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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 12.11.2004
Aktenzeichen: 9 U 123/04
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 276
Allein der Umstand, dass ein Fahrzeugführer bei Dunkelheit auf einen gut erkennbaren wegen eines Vorunfalls auf einem kombinierten Auf-/Abfahrtstreifen einer Bundesautobahn stehenden Pkw auffährt, begründet nicht schon den Vorwurf eines grob fahrlässigen Fahrfehlers
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 24. April 2004 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe: (gem. § 540 ZPO) I. Am 25.10.02 hielt die Tochter der Klägerin - die Zeugin C - gegen 22.32 Uhr nach einem Streifunfall zwischen ihrem Pkw Golf Cabrio und dem Fahrzeug des Zeugen L das Fahrzeug der Klägerin auf der kombinierten Auffahrt- Abfahrtspur der A 43 zwischen dem I Kreuz und der Abfahrt I-F an. Die Beklagte zu 1), die mit dem bei der Beklagten zu 3) versicherten Fahrzeug des Beklagten zu 2) von der A 42 kam und die Autobahn an der Abfahrt I-F wieder verlassen wollte, fuhr auf das Heck des Golf Pkw auf, das dadurch auf das davor stehende Fahrzeug des Zeugen L aufgeschoben wurde. Das Landgericht hat der auf Schadensersatz in unstreitiger Höhe gerichteten Klage unter Annahme einer Haftungsquote der Beklagten von 80 % (9.980,87 Euro) bei vorgerichtlich bereits gezahlten 6.238,05 Euro stattgegeben und also die Beklagten zur Zahlung weiterer 3.652,82 Euro verurteilt. Zu Lasten der Klägerin hat das Landgericht eine Betriebsgefahr des Pkw Golf von 20 % angesetzt. Auf die insoweit getroffenen tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung, mit der sie weiterhin vollständigen Schadensersatz fordert. Sie ist der Auffassung, auf Seiten der Beklagten läge ein so hohes Verschulden vor, daß die Betriebsgefahr des Fahrzeuges der Klägerin dahinter vollständig zurücktreten müsse. II. Die Berufung hat keinen Erfolg. Die Parteien streiten allein noch um die Frage, ob das Verschulden der Beklagten zu 1) (d. h. deren Fahrfehler) einen Grad erreicht, hinter dem auch die Betriebsgefahr des Pkw Golf zurücktreten müßte. Insoweit bestand zu einer Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung jedoch keine Veranlassung: 1. Dabei kann dahinstehen, inwieweit die Tatsache, daß die Zeugin C, als sie auf der Anfahr- Ausfahrspur stand, mit ihrer Mutter telefoniert hat, statt sich um die Absicherung der Fahrzeuge zu kümmern - in welcher Form auch immer - zu berücksichtigen wäre. Dahinstehen kann auch, ob - wofür allerdings einiges spricht - im vorliegenden Fall bei einem Fahrzeug, das an einer dermaßen gefährlichen Stelle wie einer kombinierten Ein- und Ausfädelspur einer Autobahn anhält, zudem noch bei Dunkelheit, entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht von einer einfachen, sondern von einer gesteigerten Betriebsgefahr auszugehen wäre; mit der Folge, daß der Grad des Verschuldens auf Beklagtenseite, hinter dem diese Betriebsgefahr zurücktreten würde, entsprechend (weiter) erhöht sein müßte. 2. Denn letztlich kann vorliegend schon eine grobe Fahrlässigkeit der Beklagten zu 1), die erforderlich wäre, um dahinter die einfache Betriebsgefahr des Pkw Golf vollständig zurücktreten zu lassen, und für die im übrigen die Klägerin darlegungs- und beweispflichtig ist, nicht festgestellt werden: Die Beklagte zu 1) ist nicht sehenden Auges auf das von ihr erkannte Hindernis (Fahrzeug der Klägerin) zugefahren, sondern hat sich vielmehr bemüht, dieses Hindernis durch Einfädeln auf die Normalspur der Autobahn zu umfahren. Hierfür, also für das Einfädeln in den fließenden Verkehr, mußte die Beklagte zu 1) auch zunächst eine entsprechende Geschwindigkeit beibehalten. Sodann hat die Beklagte zu 1) allerdings den Zeitpunkt verpaßt, an dem sie von ihrem Vorhaben, in den fließenden Verkehr der Normalspur einzufädeln, wegen der dort befindlichen Fahrzeuge hätte Abstand nehmen und statt dessen eine Bremsung hätte einleiten müssen, um, da ein Einfädeln bzw. Ausweichen nicht möglich war, noch rechtzeitig hinter dem Fahrzeug der Klägerin zum Stehen zu kommen. Die Beklagte zu 1) ist also nicht - gleichsam blindlings - auf das Fahrzeug der Klägerin aufgefahren, sondern wollte der Gefahr zunächst durch eine taugliche Maßnahme, d. h. das Umfahren des Klägerfahrzeuges, begegnen. Die Beklagte zu 1) hat sich jedoch dann bezüglich des Zeitpunktes, zu dem die Einleitung einer Vollbremsung objektiv zur Vermeidung einer Kollision notwendig geworden war, verschätzt. Darin liegt nach Auffassung des Senats jedenfalls keine grobe Fahrlässigkeit. III. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97, 708 Ziff. 10, 713 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

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