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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 22.09.1999
Aktenzeichen: 13 U 47/99
Rechtsgebiete: SGB V, GWB, BGB


Vorschriften:

SGB V § 103
SGB V § 103 Abs. 4 Satz 3
SGB V § 103 Abs. 6 Satz 1
SGB V § 103 Abs. 6 Satz 2
GWB § 1
BGB § 341 Abs. 3
BGB § 138 Abs. 1
BGB § 359
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

13 U 47/99 10 O 239/97 (LG Aachen)

Anlage zum Protokoll vom 22. September 1999

Verkündet am 22. September 1999

Hilgers, JHS als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

In dem Berufungsrechtsstreit

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 8. September 1999 unter Mitwirkung des Richters am Oberlandesgericht Hentschel, der Richterin am Oberlandesgericht Scholz und der Richterin am Amtsgericht Wagner

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. Februar 1999 - 10 O 239/97 - wird zurückgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten der Berufung zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger dürfen die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 25.000,00 DM abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Sicherheit kann auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft eines im Bundesgebiet ansässigen, als Zoll- und Steuerbürge zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.

Tatbestand

Die Kläger betreiben als Ärzte für Radiologie in D. (K.straße) eine Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Sie erbringen dort Leistungen sowohl in der konventionellen Röntgendiagnostik als auch in der Computertomographie. Da sie ihre Praxis auch um kernspintomographische Untersuchungen erweitern wollten, kam es im Jahre 1994 zu ersten Kontakten mit dem Beklagten, einem Facharzt für diagnostische Radiologie, der über die persönlichen Voraussetzungen für die Erbringung und Abrechnung kernspintomographischer Leistungen verfügt und an einem Vertragsarztsitz in dem wegen Überversorgung den Zulassungsbeschränkungen des § 103 SGB V unterliegenden Planungsbereich D. interessiert war.

Am 16.12.1994 trafen die Kläger mit dem in D. (M.straße) eine nuklearmedizinische Einzelpraxis betreibenden Herrn Dr. S. eine Kooperationsvereinbarung im Hinblick auf die Neubesetzung des frei werdenden Vertragsarztsitzes des Arztes für Radiologie Dr. J., der altersbedingt seine Einzelpraxis in D. (W.straße) aufgab, sowie unter gleichem Datum einen Vertrag über eine Apparategemeinschaft zur gemeinsamen Nutzung eines für den Standort K.straße erstrebten Kernspintomographen (Anlagen 3 und 4 zum Schriftsatz vom 17.10.1996, Bl. 137 ff. der Beiakte). Im Hinblick auf den freiwerdenden Vertragsarztsitz hatten sich Herr Dr. S. und Herr Dr. J. mit Vertrag vom 26.09.1994 (Bl. 10 ff. der Beiakte) zur Ausübung einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis mit Sitz in der M.straße zusammengeschlossen, wobei die Praxis W.straße vorübergehend als ausgelagerter Praxisteil für die radiologischen Untersuchungen weitergenutzt werden sollte. Beim Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis sollte Herr Dr. J. verpflichtet sein, auf seine Zulassung zu Gunsten der Gemeinschaftspraxis zu verzichten (§ 28 jenes Vertrages). Nachfolger auf den freiwerdenden Vertragsarztsitz sollte der Beklagte werden. Dieser sollte nach Bestandskraft seiner Zulassung auf den Vertragsarztsitz von Herrn Dr. J. seine Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis mit Herrn Dr. S. sofort beenden, seinen Vertragsarztsitz in die Gemeinschaftspraxis der Kläger verlegen und in die Apparategemeinschaft eintreten.

Zum 01.01.1995 schied Herr Dr. J. aus der Gemeinschaftspraxis mit Herrn Dr. S. aus. Am 14.02.1995 trafen die Parteien eine - auch von Herrn Dr. S. mitunterzeichnete - handschriftliche Vereinbarung, die für den Fall, daß der Zulassungsausschuß den freiwerdenden Vertragsarztsitz von Herrn Dr. J. an den Beklagten vergeben würde, die Modalitäten eines "Einstiegs" des Beklagten in die Gemeinschaftspraxis der Kläger regelte (Bl. 11-13 GA). Bis zum 31.12.1996 sollte der Beklagte dort als Mitarbeiter auf Honorarbasis tätig sein, ab dem 01.01.1997 als Teilhaber der Gemeinschaftspraxis. In Ziffer 6. der von den Klägern vorbereiteten Vereinbarung vom 14.02.1995 heißt es:

"Sollte es wider Erwarten zu unvorhersehbaren persönlichen oder fachlichen Schwierigkeiten kommen, die eine solche Partnerschaft unmöglich machen oder ihr zumindest ernsthaft entgegenstehen, so wird unter folgenden Bedingungen ein Kündigungsrecht bis zum 31.12.96 vereinbart:

a) Die Kündigung muß mindestens 9 Monate vor diesem Stichtag erfolgen, schriftlich ausgesprochen werden und begründet sein. Die Kündigung kann nur aus wichtigem Grund erfolgen.

b) Falls die Frist von 9 Monaten nicht eingehalten wird, haftet der kündigende Teil für die finanziellen Schäden.

c) Herr Dr. M. gibt seinen Kassenarztsitz in D. bei einem Ausscheiden frei, damit dieser durch einen Nachfolger in der Gemeinschaftspraxis unmittelbar wieder besetzt werden kann. Bei Zuwiderhandlung wird eine pauschale Entschädigung von 500.000 DM vereinbart.

d) Herr Dr. M. wird nach Kündigung keine vertragsärztliche radiologische Tätigkeit im Bereich des Zulassungsbezirks aufnehmen."

Nach Anhörung von Herrn Dr. S. bestimmte der Zulassungsausschuß Aachen in der Sitzung vom 15.02.1995 den Beklagten zum Nachfolger für den Vertragsarztsitz von Herrn Dr. J.. Mit weiterem Beschluß des Zulassungsausschusses vom 26.04.1995 wurde der Beklagte vorbehaltlich der Entscheidung des Berufungsausschusses über den Widerspruch eines Mitbewerbers zum 01.05.1995 als Nachfolger für den Vertragsarztsitz des Herrn Dr. J. zur vertragsärztlichen Tätigkeit zugelassen. Anfang Mai 1995 nahm der Beklagte zunächst als Sicherstellungsassistent für Herrn Dr. J. seine Tätigkeit in der Praxis W.straße auf und setzte sie nach Wirksamwerden seiner Zulassung (der Widerspruch des Mitbewerbers wurde am 22.06.1995 zurückgewiesen) dort ab 01.07.1995 im eigenen Namen und auf eigene Rechnung fort. Nachdem der Großgeräteausschuß Rheinland in seiner Sitzung vom 11.07.1995 das Krankenhaus D.-L. zum Standort für den Kernspintomographen bestimmt hatte und die Zulassung des Beklagten als Nachfolger auf den Vertragsarztsitz des Herrn Dr. J. bestandskräftig geworden war, kündigte der Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 22.08.1995 die mit den Klägern getroffene Vereinbarung vom 14.02.1995 auf.

Nach gescheiterten Einigungsbemühungen forderten die Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 15.12.1995 vergeblich auf, die vereinbarte Vertragsstrafe in Höhe von 500.000,00 DM zu zahlen. Herr Dr. S. nahm seinerseits den Beklagten auf Ersatz der Abfindung von 380.000,00 DM, die er an Herrn Dr. J. als Ausgleich für dessen radiologische Vertragsarztpraxis W.straße gezahlt habe, sowie auf Aufwendungsersatz in Anspruch. Dieser Rechtsstreit (10 O 409/96 LG Aachen) ist durch einen am 23.09.1998 abgeschlossenen Prozeßvergleich, durch den sich der Beklagte zur Zahlung von 300.000,00 DM an Herrn Dr. S. verpflichtet hat, beendet worden.

Mit Urteil vom 23.02.1999, auf das Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage, mit der die Kläger den Beklagten auf Zahlung einer Vertragsstrafe von 500.000,00 DM nebst 4% Zinsen seit dem 16.01.1996 in Anspruch genommen haben, abgewiesen, weil die im Zusammenhang zu betrachtenden Klauseln unter 6 c) und d) der Vereinbarung vom 14.02.1995 als sittenwidrig i.S.d. § 138 BGB zu bewerten seien.

Mit ihrer Berufung stellen die Kläger das angefochtene Urteil zur Überprüfung. Die vereinbarte Strafe wegen Vertragsuntreue dürfe unter den konkreten Umständen nicht als sittenwidrig disqualifiziert werden. Schließlich seien es die Kläger gewesen, die in Zusammenarbeit mit Herrn Dr. S. dem Beklagten die Möglichkeit eröffnet hätten, den Vertragsarztsitz als Nachfolger von Herrn Dr. J. zu erhalten und in die etablierte Gemeinschaftspraxis der Kläger einzusteigen. Angesichts der erheblichen Vorleistungen der Kläger und ihres hohen Interesses, ihre Praxisgemeinschaft um einen Facharzt mit Vertragsarztsitz sowie mit der Qualifikation zur Erbringung und Abrechnung kernspintomographischer Leistungen zu erweitern, sei die Absicherung durch eine Vertragsstrafe nicht zu beanstanden. Der Beklagte werde auch durch die Höhe der vereinbarten Vertragsstrafe nicht unangemessen belastet, da er inzwischen mit seiner Einzelpraxis, in der er auch einen Kernspintomographen betreibt, einen höheren Umsatz habe als sie - die Kläger - gemeinsam.

Die Kläger beantragen,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, an sie DM 500.000,00 nebst 4% Zinsen seit dem 16.01.1996 zu zahlen,

2. hilfsweise, den Klägern die Befugnis einzuräumen, gegen Sicherheitsleistung die Zwangsvollstreckung abzuwenden und für die zu erbringende Sicherheitsleistung eine selbstschuldnerische Bürgschaft einer im Bundesgebiet tätigen Großbank oder eines öffentlich-rechtlichen Kreditinstituts stellen zu können.

Der Beklagte beantragt,

1. die Berufung zurückzuweisen,

2. ihm zu gestatten, Sicherheit auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank, öffentlichen Sparkasse oder Volksbank zu leisten.

Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Der Versuch der Kläger, eine Art "Ärztemonopol" im Zulassungsbezirk zu begründen, verstoße auch gegen § 1 GWB. Bei einer Besprechung vom 02.09.1995 hätten die Kläger seine Kündigung ausdrücklich akzeptiert, ohne sich die Geltendmachung einer Vertragsstrafe vorzubehalten. Damit sei die Beanspruchung einer "pauschalen Entschädigung" entsprechend § 341 Abs.3 BGB verwirkt. Im übrigen sei die Höhe der Vertragsstrafe auch 10-fach übersetzt.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf die in beiden Rechtszügen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die beigezogenen Akten des Rechtstreits Dr. S. ./. Dr. M. (10 O 409/96 LG Aachen = 13 U 8/97 OLG Köln), die Verhandlungsgegenstand waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die formell bedenkenfreie Berufung der Kläger bleibt erfolglos.

1. Beurteilt man - wie im angefochtenen Urteil geschehen - die Ziffern 6 c) und d) der Vereinbarung vom 14.02.1995 im Zusammenhang, dann kann kein Zweifel daran bestehen, daß dies zur Nichtigkeit der darin enthaltenen Verpflichtungen des Beklagten führt, seinen Vertragsarztsitz in D. für einen Nachfolger in der Gemeinschaftspraxis der Kläger freizugeben und keine vertragsärztliche radiologische Tätigkeit im Zulassungsbezirk aufzunehmen. Die letztgenannte Unterlassungsverpflichtung ist

* in zeitlicher Hinsicht, weil unbefristet,

* in räumlicher Hinsicht, weil den gesamten Zulassungsbezirk Aachen mit mehreren hundert Quadratkilometern Größe umfassend,

* und in sachlicher Hinsicht, weil selbst bei einer Kündigung aus wichtigem Grunde Geltung beanspruchend,

derart unangemessen, daß sie ohne die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Reduktion als sittenwidrig (§ 138 Abs.1 BGB) und damit nichtig anzusehen ist, wie die Berufungserwiderung in Ergänzung der Ausführungen des landgerichtlichen Urteils auf der Grundlage der angeführten Kautelarrechtsprechung zutreffend aufzeigt (aus jüngster Zeit ferner OLG Stuttgart, OLGR 1998, 275 und - auch unter dem Gesichtspunkt des § 1 GWB - OLGR 1999, 151).

2. Die Vereinbarung einer "pauschalen Entschädigung" in Höhe von 500.000 DM bezieht sich allerdings nur auf die Verpflichtung unter Ziffer 6 c) der Vereinbarung vom 14.02.1995 zur Freigabe des Vertragsarztsitzes, "damit dieser durch einen Nachfolger in der Gemeinschaftspraxis unmittelbar wieder besetzt werden kann".

a) Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob es sich bei den für den Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung zu zahlenden 500.000 DM nicht um ein sog. Reu(e)geld (§ 359 BGB), hier als Kündigungsentschädigung, handelt. Darunter versteht man eine nicht geschuldete Vermögensleistung, die dem Vertragspartner ein einseitiges Loskommen vom Vertrag und den damit verbundenen Pflichten ermöglichen und dem Kündigungsgegner einen Ausgleich für die mit der vertraglich vorbehaltenen Kündigung verbundenen Nachteile schaffen soll. Die Zahlung der "pauschalen Entschädigung" ist hier indessen nicht Voraussetzung für die Ausübung eines vorbehaltenen Kündigungsrechts, sondern soll den Anspruch der Kläger auf Freigabe des Vertragsarztsitzes beim Ausscheiden des Beklagten aufgrund einer Kündigung, die gemäß Ziffer 6 a) nur aus wichtigem Grunde erfolgen durfte, sichern. Im übrigen verfällt auch ein Reuegeld weder, wenn ein gesetzlicher Kündigungsgrund besteht, noch bei einverständlicher Vertragsbeendigung.

b) Unabhängig davon, ob man die vereinbarte Entschädigungszahlung - wie der Wortlaut nahelegt - als pauschalierten Schadensersatz oder - wofür die einschneidenden Wirkungen der übernommenen Freigabeverpflichtung und eine an Treu und Glauben orientierte Betrachtungsweise sprechen - als ggf. herabsetzbare Vertragsstrafe ansieht, hängt die Wirksamkeit einer solchen Zahlungsverpflichtung davon ab, ob überhaupt eine Verpflichtung zur Freigabe des Vertragsarztsitzes wirksam vereinbart werden kann, wenn auch die umliegenden Planungsbereiche für Neuzulassungen gesperrt sind, wie dies hier unstreitig der Fall war und ist. Das wird man nicht schlechthin verneinen können.

aa) Die Zulassung eines Bewerbers als Vertragsarzt im überversorgten Gebiet setzt voraus, daß er bereit ist, die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger des bisherigen Vertragsarztes zu übernehmen bzw. in die Gemeinschaftspraxis, aus der der bisherige Vertragsarzt ausscheidet, einzutreten (§ 103 Abs.4 S.3, Abs.6 S.1 SGB V). Da die Vertragsarztzulassung indessen auch dann bestehen bleibt, wenn der Bewerber nach seiner Zulassung diese Absicht nicht verwirklicht, sondern sich anderweitig im Planungsbereich niederläßt, besteht ein schutzwürdiges Interesse des oder der verbliebenen Gesellschafter(s), die Aufnahme der Tätigkeit und den Verbleib des Bewerbers in der Gemeinschaftspraxis vertraglich abzusichern, und für den Fall, daß es zum Scheitern oder erst gar nicht zur Verwirklichung der "vorvertraglich" vereinbarten gesellschaftsvertraglichen Zusammenarbeit kommt, den Vertragsarztsitz für die Gemeinschaftspraxis zu erhalten. Ein solcher "Bestandsschutz" läßt sich durch zivilrechtliche Wettbewerbsverbote (in den von der Rechtsprechung zunehmend enger gezogenen Grenzen) nur unvollkommen erzielen (das OLG Stuttgart, OLGR 1999, 151, sieht allerdings nur diese Möglichkeit und billigt deshalb hinsichtlich der vertragsärztlichen Tätigkeit ein begrenztes nachvertragliches Wettbewerbsverbot sogar ohne besondere Vereinbarung als "vertragsimmanentes" Mittel des Bestandsschutzes zu).

bb) Es erscheint nicht von vornherein rechtlich unmöglich oder unzulässig, den vom verbleibenden Gemeinschafter auf einen solchen Vertragsarztsitz "vermittelten" Bewerber vertraglich zu verpflichten, bei seinem Ausscheiden den Vertragsarztsitz zugunsten der Gemeinschaftspraxis "freizugeben", um ihn dort mit einem Nachfolger zu besetzen.

Zwar sind die Zulassung als Vertragsarzt und der dem zugelassenen Vertragsarzt zugewiesene Vertragsarztsitz unveräußerliche Rechte, die als solche nicht übertragen werden können. Eine "Übertragung" des Vertragsarztsitzes kann daher nur durch einen Verzicht des Inhabers auf den Vertragsarztsitz und die Zuweisung dieses Vertragsarztsitzes an einen anderen Bewerber aufgrund einer Neuausschreibung erfolgen. Nach § 103 Abs.4 S.1 SGB V hat die Kassenärztliche Vereinigung auf Antrag des Vertragsarztes diesen Vertragsarztsitz unverzüglich auszuschreiben, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind, durch Verzicht endet. Diese Regelung gilt gemäß § 103 Abs.6 S.1 SGB V entsprechend, wenn die Zulassung eines Vertragsarztes endet, der die Praxis bisher mit einem oder mehreren Vertragsärzten gemeinschaftlich ausgeübt hat. Der/die verbleibende(n) Gesellschafter ist/sind daher berechtigt, den Antrag auf Neuausschreibung des Vertragsarztsitzes zu stellen, auf den der Ausscheidende verzichtet. In diesem Nachbesetzungsrecht kommt der wirtschaftliche Werterhalt der Gemeinschaftspraxis als gesetzlicher Schutzzweck zugunsten der verbliebenen Gemeinschafter ebenso zum Ausdruck wie in § 103 Abs.6 S.2 SGB V, wonach die Interessen des oder der in der Praxis verbleibenden Vertragsärzte bei der Bewerberauswahl angemessen zu berücksichtigen sind. Das Ziel der gesetzlichen Nachfolgeregelung in Abs.6, die Gemeinschaftspraxis fortzuführen, kommt ferner in der Grundvoraussetzung des entsprechend anzuwendenden Abs.4 S.3 (Nachfolgeabsicht) zum Ausdruck und führt dazu, daß auch das Ermessenskriterium "Eignung" in Satz 4 in dem Sinne zu verstehen ist, daß das Eignungsprofil des Bewerbers mit dem Anforderungsprofil der Praxis möglichst deckungsgleich sein soll (LSG NRW, MedR 1999, 237, 240 und MedR 1999, 333, 338).

Das LG Essen und das OLG Hamm (MedR 1998, 565) haben denn auch keine grundsätzlichen Bedenken gegen die Wirksamkeit einer vorvertraglichen Verpflichtung des Bewerbers erhoben, den zu einer (radiologischen) Gemeinschaftspraxis gehörenden Vertragsarztsitz wieder zur Ausschreibung freizugeben, falls ein endgültiger Vertrag nicht zustande kommen sollte (unklar Dahm, MedR 1998, 568 f., der meint, gesellschaftsrechtlich könne der ausscheidende Gesellschafter nicht zur Abgabe einer Verzichtserklärung gezwungen werden).

c) Hier liegen jedoch besondere Umstände vor, die Veranlassung zu einer anderen Beurteilung geben:

aa) Schon der Zusammenschluß zwischen dem Nuklearmediziner Dr. S. und dem Radiologen Dr. J. zu einer Gemeinschaftspraxis diente lediglich dazu, den Klägern und Herrn Dr. S. den Einfluß auf die Neubesetzung des Vertragsarztsitzes von Herrn Dr. J. zu sichern. Nach Bestandskraft seiner Zulassung sollte der Beklagte hiernach seine Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis mit Herrn Dr. S. sofort beenden, seinen Vertragsarztsitz in die Gemeinschaftspraxis der Kläger verlegen und in die Apparategemeinschaft (zur gemeinsamen Nutzung eines für den Standort der Kläger erstrebten Kernspintomographen) eintreten. Damit wird der gesetzgeberische Zweck der Nachfolgeregelung des § 103 Abs.6 SGB V, eine bestehende Gemeinschaftspraxis in ihrem bisherigen Zuschnitt fortzuführen, unterlaufen und die Absicht einer fortzusetzenden Gemeinschaftspraxis vorgespiegelt, die (sofern sie überhaupt je verwirklicht wurde) in Wirklichkeit nur dazu bestimmt war, alsbald aufgelöst zu werden, um den Vertragsarztsitz der bisherigen Praxis Dr. J. für die Gemeinschaftspraxis der Kläger zu vereinnahmen. Schon diese systematisch angelegte Manipulation zur Vereinnahmung eines anderweitigen Vertragsarztsitzes für die Gemeinschaftspraxis der Kläger verbietet es, dem Interesse der Kläger an einer Absicherung der "Übertragung" dieses Vertragsarztsitzes eine besondere Schutzwürdigkeit beizumessen (siehe auch LSG NRW, MedR 1999, 240 und 338: "§ 103 Abs.4 SGB V bezweckt nicht, daß Zulassungen zu einem Handelsgut verkommen, sondern will, daß die konkrete Praxis fortgeführt wird"). Von einem "Bestandsschutz" - wie bei einer Nachfolgeregelung für einen zur Gemeinschaftspraxis gehörenden Vertragsarztsitz - kann hier ohnehin keine Rede sein.

bb) Die Freigabeverpflichtung nach Ziffer 6 c) der Vereinbarung vom 14.02.1995 stellt bereits unabhängig von der Unterlassungsverpflichtung nach Ziffer 6 d) jener Vereinbarung ein einschneidendes Wettbewerbsverbot dar. Mit dem Verzicht auf den Vertragsarztsitz zugunsten eines Nachfolgers in der Gemeinschaftspraxis der Kläger wäre dem Beklagten eine vertragsärztliche radiologische Tätigkeit im gesperrten Planbereich allenfalls über ein späteres Auswahlverfahren möglich geworden, wenn in diesem Bereich ein weiterer Vertragsarztsitz seines Fachgebiets freigeworden wäre. Die Dauer, für die der Kläger hierdurch an einem Wettbewerb mit den Klägern als Vertragsarzt gehindert gewesen wäre, hätte aller Wahrscheinlichkeit nach schon die engen zeitlichen Grenzen für ein zulässiges vertragsärztliches Wettbewerbsverbot überstiegen (so billigt z.B. das OLG Stuttgart, OLGR 1999, 151 bei einem Ausscheiden nach fünfeinhalb Monaten nur ein halbjähriges Wettbewerbsverbot zu). Das gilt hier um so mehr, als der Beklagte bis zu seiner Kündigung für einen Zeitraum von allenfalls 4 Monaten nur stundenweise in der Praxis der Kläger tätig war (im übrigen versorgte er die Praxis W.straße). Das Druckmittel der "pauschalen Entschädigung" - sei es nun bei einem Verständnis als pauschalierter Schadensersatz oder als immerhin herabsetzbare Vertragsstrafe - unterstreicht angesichts der vereinbarten Höhe von 500.000 DM die Unangemessenheit dieses Wettbewerbsverbotes. Insoweit sei darauf verwiesen, daß nach ständiger Rechtsprechung des BGH (z.B. NJW 1968, 1717 und NJW-RR 1996, 741) ein den Verpflichteten übermäßig beschränkendes Wettbewerbsverbot auch darin liegen kann, daß ihm schwer erträgliche finanzielle Verpflichtungen auferlegt werden. Das gilt auch unter Berücksichtigung des Erfolgsrisikos einer gerichtlichen Herabsetzung der Vertragsstrafe.

cc) Der Senat hat den Beklagten im Urteil vom 23.07.1998 (13 U 8/97) dem Grunde nach für verpflichtet erklärt, Herrn Dr. S. den Verkehrswert der Praxis (bzw. des Praxisteils) W.straße (ehemals Dr. J.) zu ersetzen. Er hat dabei maßgeblich auf den wirtschaftlichen Zusammenhang von Praxiswert und Vertragsarztsitz abgestellt und hierzu unter anderem ausgeführt:

"Die rechtliche Selbständigkeit der öffentlichrechtlichen Regelung von Nachfolgezulassungen in sog. gesperrten Gebieten (§ 103 Abs.4 bis 6 SGB V) einerseits und der privatrechtlichen Gestaltung dieser Nachfolgeregelung andererseits darf nicht den Blick dafür verstellen, daß die Verwertungsmöglichkeit einer Praxis in solchen wegen Überversorgung mit Zulassungsbeschränkungen belegten Gebieten von der Übertragung des Vertragsarztsitzes auf den zur Übernahme der Praxis - bei Gemeinschaftspraxen zum Eintritt in diese Gemeinschaftspraxis - bereiten Nachfolger abhängt. Demgemäß verfolgen die in § 103 Abs.4 SGB V getroffenen Regelungen denn auch primär den Zweck, dem abgebenden Arzt, seinen Erben oder dem verbleibenden Praxispartner die wirtschaftliche Verkehrsfähigkeit der Vertragsarztpraxis im gesperrten Bezirk zu erhalten. Der Nachfolger ist daher gehalten, nicht nur den Vertragsarztsitz, sondern auch die mit diesem verbundene Praxis (als eigentumsrechtlich geschützter Inbegriff der materiellen und immateriellen Werte des eingerichteten und ausgeübten Betriebs) zu übernehmen. .......

Da die Wirksamkeit der Übertragung des Vertragsarztsitzes aber nicht davon abhängt, ob der eintrittswillige Arzt dann tatsächlich die Nachfolge in den Gemeinschaftspraxisanteil antritt, geht der verbleibende Praxispartner ohne vorherige verbindliche Vereinbarung mit dem Nachfolger das Risiko ein, daß der neu Zugelassene ohne vertragliches Entgelt Inhaber des Vertragsarztsitzes wird, eine eigene Praxis gründet und damit die Praxis des verbliebenen Praxispartners entwertet. Bei einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis - wie hier - kann der verbliebene Praxispartner die Überkapazitäten nicht einmal durch erhöhten Arbeitseinsatz auffangen. Der für den anderen (hier: radiologischen) Fachbereich vorgehaltene Gerätebestand hat dann nur noch einen Liquidationswert (Zerschlagungswert) und begründet womöglich noch hohen Entsorgungsaufwand (wie hier vom Beklagten geltend gemacht). Der immaterielle Wert des von dem ausgeschiedenen Partner betreuten Praxisteils geht verloren, weil es mangels weiteren Vertragsarztsitzes keinen Nachfolger hierfür gibt."

Der Senat hat in jenem Urteil als weiter zu berücksichtigende Besonderheit hervorgehoben, daß der Beklagte seinen Vertragsarztsitz nach bestandskräftiger Zulassung in die Praxis der Kläger verlegen sollte, das wirtschaftliche Interesse von Herrn Dr. S. an der radiologischen Praxis W.straße daher maßgeblich in seinen vertraglichen Vereinbarungen vom 16.12.1994 mit den Klägern begründet war. Hierzu wurde insbesondere auf die in den §§ 5 und 6 der Kooperationsvereinbarung getroffenen Regelungen verwiesen. Danach haben die Kläger Herrn Dr. S. nämlich die Erstattung sämtlicher Aufwendungen versprochen, die Herrn Dr. S. im Zusammenhang mit der Gemeinschaftspraxis / Dr. J. sowie durch die Aufnahme eines Nachfolgers in diese Gemeinschaftspraxis entstanden sind bzw. noch entstehen (insbesondere Kaufpreis für die Praxis Dr. J. sowie Beratungskosten, aber auch die Kosten der Entsorgung und Räumung der Praxis W.straße). Voraussetzung hierfür war jedoch nach § 7 unter anderem, daß der Beklagte nach Bestandskraft seiner Zulassung seinen Vertragsarztsitz in die Praxis der Kläger verlegte. Da es dazu nicht gekommen ist, sind die Kläger insoweit auch nicht erstattungspflichtig geworden. Stattdessen hat der Beklagte nach Maßgabe des am 23.09.1998 im Rechtsstreit 10 O 409/96 LG Aachen abgeschlossenen Vergleichs seinerseits für die Übernahme der Praxis Dr. J. und damit wirtschaftlich gesehen auch für den Vertragsarztsitz eine Zahlungsverpflichtung gegenüber Herrn Dr. S. in Höhe von 300.000,00 DM übernommen. Die zusätzliche Belastung mit einer an die Kläger zu zahlenden pauschalen Entschädigung von 500.000,00 DM wegen Nichtfreigabe des Vertragsarztsitzes würde den Beklagten daher unangemessen belasten.

dd) Die Erwartung der Kläger, mit dem Beklagten und mit der Verlegung seines Vertragsarztsitzes in ihre Gemeinschaftspraxis die - damals erforderliche und vom sog. Großgeräteausschuß vergebene - Standortgenehmigung für einen Kernspintomographen zu bekommen, hat sich bereits vor dem Ausscheiden des Beklagten zerschlagen. In der Sitzung des Großgeräteausschusses vom 11.07.1995 wurde die Standortgenehmigung für den Kernspintomographen an das Krankenhaus D.-L. vergeben. Die zwischen den Klägern und Herrn Dr. S. vereinbarte Apparategemeinschaft für den Betrieb und die Nutzung eines Kernspintomographen und der Beitritt des Beklagten zu diesem Apparategemeinschaftsvertrag war daher - abgesehen von einer Kooperationsmöglichkeit mit dem Krankenhausträger - ohnehin zunächst nicht zu verwirklichen; das wäre erst nach dem späteren Wegfall des Genehmigungserfordernisses aufgrund einer gesetzlichen Neuregelung (ab 01.07.1997) möglich gewesen.

d) Nach alledem bleibt als Ergebnis festzuhalten, daß die Freigabeklausel in Ziffer 6 c) der Vereinbarung vom 14.02.1995 auch bei isolierter Betrachtung - ohne Einbeziehung der Unterlassungsverpflichtung nach Ziffer 6 d) jener Vereinbarung - eine unter den vorliegenden Umständen unangemessene, nicht durch schutzwürdige Interessen der Kläger gedeckte Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit des Beklagten darstellt und damit ebenfalls als sittenwidrig zu verwerfen ist. Nach § 344 BGB erstreckt sich die Unwirksamkeit dieser Versprechens auch auf die für den Fall der Nichterfüllung getroffene Vertragsstrafevereinbarung.

Ebensowenig kann die Zuwiderhandlung des Beklagten gegen die unwirksame Freigabeverpflichtung Grundlage für einen pauschalierten Schadensersatz sein. Nach eigenen Angaben haben sich die Kläger bei dem schon in den vorbereiteten Text der Vereinbarung aufgenommenen Zusatz: "Bei Zuwiderhandlung wird eine pauschale Entschädigung von 500.000 DM vereinbart" an § 25 des von Prof. A. ausgearbeiteten Vertrages über die Apparategemeinschaft orientiert (dort ist bei Vertragsbruch ein pauschalierter Schadensersatz in Höhe von 500.000 DM vorgesehen, es sei denn, der vertragstreue Vertragspartner könne einen höheren Schaden beweisen). Das spricht dafür, daß jedenfalls die Kläger bei der Vereinbarung vom 14.02.1995 den Satz 2 der Ziffer 6 c) nicht als Vertragsstrafe, sondern als pauschalierten Schadensersatz gewollt haben. Anhaltspunkte dafür, daß auch der Beklagte von einem solchen Verständnis ausgegangen ist oder ausgehen mußte, bestehen indessen nicht. Im Rahmen der Abwägung der Umstände, die für die Beurteilung der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Verpflichtung zur Freigabe des Vertragsarztsitzes von Bedeutung sind, ist die der hier vorgenommenen Bewertung primär zugrunde liegende Annahme einer Vertragsstrafevereinbarung für die Kläger günstiger, weil dann immerhin die gesetzliche Möglichkeit zur Herabsetzung nach § 343 BGB verbleibt. Da die Freigabeverpflichtung hier jedoch aus den dargelegten Gründen schon unabhängig von der Höhe der Vertragsstrafe unwirksam ist, bleibt für eine solche Herabsetzung durch gerichtliche Entscheidung kein Raum.

3. Aus den vorstehenden Ausführungen erschließt sich zugleich, daß die Klauseln gemäß Ziffern 6 c) und d) der Vereinbarung vom 14.02.1995 vom Landgericht mit Recht als Einheit angesehen und beurteilt worden sind. In der Gesamtheit beider Klauseln drückt sich der Wille der Kläger aus, nicht nur ihr vertragsärztliches Betätigungsfeld um kernspintomographische Untersuchungen zu erweitern und zugleich den Wettbewerb durch einen Nachfolger auf den freiwerdenden Vertragsarztsitz auszuschließen, sondern bei einem Ausscheiden des Beklagten auch dessen Konkurrenz weit über einen allenfalls schützenswerten Einzugsbereich ihrer Gemeinschaftspraxis hinaus zu verhindern. Ob die Nichtigkeit der genannten Klauseln gemäß § 139 BGB den gesamten Vorvertrag erfaßt, der - anders als etwa der Apparategemeinschaftsvertrag vom 16.12.1994 in § 30 Abs.2 - keine "salvatorische Klausel" enthält, bedarf hier keiner Entscheidung.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 108, 708 Nr.10, 711 ZPO.

Streitwert der Berufung und Beschwer der Kläger durch dieses Urteil: 500.000,00 DM.

Ende der Entscheidung

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