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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 23.05.2008
Aktenzeichen: 2 Ws 229/08
Rechtsgebiete: StPO


Vorschriften:

StPO § 112 Abs. 2
StPO § 112 Abs. 3
StPO § 122 Abs. 3 S. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Fortdauer der Untersuchungshaft über 6 Monate hinaus wird angeordnet.

Die weitere Haftprüfung wird für die Dauer von 3 Monaten dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht übertragen.

Gründe:

Zur Begründung wird auf die den Angeschuldigten und ihren Verteidigern bekannt gegebene Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft, der sich der Senat anschließt, Bezug genommen.

Auch der Senat bejaht den dringenden Tatverdacht gegen die Angeschuldigten. Nach inzwischen mehr als ein Jahr dauerndem spurlosen Verschwinden der M L spricht alles für ein Tötungsdelikt, da kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich ist, dass Frau L unter Zurücklassung ihres Kindes freiwillig untergetaucht sein könnte.

Die Angeschuldigten haben sich aufgrund der im Haftbefehl und in der Anklage aufgeführten Beweismittel des Tötungsdelikts in hohem Maße verdächtig gemacht. Verwiesen sei insoweit insbesondere auf die Vollmachten zugunsten der Angeschuldigten J und X L, die vom Angeschuldigten T L trotz intensiver Befragung zum Ablauf des 18.4.2007 verschwiegene Übernachtung des X L im Zimmer des Kindes N, die Telefonanrufe, insbesondere die beiden Anrufe des T L zu den ungewöhnlich frühen Zeit am Morgen des 19.4.2008 auf dem Festnetz und Handy der Vermissten, für die der Angeschuldigte im Rahmen seiner Beschuldigtenvernehmung keinen Grund angeben konnte, die Ortung dieser und der späterer Anrufe sowie das Ausschalten des Handys der M L im Sendebereich desselben Funkmasten, die durch nichts veranlasste Ummeldung des Kindes zu einem Zeitpunkt, zu dem T L nach seinen Angaben noch von der baldigen Rückkehr seiner Frau ausging sowie schließlich das Anzeigeverhalten der Leichenspürhunde. Die Einwendungen der Verteidigung gegen die Beweismittel werden in der Hauptverhandlung zu prüfen sein. Der Senat hält sie nach Aktenlage nicht für geeignet, den Tatverdacht auszuräumen, zumal T L im Rahmen seiner Selbstgespräche, die aufgrund richterlicher Anordnung (Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 20.9.2007) abgehört worden sind, ein Tötungsdelikt durch mehrere Äußerungen, insbesondere seine Erklärung "...J, wir haben sie tot gemacht." eingeräumt hat. Die Erklärungen sind zumindest auszugsweise im Sonderheft "TKÜ Auswertung" aufgezeichnet und konnten von der Verteidigung eingesehen werden. Das ist allerdings bei dem Senat nicht beantragt worden.

Zur Motivation der Angeschuldigten J L sei noch darauf hingewiesen, dass der Senat es als befremdlich empfindet, dass die Verteidigung einen niedrigen Beweggrund deshalb verneinen will, weil die Angeschuldigte sich einen Kinderwunsch habe erfüllen wollen, ohne zu berücksichtigen, dass zu diesem Zweck nach dem Anklagevorwurf ein Mensch getötet und einem Kind seine Mutter weggenommen werden musste.

Es liegt der Haftgrund des § 112 Abs. 3 StPO vor. In diesem Fall kann die Untersuchungshaft auch angeordnet werden, wenn ein Haftgrund nach § 112 Abs. 2 StPO nicht besteht. Die Vorschrift ist zwar verfassungskonform dahin auszulegen, dass auch in diesem Fall der Erlass eines Haftbefehls nur zulässig ist, wenn Umstände vorliegen, die die Gefahr begründen, ohne Festnahme des Beschuldigten könnte die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat gefährdet sein; dabei muss die Flucht- oder Verdunklungsgefahr aber nicht durch bestimmte Tatsachen belegbar sein, sondern es reicht schon, dass sie nach den Umständen des Falles nicht auszuschließen ist (BVerfGE 19, 342, 350).

Ausschließen lässt sich diese Gefahr vorliegend zweifellos nicht. Den Angeschuldigten droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Sie verfügen über erhebliche finanzielle Mittel, die ihnen eine Flucht ins außereuropäische Ausland ohne weiteres ermöglichen würden. Schließlich liegt eine Verdunkelungsgefahr, insbesondere eine Absprache zum Aussageverhalten nahe.

Die Übertragung der weitere Haftprüfung für die Dauer von 3 Monaten dem nach den allgemeinen Vorschriften zuständigen Gericht beruht auf § 122 Abs. 3 S. 3 StPO.

Mit der Entscheidung über die Haftfortdauer hat die - dem Senat später angefallene - weitere Beschwerde des Angeschuldigten T L vom 22.4.2008 (Az. 2 Ws 229/08) gegen den Beschluss der 11. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 18.4.2008 (Az. 111 Qs 107/08) ihre Erledigung gefunden.

Ende der Entscheidung

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