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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 05.04.2005
Aktenzeichen: 9 U 183/04
Rechtsgebiete: BGB, StrWGNW, GG


Vorschriften:

BGB § 9
BGB § 839
StrWGNW § 9a
GG Art. 34
Kommt ein Fußgänger an einer wegen des Ausfalls einer Straßenlaterne dunklen Stelle eines Gehweges zu Fall, ist der gegen die Gebietskörperschaft erhobene Vorwurf der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht bei grundsätzlich bestehender Beleuchtungspflicht dann nicht begründet, wenn ein parallel verlaufender ausreichend beleuchteter Gehweg, mithin eine zumutbare gesicherte Wegalternative zur Verfügung steht.
Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 07. Juni 2004 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Essen wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Klägerin stürzte am 25. November 2002 gegen 18.15 Uhr auf einem - an der Rückseite eines Lebensmittelgeschäfts vorbeiführenden - Gehweg der S in G über einen Abgrenzungspoller. Dabei wurde sie verletzt und ihre Kleidung beschädigt. Die Unfallstelle war unbeleuchtet und eine in der Nähe vorhandene Straßenlaterne defekt, während der (parallele) Bürgersteig der anderen Seite der S eine hinreichende Beleuchtung aufwies. Die Parteien streiten über eine Beleuchtungspflicht der Beklagten sowie darüber, wie lange die defekte Laterne außer Funktion gewesen war. Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Ersatz ihres mit 39,95 Euro bezifferten materiellen Schadens sowie ein angemessenes Schmerzensgeld von zumindest 1.300,00 Euro.

Das Landgericht hat nach Zeugenvernehmungen und Anhörung der Klägerin die Klage abgewiesen. Dabei hat es eine Ursächlichkeit des Laternenausfalls für den Unfall verneint und den Sturz der Klägerin selbst angelastet, da der Unfallbereich lediglich eine unbedeutende Verkehrsfläche darstelle und die Klägerin den beleuchteten Bürgersteig der gegenüberliegenden Straßenseite habe benutzen können und müssen.

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr bisheriges Klageziel in vollem Umfang weiter, wobei sie insbesondere eine fehlerhafte Anwendung der Grundsätze zur Verkehrssicherungspflicht rügt.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Klägerin steht ein - hier ausschließlich nach §§ 839, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 9, 9 a StrWG NW, Art. 34 GG in Betracht kommender - Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte nicht zu. Denn diese war nach den Umständen des Falles zu einer Beleuchtung der Unfallstelle nicht verpflichtet.

1.

Die Verkehrssicherungspflicht auf öffentlichen Gehwegen begründet zwar grundsätzlich eine Beleuchtungspflicht an denjenigen Stellen des Gehbereiches, an denen Hindernisse infolge Dunkelheit nicht ausreichend erkennbar sind und dadurch besondere Gefahrenquellen darstellen (vgl. etwa Greger Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 3. Aufl., 1997, Rn. 619 zu § 16 StVG; Berz DAR 1995, 350). Diese Verpflichtung besteht jedoch nicht uneingeschränkt, sondern nur in den Grenzen der allgemeinen Grundsätze des Straßenverkehrssicherungsrechts.

Danach sind in Anbetracht des ausgedehnten Straßen- und Wegenetzes der öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften und deren beschränkter Mittel lückenlose Sicherungsvorkehrungen praktisch gar nicht möglich und daher nur solche Maßnahmen zu treffen, für die ein wirkliches Sicherungsbedürfnis besteht. Dieses richtet sich im Wesentlichem nach der objektiven Verkehrsbedeutung der betreffenden Wegfläche und den vernünftigen Sicherheitserwartungen des Verkehrs, die maßgeblich durch das äußere Erscheinungsbild des Gefahrenbereiches bestimmt werden.

Für die Beleuchtungspflicht auf einem Gehweg heißt dies, dass eine besondere Sicherung dieser Verkehrsfläche bei Dunkelheit dann jedenfalls nicht zwingend ist, wenn erkennbar eine sichere und zumutbare Ausweichmöglichkeit besteht, die die unbedingte Verkehrsnotwendigkeit des ungesicherten Weges entfallen lässt.

Kommt dann noch hinzu, dass auf dem betreffenden Gehweg Beleuchtungskörper nicht in regelmäßigen Abständen installiert sind und also der Fußgängerverkehr dort vernünftigerweise keine ausreichende Beleuchtung erwarten kann, ist eine Beleuchtungspflicht der zuständigen Gebietskörperschaft nicht gegeben. Denn vernünftige Fußgänger können unter diesen Voraussetzungen nicht ernsthaft davon ausgehen, dass der nicht oder nur teilweise beleuchtete Gehweg bei Dunkelheit hinreichend sicher ist. Ihrem Verkehrsbedürfnis ist durch einen sicheren Ausweichweg hinreichend Rechnung getragen.

2.

So liegt der Fall hier. Der auf der gegenüberliegenden Seite der S befindliche Gehweg war zur Unfallzeit unstreitig durch auf diesem Weg stehende Laternen beleuchtet und hätte der Klägerin eine sichere Fortbewegung ermöglicht. Der Umweg auf diesen Bürgersteig war für sie auch zumutbar, da sie lediglich die Fahrbahn hätte überqueren müssen. Dass sie bei Benutzung des beleuchteten Weges mit einem Überfall hätte rechnen müssen, ist von ihr lediglich pauschal behauptet, jedoch nicht substantiiert dargelegt worden und mit Blick auf die örtliche Wohnraumbebauung kaum wahrscheinlich. Da für sie hiernach eine akzeptable Ausweichmöglichkeit zur Verfügung stand, war die Beklagte zur Beleuchtung des von der Klägerin benutzten Gehweges - als zweitem bei Dunkelheit benutzbarem Weg - nicht verpflichtet.

Eine solche Verpflichtung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass auf dieser Gehwegseite zwei vereinzelte Laternen angebracht waren, die diesen Weg nicht zusammenhängend hätten beleuchten können. Diese Beleuchtungskörper waren nicht geeignet, bei den Fußgängern die Erwartung einer Sicherung des Gehweges bei Dunkelheit zu begründen. Daher durfte die Beklagte als Verkehrssicherungspflichtige davon ausgehen, dass die Fußgänger in vernünftige Wahrnehmung ihrer eigenen Sicherheitsbelange den gegenüberliegenden Gehweg benutzen würden.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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