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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.02.2003
Aktenzeichen: 13 W 3/03
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 S. 3
ZPO § 238 Abs. 4
ZPO § 569 Abs. 1 n.F.
ZPO § 850 c a.F.
BGB § 138 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf ihre sofortige Beschwerde vom 20.12.2002 wird der Beklagten zu 2. unter Abänderung des Beschlusses der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 20.11.2002 - 3 O 300/02 - zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung ihrer Rechte in der 1. Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und Herr Rechtsanwalt M. V. in E. beigeordnet.

Gründe:

Die als sofortige Beschwerde zu wertende "Beschwerde" der Beklagten zu 2. vom 20.12.2002 gegen den ihr am 26.11.2002 zugestellten, die begehrte Prozesskostenhilfe verweigernden Beschluss des Landgerichts vom 20.11.2002 ist zulässig und begründet.

I.

Es ist zwar fraglich, ob die sofortige Beschwerde innerhalb der Monatsfrist der §§ 127 Abs. 2 S. 3, 569 Abs. 1 ZPO n.F. bei Gericht eingegangen ist. Der auf dem Schriftsatz vom 20.12.2002 angebrachte, schlecht lesbare Stempelaufdruck dürfte "15.1.03" (Bl. 101 GA) lauten, weicht allerdings in auffälliger Weise von dem typischen, auf den sonstigen Schriftsätzen der Beklagten zu 2. zu findenden Eingangsstempel der gemeinsamen Postannahmestelle des Amts- und Landgerichts Köln ab. Es könnte sich um den Eingangsstempel der Geschäftsstelle der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln handeln, was aber mit dem - im Hinblick auf den in E. liegenden Kanzleisitz ihrer Verfahrensbevollmächtigten naheliegenden - Vortrag der Beklagten zu 2., auch der Schriftsatz vom 20.12.2002 sei per Post versandt worden, nicht vereinbar wäre. Diese Zweifel können jedoch letztlich dahinstehen, weil der Beklagten zu 2. für den Fall der Fristversäumnis mangels Verschuldens Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 233 ff. ZPO) zu gewähren ist. Ihr diesbezüglicher Antrag vom 28.01.2003 ist zulässig und enthält die ausreichende Glaubhaftmachung, dass der Beschwerdeschriftsatz vom 20.12.2002 noch am selben Tag mit richtiger Adressierung in einen sodann um 17.15 Uhr geleerten Postbriefkasten eingeworfen worden ist, was die Erwartung eines rechtzeitigen Zugangs bis spätestens 27.12.2002 gerechtfertigt hat.

II.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Beklagte zu 2. hat gemäß § 114 ZPO Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil sie nach den zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen vorgelegten Unterlagen bedürftig ist und ihre Rechtsverteidigung zudem hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Letztere ist vom Landgericht zu Unrecht verneint worden.

Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand stellt sich die neben ihrem Ehemann M. L. , dem Beklagten zu 1., als Kreditnehmer erfolgte Mitunterzeichnung des streitgegenständlichen Darlehensvertrags vom 15.12.1999 (Bl. 23 GA) als ein gegen die guten Sitten verstoßender und damit gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtiger Schuldbeitritt dar.

1. Das Landgericht hat die zur Abgrenzung von echten Mitdarlehensnehmern und bloßen Mithaftenden höchstrichterlich entwickelten Grundsätze zwar richtig angeführt, jedoch im vorliegenden Fall mit der Annahme einer echten Mitdarlehensnehmerschaft der Beklagten zu 2. unzutreffend umgesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist echter Mitdarlehensnehmer nur, wer ein eigenes - sachliches und/oder persönliches - Interesse an der Kreditaufnahme hat und als im Wesentlichen gleichberechtigter Partner über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, beurteilt sich unabhängig von den im Vertrag gewählten Formulierungen allein nach den für die finanzierende Bank erkennbaren Verhältnissen auf Seiten der Vertragspartner (Urteil vom 14.11.2000 - XI ZR 248/99, NJW 2001, 815, 816; Urteil vom 28.05.2002 - XI ZR 205/01, BKR 2002, 720, 721). Vorliegend spricht gegen eine echte Mitdarlehensnehmerschaft der Beklagten zu 2. entscheidend der Umstand, dass ausweislich der Zusatzvereinbarung vom 15.12.1999 (Anlage K 5; Bl. 47 GA) zum Darlehensvertrag vom selben Tag die gesamte Darlehensvaluta ausdrücklich allein dem Ehemann der Beklagten zu 2., Herrn M. L. (Beklagter zu 1.), zur Verfügung gestellt worden ist. Die dort im Einzelnen aufgeführten Darlehenszwecke und Kontonummern beziehen sich ausnahmslos nur auf den "Kreditnehmer", womit - was im Kopf und in der Unterschriftsleiste der Zusatzvereinbarung in Übereinstimmung mit dem Darlehensvertrag nochmals klargestellt wird - allein Herr M. L. und nicht die Beklagte zu 2. ("Mitantragsteller") gemeint ist. Dies wird zudem durch den Umstand bestätigt, dass sich das Konto der Beklagten zu 2., welches der Klägerin durch die bereits vor Vertragsschluss vorliegenden Kontoauszüge (Anlagen K 1 und K 2; Bl. 43 f. GA) bekannt war, unter keiner der in der Zusatzvereinbarung/Zahlungsanweisung vom 15.12.1999 aufgeführten Bankverbindungen findet. Die pauschale Behauptung der Klägerin, zumindest mit dem Darlehensteilbetrag von 36.500,- DM seien auch Altverbindlichkeiten der Beklagten zu 2. abgelöst worden, widerspricht dem eindeutigen Wortlaut der Zusatzvereinbarung/Zahlungsanweisung vom 15.12.1999, in der diesbezüglich ausdrücklich nur von "Verbindlichkeiten des Kreditnehmers" und damit - gemäß dem Kopf und der Unterschriftsleiste dieses Schriftstücks - des Herrn M. L. die Rede ist. Aus der von der Klägerin weiterhin vorgelegten besonderen Zahlungsanweisung (Anlage K 4; Bl. 46 GA) ergibt sich insoweit nichts anderes, weil auch dort nur von den abzulösenden Forderungen "gegen den/die Kreditnehmer" gesprochen, in Kopf und Unterschriftsleiste dieses Schreibens aber ebenfalls nur der Ehemann der Beklagten zu 2. als "Kreditnehmer" bezeichnet wird. Damit fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 2. ein eigenes Interesse an der streitgegenständlichen Kreditaufnahme hatte und als im Wesentlichen gleichberechtigte Partnerin über die Auszahlung sowie die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden durfte. Aus den Vertragsunterlagen ergibt sich vielmehr das Gegenteil. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass eine allgemeine Argumentation dergestalt, die Beklagte zu 2. habe von der dem Beklagten zu 1. zugeflossenen Darlehensvaluta aber jedenfalls mittelbar im Rahmen der Ehegemeinschaft profitiert, nach der bereits zitierten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unerheblich ist (Urteil vom 14.11.2000, a.a.O., S. 816 f. betreffend einen dem Ehemann gewährten Betriebsmittelkredit; Urteil vom 28.05.2002, a.a.O., S. 721 hinsichtlich der Finanzierung eines nur vom Ehemann erworbenen, aber von der ganzen Familie genutzten Hausgrundstücks).

2. Auf die nach alledem bloße Mithaftungsübernahme der Beklagten zu 2. finden die bereits vom Landgericht angesprochenen höchstrichterlichen Grundsätze zur Sittenwidrigkeit bei finanzieller Überforderung des mitverpflichteten Ehepartners Anwendung. Danach spricht bei einer krassen finanziellen Überforderung eine - widerlegliche - tatsächliche Vermutung dafür, dass sich der Ehegatte bei der Übernahme der Mithaftung nicht von seinen Interessen sowie einer rationalen Einschätzung des wirtschaftlichen Risikos hat leiten lassen und das Kreditinstitut die emotionale Beziehung zwischen Hauptschuldner und Mithaftendem in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Eine derartige krasse finanzielle Überforderung ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn der Mithaftende voraussichtlich nicht einmal in der Lage ist, die laufenden Zinsen mit seinen eigenen pfändbaren finanziellen Mitteln auf Dauer aufzubringen (BGH, Urteil vom 14.11.2000, a.a.O., S. 816; Urteile vom 14.05.2002 - XI ZR 50/01 bzw. XI ZR 81/01, BKR 2002, 626, 627 bzw. 628, 629; Urteil vom 28.05.2002, a.a.O., S. 722). Diese Voraussetzung ist bei der Beklagten zu 2. gegeben. Das Landgericht hat verkannt, dass nur der pfändbare Teil ihres Einkommens berücksichtigt werden darf. Hierzu gehört das Kindergeld - von hier nicht interessierenden Ausnahmefällen abgesehen - im Hinblick auf seine spezielle Zweckbestimmung nicht (vgl. nur Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 829 Rn. 34 f. und § 850 i Rn. 37). Selbst wenn man im Übrigen das gesamte von der Klägerin behauptete Einkommen der Beklagten zu 2. in Höhe von 380,- DM monatlich aus einer Reinigungstätigkeit für einen Herrn Dr. L. (von der Beklagten zu 2. generell bestritten) sowie in Höhe von unstreitig 439,50 DM bis 595,50 DM monatlich aus einem Beschäftigungsverhältnis bei einem Unternehmen P. zugrunde legen würde, bliebe dies deutlich unter dem gemäß § 850 c ZPO a.F. für den Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltenden Pfändungsfreibetrag in Höhe von mindestens 1209,- DM monatlich, wobei die Unterhaltspflicht der Beklagten zu 2. gegenüber ihren damals 6 und 9 Jahre alten Kindern noch nicht einmal berücksichtigt ist. Für die Klägerin, die aus dem "Kundengesprächsblatt" vom 13.12.1999 (Bl. 73 GA) den Beruf der Beklagte zu 2. mit "Putzfrau" sowie die Zahl der zu betreuenden Kinder entnehmen konnte, gab es zum Zeitpunkt des Vertragschlusses am 15.12.1999 keinerlei Grund zur - folgerichtig auch gar nicht behaupteten - Annahme, die Beklagte zu 2. werde während der 6-jährigen Laufzeit des Darlehens überhaupt ein eigenes Einkommen jenseits der Pfändungsgrenze erzielen.

Die demnach zugunsten der Beklagten zu 2. eingreifende tatsächliche Vermutung, dass sie die Mithaftung nur aus emotionaler Verbundenheit mit ihrem Ehemann übernommen und die Klägerin dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat, ist von Letzterer bislang nicht widerlegt worden. Ihr Hinweis auf ein vermeintliches Eigeninteresse der Beklagten zu 2. ist unzureichend. Ein auf einen freien Willensentschluss hindeutendes oder ein Handeln allein aus emotionaler Verbundenheit voll ausgleichendes Eigeninteresse des finanziell krass überforderten Ehepartners an der Darlehensgewährung kann grundsätzlich nur angenommen werden, wenn er zusammen mit dem Ehepartner ein gemeinsames Interesse an der Kreditgewährung hat oder ihm aus der Verwendung der Darlehensvaluta unmittelbare und ins Gewicht fallende geldwerte Vorteile erwachsen sind (BGH, Urteil vom 14.11.2000, a.a.O., S. 817). Es ist bereits oben unter Ziff. II. 1. dargelegt worden, dass nach dem bisherigen Sachvortrag nicht von einer Ablösung von Altverbindlichkeiten auch der Beklagten zu 2. durch die streitgegenständliche Kreditaufnahme ausgegangen werden kann. Bloße mittelbare Vorteile der Beklagten zu 2., die ihr durch den dem Beklagten zu 1. gewährten Kredit im Rahmen der Ehegemeinschaft zugute gekommen sein mögen, reichen für ein beachtliches Eigeninteresse nicht aus.

3. Abschließend sei noch angemerkt, dass auch ein etwaiges - bislang allerdings nicht geltend gemachtes - Interesse der Klägerin, sich vor Vermögensverschiebungen zwischen den Beklagten als Eheleuten zu schützen, mangels einer ausdrücklich vereinbarten entsprechenden Haftungsbeschränkung grundsätzlich nichts an der Sittenwidrigkeit der die Beklagte zu 2. finanziell krass überfordernden Mithaftungsübernahme zu ändern vermag (vgl. BGH, Urteile vom 14.05.2002, a.a.O., S. 628 bzw. 630).

III.

Eine Kostenentscheidung war - ungeachtet § 238 Abs. 4 ZPO - nicht veranlasst (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).

Streitwert des Beschwerdeverfahrens: 24.072,32 EUR.

Ende der Entscheidung

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