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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 23.06.2009
Aktenzeichen: 9 U 169/08
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 651 c | |
BGB § 651 g Abs. 1 | |
BGB § 651 F Abs. 2 |
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 15. April 2008 verkündete Teilanerkenntnis- und Schlussurteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Essen abgeändert und so neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.062,00 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. September 2007 zu zahlen.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Klägerin zu einem Viertel und der Beklagte zu drei Vierteln.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 54 % und der Beklagte 46 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
A.
Die Klägerin begehrt Zahlung des vereinbarten Reisepreises von 5.288,00 € (+ 6,00 € Rücklastschriftgebühren) für eine Flugpauschalreise auf die T, die der Beklagte am 19.12.2006 über ihre Reiseagentur M gebucht und mit der Zeugin J in der Zeit vom 25.12.2006 bis 6.1.2007 durchgeführt hatte. Der Beklagte hat während des Rechtsstreits die Forderung i. H. v. von 2.600,00 € anerkannt und sich für die Verweigerung der Restzahlung auf - erstinstanzlich unstreitig gewordene - Mangelhaftigkeit des gebuchten Hotels, deretwegen er und seine Begleiterin auf eigene Kosten ein anderes Hotel am Urlaubsort in Anspruch genommen haben, berufen.
Das Landgericht hat der Klage durch das angefochtene Teilanerkenntnis- und Schlussurteil in voller Höhe stattgegeben, weil es Reisegewährleistungsansprüche des Beklagten wegen Nichteinhaltung der Monatsfrist des § 651 g I 1 BGB für die Geltendmachung ausgeschlossen erachtet hat.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Entscheidungsgründe Bezug genommen.
Mit seiner Berufung beantragt der Beklagte - soweit nicht anerkannt - weiterhin Klagabweisung.
Er rügt, das Landgericht habe materiellrechtlich fehlerhaft verkannt, dass er selbst noch während der Reise gegenüber der örtlichen Reiseleitung der Klägerin die Mängel des Hotels angezeigt und Gewährleistungsrechte geltend gemacht habe. Er behauptet, am 26.12.2006 gegenüber der Reiseleiterin über die erstinstanzlich vorgetragene Mängelanzeige und das Abhilfeverlangen hinaus auch unmissverständlich die Geltendmachung von Gewährleistungsrechten und insbesondere die Kündigung erklärt zu haben und benennt auch dafür den Zeugen C, den zu vernehmen das Landgericht versäumt habe. Dieses habe ebenfalls bei seiner Beweiswürdigung verkannt, dass die Zeugin J die Mängelrüge und Zurückweisung des nicht vertragsgemäßen Hotels sowie das - nach seiner Auffassung nicht akzeptable - Ausweichangebot der Reiseleiterin bei ihrer Vernehmung bestätigt habe. Jedenfalls durch seinen Widerruf der Bankeinzugsermächtigung für die vereinbarte Vergütung habe er, für die Klägerin aus der kompletten Rückbuchung des Reisepreises erkennbar, Gewährleistungsrechte geltend gemacht.
Er meint, aus der Mangelhaftigkeit des Hotels begründe sich eine Minderung des Reisepreises um 70 %. Außerdem errechnet er sich einen Schadensersatzanspruch wegen vertanen Urlaubs i. H. v. 60,00 € pro Tag, mithin 720,00 €.
Hilfsweise erklärt er die Aufrechnung mit einem Ersatzanspruch für seine Aufwendungen zur Anmietung zweier Ersatzhotelzimmer i. H. v. 1.066,00 €.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält an ihrem Sachvortrag fest, verteidigt das angefochtene Urteil, bestreitet eine Anmeldung von Gewährleistungsansprüchen gegenüber der örtlichen Reiseleitung und rügt entsprechenden Sachvortrag des Beklagten als zweitinstanzlich verspätet.
B.
Die Berufung hat zum Teil Erfolg, weil die vom Landgericht über das Anerkenntnis hinaus mit 2.688,00 € zugesprochene Vergütungsforderung der Klägerin aus § 651 a I S. 2 BGB i. H. v. 100,00 € wegen eines Reisemangels gemindert und i. H. v. 1.126,00 € durch Aufrechnung mit Schadenersatzansprüchen des Beklagten erloschen ist.
I. Die Reiseleistung der Klägerin war i. S. v. § 651 c BGB mangelhaft, denn es ist nach Tatbestand und Entscheidungsgründen des LGU ausdrücklich unstreitig, dass sich das gebuchte Hotel infolge Anhaftung von Schimmel, Dreck und Uringestank in einem "nicht hinnehmbaren Zustand" befand. Dagegen wehrt sich die Klägerin auch in der Berufungsinstanz nicht.
II. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind jedoch Gewährleistungsansprüche des Beklagten nicht deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte die grundsätzlich ab vertraglichem Reiseende laufende Monatsfrist des § 651 g I BGB für ihre Anmeldung nicht eingehalten hätte.
a) Nach Beendigung der Reise hat der Beklagte Gewährleistungsansprüche unstreitig nicht angemeldet. Indes erlaubt der Zweck der Vorschrift, dem Reiseveranstalter über die Möglichkeit zur Schaffung von Abhilfe hinaus Gelegenheit zu geben, Beweise zu sichern und so auch bei seinen örtlichen Vertragspartnern Regress zu nehmen, die Wahrung der Frist auch durch eine Anmeldung von Gewährleistungsansprüchen vor Beendigung der Reise, wenn der Reisende sie während der Reise unter Hinweis auf bestimmte Reisemängel eindeutig und vorbehaltlos vornimmt (BGHZ 102, 80; BGHZ 145, 343).
b) Im vorliegenden Fall kann dahinstehen, ob der Beklagte selbst bereits am Urlaubsort gegenüber der örtlichen Reiseleitung über eine Mängelanzeige und das Abhilfeverlangen hinaus auch die Erhebung von Gewährleistungsansprüchen angekündigt hat, ebenso, ob er oder in seinem Namen die Zeugin J2 dies telefonisch gegenüber Mitarbeitern der Reiseagentur M getan hat.
c) Zur Erfüllung des Erfordernisses der Anmeldung von Gewährleistungsansprüchen gemäß § 651 g BGB genügte es nämlich, dass der Klägerin vor Ablauf der Monatsfrist die Mängelanzeigen des Beklagten sowie das Unterbleiben einer Abhilfe durch Angebot eines vertragsgerechten Hotels bekannt wurden und sie von dem Widerruf der Bankeinzugsermächtigung hinsichtlich des Reisepreises durch den Beklagten erfuhr.
Eine wirksame Erklärung gem. § 651 g I BGB muss erkennen lassen, dass wegen der gerügten Mängel nicht nur Abhilfe verlangt wird, die nach Reiseende ohnehin nicht mehr möglich ist, sondern weitergehende Ansprüche aus den Mängeln hergeleitet werden sollen (Palandt/Sprau, BGB, 68. Aufl., § 651 g Rn. 2a; BGH DAR 2005, 334;). Zweck der Bestimmung ist nämlich, dem Reiseveranstalter alsbald Kenntnis davon zu geben, dass von einem Reisenden Ansprüche geltend gemacht und worauf diese gestützt werden, um ihm so zu ermöglichen, zeitnah am Urlaubsort Recherchen über die behaupteten Reisemängel anzustellen, etwaige Regressansprüche gegen seine Leistungsträger geltend zu machen und ggf. seinen Versicherer zu benachrichtigen. Es ist daher erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Reisende deutlich macht, Forderungen gegen den Reiseveranstalter stellen zu wollen und die Mängel nach Ort, Zeit, Geschehensablauf und Schadensfolgen so konkret beschreibt, dass der Reiseveranstalter Maßnahmen der geschilderten Art zur Wahrung seiner Interessen ergreifen kann. Nicht erforderlich ist eine rechtliche Einordnung oder eine Bezifferung der erhobenen Ansprüche(BGH NJW 2005, 1420 = MDR 2005, 1039/40). Der - der Klägerin jedenfalls innerhalb eines Monats nach Reiseende bekannt gewordene - Widerruf der Einzugsermächtigung für den Reisepreis hatte zwar als solcher zunächst nur den Erklärungsinhalt, dass der Beklagte aktuell nicht bereit war, den Reisepreis zu entrichten. Gründe für den Widerruf ergaben sich daraus nicht. Hinzu trat vorliegend aber das der Klägerin durch die örtliche Reiseleitung vermittelte Wissen um die Mängelanzeigen des Beklagten, die Verweigerung seiner Leistungsannahme und das Unterbleiben einer Abhilfe. Dagegen kann die Klägerin nicht mit Erfolg einwenden, die Mängelrüge vor Ort sei nicht hinreichend konkret gewesen, nachdem sie ihrer Reiseleiterin vor Ort immerhin genügt hat, für den Beklagten ein anderes Hotel zu suchen. Auf der Basis solcher Informationen informiert die Zahlungsverweigerung den Reiseveranstalter hinreichend darüber, dass der Reisende Gewährleistungsansprüche geltend machen will, so dass er sich auf eine Auseinandersetzung, sei es mit dem Kunden, sei es mit seinem örtlichen Leistungsträger, einstellen und Maßnahmen zur Wahrung seiner Interessen ergreifen kann. Gegen die verlangte Eindeutigkeit einer solchen konkludenten Anspruchsgeltendmachung spricht im vorliegenden Fall auch nicht, dass der Widerruf der Einziehungsermächtigung bereits am ersten Reisetag aus Sicht des Veranstalters zunächst nur das Ziel haben mochte, dem - von dem Beklagten zunächst betriebenen - Abhilfeverlangen Nachdruck zu verleihen. Als die Klägerin von dem Ausbleiben der Zahlung und dem Widerruf erfuhr, bestand indes keine Abhilfemöglichkeit mehr und konnte die fortbestehende Zahlungsverweigerung nur die Androhung einer Auseinandersetzung um die Gewährleistung beinhalten. Die Klägerin wusste durch ihren örtlichen Reiseleiter, dass ihre Leistung mangelhaft war, der Beklagte sie nicht akzeptiert und er sich auf eigene Kosten ein anderes Hotel verschafft hatte, nachdem sie keine - auf ihre Kosten zu besorgende - Abhilfe geleistet hatte. Dass der Reisende sich in einem solchen Fall wegen der Kosten der Ersatzbeschaffung bei dem Veranstalter zu erholen beabsichtigt, ist schon ohne ausdrückliche Erklärung naheliegend. Wenn dazu der Reiseveranstalter binnen Monatsfrist erfährt, dass der Kunde seine Zahlung hat zurückbuchen lassen, genügt das jedenfalls, um seine durch die Anmeldepflicht des § 651 g I BGB geschützten Interessen hinreichend zu wahren.
III. Der Reisemangel, der darin bestand, dass das gebuchte Hotel bis zum Bezug eines beanstandungsfreien etwa einen halben Tag lang nicht zur Verfügung stand, rechtfertigt nach § 651 d BGB eine Minderung des - auch für den mängelfreien Hin- und Rückflug entrichteten - Reisepreises von 5.288,00 € für die 13-tägige Reise um 100,00 €.
IV. Die verbleibende Klageforderung mindert sich gemäß § 398 BGB um den Betrag vom Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellter Gegenansprüche.
a) I. H. v. 1.066,00 € ist die Klageforderung durch Aufrechnung mit einem Anspruch auf Aufwendungsersatz aus § 651 c III BGB erloschen. Wohl setzt dieser eine angemessene Fristsetzung für die Abhilfe des Reisemangels voraus, die die Klägerin bestritten hat. Demgegenüber hat der Beklagte substanziiert, dass er zwischen 14:00 und 15.00 Uhr Abhilfe bei der nunmehr erschienenen örtlichen Reiseleitung verlangt habe, aber nur an das auf eigene Kosten zu bezahlende I-Hotel verwiesen worden sei. Unter der überlassenen Telefonnummer des Beklagten hat sich die Reiseleiterin nicht mehr gemeldet. Dies hat die Zeugin J glaubhaft bestätigt. Danach bedurfte es keiner Fristsetzung mehr, zumal der Beklagte ein sauberes Zimmer jedenfalls bis zum Abend erwarten konnte.
Zudem trägt die Klägerin nicht vor, dass sie ihrerseits kostengünstigere Abhilfe hätte schaffen können.
Die Entstehung der Aufwendungen i. H. v. 1.066,00 € ist unstreitig. Ihre Erforderlichkeit für eine dem gebuchten 3-Sterne-Hotel gleichwertige Unterbringung ergibt sich aus dem unbestrittenen Vortrag, dass alle Hotels stark ausgebucht waren und der Beklagte mit dem Verzicht auf das teure I-Hotel um Schadensbegrenzung bemüht war.
b) Ferner hat der Beklagte einen aufrechenbaren Schadenersatzanspruch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit aus § 651 f II BGB i. H. v. 60,00 €. Die von § 651 f II BGB erforderte erhebliche Beeinträchtigung der Reise ist hier - nur - für den ersten Tag zu bejahen, an dem ein Hotel von ca. 9:30 Uhr bis ca. 17:00 Uhr nicht zur Verfügung stand und der Beklagte sich mit der Reklamation und der Ersatzbeschaffung befassen musste, statt sich zu erholen. Bei dem Gesamtreisepreis von 2.644 € / Person sind die vom Beklagten geltend gemachten 60 € / Tag im Rahmen der Schätzung gemäß § 287 ZPO nicht zu hoch gegriffen.
V. Einen Anspruch auf Erstattung der 6,00 € für Rückbuchungsgebühren aus § 280 I BGB hat die Klägerin nicht, weil der Beklagte den Reisepreis nicht gänzlich unberechtigt zurückbuchen ließ. Er war zur Zurückbehaltung eines Teils des Reisepreises berechtigt, nachdem die Klägerin ihm das geschuldete Hotel nicht stellte. Da ein gesplitteter Widerruf der Einzugsermächtigung, soweit er banktechnisch überhaupt möglich ist, jedenfalls keine geringeren Gebühren verursacht hätte, hat die Klägerin diese Kostenentstehung in voller Höhe selbst zu vertreten.
VI. Der Zinsanspruch der Klägerin folgt aus § 280 I, II, 286, 288 I BGB, jedoch erst für die Zeit ab dem 14.09.2007. Verzug des Beklagten hat die Klägerin erst für den Zeitpunkt des Erhalts des Mahnbescheides am 14.09.2007 gem. § 286 I 2 BGB schlüssig dargelegt. Der Beklagte hat den Zugang der Mahnung vom 28.02.2007 bestritten, die Klägerin konnte diesen nicht belegen. Eine Mahnung war auch nicht gem. § 286 II Nr. 3 BGB entbehrlich. Eine ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung in der Art, dass kein Zweifel mehr besteht, dass der Beklagte endgültig zur Erfüllung nicht mehr bereit war, konnte die Klägerin in dem Widerruf der Einzugsermächtigung noch nicht sehen.
VII.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 ZPO.
Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO vorläufig vollstreckbar.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO bestehen nicht.
Ende der Entscheidung
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