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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 02.12.2005
Aktenzeichen: 8 W 47/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 116 S. 1 Nr. 1
ZPO § 127 II
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird an das Landgericht zurückverwiesen, das über den Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut entscheiden soll.

Gründe:

Die nach § 127 II ZPO statthafte und fristgerecht eingelegt sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen des § 116 S. 1 Nr. 1 ZPO liegen vor, die beabsichtigte Rechtsverfolgung erscheint - vorbehaltlich der Prüfung der hinreichenden Erfolgsaussicht - auch nicht mutwillig.

1.

Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass die Kosten des Rechtsstreits aus der verwalteten Masse nicht aufgebracht werden können. Das wird auch vom Landgericht so gesehen.

2.

Zu Recht macht der Antragsteller geltend, dass die Aufbringung der Kosten für die wirtschaftlich Beteiligten, also die Insolvenzgläubiger, nicht zumutbar ist. Dann aber kommt es nicht darauf an, ob einige Gläubiger evtl. in der Lage wären, einen Kostenvorschuss zu leisten. Ist die Kostentragung unzumutbar, ist der Insolvenzverwalter auch nicht gehalten, die Gläubiger nach deren Leistungsbereitschaft oder -fähigkeit zu befragen. Die vom Landgericht für seine anderslautende Auffassung zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1997, 3318, 3319) stützt diesen Standpunkt nicht.

Für die Beurteilung der danach maßgeblichen Frage, ob den Insolvenzgläubigern die Kostenaufbringung unzumutbar ist, kommt es darauf an, ob ein verständiger Dritter an ihrer Stelle nicht dazu bereit wäre (Senat, Beschluss vom 12. 4. 2005, 8 W 33/04, OLGR 2005, 483, 484; OLG Rostock, ZIP 2003, 1721, 1722; Musielak-Fischer, 4. Aufl. § 116 Rdnr. 9). Davon ist hier auszugehen.

Angesichts der zu erwartenden hohen Kosten des Rechtsstreits, die der Antragsteller plausibel auf mehr als 35.000 € für die erste Instanz geschätzt hat, übersteigen die anteiligen Kostenbeteiligungen der allein in Betracht kommenden Großgläubiger die Beträge, um die sich bei positivem Ausgang des Rechtsstreits deren Befriedigungsaussichten erhöhen. Allein dies führt zur Unzumutbarkeit der Kostenaufbringung für die Insolvenzgläubiger.

Hinzu kommt hier noch die erhebliche Unsicherheit, ob ein evtl. Titel gegen den Antragsgegner auch realisiert werden kann. Derartige wirtschaftliche Erwägungen, die auch Vollstreckungsrisiken sachgerecht berücksichtigen, sind in die Zumutbarkeitsprüfung einzubeziehen (vgl. Senat, a. a. O.).

3.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts erscheint die beabsichtigte Rechtsverfolgung auch nicht mutwillig i. S. d. § 114 ZPO.

a)

Mutwilliges Handeln liegt nicht deshalb vor, weil sich bei Erfolg des Rechtsstreits und Realisierung der Forderung die zu verteilende Quote lediglich von 0 auf 1,53 % erhöht. Dies mag eine unterdurchschnittliche Quote sein, wie das Landgericht meint, und für den einzelnen Gläubiger nur eine geringe Befriedigung seiner Forderungen zur Folge haben. Für die Gesamtheit der Gläubiger ergäbe sich aber immerhin eine zusätzlich zu verteilende Masse von ca. 108.000 €, was durchaus als messbarer Erfolg anzusehen ist.

Unabhängig davon ist anerkannt, dass der Insolvenzverwalter eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe, nämlich die Abwicklung eines geordneten Gesamtvollstreckungsverfahrens, wahrnimmt (BGH NJW 1998, 1229). Diese öffentliche Aufgabe ist selbst dann anzuerkennen, wenn durch die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Vermögenswerte zur Masse gezogen werden sollen, die unmittelbar den Insolvenzgläubigern zugute kommen, sondern wenn der Insolvenzverwalter dadurch überhaupt erst in die Lage versetzt werden soll, das Verfahren durchzuführen, was sich mittelbar zugunsten der Insolvenzgläubiger auswirken kann (Senat, Beschluss vom 26. 9. 2002, 8 W 29/02, OLGR 2003, 12).

b)

Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist auch nicht deshalb mutwillig, weil die Möglichkeit der Niederlage im Prozess besteht. § 114 ZPO verlangt für die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg, Diese liegt vor, wenn die Klage schlüssig ist und erhebliche bestrittene Tatsachen beweisbar erscheinen. Eine solche Prüfung ist im Streitfall bisher nicht erfolgt und wird vom Landgericht nunmehr nachzuholen sein. Sofern aber hinreichende Erfolgsaussicht bejaht wird, kann Prozesskostenhilfe nicht über das Kriterium der Mutwilligkeit mit der Begründung versagt werden, es bestehe die Möglichkeit, gleichwohl im Rechtsstreit zu unterliegen, was Kostenfolgen für die Masse haben könnte.

c)

Schließlich ist dem Antragsteller nicht deshalb Mutwilligkeit vorzuwerfen, weil die Vollstreckungsaussichten gegen den Antragsgegner zweifelhaft sind. Zwar entspricht es herrschender Auffassung, dass Prozesskostenhilfe zu versagen ist, wenn feststeht, dass die Vollstreckung aus dem angestrebten Titel endgültig oder jedenfalls auf absehbare Zeit aussichtslos ist (OLG Hamm, 29. ZS, NJW-RR 1999, 1737; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1998, 503, 504; OLG Dresden, NJW-RR 2004, 1078; Zöller-Philippi, 25. Aufl. § 114 Rdnr. 29; Musielak-Fischer, § 114, Rdnr. 41). An die insoweit zu treffende Prognose sind jedoch strenge Anforderungen zu stellen, so dass die Verweigerung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Vollstreckungsaussichten nur auf seltene Ausnahmefälle beschränkt bleibt (Senat, Beschluss vom 28. 12. 2004, 8 W 64/04, NJW-RR 2005, 723; OLG Hamm, 29. ZS, a. a. O.).

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Insbesondere fehlt es an tragfähigen Erkenntnissen zur mangelnden Leistungsfähigkeit des Antragsgegners. Dieser spricht in seiner Beschwerdeerwiderung selbst nur von "möglicherweise bedingt durchsetzbaren Ansprüchen". Daraus lässt sich mangels weiterer Einzelheiten nicht der Schluss ziehen, es stehe fest, dass der Antragsgegner in absehbarer Zeit nicht in der Lage sein wird, die Klageforderung zumindest teilweise zu erfüllen. Hinzu kommt, dass auch im Rahmen dieser Beurteilung das öffentliche Interesse an der Wahrnehmung der Aufgaben des Insolvenzverwalters zu berücksichtigen ist, wozu vorrangig auch die Durchsetzung der Kapitalerhaltungsvorschriften dient (vgl. OLG Hamburg, Beschluss vom 14. 2. 2005, ZInsO 2005, 323, 324).

Von Mutwilligkeit kann deshalb nicht ausgegangen werden.

4.

Da das Landgericht die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage bisher nicht geprüft hat, hat der Senat nicht selbst in der Sache entschieden, sondern von der Möglichkeit des § 572 III ZPO Gebrauch gemacht.

Zu der zwischenzeitlich zurückgenommenen Beschwerde vom 4. 5. 2005 (Verfahren 8 W 46/05) weist der Senat darauf hin, dass auch dort eine Kostenentscheidung nicht veranlasst ist, da es um eine Entscheidung im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ging und somit § 127 IV ZPO zumindest entsprechend anzuwenden ist.

Ende der Entscheidung

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