung eigener Leistungsfähigkeit auf Seite 2 des Schreibens vom 4. 11. 1993 in Verbindung mit der Werbebroschüre "Wir über uns" (Anlage 4 zur Berufungserwiderung des Klägers) verwiesen. Die Anlageinteressenten und damit auch der Kläger durften unter diesen Umständen berechtigterweise davon ausgehen, dass die Beklagte sie zutreffend und vollständig über den Gegenstand der Vermittlung informierte. Die Beklagte zu 2) kann sich auch nicht darauf zurückziehen, dass der Kläger ausreichend durch seinen Steuerberater informiert wurde. Von dem Steuerberater konnten allenfalls Auskünfte über die steuerrechtlichen Konsequenzen der konkreten Kapitalanlage erwartet werden, nicht indes fundierte Aussagen über Haftungsfragen etc.

b)

Aufgrund des zwischen den Parteien zustande gekommenen Auskunftsvertrages war die Beklagte zu 2) verpflichtet, alle Umstände offen zu legen, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung waren. Diese Pflicht hat sie verletzt. Insoweit verweist der Senat auf seine Ausführungen betreffend die Aufklärungspflichtverletzung des Beklagten zu 1). Dies gilt in gleicher Weise in Bezug auf die Ausführungen zur haftungsbegründenden Kausalität.

c)

Auch Ansprüche gegen die Beklagte zu 2) sind nicht verjährt. Eine kürzere Verjährungsfrist ist zwischen den Parteien nicht vereinbart worden. Insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen zu 1. c) Bezug genommen.

d)

Die Beklagte zu 2) muss den Kläger so stellen, wie dieser stände, wenn er die Anlage nicht gezeichnet hätte. Sie ist daher verpflichtet, ihn von seiner Kommanditistenhaftung freizustellen sowie die der Höhe nach berechtigten Zahlungsansprüche des Klägers zu erfüllen.

Hinsichtlich der Höhe der Zahlungsansprüche gegen die Beklagte zu 2) ist der Rechtsstreit noch nicht zur Entscheidung reif, da über die Anrechnung steuerlicher Vorteile noch zu entscheiden ist. Der Senat hat deshalb nur eine Entscheidung zum Grund getroffen und die Sache im Übrigen gem. § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO an das Landgericht zurückverwiesen. Maßgeblich hierfür war die Erwägung, wegen des noch beim Landgericht anhängigen Verfahrens zur Höhe des Anspruchs gegen den Beklagten zu 1) eine einheitliche Entscheidung über den Umfang der von dem Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu ermöglichen. Der Kläger hat den entsprechenden Antrag im Senatstermin gestellt.

3.

Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind.

Ende der Entscheidung

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