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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 10.08.2007
Aktenzeichen: 9 U 25/06
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
1. Überlange Lagerung von geschlagenem und gepoltertem Holz widerspricht ordnungsgemäßer Forstwirtschaft, weil sie einen Befall mit Borkenkäfern begünstigt. Der insoweit Verkehrssicherungspflichtige haftet aus § 823 Abs. 1 BGB für anderweitige Forstschäden, die durch ausschwärmende Borkenkäfer verursacht werden (hier: Windbruchschaden wegen durch Borkenkäferbefall erforderlich gewordenen Holzeinschlages).

2. Werden anfällige Bäume im Einzugsgebiet einer Borkenkäferpopulation in zeitlicher Nähe ihres Ausschwärmens von Borkenkäfern befallen, streitet die Lebenserfahrung für einen ursächlichen Zusammenhang, wenn andere gleichrangige Befallsursachen fehlen.


Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das am 16. Dezember 2005 verkündete Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.945,86 € nebst Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 8. Juli 2004 zu zahlen.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger den ab dem 8. Dezember 2006 entstandenen bzw. künftig entstehenden Schaden zu ersetzen, der durch die Entfernung von 18 Fichten am Rand der Windwurffläche am I-Weg in C, die in dem nachfolgend abgedruckten Kartenausschnitt als "Schadensfläche" bezeichnet ist, infolge Borkenkäferbefalls im Jahr 2003 verursacht ist.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen der Kläger sieben Zehntel und die Beklagte drei Zehntel.

Die Kosten des zweiten Rechtszuges werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beide Parteien dürfen die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger zuvor in derselben Höhe Sicherheit leistet.

- auf den Abdruck des Kartenausschnitts wurde verzichtet -

Gründe:

A.

Der Kläger begehrt Schadensersatz für Anfang des Jahres 2004 eingetretenen Windbruch in seiner Forstfläche in C. Die betroffene Teilfläche der Abteilung ### des Forstes befindet sich in einer Kammlage des U-Waldes nahe dem "F". Der Kläger führt die Anfälligkeit der mit ca. 70-jährigen Fichten bestandenen Fläche für den Windbruch darauf zurück, dass er im September 2003 insgesamt 18 am Südwestrand stehende Bäume wegen deren Befalls mit Borkenkäfern fällen musste, so dass der verbleibende Bestand zur Hauptwindrichtung hin horstartig aufgerissen wurde. Den Befall mit Borkenkäfern lastet er der Beklagten an, die unmittelbar benachbarte Forstflächen bewirtschaftet und unstreitig im Jahr 2002 aus ihrem Bestand geschlagenes Holz entlang des dem Kläger gehörenden Forstwegs (I-Weg) an der Grenze zur betroffenen Fläche in sogenannten Poltern (Stapeln) gelagert und - entgegen anerkannten forstwirtschaftlichen Grundsätzen - erst im Juni 2003, nachdem es bereits stark mit Borkenkäfern befallen war, abtransportiert hatte.

Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen und Einholung eines forstwirtschaftlichen Sachverständigengutachtens die Klage abgewiesen. Es hat eine schuldhafte Pflichtverletzung der Beklagten durch die überlange Lagerung ihres gepolterten, schließlich von Borkenkäfern befallenen Holzes bejaht, sich jedoch von deren Ursächlichkeit für Kontaminierung der 18 durch den Kläger gefällten Fichten nicht zu überzeugen vermocht. Insoweit streite kein mit der Pflichtverletzung begründeter Anscheinsbeweis für den Kläger, weil hier die ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufes feststehe. Ausweislich der Ausführungen der Sachverständigen L hätten nämlich im Raum C ( wie bundesweit ) gute Witterungsbedingungen für eine gegenüber der normalen Belastung außerordentlich hohe Borkenkäferkalamität geherrscht, die eine Massenvermehrung der Käfer auch von einer anderen Stelle außerhalb der Verantwortlichkeit der Beklagten her als möglich erscheinen lasse. Wegen des Sach- und Streitstandes bis zum Abschluss der ersten Instanz wird auf das angefochtene Urteil einschließlich seiner Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger den erstinstanzlich erhobenen Anspruch weiter. Er beantragt außerdem gemäß am 8. Dezember 2006 zugestellten Schriftsatz vom 5. des Monats ( Bl. 297 f GA ) klageerweiternd die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für seinen - wie im Senatstermin vom 12. Juni 2007 klargestellt - zukünftigen Schaden aus dem Borkenkäferbefall.

Der Kläger rügt, die Vorinstanz habe bei der Prüfung der Ursächlichkeit der der Beklagten anzulastenden Pflichtverletzung für den Borkenkäferbefall an den 18 gefällten Fichten die Grundsätze des Anscheinsbeweises rechtsfehlerhaft nicht angewandt. Die vom Landgericht insoweit als bestehend angenommene Möglichkeit eines anderweitigen Geschehensablaufs in Form der warmen und trockenen Witterungsverhältnisse des Jahres 2003 stelle gerade keine alternativ in Betracht kommende Ursache dar, sondern nur eine zu der von der Beklagten gesetzten Ursache hinzutretende Verstärkung. Ein schadenstypischer Geschehensablauf - wie das pflichtwidrige Belassen toten, als Brutstätte für Schädlinge geeigneten Holzes im Wald - werde durch das Hinzutreten zusätzlicher begünstigender Umstände - hier der Witterung - nicht widerlegt, sondern erhärtet. Bezeichnend sei insoweit auch, dass aus der 70 ha großen Waldfläche des Klägers nur die eine, dem von der Beklagten abgelagerten Holz benachbarte Stelle von den Borkenkäfern befallen wurde, während die den Befall begünstigenden Witterungsbedingungen überall gleich waren. Tatsächlich habe sich der der befallenen Fläche nächstgelegene schädlingsbehaftete Polter, den der Zeuge M der Beklagten selbst bezeichnete, auch nur in einer Entfernung von 50 m dazu befunden, nicht 100 - 120 m, wie von der Sachverständigen angenommen.

Für die Ursächlichkeit des Fällens der 18 befallenen Fichten für den späteren Windbruch in der Schadensfläche streite der Anscheinsbeweis in gleicher Weise. Anderer, dem Kläger gehörender Fichtenbestand gleicher Altersklasse und in ebenso exponierter Kammlage, jedoch ohne die den Windschutz beeinträchtigende Auslichtung, wie sie der Borkenkäferbefall hier erfordert habe, sei durch den Sturm nicht zu Schaden gekommen.

Die Zurückweisung der Berufung beantragende Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil insbesondere darin, dass der Kläger den Kausalitätsnachweis zwischen ihrer Holzlagerung und dem Borkenkäferbefall nicht habe führen können. Sie hält daran fest, dass der der Schadensfläche nächstgelegene schadensträchtige Holzpolter mindestens noch 100 - 120 m von dieser entfernt gewesen sei, wie es der Zeuge M bei seiner Vernehmung durch das Landgericht geschätzt habe. Die aus der Karte Bl. 90 GA von der Berufung mit nur 50 m abgeleitete Entfernung sei nicht feststellbar, weil auch und gerade nach der Aussage M dieser Polter nicht maßstabsgenau in die sonst maßgetreue Karte eingezeichnet sei. Der für die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises erforderliche typische Geschehensablauf sei hier nicht festzustellen, weil nach sachverständiger Beurteilung die ausschwärmende Borkenkäferbrut eine Entfernung von 100 - 120 m zur Nahrungsquelle jedenfalls dann nicht zurücklege, wenn sich Nahrungsangebot und Brutstätten schon räumlich früher böten. Jedenfalls sei ein Anscheinsbeweis dadurch erschüttert, dass das bei der Durchforstung benachbarter Fichtenbestände des Klägers selbst im Sommer 2003 dort angefallene Stammholz erst bis zum Herbst 2003 abgefahren und das Kronenholz im Waldbestand belassen wurde. Auch sei der Borkenkäferbefall der 18 in Rede stehenden Fichten erst im September 2003, mithin nach den die Schädlingsvermehrung extrem begünstigenden Wetterbedingungen des Sommers festgestellt worden. Darüber hinaus seien im Forstwirtschaftsjahr 2003 weitere Borkenkäferbefallstellen in Entfernungen zwischen 150 und 2000 m zur Schadensfläche des Klägers gefunden worden, die neben dem von der Beklagten zu verantwortenden Polter als Ansteckungsherd in Frage kämen. Schließlich hält die Beklagte am Bestreiten der Ursächlichkeit des Borkenkäferbefalls der 18 Fichten, d. h. deren anschließende Fällung, für den späteren Windwurf der verbliebenen Bäume fest.

Der Senat hat die Zeugen P, M und C2 uneidlich vernommen. Wegen des Inhalts ihrer Aussagen und das mündlich erstattete Gutachten des Sachverständigen Dr. I wird auf den Berichterstattervermerk zum Protokoll der Berufungsverhandlung vom 28. November 2006 verwiesen. Außerdem hat der Senat noch das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. I vom 19. April 2007 eingeholt, das dieser im Senatstermin am 12. Juni 2007 mündlich ergänzt hat. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk zu dieser Berufungsverhandlung verwiesen.

B.

Die zulässig eingelegte Berufung des Klägers ist teilweise begründet. Ihm steht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch dem Grunde nach aus § 823 I BGB wegen der Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten zu (I.); jedoch sind erhebliche Abstriche bei dem Zahlungsantrag vorzunehmen (II.).

I. a) Die Beklagte hat ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt, indem sie entgegen den Grundsätzen der "sauberen Forstwirtschaft" das nahe dem Fichtenbestand des Klägers gepolterte Holz nicht alsbald abtransportierte, sondern - chemisch unbehandelt - liegen ließ, bis, wie den glaubhaften Aussagen der Zeugen P und M zu entnehmen ist, sich mindestens eine Borkenkäferbrutgeneration darin bilden und ausschwärmen konnte. Dies hat die Sachverständige L überzeugend ausgeführt und wird auch von der Beklagten nicht mehr bestritten.

b) Nach der zweitinstanzlichen Beweisaufnahme steht auch die Kausalität zwischen der Verkehrssicherungspflichtverletzung und dem Schaden des Klägers aus dem Windwurf fest.

1. Dass das Fällen der von den Schädlingen befallenen 18 Fichten nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Windbruch in den dahinter liegenden, bis dahin geschützten Bäumen entfiele, ist jedenfalls nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. I vom 19. April 2007 nicht mehr zweifelhaft. Schon die allgemeine Erfahrung spricht dafür, dass frei, vereinzelt stehende Bäume der Windeinwirkung stärker ausgesetzt sind als solche in geschlossenem Verbund und deshalb eher bzw. häufiger brechen. Der Gutachter bestätigt dies unter Hinweis darauf, dass es trotz starker Stürme seit der Rodung der südwestlich vorgelagerten Fläche der Beklagten in 1995 bis Anfang Januar 2004 weder in der Schadensfläche noch in dem daran angrenzenden Bestand des Klägers zu Windwürfen gekommen war, was seine Erklärung in einem bis zum Fällen der 18 Fichten sehr stabilen Bestandesrand finde. Die Beklagte stellt die erhöhte Bruchneigung infolge des horstartigen Aufreißens dieses vormals geschlossenen Verbundes auch nicht grundsätzlich in Abrede. Sie behauptet nur, vorliegend sei der Windbruch nicht darin begründet, sondern in einer besonders ungeschützten Lage der speziell der Schadensfläche gegenüber einer in Windrichtung liegenden Brachfläche auf der Südseite des I-Weges. Das ist in tatsächlicher Hinsicht zwar nicht ganz zutreffend. Wie in der zur Akte gereichten Karte dargestellt, liegt nämlich auf der Südwestseite des Kammes gegenüber der Schadensfläche eine damals unbewaldete Fläche des Forstgebietes der Beklagten von etwa gleicher Breite. Diese eröffnete dem überwiegend vorherrschenden Westwind wohl eine stärkere Angriffsmöglichkeit auf die betroffene Fläche des Klägers. Dies ändert indes nichts an der Ursächlichkeit der Schwächung des klägerischen Bestandes durch die horstartige Auslichtung für den vermehrten Bruch der verbliebenen Bäume. Die Schadensfläche mag durch ihre exponierte Lage besonders windanfällig gewesen sein, sie hätte dem Wind aber besser standhalten können, wenn eine Auslichtung nicht erfolgt wäre. Das Vorhandensein der gegenüberliegenden Brache ist danach nur eine den Schädiger nicht entlastende Mitursache.

2. Auch das erste Glied der Ursachenkette zwischen dem Ausschwärmen der Käfer von dem forstwirtschaftlich pflichtwidrig nicht abgeräumten Polter und dem Befall der 18 Fichten des Klägers steht zur Überzeugung des Senats fest. Dabei streitet für den Kläger schon der Anscheinsbeweis, dessen Annahme das Landgericht zu Unrecht abgelehnt hat. Der Berufung ist zunächst darin zu folgen, dass die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht die - ebenso wie Schutzgesetze und Unfallverhütungsvorschriften - typischen Gefährdungen entgegenwirken soll, zur Anwendung des Anscheinsbeweises für die Kausalität führt, wenn sich in dem Schadensfall gerade diejenige Gefahr verwirklicht hat, der durch die Auferlegung bestimmter Verhaltenspflichten begegnet werden sollte; BGH NJW 1994, 945. Die grundsätzlich für den Anscheinsbeweis erforderliche Typizität des Geschehensablaufs ist hier darin begründet, dass Schutzgesetze, Unfallverhütungsvorschriften und auch Verkehrssicherungspflichten normativer Ausdruck einer gesicherten lebenstypischen Erfahrung über die Gefährlichkeit bestimmter Verhaltensweisen und den Nutzen der durch sie vorgeschriebenen Sicherheitsmaßnahmen zur Abwehr dieser Gefahren sind; Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht, 1996, Rz. 250 f m. w. N.. Auch die vorliegend in Rede stehende Pflicht, gegen Schädlinge unbehandeltes Schlagholz nicht im Waldbestand verbleiben zu lassen, folgt aus der Erfahrung von der Brutstätteneignung toten Holzes für bestimmte Waldschädlinge und des Nutzens seiner frühzeitigen Entfernung oder Schädlingsbehandlung ist.

Die Behauptung der Beklagten, der Schädlingsbefall an den besagten 18 Fichten sei erst im September 2003 festgestellt worden, so dass die notwendige zeitliche Nähe zu dem Belassen des verseuchten Polters bis Anfang Juni fehle, ist durch die Aussage des Zeugen P, er habe ab Mitte bis Ende Juni erste Befallserscheinungen bemerkt und ab dem 10. - 15. Juli die Beseitigung der betroffenen Bäume veranlasst, widerlegt. Die Zeugenaussagen der Forstbediensteten M und C2 der Beklagten stehen dazu nicht in Widerspruch.

Nach dem Gutachten der Sachverständigen L noch mögliche, die Anwendbarkeit der Anscheinsbeweisregel in Frage stellende Zweifel an einem Flug der Borkenkäfer von dem bezeichneten Polter in - nur erweislicher - Entfernung von 100 bis 120 m zu der Schadensfläche, die sich darauf gründen könnten, dass die Insekten schon vorher auf dem Weg dorthin einen Brutplatz hätten finden müssen, hat der Sachverständige Dr. I überzeugend damit ausgeräumt, dass solche Schädlinge nach dem Ausschwärmen nicht die nächstgelegenen, gesunden Bäume als attraktiven Brutplatz aufsuchten, sondern schon in ihrer Vitalität schwächere, wie dies die im Einzugsbereich der Käferpopulation befindlichen 18 befallenen Fichten aufgrund ihrer exponierten Lage hätten sein können. Die Möglichkeit, dass die an dieser Stelle in den Bestand des Klägers eingefallenen Borkenkäfer von irgendwo anders herkamen, hat der Sachverständige vor diesem Hintergrund lediglich als theoretisch, die Wahrscheinlichkeit ihrer Herkunft aus dem nächstgelegenen, von Käfern wimmelnden Polter der Beklagten dagegen als relativ groß angesehen. Werden mithin anfällige Bäume im Einzugsbereich ihrer Population in zeitlicher Nähe ihres Ausschwärmens von Borkenkäfern befallen, streitet die Lebenserfahrung für einen ursächlichen Zusammenhang, wenn gleichrangige andere Befallsursachen fehlen.

3. Den Anscheinsbeweis hat die Beklagte nicht durch die von ihr dargestellten Möglichkeiten einer Alternativursache erschüttert.

3.1 Die nach Behauptung der Beklagten im Sommer 2003 (Mitte Juni/Anfang Juli) durchforstete Waldfläche des Klägers, aus der das Holz erst im Herbst bzw. gar nicht abgefahren worden sein soll, lag ausweislich der Karte Bl. 90 GA über 800 m entfernt. Dass dort aus dem Totholz geschlüpfte Borkenkäfer diese Strecke zurückgelegt hätten, bezeichnet die Sachverständige L Bl. 84 f unter 5.) als sehr unwahrscheinlich; das wäre jedenfalls um ein vielfaches unwahrscheinlicher als der Flug über nur ca. 100 m von dem Polter der Beklagten aus. Davon abgesehen steht ein Befall des dortigen Holzes mit Borkenkäfern gar nicht fest.

3.2 Weiteren Brutstätten, die die Beklagte mit ihrem Schriftsatz vom 8. Juni 2006 anführt, können nicht als Möglichkeit einer alternativen Schadensverursachung festgestellt werden, denn die Beklagte hat trotz entsprechenden Bestreitens nicht vorgetragen, wann genau diese angeblichen anderen Befallstellen aufgetreten sein sollen. Die Verteilung über das "Forstwirtschaftsjahr 2003" reicht dafür nicht hin.

3.3 Der heiße trockene Sommer 2003 stellt - wie die Berufung zu Recht geltend macht - keine Alternativursache dar, sondern einen Verstärkungsfaktor sowohl für die von dem von der Beklagten zu verantwortenden Polter ausgehende Gefahr, als auch für sonstige Herkunftsmöglichkeiten der Schädlinge. Die heiße Witterung erhöhte das Risiko allgemein, beförderte die Gefahr eines Befalls durch sonst wo herkommende Borkenkäfer aber nicht mehr als die Gefahr der Ausbreitung der Brut aus dem benachbarten Polter.

II.

a) Der die Berufung und Klage erweiternde Feststellungsantrag ist trotz des Widerspruchs der Beklagten zulässig, nämlich sachdienlich i. S. v. § 533 Ziffer 1. ZPO, weil seine Bescheidung geeignet ist, die Frage des Anspruchsgrundes für künftige Schäden aus demselben Anlass weiterem Streit der Parteien zu entziehen. Er ist auch auf Tatsachen gestützt, die der Senat nach der Durchführung der Beweisaufnahme seiner Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen hat; § 533 Ziffer 2. ZPO. Ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung hat der Kläger hinreichend dargelegt, nachdem er in der mündlichen Verhandlung klargestellt hat, dass sich der Antrag auf zukünftige Schäden - ab Rechtshängigkeit - bezieht. Für den Zeitraum ab Eintritt der Rechtshängigkeit bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ist ein an sich mögliches Übergehen von der Feststellungs- zur Leistungsklage hier wegen der geltend gemachten Fortentwicklung des anspruchsbegründenden Sachverhalts nicht erforderlich; vgl. BGH VersR 1991, 788. Verbleibende Ungenauigkeiten in der Antragstellung hat der Senat durch sachgemäße Auslegung bei der Formulierung beheben können.

Der Feststellungsantrag erweist sich auch als begründet, nachdem der Sachverständige im letzten Senatstermin festgestellt hat, es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit dafür, dass in den nächsten zehn bis zwölf Jahren bis zu einer erneuten Verfestigung des Bestandsrandes noch mehr Bäume in der betroffenen Fläche umstürzen.

b) Die Höhe des mit der Zahlungsklage geltend gemachten unmittelbaren Schadens bemisst sich abweichend von der Behauptung des Klägers nur auf 2.240,00 €. Dies ist der von dem Sachverständigen Dr. I im schriftlichen Gutachten ermittelte Betrag zuzüglich der Korrektur um 7,00 €, die ein vom Gutachter im Verhandlungstermin offengelegter Übertragungsfehler erfordert. Den Angriffen des Klägers hält das Gutachten stand, weil die mündlichen ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen den Senat davon überzeugen, dass er die Schadensfläche sehr wohl mit Hilfe technischer Messgeräte ausgemessen und das Alter des Bestandes durch stichprobenartiges Auszählen der Jahresringe mehrerer verbliebener Baumstümpfe ermittelt hat. Der weitere Einwand, zum Schaden gehörten auch die Kosten für ein extra aufzustellendes Wildgatter, stellt sich als in der Berufungsinstanz neuer Vortrag dar, für den die Voraussetzungen einer ausnahmsweisen Zulassung gemäß § 531 II ZPO nicht dargetan sind. Die anderen Einwände des Klägers hängen entweder von den beiden geklärten Hauptpunkten Größe der Schadensfläche und Alter des Bestandes ab oder betreffen nur marginal Berechnungsparameter, deren Einschätzung ohnehin der Sachkunde des Gutachters überlassen bleiben muss, wie z. B. den Ansatz des Bestockungsgrades mit entweder 1,0 oder 0,9. Insoweit hat der Kläger Gesichtspunkte einer überlegenen Sachkunde "seines" Sachverständigen ebenso wenig aufzeigen können wie Beurteilungsfehler des Gutachters Dr. I. Zu dem unmittelbaren Schaden hinzu kommen die Kosten der Schadensfeststellung durch den Gutachter B mit 705,86 €. Zwar hat sich das Ergebnis dieser Schadensfeststellung im Rechtsstreit als erheblich unrichtig erwiesen. Gleichwohl ist die Entstehung dieser zur Bezifferung des Ersatzanspruchs notwendigen Kosten durch den Schadensfall verursacht. Es ist auch nicht ersichtlich, dass für eine zutreffende vorgerichtliche Schadensermittlung geringere Kosten angefallen wären.

c) Der Anspruch auf die zuerkannten Zinsen folgt aus §§ 286 II Ziffer 3, 288 I BGB, weil die Beklagte mit vorgerichtlichem Schreiben vom 8.7.2004 jede Ersatzleistung ernsthaft und endgültig verweigert hat.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 I, 97 ZPO.

Das Urteil ist gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.

Ende der Entscheidung

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