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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 06.01.2009
Aktenzeichen: 9 W 57/08
Rechtsgebiete: ZPO, StVG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 67
ZPO § 114
StVG § 7
StVG § 17
BGB § 823 Abs. 1
Wird neben dem Haftpflichtversicherer der mitversicherte Fahrer eines Kraftfahrzeuges aus einem angeblichen Unfallgeschehen auf Schadensersatz in Anspruch genommen und ist der Haftpflichtversicherer dem Fahrer als Streithelfer beigetreten, hat der beklagte Fahrer keinen Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe zur Rechtsverteidigung, auch wenn der Haftpflichtversicherer zugleich als Streithelfer eine Unfallmanipulation behauptet und der beklagte Fahrer den vom Kläger dargestellten Unfallverlauf bestätigt.
Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts Essen vom 22. September 2008 - nicht abgeholfen durch Beschluss vom 28. Oktober 2008 - wird zurückgewiesen.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beklagte zu 1); außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Beklagte zu 1) begehrt Prozesskostenhilfe (PKH) für die Rechtsvertretung im Rahmen einer gegen ihn gerichteten Klage, mit der er neben der zweitbeklagten Haftpflichtversicherung als Gesamtschuldner auf Schadensersatz aus einem angeblichen Verkehrsunfall vom 21.1.2008 gegen 14:37 Uhr in F auf der B-Straße in Anspruch genommen wird.

Der Beklagte zu 1) soll mit einem Mercedes Kastenwagen - möglicherweise weil er nicht auf den Gegenverkehr geachtet hat - mehrere am rechten Straßenrand geparkte PKW gerammt und beschädigt haben, darunter einen Porsche Boxter, einen Mercedes A170 und den Mercedes S 500 L des Klägers.

Der Kläger verlangt netto Reparaturkosten in Höhe von 21.209,34 Euro und Ersatz einer Wertminderung von 1.800,- Euro. Darüber hinaus macht er eine Nutzungsentschädigung von 14 Tagen mit insgesamt 1.360,- Euro sowie eine Unkostenpauschale von 25,- Euro geltend. Die Gutachterkosten von 1.499,94 Euro seien wegen der Abtretung an das Ingenieurbüro y zu zahlen.

Die Beklagte zu 2), die dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten zu 1) als Streithelferin beigetreten ist, hat Klageabweisungsantrag angekündigt.

Sie behauptet, der Kläger habe in den Unfall eingewilligt bzw. der Schaden sei bewusst von ihm herbeigeführt worden. Indizien dafür ergäben sich aus den Unfallörtlichkeiten, dem Schadensbild und dem Kollisionsverlauf, bei dem der Mercedes Sprinter zunächst gegen den Porsche und dann erneut gegen den Mercedes des Klägers gelenkt worden sein müsse. Der Schaden werde auch der Höhe nach bestritten.

Der Beklagte zu 1) hat zwar Verteidigungsbereitschaft angezeigt, er könne aber keine Klageabweisung beantragen. Denn der Unfall habe sich so zugetragen, wie von dem Kläger behauptet. Er benötige dennoch eine Vertretung durch einen zugelassenen Rechtsanwalt, weil beim Landgericht Anwaltszwang herrsche und er durch die Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) nicht ordnungsgemäß vertreten werden könne.

II.

Das Landgericht hat zu Recht dem Beklagten zu 1) PKH verweigert. PKH kann nur dann bewilligt werden, wenn die Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, § 114 ZPO. Das ist nicht der Fall. Der Beklagte zu 1) hat selbst auch keine Verteidigung gegen die Klage in dem Sinne angekündigt, dass er wenigstens teilweise die Abweisung der Klage beantragen wird.

Der Beklagte zu 1) stellt sich im Gegenteil auf den Standpunkt, dass die Einwendungen der Beklagten zu 2) nicht zuträfen und keine Unfallmanipulation vorgelegen habe. Einwendungen zur Höhe der Klageforderung hat der Beklagte zu 1) ebenfalls nicht dargelegt. Für die Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung kommt es auf das Prozessrechtsverhältnis zur gegnerischen Partei des Rechtsstreits an. Ob sich der Beklagte zu 1) erfolgreich gegen die Vorwürfe der Beklagten zu 2) verteidigen kann, ist für die Gewährung von PKH nach § 114 ZPO nicht maßgeblich.

Die "Rechtsverteidigung" des Beklagten zu 1) wird auch nicht deshalb erfolgreich sein, weil die Klage bereits mangels Schlüssigkeit abweisungsreif wäre. Der Vortrag des Klägers ist vielmehr zur Begründung der geltend gemachten Ansprüche ausreichend, so dass es eines erheblichen Einwandes des Beklagten zu 1) bedurft hätte.

Ein Rechtsschutzbedürfnis, sich gegen den strafrechtlich relevanten Vorwurf der Beklagten zu 2) zur Wehr zu setzen, reicht für die Bewilligung von PKH nicht aus. Nach § 114 ZPO kommt es allein auf die Erfolgsaussichten der Rechtsverteidigung gegen den Klageantrag an (vgl. KG NZV 2008, 520; OLG Frankfurt VersR 2005, 1550). PKH soll den Bedürftigen dazu in die Lage versetzten, den Prozess zu gewinnen, nicht ihn zu verlieren. Der Senat sieht kein Bedürfnis, den Anwendungsbereich der §§ 114 ff. ZPO dahingehend zu erweitern, dass PKH bereits dann zu bewilligen ist, wenn ein über den Rechtsstreit hinaus gehendes Interesse zur Wahrnehmung der persönlichen Belange im Hinblick auf eine strafrechtliche Relevanz seines Verhaltens besteht (so für den Fall, dass der dortige Beklagte die Unfallmanipulation gestanden hat: OLG Köln, VersR 1997, 597).

Es mag zwar zutreffen, dass die Interessen der beiden Beklagten nicht gleichgerichtet, sondern gerade bei der Frage, ob der Unfall vorsätzlich durch den Beklagten zu 1) herbeigeführt worden ist, nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. Die prozessualen Auswirkungen dieses Interessenkonfliktes sind in § 67 ZPO geregelt. Der Streithelfer kann danach die Hauptpartei nicht vertreten und sich über einen entgegenstehenden Willen der Hauptpartei nicht hinwegsetzen. Selbst wenn der Beklagte zu 1) ohne anwaltliche Vertretung gehindert wäre, seinen entgegenstehenden Willen im Prozess zu äußern, droht ihm aber dadurch kein Nachteil. Denn er hat nicht geltend gemacht, dass eine Verurteilung in diesem Rechtsstreit zu Unrecht erfolgen würde. Jede andere Entscheidung begünstigt ihn.

Es ist darüber hinaus nicht ersichtlich, dass der Beklagte zu 1) zur Wahrnehmung seiner Interessen der Beiordnung eines Rechtsanwaltes bedürfte. Er kann sich auch dann, wenn er nicht anwaltlich vertreten ist, jederzeit über den Stand des Verfahrens unterrichten und Akteneinsicht auf der Geschäftsstelle des Gerichts nehmen (§ 299 ZPO). Einem Interessenskonflikt bei einer möglichen Parteivernehmung ist ausreichend dadurch Rechnung getragen, dass der Partei die Aussage freigestellt ist. Darüber wird die Partei vor der Vernehmung durch das Gericht belehrt. Der Beklagte zu 1) befände sich in einer ähnlichen, wegen der grundsätzlichen Zeugnispflicht noch weiter gehenden Konfliktsituation, wenn er nicht mit verklagt worden wäre, sondern als Zeuge aussagen müsste.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 127 Abs. 4 ZPO, 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1811 KV.

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