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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 24.08.2007
Aktenzeichen: 8 U 8/06
Rechtsgebiete: ZPO, GmbHG


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 116 S. 1 Nr. 1
ZPO § 574 Abs. 2 Nr. 2
GmbHG § 32 b S. 1
GmbHG § 30
GmbHG § 31
GmbHG § 32 b
GmbHG a.F. § 31 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Hamm

8. Zivilsenat

Aktenzeichen: 8 U 8/06

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe:

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe liegen nicht vor. Hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung von 4,65 Mio. DM (2.377.507,25 €) wegen Leistungen der Insolvenzschuldnerin auf eine kapitalersetzende Bürgschaft bietet die Berufung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO (dazu unten zu I.). Im Übrigen kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden, weil die Voraussetzungen des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO nicht gegeben sind (dazu unten zu II.).

I.

Die von dem Beklagten geäußerten Bedenken, die Klage sei bereits unzulässig, weil der Kläger sein Begehren nicht deutlich gemacht habe, teilt der Senat nicht. Im Anschluss an die Schriftsätze vom 4. Februar 2004 (Bl. 240 ff GA) und vom 7. April 2005 (Bl. 360 ff GA) ist nicht zweifelhaft, dass Gegenstand der Klage zum einen ein Anspruch auf Zahlung von 4,65 Mio. DM wegen Leistungen der Insolvenzschuldnerin auf eine kapitalersetzende Bürgschaft und in Höhe von 1,5 Mio. DM wegen der Anfechtung der Aufrechnung im Kaufvertrag vom 22. Oktober / 3. Dezember 1998 ist. So hat es auch das Landgericht gesehen, ohne dass der Kläger dies gerügt hat.

Ein Zahlungsanspruch unter dem Gesichtspunkt der Bestellung einer kapitalersetzenden Kreditsicherung (Bürgschaft) in Höhe von 4,65 Mio. DM wird nach dem derzeitigen Sachstand voraussichtlich nicht mit Erfolg geltend gemacht werden können.

1. Das Landgericht hat einen Erstattungsanspruch aus § 32 b S. 1 GmbHG verneint, da die Frist von einem Jahr nicht gewahrt ist. Dagegen erhebt der Kläger keine Einwendungen.

2. Das Klagevorbringen rechtfertigt aber auch nicht die Annahme eines Anspruchs aus §§ 30, 31 GmbHG analog (Rechtsprechungsregeln).

Zwar erfassen die von der Rechtsprechung entwickelten Regelungen auch den von § 32 b GmbHG normierten Fall, so dass das Klagebegehren grds. nach der genannten Anspruchsgrundlage begründet sein kann. Das Vorbringen dazu genügt jedoch nicht.

Der Senat lässt dahinstehen, ob der Beklagte als stiller Gesellschafter in Bezug auf die Kapitalerhaltungsregeln einem GmbH-Gesellschafter gleichsteht, was dann der Fall wäre, wenn er aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des stillen Gesellschaftsverhältnisses hinsichtlich seiner vermögensmäßigen Beteiligung und seines Einflusses auf die Geschicke der GmbH weitgehend einem Gesellschafter der GmbH gleichsteht (BGH, Urteil vom 13. 2. 2006, II ZR 62/04). Dafür könnte sprechen, dass er hinsichtlich des ganz überwiegenden Geschäftsbereichs (Bauvorhaben "N") am Vermögen beteiligt sein sollte und jedenfalls das Recht auf Mitsprache bei wichtigen Entscheidungen hatte.

Weiterhin bedarf es hier keiner Entscheidung darüber, ob es sich bei Übernahme der Bürgschaft im Mai 1994 um eine kapitalersetzende Sicherheit handelte, ob also die Insolvenzschuldnerin sich zu dem Zeitpunkt - oder später bis zur Rückgabe der Bürgschaft - in der Krise befand.

Der Begründetheit des Anspruchs stehen jedoch folgende Gesichtspunkte entgegen:

Da im Rahmen der hier zu beurteilenden Anspruchsgrundlage eine Erstattung aber nur bis zur Wiederauffüllung der Stammkapitalziffer in Betracht kommen kann, müsste konkret der Umfang einer Unterbilanz zum maßgeblichen Zeitpunkt dargelegt werden. Das ist dem erstinstanzlichen Vortrag jedoch nicht zu entnehmen.

Bedenken gegen die Begründetheit eines Erstattungsanspruchs in geltend gemachter Höhe folgen weiter daraus, dass nicht festgestellt werden kann, dass und gegebenenfalls in welcher Höhe der Beklagte durch Leistungen der Insolvenzschuldnerin von seiner Bürgenhaftung befreit wurde.

Bereits bei Begründung der Bürgschaft war zwischen allen Beteiligten vereinbart, dass die Sicherheit zurückzugewähren war, wenn die Insolvenzschuldnerin von dem in Aussicht genommenen Bauprojekt 50 % der Einheiten/Flächen verkauft haben und dies nachgewiesen haben würde. Die Sicherheit war also begrenzt auf einen frühen Zeitraum, zu dem noch keine Tilgungsleistungen erbracht worden sein mussten.

Zwar hat der Kläger bereits erstinstanzlich darauf hingewiesen, dass sich die Insolvenzschuldnerin gegenüber der Darlehensgläubigerin in dem Darlehensvertrag vom 19./28. Mai 1994 verpflichtet hatte, die Kaufpreisansprüche gegen die Erwerber von Studentenwohnungen jeweils an die I AG abzutreten. Darin liegt aber noch keine Erfüllung.

Selbst wenn man grds. von einer Befreiung infolge der Stellung von Gesellschaftssicherheiten ausgehen wollte, könnte Erstattung nur in Höhe des Wertes der Sicherheiten bis zur Rückgabe der Bürgschaft geltend gemacht werden. Dazu fehlt jeder Vortrag.

Schließlich wären evtl. Ansprüche verjährt. Maßgeblich ist die Verjährungsfrist des § 31 Abs. 5 GmbHG a. F. von 5 Jahren. Die Frist begann mit der Leistung der Insolvenzschuldnerin, aufgrund derer eine Befreiung von der Bürgschaft erfolgte. Dies war spätestens der Zeitpunkt der Rückgabe der Bürgschaftsurkunde im März 1996. Die Frist von 5 Jahren war zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahre 2002 danach verstrichen. Für eine bösliche Handlungsweise des Beklagten, die eine längere Frist zur Folge gehabt hätte, ist nichts dargetan.

Der Beklagte hatte bereits erstinstanzlich die Einrede der Verjährung erhoben.

II.

Soweit der Kläger weiterhin einen Zahlungsanspruch in Höhe von 1,5 Mio. DM (766.937,82 €) verfolgt, ist es den am Gegenstand des Rechtsstreits wirtschaftlich Beteiligten zuzumuten, die Kosten aufzubringen, so dass gem. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO Prozesskostenhilfe aus diesem Grund zu versagen war.

Jedenfalls einigen Großgläubiger erscheint es zumutbar, angesichts der mit der beabsichtigten Rechtsverfolgung verbundenen Erwartung einer deutlichen Erhöhung ihrer Insolvenzquote einen Prozesskostenvorschuss aufzubringen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die der Senat insoweit teilt, hängt die Entscheidung über die Zumutbarkeit von einer wertenden Abwägung aller Gesamtumstände des Einzelfalls ab (BGH, Beschluss vom 6. 3. 2006, II ZB 11/05, ZIP 2006, 682). In diese Abwägung sind die zu erwartende Insolvenzquote sowie die im Falle der erfolgreichen Rechtsverfolgung zu erwartende Quotenerhöhung einzubeziehen, wobei das Prozess- sowie Vollstreckungsrisiko zu berücksichtigen sind. Der Senat sieht jedoch in dem Umstand, dass mehrere Großgläubiger vorhanden sind, was einen höheren Koordinierungsaufwand des Insolvenzverwalters zur Folge haben kann, und in der Tatsache, dass die Prozessfinanzierung durch die wirtschaftlich Beteiligten wenig wahrscheinlich ist, keine geeigneten Kriterien, die gegen die Zumutbarkeit i. S. d. § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO sprechen. Die Frage, ob der Vorschuss von Prozesskosten und das damit verbundene Kostenrisiko den Beteiligten zumutbar ist, bedarf einer objektiven Bewertung und kann nicht davon abhängen, ob die in Betracht kommenden Gläubiger tatsächlich bereit sind, so zu handeln. Ist es ihnen objektiv zumutbar, die Kosten aufzubringen, und weigern sie sich gleichwohl, ist es unter Umständen die angemessene und vom Gesetz vorgesehene Folge, dass die Rechtsverfolgung zugunsten der Masse in dem Fall unterbleibt.

Auch der Aufwand des Insolvenzverwalters, der mit der Koordinierung mehrerer wirtschaftlich Beteiligter verbunden ist, kann jedenfalls dann keine entscheidende Rolle spielen, wenn sich die Zahl der ernsthaft in Betracht zu ziehenden Gläubiger in überschaubarer Größe hält. Allein der Gesichtspunkt, dass der Rechtsverfolgung des Insolvenzverwalters im Rahmen eines geordneten Insolvenzverfahrens grundsätzlich ein eigenständiges schutzwürdiges Interesse beizumessen sei, wie der Bundesgerichtshof postuliert (BGH, a. a. O.), vermag nach Auffassung des Senats die ansonsten gegebene Zumutbarkeit nicht in Frage zu stellen.

Unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Grundsätze ist die Aufbringung der Kosten des Berufungsverfahrens jedenfalls für die unter den laufenden Nr. 55 und 56 der Auflistung des Klägers (Bl. 521 GA) geführten Insolvenzgläubiger Wohnungseigentümergemeinschaft und I AG zumutbar.

Auf der Grundlage der vom Kläger vorgelegten Vermögensübersicht vom 1. 9. 2006 (Bl. 522 GA) würde die in Rede stehende Klageforderung von 766.937,82 € selbst bei einem Abschlag von 50 % wegen Prozess- und Vollstreckungsrisiken zu einer verteilungsfähigen Masse von 153.390,23 € führen, wie die folgende Berechnung zeigt:

Aktiva ohne Klageforderung 95.965,82 €

Erhöhung bei Rechtsverfolgung

(50 % von 766.937,82 €) 383.468,91 €

479.434,73 €

Passiva 326.044,50 €

Differenz = verteilungsfähige Masse 153.390,23 €

Der Senat hält bei der Bewertung des Risikos der Prozessführung und desjenigen der Realisierung der Forderung im Vollstreckungsverfahren einen Abschlag von insgesamt 50 % für ausreichend. Der Abschlag von 75 %, den der Kläger bei seiner Berechnung vorgenommen hat, erscheint in Bezug auf den allein zur Beurteilung stehenden Anspruch von 766.937,82 € überhöht.

Das Risiko eines Unterliegens des Klägers im Rechtsstreit ist nach derzeitiger Würdigung des Senats geringer als die Chance des Obsiegens. Insbesondere hat der Senat erhebliche Bedenken gegen die vom Landgericht für seine abweisende Entscheidung insoweit angeführte Begründung, das Rechtsgeschäft vom 22. Oktober/3. Dezember 1998 führe nicht zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung. Auch die weiteren Voraussetzungen einer Anfechtung (§ 133 Abs. 2 InsO) erscheinen begründbar.

Dass gravierende Probleme bei der Realisierung eines künftigen Titels gegen den Beklagten bestehen, die einen weitergehenden Abzug rechtfertigten, hat der Kläger nicht aufgezeigt. Die Frage ist bei einer Klageforderung von weniger als 800.000 € auch ganz anders zu gewichten als bei der vom Kläger verfolgten Forderung von mehr als 3 Mio. €.

Eine verteilungsfähige Masse von 153.390 €, die tatsächlich noch höher anzusetzen sein wird, da bei geringeren realisierbaren Forderungen (s. o. Ziff. I.) die Kosten und damit die zu berücksichtigenden Passiva geringer ausfallen werden, hat bei festzustellenden Insolvenzforderungen von insgesamt 3.320.544,33 € eine Quote von 4,62 % zur Folge.

Angesichts der vom Kläger mitgeteilten Insolvenzforderungen der Großgläubiger führt dies zu folgenden zu erwartenden Verteilungserlösen:

Dresdner Bank L 20.919,36 €,

Dt. I 23.430,88 €,

Herbst & Groll GmbH & Co. KG 27.617,98 €

Wohnungseigentümergemeinschaft 47.862,42 €,

Westf. I AG 67.981,95 €.

Der Kostenvorschuss für das Berufungsverfahren beträgt bei einem hier nur anzusetzenden Wert von 766.937,82 € für Gerichtskosten und Gebühren des Prozessbevollmächtigten des Klägers ca. 28.400 €.

Selbst wenn man es für unzumutbar ansehen wollte, die Kosten auf Großgläubiger aufzuteilen, könnten etwa die Gläubiger Wohnungseigentümergemeinschaft und I AG jeweils Erlöse erwarten, die deutlich über dem gesamten o. g. Kostenbetrag liegen.

Nach Auffassung des Senats ist es gerade den zuletzt genannten Gläubigern unter diesen Umständen zuzumuten, einen Kostenvorschuss zu leisten, mit dem sie realistische Aussichten auf Leistungen auf ihre Insolvenzforderungen in deutlich übersteigender Höhe erlangen. Die absolut gesehen geringe Höhe der Quote kann dabei keine entscheidende Rolle spielen, da es letztlich auf den effektiven Ertrag ankommt. Wie eingangs ausgeführt, erscheint es unerheblich, ob die genannten Gläubiger zur Übernahme der Kostenbelastung bereit sind. Der Aufwand des Klägers bei der Koordinierung ist nach Einschätzung des Senats ebenfalls nicht derart groß, dass er nicht zumutbar wäre, zumal es sich um einen Teilbereich seiner Aufgabenstellung handelt. Er hat sich dieser Aufgabe auch bereits zum Teil unterzogen, als er sich mit den Großgläubigern in Verbindung gesetzt hat, um deren Bereitschaft zur Finanzierung des Berufungsverfahrens zu erfragen.

III.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, da er zu Ziff. II. zum Teil von den Voraussetzungen abweicht, die der Bundesgerichtshof als Abwägungskriterien im Rahmen der Zumutbarkeit aufgestellt hat. Zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erscheint eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts geboten, § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.



Ende der Entscheidung

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