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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 21.12.2007
Aktenzeichen: 20 U 167/07
Rechtsgebiete: ZPO, AUB 88, BGB


Vorschriften:

ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 3
AUB 88 § 7 Abs. 1 (1) Satz 2
AUB 88 § 9 Abs. 1
AUB 88 § 9 Abs. 1 Satz 1
AUB 88 § 10
AUB 88 § 10 S. 2
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

werden die Parteien darauf hingewiesen, dass der Senat nach Beratung erwägt, die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die weiteren Voraussetzungen gemäß § 522 Abs. 2 Nr. 2, 3 ZPO vorliegen.

Gründe:

I. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg.

Das Landgericht hat zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung einer Invaliditätsleistung in Höhe von 51.129,20 € verneint. Der Inhalt der Berufungsbegründungsschrift ist nicht geeignet, eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung herbeizuführen.

Dem Kläger stehen wegen der behaupteten Folgen des - angeblichen - Verkehrsunfalls vom 11. April 2001 keine Ansprüche auf Invaliditätsentschädigung aus der bei der Beklagten unterhaltenen Unfallversicherung zu.

1. Obliegenheitsverletzung

Der Senat ist mit dem Landgerichts der Auffassung, dass die Beklagte gemäß §§ 9 Abs. 1, 10 AUB 88 von ihrer Pflicht zur Erbringung der geltend gemachten Invaliditätsleistungen befreit ist.

Der Kläger hat den Unfall vom 11. April 2001 verspätet gegenüber der Beklagten angezeigt und mithin seine Obliegenheit nach § 9 Abs. 1 AUB 88 verletzt. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Gesichtspunkte hierzu in den Gründen der angegriffenen Entscheidung verwiesen.

Das Berufungsvorbringen gibt Anlass zu folgenden Ergänzungen:

Nach Eintritt eines Unfalls, der voraussichtlich eine Entschädigungspflicht herbeiführen wird, ist der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer zu einer unverzüglichen - ohne ein schuldhaftes Zögern - schriftlichen Anzeige verpflichtet (§ 9 Abs. 1 AUB 88). Diese Obliegenheit hat der Kläger - auch zur Überzeugung des Senates - zumindest grob fahrlässig verletzt, indem er den von ihm behaupteten Verkehrsunfall vom 11. April 2001 und die daraus resultierende Gesundheitsbeeinträchtigung erst rund ein Jahr nach dem behaupteten Unfall der Beklagten durch eine schriftliche Unfallschadensanzeige am 10. März 2002 gemeldet hat, obwohl er - nach seinem eigenen Vortrag - während dieser Zeit umfangreiche ärztliche Leistungen zur Behandlung seiner Verletzung der Halswirbelsäule in Anspruch genommen hatte.

Gegen ein schuldhaftes Zögern spricht auch nicht der in der Berufungsbegründung aufgeworfene Gesichtspunkt des Klägers, die Feststellung des Sachverständigen Dr. L in seinem Gutachten vom 30. Juli 2004, wonach die Gesundheitsbeeinträchtigung bei dem Kläger ab dem 01. Oktober 2001 einen "Ist-Zustand" erreicht habe (vgl. Bl. 65), sei lediglich eine rückbetrachtende Bewertung, ohne dass dem Kläger dies zu diesem Zeitpunkt bereits bewusst gewesen wäre. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, setzt § 9 Abs. 1 Satz 1 AUB 88 lediglich voraus, dass der Unfall voraussichtlich eine Leistungspflicht des Versicherers herbeiführt. Dies gestattet dem Versicherungsnehmer nicht, die Anzeige bis zur völligen Klarheit über die Unfall hinauszuzögern (OLG Köln, ZfS 1991, 172). Vielmehr ist die Grenze der Unverzüglichkeit dann überschritten, wenn der Versicherte erst nach langer Zeit dem Versicherer einen Unfall meldet, obwohl er während dieser Zeit aufgrund dauernder und sich nicht bessernder Schmerzen in ärztlicher Behandlung war (vgl. hierzu etwa LG Celle, VersR 1997, 690). Der Sachverständige Dr. L führt in seiner Begutachtung auf, dass der Kläger bis zum 30. September 2001 unter erheblichen Beschwerden litt und seitdem dieser Zustand unverändert blieb. Angesichts dessen hätte dem Kläger spätestens seit diesem Zeitpunkt bewusst sein müssen, nicht nur lediglich unter einer Bagatellverletzung zu leiden, sondern vielmehr eine erhebliche Gesundheitsbeeinträchtigung zu haben. Spätestens zu diesem Zeitpunkt durfte daher der Kläger mit der Anzeige des Unfalls nicht mehr zögern.

Aus dem Vorgenannten folgt weiter, dass das Unterlassen einer rechtzeitigen Unfallanzeige mindestens auf einer groben Fahrlässigkeit des Klägers beruhte. Im Rahmen des § 10 AUB 88 wird bei einer Obliegenheitsverletzung vermutet, dass diese auf Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers beruht (Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage, § 10 AUB 94, Rn. 3). Der Kläger hat dies nicht zu widerlegen vermocht. Grobe Fahrlässigkeit liegt nämlich bereits dann vor, wenn der Versicherungsnehmer - wie hier der Kläger - schon einfachste und naheliegende Überlegungen nicht anstellt und das nicht beachtet, was im gegebenen Fall hätte einleuchten müssen (Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage 2004, § 6, Rn. 117 m.w.N.). Wie bereits oben ausgeführt wurde, hätte es dem Kläger angesichts seiner erheblichen Beschwerden aber vor Augen stehen müssen, den Unfall spätestens im Oktober 2001 gegenüber der Beklagten anzuzeigen. Unerheblich ist auch insoweit, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt ggf. noch keine Kenntnis von einer möglichen Invalidität infolge des Unfallgeschehens hatte. Die Anzeigepflicht dient nämlich gerade nicht der Geltendmachung von Ansprüchen, sondern lediglich der Anzeige eines Ereignisses, aus dem sich voraussichtlich eine Leistungspflicht ergibt, damit der Versicherer möglichst schnell in der Lage ist, sich in die Ermittlungen zum Versicherungsfall einzuschalten (vgl. BGH VersR 1982, 182), worauf bereits das Landgericht zutreffend verwiesen hat.

Bei grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung bleibt der Versicherer gemäß § 10 S. 2 AUB 88 zwar insoweit zur Leistung verpflichtet, als die Verletzung weder Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der dem Versicherer obliegenden Leistungen gehabt hat. Der darlegungsbelastete Kläger, dem der vorgenannte Kausalitätsgegenbeweis obliegt, hat dafür jedoch keine hinreichenden Tatsachen aufzeigen können. Dafür ist auch nichts ersichtlich. Eine erheblich verspätete Unfallanzeige ist in der Regel immer ursächlich im Sinne von § 10 S. 2 AUB 88, weil jeder längere Zeitablauf eine Verringerung der Möglichkeit bedeutet, die Ursachen eines Schadensvorgangs (auch mitwirkende Ursachen) objektiv festzustellen (vgl. Prölss/Martin, VVG, 27. Auflage, 10 AUB 94 Rn. 4, m.w.N.). Der Zeitablauf hat sich hier auch konkret ausgewirkt, denn sowohl der behauptete Unfall als auch die vorgetragene unfallbedingte Gesundheitsbeeinträchtigung werden von der Beklagten bestritten und sind in der tat - auch aus Sicht des Senates - zweifelhaft, wie im Folgenden noch näher ausgeführt wird.

Der Einwand der Verfristung verstößt schließlich auch nicht gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), denn die Beklagte hat in ihrem vorprozessualen Schreiben vom 22. März 2002 auf den Einwand einer verspäteten Unfallanzeige ausdrücklich hingewiesen. Die Beklagte hat in diesem Schreiben darüber hinaus erklärt, gleichwohl eine vorläufige Sachprüfung nur aus Kulanz vorzunehmen. Ein Verzicht auf den Einwand der verspäteten Unfallanzeige kann hierin nicht gesehen werden, was auch dem Kläger offenbar sein musste. Wenn die Beklagte danach eine Entschädigungspflicht verneint und sich im Prozess - erneut - auch auf Verfristung berufen hat, verstößt dieses Verhalten nicht gegen § 242 BGB (vgl. hierzu auch BGH VersR 2006, 352; OLG Koblenz, VersR 1997, 868)

2. Unfallbedingte Gesundheitsbeeinträchtigung

Über den Erwägungen des Landgerichts in der angegriffenen Entscheidung hinaus ist ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Invaliditätsleistung bereits deswegen nicht gegeben, weil der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger (vgl. etwa BGH VersR 1992, 1503; OLG Köln, VersR 1996, 620 f.) nicht im hinreichenden Maße einen Unfall am 11. April 2001 mit der daraus resultierenden Verletzung der Halswirbelsäule dargelegt und unter Beweis gestellt hat.

Bereits seine Angaben zum Unfallort und -hergang sind gänzlich pauschal und vermögen ein - insbesondere für die Beklagte - überprüfbares Geschehen nicht darzulegen. Weder in der Klageschrift, noch in den folgenden Schriftsätzen des Klägers bezeichnet dieser den genauen Unfallort. Lediglich in der Unfallanzeige des Klägers vom 10. März 2002 gegenüber der Beklagten wird als Unfallort eine "Kreuzung auf der Landesstraße in M" angegeben (Bl. 97 d.). Diese rudimentäre Angabe ist jedoch nicht geeignet, den Unfallort hinreichend zu bezeichnen. Ebenfalls ist der Vortrag des Klägers zum Unfallgeschehen völlig unzureichend, zumal nicht hinreichend deutlich vorgetragen wird, woraus sich der Vorfahrtsverstoß des anderen Fahrzeugführers konkret ergeben haben soll und auch die Schilderungen des Klägers zum Zusamenstoß der Fahrzeuge variieren.

Maßgeblich ist indes, dass der Kläger keinen hinreichenden Beweis für eine - auf diesen Unfall zurückzuführende - Verletzung seiner Halswirbelsäule angeboten hat. Dies war hier umso mehr geboten, als der Kläger sich - nach seinem eigenen Vortrag - erst sechs Tage nach dem behaupteten Unfallgeschehen am 17. April 2002 sich erstmals in ärztliche Behandlung begeben hatte, so dass ein direkter Rückschluss auf den behaupteten Unfall ohnehin erschwert ist. Ein entsprechend hinreichender Beweisantritt ist auch nicht durch das Mittel der Einholung eines Sachverständigengutachtens anzunehmen, worauf das Landgericht den Kläger bereits in der mündlichen Verhandlung vom 20. Juni 2007 hingewiesen hatte (Bl. 132 d.A.). Ein Sachverständiger wird nämlich allenfalls Feststellungen zu bestehenden körperlichen Beeinträchtigungen des Klägers treffen können, nicht jedoch, ob diese auf das behauptete Unfallgeschehen vom 11. April 2001 zurückzuführen sind. Gleiches gilt auch für die Feststellungen in dem Gutachten des von dem Kläger beauftragten Sachverständigen Dr. L, das dieser erst mehr als drei Jahre nach dem behaupteten Unfall erstellt hat und hinsichtlich des zugrunde gelegten Unfallgeschehens auf den Angaben des Klägers beruht. Nicht unberücksichtigt bleiben kann dabei, dass der Kläger unstreitig wenige Wochen vor dem behaupteten Unfall vom 11. April 2001 am 03. Februar 2001 bereits in einen - der Beklagten nicht gemeldeten - Verkehrsunfall verwickelt war, bei dem er zumindest Verletzungen des Rückens- bzw. der Rückenwirbelsäule erlitten hat (Bl. 108 d.A.). Auch vor diesem Hintergrund kann ein Beweis, dass die behauptete Verletzung - allein - auf den Unfall vom 11. April 2001 beruht, durch den Kläger nicht geführt werden.

3. Fehlende ärztliche Feststellung

Ein Anspruch des Klägers scheitert indes aber auch daran, weil entgegen § 7 I (1) Satz 2 AUB 88 keine ärztliche Feststellung einer Invalidität des Klägers innerhalb der Frist von 15 Monaten ab dem Unfallzeitpunkt stattgefunden hat. Das Erfordernis fristgerechter ärztlicher Feststellung der Invalidität ist eine Anspruchsvoraussetzung, deren Nichtvorliegen nicht entschuldigt werden kann (BGHZ 137, 174, 177; 162, 210, 215, BGH VersR 2006, 352).

Das Berufen der Beklagten auf das Fehlen einer fristgerechten ärztlichen Feststellung unfallbedingter Invalidität ist auch nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen. Denn es bedarf durch den Versicherer grundsätzlich keiner Belehrung des Versicherungsnehmers über seine entsprechende Verpflichtung zur Einhaltung der vorgenannten Frist (vgl. OLG Köln VersR 1995, 907). Das Berufen des Versicherers auf den Ablauf der Frist zur ärztlichen Feststellung kann sich im Einzelfall allenfalls dann als rechtsmissbräuchlich erweisen, wenn dem Versicherer ein Belehrungsbedarf des Versicherungsnehmers hinsichtlich der Rechtsfolgen der Fristversäumnis deutlich wird, er aber gleichwohl eine solche Belehrung unterlässt. Davon kann auszugehen sein, wenn der Versicherte Invaliditätsansprüche rechtzeitig geltend macht, seine Angaben oder die von ihm vorgelegten ärztlichen Atteste den Eintritt eines Dauerschadens nahe legen, die erforderliche ärztliche Feststellung der Invalidität aber noch fehlt. Gleiches kommt in Betracht, wenn der Versicherer nach Geltendmachen von Invalidität von sich aus noch innerhalb der Frist zur ärztlichen Feststellung ein ärztliches Gutachten einholt, ohne den Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er unbeschadet dessen selbst für eine fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität zu sorgen habe (vgl. hierzu BGH VersR 2006, 352 f.). Zwar hatte die Beklagte mit Schreiben vom 22. März 2002 den Kläger darauf hingewiesen, dass sie beabsichtige, ärztliche Stellungnahmen von den den Kläger behandelnden Ärzten einzuholen. Das Berufen des Versicherers auf das Fehlen einer fristgerechten ärztlichen Invaliditätsfeststellung ist jedoch erst dann treuwidrig, wenn sich aus den eingeholten Auskünften greifbare Anhaltspunkte für den vom Versicherungsnehmer geltend gemachten Dauerschaden ergeben (BGH, a.a.O.). Dass innerhalb der Frist entsprechende ärztliche Auskünfte vorgelegen haben, die auf eine Invalidität des Klägers hätten schließen lassen, ist aber weder hinreichend substantiiert vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich.

III. Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu vorstehenden Hinweisen binnen vier Wochen ab Zugang Stellung zu nehmen.

Ende der Entscheidung

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