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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 10.06.1999
Aktenzeichen: 1 U 91/98
Rechtsgebiete: BGB


Vorschriften:

BGB § 607
BGB § 1372
"Zinslose Darlehen" als ehebedingte Zuwendungen

BGB §§ 607, 1372

1. Die Zahlungen eines Ehegatten auf das Konto des gemeinsam geführten Betriebes können auch dann als nicht rückzahlbare ehebedingte Zuwendungen gewertet werden, wenn sie in den steuerlichen Bilanzen als zinslose Darlehen bezeichnet worden sind.

2. Das Scheitern der Ehe allein genügt für den Anspruch auf Rückzahlung ehebedingter Zuwendungen unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nicht.

- 1 U 91/98 - Urteil vom 10.06.1999 - rechtskräftig.


OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

1 U 91/98 15 O 50/97 LG Köln

Anlage zum Protokoll vom 10.06.1999

Verkündet am 10.06.1999

als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts Pillmann, die Richterin am Oberlandesgericht Mayen und den Richter am Oberlandesgericht Schmitz-Justen auf die mündliche Verhandlung vom 22.04.1999

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Beklagten und unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 06.08.1998 - 15 O 50/97 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 8.000,-- DM abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung angeblich gewährter Darlehen in Anspruch.

Die Parteien sind geschiedene Eheleute. Der Beklagte betreibt ein Bestattungsunternehmen, in dem die Klägerin bis Anfang des Jahres 1997 als kaufmännische Angestellte allein verantwortlich die Buchhaltung führte. Zu ihren Aufgaben zählte insbesondere auch die Vorbereitung der steuerlichen Jahresbilanzen und die Information der jeweiligen Steuerberater.

In den Kontoblättern und Bilanzen des Bestattungsunternehmens wurde von den Steuerberatern entsprechend den Angaben der Klägerin eine Position "kurzfristige Darlehen I.L." geführt. Ob und inwieweit diesen Buchungen Zahlungen der Klägerin zugrunde lagen und inwieweit es zu Rückzahlungen gekommen ist, ist zwischen den Parteien im Einzelnen streitig.

Die Klägerin hat insbesondere behauptet, nach der Beleihung ihrer Lebensversicherung bei der C. in Höhe von 14.700,-- DM im Jahre 1987 und der Auszahlung dieses Betrages an das Unternehmen des Beklagten sei entsprechend einer Absprache mit dem Beklagten im Jahre 1989 der ausgezahlte Betrag in die Bilanzen als Darlehen eingebucht worden. Sie behauptet, insgesamt stünden ihr aus über die Jahre hingegebenen Darlehen Forderungen in Höhe von insgesamt 100.600,-- DM gegen den Beklagten zu.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30.06.1992 hat sie die Kündigung dieser Darlehen erklärt.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an sie 100.600,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 01.07.1992 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts gerügt. Er hat die Auffassung vertreten, das Familiengericht sei zuständig, da es sich bei den Geldbeträgen um ehebedingte Zuwendungen gehandelt habe. Die Zuwendungen seien lediglich aus steuerlichen Gründen als Darlehen bezeichnet worden.

Durch das am 13.08.1998 zugestellte Urteil vom 06.08.1998 hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, 85.900,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.09.1997 an die Klägerin zu zahlen. Im Übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei den gewährten Geldbeträgen handele es sich um Darlehen. Dies ergebe sich daraus, dass sie als solche verbucht worden seien. Der Beklagte sei als alleiniger Geschäftsinhaber verpflichtet gewesen, seine Bilanzen zu kontrollieren. Seine Behauptung, die Verbuchungen der familieninternen Zahlungen als Darlehen sei nur aus steuerlichen Gründen geschehen, sei nicht nachvollziehbar. Das behauptete Darlehen in Höhe von weiteren 14.700,-- DM (Police-Darlehen) habe die Klägerin nicht substantiiert vorgetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Urteil (Blatt 206 ff. d. A.) Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich die am 14.09.1998 eingelegte und - nachdem die Berufungsbegründungsfrist antragsgemäß um einen Monat verlängert worden ist - mittels eines am 16.11.1998 beim Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatzes begründete Berufung des Beklagten, sowie die am 28.12.1998 eingelegte Anschlussberufung der Klägerin.

Der Beklagte beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere 14.700,-- DM nebst 4 % Zinsen seit dem 19.09.1997 zu zahlen

sowie

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Parteien vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen im Berufungsrechtszug. Wegen der Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 12.11.1998 sowie die Anschlussberufung und Berufungserwiderung vom 28.12.1998 Bezug genommen.

Der Senat hat gemäß Beschluss vom 18.02.1999 (Blatt 290 d. A.) Beweis erhoben über die Frage, welchen Hintergrund die in den Bilanzen des Bestattungsunternehmens des Beklagten ausgewiesenen kurzfristigen Darlehen der Klägerin hatten, durch Vernehmung der Zeugen H., Hö. und K.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 22.04.1999 (Blatt 327 d. A.).

Entscheidungsgründe:

Die in förmlicher Hinsicht unbedenkliche Berufung hat in der Sache Erfolg. Die zulässige Anschlussberufung war als unbegründet zurückzuweisen.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Darlehensansprüche gemäß § 607 Abs. 1 BGB nicht zu. Voraussetzung für das Bestehen einer Darlehensverbindlichkeit wäre, dass zwischen den Parteien bezüglich der jeweils von der Klägerin behaupteten einzelnen Zahlungen Darlehensverträge zustande gekommen sind. Die Parteien müssten also, als die streitigen Zahlungen und anschließenden Buchungen vorgenommen worden sind, einig gewesen sein, der Beklagte solle das Geld nur für bestimmte oder unbestimmte Zeit behalten dürfen und müsse es danach an die Klägerin zurückzahlen. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme zu dem Hintergrund der von der Klägerin behaupteten Zahlungen vermochte der Senat nicht die Überzeugung zu gewinnen, dass solche Vereinbarungen zwischen den Parteien getroffen wurden.

Zuwendungen unter Ehegatten liegt nach ständiger Rechtsprechung (BGH FamRZ 93, 1297 (1298); BGH NJW-RR 90, 386 (387); OLG Düsseldorf, OLGR 1995, 214; OLG Celle OLGR 1995, 91; OLG Hamm OLGR 1993, 173) nämlich in der Regel die Vorstellung und Erwartung zugrunde, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben wird und die Zahlungen damit der Ehe dienen und Teil der gemeinsamen Vorstellung über die Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft sind. Damit haben derartige Zahlungen grundsätzlich keinen rechtsgeschäftlichen Charakter im Sinne eines Darlehens oder einer Schenkung.

Die Rechtsprechung hat sogar wiederholt Zahlungen innerhalb der Ehe als ehebedingte Zuwendungen angesehen, wenn sie tatsächlich als "Darlehen" (OLG Hamm OLGR 1993, 173) oder Schenkung deklariert waren (BGH NJW-RR 90, 386 (387); FamRZ 93, 1297 (1298); OLG Düsseldorf OLGR 1995, 214). Die Parteien waren sich in diesen Fällen der rechtlichen Besonderheiten ehebedingter Zuwendungen nicht bewußt.

Dies schließt die Annahme - unzweifelhaft zulässiger - rechtsgeschäftlicher Verträge unter Ehegatten zwar nicht aus. Bei der Auslegung des Parteiverhaltens ist jedoch im Rahmen einer bestehende Ehe immer sehr sorgfältig zu prüfen, ob nicht die Förderung der ehelichen Lebensgemeinschaft so sehr das Geschehen prägt, dass die Deklarierung des Vorgangs als ein bestimmtes Rechtsgeschäft dahinter zurückzutreten hat. Aus den auf ein Darlehen hindeutenden Buchungen in den Bilanzen allein läßt sich im vorliegenden Fall kein für die Überzeugungsbildung ausreichender Schluß auf den Rechtscharakter der zugrundeliegenden familieninternen Zahlungsvorgänge ziehen, da offen bleibt, ob den Parteien klar war, welche rechtlichen Konsequenzen sich an die Bezeichnung in den für das Finanzamt bestimmten Bilanzen knüpfen. Es sprechen vielmehr zahlreiche Gesichtspunkte dagegen, dass beide Parteien übereinstimmend die Zahlungen der Klägerin in das Familienunternehmen, dass auch ihren Lebensunterhalt sicherte, als Darlehen im rechtsgeschäftlichen Sinne begriffen haben. Entgegen der erstinstanzlich von der Klägerin vertretenen Auffassung spricht gerade der Umstand, dass über lange Jahre, nämlich seit 1976 bis 1996, "Darlehen" der Klägerin in die Bilanzen des Bestattungsunternehmens eingestellt wurden und sich seitdem keine geordnete Rückzahlung der über Jahrzehnte hin aufgenommenen "Darlehensverbindlichkeiten" feststellen lässt, für die Annahme grundsätzlich nicht rückzahlbarer ehebedingter Zuwendungen. Auf die Idee, entgegen der jahrelangen faktischen Handhabung den Rückzahlungsanspruch geltend zu machen, ist die Beklagte vielmehr erst nach der Trennung der Parteien gekommen. Dieser äußere Ablauf spricht dafür, dass die Gelder der Ehe willen gezahlt waren und zunächst nicht beabsichtigt war, sie während der Ehe zurückzufordern. Trotz der beachtlichen Beträge wurde demgemäß niemals eine schriftliche Vereinbarung zwischen den Ehepartnern geschlossen.

Für einen ehelichen und eben nicht rechtsgeschäftlichen Hintergrund der Zahlungen spricht insbesondere auch, dass das Beerdigungsunternehmen von den Eheleuten arbeitsteilig betrieben wurde. Während dem Beklagten unstreitig die Durchführung der Beerdigungen oblag, übernahm die Klägerin als gelernte Bankkauffrau die Buchhaltung, um die sich der Beklagte nach ihren eigenen Angaben nie sonderlich gekümmert hat. Bezeichnenderweise spricht die Klägerin auch wiederholt davon, dass Beerdigungsgeschäft gemeinsam erworben und betrieben zu haben (etwa Blatt 216 d. A.).

Auf dieser Linie liegt auch ihr Vorbringen zu den diversen Abhebungen von dem Firmenkonto, auf das die "Darlehen" geflossen sind. Die von ihr als "Privatentnahmen" deklarierten Abhebungen dienten überwiegend der Begleichung üblicherweise dem Unterhalt der Familie dienender Verbindlichkeiten (Tennisclub, Zeitungsabonnement pp. (Blatt 118 d. A.)). Betriebliche Ausgaben und eheliche Kosten wurden nach ihrem eigenen Vorbringen aus einem Topf, in den gegebenenfalls zugeschossen werden musste, beglichen. Auch diese Vermischung der betrieblichen und familiären Zahlungsströme deutet einerseits auf einen ehebedingten Zweck der "Darlehenszahlungen" und andererseits auf eine buchungstechnisch motivierte Bezeichnung von Einzahlungen als Darlehen hin.

Soweit das Landgericht den Darlehenscharakter u. a. damit begründet hat, dass die Klägerin auf einen Teil des Rückzahlungsanspruchs "verzichtet" hatte, vermag auch dies nicht zu überzeugen. Dieser Verzicht spielte sich nämlich ebenfalls nur in den Buchhaltungsunterlagen ab und hatte im Verhältnis der Parteien wirtschaftlich schon deshalb keine praktische Bedeutung, da eine geordnete Rückzahlung der zinslosen Darlehen seit Jahrzehnten nicht stattfand.

Vor diesem Hintergrund war das Ergebnis der Beweisaufnahme nicht geeignet, die Überzeugung zu begründen, die Parteien hätten sich vor jeder der behaupteten Zahlungen rechtsgeschäftlich auf einen Darlehenscharakter geeinigt. Keiner der vernommenen Zeugen konnte die diesbezüglichen Behauptungen der Klägerin bestätigen. Die Zeugen Hö. und H. haben übereinstimmend nur bekunden können, dass sie die sehr sorgfältig von der Klägerin zusammengestellten Unterlagen ohne inhaltliche Prüfung für die Bilanzierung verwand haben. Von den Absprachen der Parteien und dem Hintergrund der in den von der Klägerin vorgelegten Unterlagen genannten Buchungsposten "zinslose Darlehen" war ihnen nichts bekannt. Vor diesem Hintergrund haben beide Zeugen, nachdem ihnen das Rechtsinstitut der unbenannten Zuwendung erläutert worden ist, angegeben, dass es durchaus möglich sei, die als Darlehen gebuchten Beträge rechtlich als unbenannte Zuwendung einzuordnen. Auch der Zeuge K. vermochte zu der Frage, welche Absprachen unter den Parteien getroffen worden sind, nichts zu sagen. Er war als Bruder der Klägerin lediglich allgemein über die wirtschaftliche Situation des Bestattungsunternehmens unterrichtet worden und hatte in den Gesprächen mit seiner Schwester Vorschläge gemacht, wie sie Geld in das Unternehmen des Beklagten einbringen könne. Ob und inwieweit diese Vorschläge in Vereinbarungen mit dem Beklagten eingemündet sind, die zu Darlehensvereinbarungen im rechtsgeschäftlichen Sinne führten, ergibt sich aus der Aussage des Zeugen nicht.

Die Klägerin ist nach alledem für den von ihr behaupteten Darlehenscharakter der Zahlungen beweisfällig geblieben. Für andere vertragliche Ansprüche ist nichts ersichtlich.

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch rechtfertigt sich auch nicht nach den Regeln des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. Danach können unter besonderen Voraussetzungen die zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft gemachten Zuwendungen zurückgefordert werden, wenn der mit ihnen verfolgte Zweck der Stärkung der ehelichen Gemeinschaft durch das Scheitern der Ehe fortgefallen ist (BGH FamRZ 91, 948 (949); 89, 599). Das Scheitern der Ehe allein genügt für das Entstehen dieses Anspruchs jedoch nicht. Es ist darüber hinaus erforderlich, daß die Beibehaltung der mit den Zuwendungen bewirkten Vermögensverhältnisse nach Treu und Glauben dem geschiedenen Ehegatten nicht zugemutet werden kann. Bei dieser Wertung sind neben der Dauer der Ehe bis zur Trennung der Parteien auch die übrigen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu berücksichtigen (BGH FamRZ 91, 948 (949)). Bei einer Gesamtbetrachtung der insofern maßgeblichen Verhältnisse kann im vorliegenden Fall eine besondere, einen Ausgleich außerhalb des Zugewinnausgleichsverfahrens gebietende Unbilligkeit nicht angenommen werden. Die Parteien waren seit 1977 verheiratet. Die von der Klägerin für das Beerdigungsunternehmen geleisteten Zahlungen sind auch ihr jedenfalls mittelbar zugute gekommen, indem aus den Erträgen des Unternehmens, dessen Bestand mit den Zahlungen gefördert werden sollte, der Unterhalt der Familie und ihr Einkommen als Buchhalterin sichergestellt wurde. Vor diesem Hintergrund halten sich die von ihr behaupteten Zuwendungen für die Zeit von 1976 bis 1996 in einem Rahmen, der für eine langjährige Ehe, deren wirtschaftliche Grundlage in dem Familienunternehmen lag, nicht ungewöhnlich ist und nach Treu und Glauben keinen Ausgleich gebietet.

Nach alledem war die Klage abzuweisen und die Anschlussberufung als unbegründet zurückzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren und Beschwer für die Klägerin: 100.600,-- DM



Ende der Entscheidung

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