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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Urteil verkündet am 02.02.2007
Aktenzeichen: 9 UF 19/06
Rechtsgebiete: BGB, ESchG
Vorschriften:
BGB § 134 | |
BGB § 1600 Abs. 4 | |
ESchG § 9 |
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin.
Gründe:
I.
Der Kläger ficht die Vaterschaft für die am 19.10.2004 geborenen Beklagte an.
Zum Zeitpunkt der Geburt der Beklagten war der Kläger mit der Kindesmutter, die dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten ist, verheiratet.
Die Beklagte ist durch eine künstliche Befruchtung gezeugt worden, die ohne ärztliche Hilfe durchgeführt wurde.
Der Kläger hat behauptet, lediglich mit einem Versuch einer künstlichen Befruchtung einverstanden gewesen zu sein, nicht aber mit einem zweiten, der zur Zeugung der Beklagten geführt hat.
Das Amtsgericht hat die Klage nach Anhörung der Kindesmutter und Vernehmung der Zeugen T und E mit der Begründung abgewiesen, dass - auch wenn der Kläger nicht der Erzeuger der Beklagten sein sollte - aufgrund der Beweisaufnahme feststehe, dass er mit einer künstlichen Befruchtung mittels Samenspende des Zeugen T einverstanden gewesen sei.
Die Berufung des Klägers, der seinen erstinstanzlichen Antrag weiter verfolgt, rügt eine fehlerhafte Beweiswürdigung und hat eine eidesstattliche Versicherung der Zeugin E vorgelegt, nach der ihre Aussage vor dem Amtsgericht falsch und der Kläger von Anfang an gegen einen zweiten Versuch der künstlichen Befruchtung und bei dessen Durchführung auch nicht anwesend gewesen sei.
Die Beklagte und die Streithelferin verteidigen das angefochtene Urteil.
Der Senat hat die Zeugen L, T und E vernommen; wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 22.12.2006 nebst Berichterstattervermerk Bezug genommen.
II.
Die Berufung ist unbegründet.
1.
Die Anfechtung der Vaterschaft durch den Kläger ist gemäß § 1600 Abs. 4 BGB ausgeschlossen, da die Beklagte mit Einwilligung des Klägers und der Kindesmutter durch künstliche Befruchtung mittels Samenspende eines Dritten gezeugt worden ist.
a)
Eventuelle Rückwirkungsprobleme bezüglich des am 12.4.2002 durch das KindRVerbG eingefügten § 1600 Abs. 4 BGB (Staudinger/Rauscher, BGB (2004), § 1600 Rdnr. 72 gegen BGH NJW 2005, 1428 und MüKo/Wellenhofer-Klein, BGB, 4. Aufl., § 1600 b Rdnr. 16 e), bestehen nicht, da die am 19.10.2004 geborene Beklagte nach dem 12.4.2002 gezeugt wurde.
b)
Die Beklagte ist durch künstliche Befruchtung gezeugt worden. Zweifel an der Richtigkeit der entsprechenden Feststellung des Amtsgerichts bestehen nicht. Vielmehr haben alle Zeugen eine künstliche Befruchtung bestätigt, die Kindesmutter hat Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann während der gesetzlichen Empfängniszeit verneint und der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung erklärt, es sei medizinisch festgestellt, dass er zeugungsunfähig ist.
c)
Die Befruchtung erfolgte auch mit Einverständnis des Klägers.
Dies hat schon das Amtsgericht festgestellt. Zwar lagen zunächst konkrete Anhaltspunkte vor, die Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellung begründeten und die eine erneute Feststellung gebieten. Die Zeugin E, die ein Einverständnis des Klägers in die künstliche Befruchtung in erster Instanz bestätigt hat, worauf sich u.a. die Entscheidungsgründe des Amtgerichts stützen, hat ihre Aussage entsprechend ihrer zuvor abgegebenen eidesstattlichen Versicherung im Berufungsverfahren bei erneuter Vernehmung dahin geändert, dass der Kläger von dem - zweiten - Befruchtungsvorgang nichts gewusst habe und vorher auch kein allgemeines Einverständnis abgegeben habe.
Die erneute Feststellung führt aber zu keinem anderen Ergebnis. Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger bei der künstlichen Befruchtung in der Wohnung war, in der sich das Geschehen ereignet hat, von dem Vorgang wusste und mit ihm einverstanden war.
Dies haben die Zeugen T und L, die Kindesmutter, glaubhaft bestätigt. Sie haben das Geschehen detailreich und ausführlich geschildert. Kleinere Abweichungen ihrer Aussagen im Randgeschehen sind ohne weiteres durch Gedächtnismängel zu erklären und lassen darauf schließen, dass die beiden Zeugen ihre Aussagen nicht zuvor untereinander abgesprochen haben.
Der Senat glaubt ihnen und nicht der Zeugin E, die ausgesagt hat, der Kläger habe von dem zur Schwangerschaft führenden Ereignis nichts gewusst und sei auch nicht dabei gewesen.
Während die Zeugen T und L ihre Angaben, die sie in erster Instanz gemacht haben, glaubhaft bestätigt haben, hat die Zeugin E im Berufungsverfahren das Gegenteil von dem ausgesagt, was sie beim Amtsgericht bekundet hat. Dort hat sie ausgesagt, der Kläger sei bei dem zweiten Versuch dabei gewesen, und habe sich mit ihr zusammen im Wohnzimmer aufgehalten, während Frau L allein im Schlafzimmer gewesen sei, um sich die Spritze einzuführen. Nunmehr hat sie erklärt, der Kläger sei weder dabei gewesen, noch habe er etwas davon gewusst.
Eine plausible Erklärung für diesen Wandel ihrer Erinnerung konnte sie nicht geben. Ihre Angabe, sie habe sich beim Amtsgericht "keine Gedanken gemacht", ist nicht nachvollziehbar, da es nicht möglich ist, eine Zeugenaussage zu machen, ohne zu denken. Sie hat keinerlei Umstände genannt, die eine - theoretisch ohne weiteres mögliche - Änderung ihrer Erinnerung veranlasst haben könnten und nicht einmal angegeben, wann und wo ihr eingefallen sein will, dass das Geschehen ganz anders gewesen sei als sie es zunächst geschildert hatte. Auch ihre Erklärung, sie habe den ersten mit zweiten Versuch beim Amtsgericht verwechselt, kann nicht überzeugen, da sie beim Amtsgericht auch nicht angegeben hat, der erste Versuch habe ohne den Kläger statt gefunden.
d)
Zwar ist die künstliche Befruchtung nicht unter Zuhilfenahme ärztlicher Assistenz erfolgt. Vielmehr hat sich die Kindesmutter das Sperma des Zeugen T, das dieser ihr in einem Glasgefäß übergeben hat, nachdem er sich auf der Toilette selbst befriedigt und dabei ejakuliert hatte, mittels einer Spritze aus dem Kinderarztkoffer ihrer Nichte selbst eingeführt. Auch dies ist vom Amtsgericht festgestellt und von den Zeugen bestätigt worden.
Unter künstlicher Befruchtung i.S. d. § 1600 Abs. 4 BGB sind jedoch nicht nur Methoden zu verstehen, die nach standesrechtlich geordneten medizinischen Techniken erfolgen, sondern alle, die technische Mittel zu Hilfe nehmen, und dies auch bei einer Selbstvornahme wie hier, da der Schutzzweck des KindRVerbG auch bei einem Verstoß gegen den Arztvorbehalt des § 9 ESchG gilt (Staudinger/Rauscher, BGB (2004), § 1600 Rdnr. 77; a.A. Wanitzek FamRZ 2003, 730 [732]; wohl auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, 5. Aufl., § 52 Rdnr. 108).
Die Einwilligung des Klägers ist auch nicht wegen des Verstoßes gegen den Arztvorbehalt des § 9 ESchG bei einer künstlichen Befruchtung entsprechend § 134 BGB unwirksam. Eine Unwirksamkeit in diesen Fällen entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers (BT-Drs. 14/2096, 7; Staudinger/Rauscher, a.a.O. § 1600 Rdnr. 86).
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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