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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 17.02.2004
Aktenzeichen: 9 U 161/03
Rechtsgebiete: BGB, VVG, AKB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
VVG § 67
AKB § 15 Abs. 2
Der berechtigte Nutzer eines von einem Dritten gemieteten Mietwagens kann im Falle einer grob fahrlässig ermöglichten anderweitigen Entwendung des Fahrzeugs (hier: Hängenlassen einer Jacke mit den Fahrzeugschlüsseln in einer Gaststätte zur Karnevalszeit) wegen einer mittelbaren Rechtgutverletzung schadensersatzpflichtig sein.
Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das am 2. Juli 2003 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels werden der Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin war Kasko-Versicherer eines Mietwagens - Mercedes-Benz C 220 D - der Fa. B GmbH & Co. KG, die dieses Fahrzeug am 06.02.2002 in N für zwei Tage an W, einen Bekannten der Beklagten, vermietete. Dieser stellte das Fahrzeug der Beklagten zur Verfügung, die damit nach ihrer Darstellung nach F fuhr. In der Nacht vom 07.02.2002 auf den 08.02.2002 begab sich die Beklagte mit dem Mietwagen nach E in die Altstadt, um dort Karneval zu feiern. Nach ihrer unwidersprochen gebliebenen Behauptung stellte sie das Fahrzeug an einer Stelle ab, die sie später nicht mehr bezeichnen konnte, und besuchte anschließend mehrere Gaststätten. Als sie gegen 04:00 Uhr wieder nach Hause fahren wollte, benutzte sie ein Taxi, da sie Alkohol getrunken hatte. Dabei ließ sie ihre Jacke, in der sich auch die Fahrzeugschlüssel befanden, in der Gaststätte zurück. Am 08.02.2002 zeigte die Beklagte gegen 22:10 Uhr auf der Polizeiwache in F das Fahrzeug als gestohlen an. Das Fahrzeug ist in der Folgezeit nicht wieder aufgefunden worden. Die Klägerin zahlte den Wiederbeschaffungswert des Fahrzeuges in Höhe von 23.700,00 EURO abzüglich der Selbstbeteiligung von 7.500,00 Euro an ihre Versicherungsnehmerin (Fa. B) aus. Ferner trat sie der Klägerin ihren Anspruch auf Ersatz der Selbstbeteiligung ab.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe die Entwendung des Fahrzeuges grobfahrlässig mit ermöglicht, da sie ihre Jacke mit dem Fahrzeugschlüssel unbeaufsichtigt in der Gaststätte habe liegen lassen. Mit der Klage hat sie von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von insgesamt 23.700,00 Euro begehrt. Die Beklagte ist diesem Begehren entgegengetreten. Sie hat eine Haftung mit der Begründung in Abrede gestellt, sie habe die Jacke nur versehentlich hängen lassen, so dass der nachfolgende Diebstahl ihr nicht zugerechnet werden könne.

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und eine ihr zurechenbare Eigentumsverletzung bejaht, da die von ihr mit der Ermöglichung einer Entwendung der Jacke gesetzte Gefährdung zum Zeitpunkt des Fahrzeugdiebstahls noch nicht gänzlich abgeklungen gewesen sei.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter, wobei sie weiterhin ihre Verantwortung für den Fahrzeugdiebstahl verneint.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Die Klägerin kann gemäß § 823 Abs. 1 BGB aus übergegangenem Recht nach § 67 VVG (in Höhe von 16.200,00 Euro) und aus abgetretenem Recht (in Höhe von 7.500,00 Euro) von der Beklagten Schadenersatz wegen grob fahrlässig begangener Eigentumsverletzung fordern.

1.

Für die Verwirklichung des gesetzlichen Deliktstatbestandes ist nicht erforderlich, dass der Täter die Rechtsgutverletzung unmittelbar selbst vorgenommen hat. Vielmehr reicht aus, dass er eine mittelbare - allerdings notwendige - Bedingung für die danach von Dritten verübte Verletzungstat gesetzt hat. Der Zurechnungszusammenhang zwischen der mittelbaren Ursache und einer auf ihrer Grundlage danach ausgeführten unmittelbaren vorsätzlichen Rechtsgutverletzung wird jedenfalls dann nicht unterbrochen, wenn der Ersttäter die Gefahrenlage für das betroffene Rechtsgut wesentlich gesteigert hat. So liegt der Fall hier. Die Beklagte hat nach ihrem eigenen Vorbringen ihre Jacke und die darin enthaltenen Fahrzeugschlüssel während der Karnevalszeit in einer Gaststätte in der E Altstadt abgelegt und beim Verlassen des Lokales dort vergessen. Damit ist das Risiko einer Entwendung ganz maßgeblich erhöht worden.

Der Haftung der Beklagten steht auch nicht entgegen, dass diese nicht Vertragspartnerin der Fahrzeugvermieterin war und ihr daher keine obligationsmäßige Obhutspflicht für den übernommenen Mietwagen oblag. Denn sie war auch ohne eine derartige Sonderrechtsbeziehung verpflichtet, die ihr übergebene fremde Sache nicht durch unmittelbare tätliche Einwirkungen zu beschädigen oder auf andere Weise aktiv die erhöhte Gefahr einer Eigentumsverletzung zu schaffen. Gegen diese allgemeine Pflicht gegenüber fremden Sachen hat sie verstoßen, wie bereits ausgeführt worden ist. Sie hat Schlüssel und Fahrzeug dem Zugriff Dritter preisgegeben und damit durch ihr aktives Tun den nachfolgenden Diebstahl geradezu provoziert.

2.

Die Beklagte trifft an dem Diebstahl auch ein Verschulden.

Allerdings erfordert ihre Haftung die qualifizierten Schuldformen Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit. Ist der Mieter eines Kraftfahrzeuges bei Vereinbarung einer Fahrzeugversicherung von der Haftung für Schäden an dem Mietfahrzeug auch bei Überlassung des Wagens an einen Dritten befreit, so verzichtet der Vermieter in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 2 AKB auch auf die Inanspruchnahme des Dritten für die von diesem durch leichte Fahrlässigkeit verursachten Schäden (ständige Rechtsprechung des BGH, vgl. etwa VersR 1982, 359 m.w.N.). Die Beklagte war in dem Mietvertrag zwischen der Fa. B GmbH & Co. KG und dem Mieter W vom 06. Februar 2002 als berechtigte Fahrerin eingetragen, so dass die Haftungsbeschränkung auch für sie Geltung hatte.

Die Beklagte hat jedoch bei der Verwahrung der Fahrzeugschlüssel grob fahrlässig gehandelt. Indem sie gerade während der Karnevalszeit ihre Jacke mit den Fahrzeugschlüsseln in einer Gaststätte geradezu "auslegte", hat sie einfachste, ganz naheliegende Überlegungen zur Diebstahlsgefahr nicht angestellt und nicht beachtet, was jedem einleuchten musste. Damit ist ihre Haftung dem Grunde nach gegeben.

3.

Der mit einem Betrag von 23.700,00 Euro geltend gemachte Schadenersatzanspruch ist der Höhe nach unstreitig.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.



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