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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.08.2000
Aktenzeichen: 11 U 121/98
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 91 Abs. 1
ZPO § 708 Nr. 10
ZPO § 713
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

11 U 121/98 9 O 347/96 LG Aachen

Anlage zum Terminsprotokoll vom 23.08.2000

Verkündet am 23.08.2000

Bourguignon, J.A. als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 12.07.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und die Richterin am Oberlandesgericht Opitz

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten zu 3) wird das am 08.04.1998 verkündete Grundurteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Aachen - 9 O 347/96 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen der Klägerin zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist begründet.

Das Landgericht hat die Klage zu Unrecht dem Grunde nach für begründet gehalten. Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schadensersatz aus dem Verkehrsunfallereignis vom 24.04.1994 in S., A.er Straße. Nach dem Ergebnis der vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme kann die Klägerin nicht beweisen, dass ihr der geltend gemachte Schaden beim Betrieb des vom Beklagten zu 1) gesteuerten Fahrzeugs des Beklagten zu 2) entstanden ist. Die gegenteilige Überzeugung, wie sie das Landgericht nach der Vernehmung der Zeugen J. und G. gewonnen hat, kann der Senat in Anbetracht der Feststellungen, die der Sachverständige Dipl.-Ing. Sch. in dem Gutachten vom 14.04.2000 getroffen hat, auch unter Berücksichtigung des erstinstanzlichen Beweisergebnisses nicht teilen. Nach dem jetzt vorliegenden Beweisergebnis bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass es zur Beschädigung des Fahrzeugs der Klägerin auf Grund eines Betriebsvorgangs der Fahrzeugs des Beklagten zu 2) gekommen ist.

1. Der Sachverständige hat festgestellt, dass nur ein Teil der Schäden an dem Fahrzeug der Klägerin dem von ihr behaupteten und von ihrem Ehemann als Zeugen bestätigten Unfallhergang zugeordnet werden kann. Der geltend gemachte Gesamtschaden an dem Fahrzeug betrifft danach insgesamt sieben voneinander zu unterscheidende Schadensbereiche; darüber hinaus sind am vorderen Stoßfänger noch geringfügige Beschädigungen vorhanden, die als Gebrauchsspuren bewertet werden können. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist es ausgeschlossen, das Gesamtschadensbild dem behaupteten Unfallgeschehen zuzuordnen; danach spricht vielmehr einiges dafür, ein bei einem solchen Geschehen möglicherweise entstandener Schaden nachträglich vergrößert worden ist.

2. Der Senat hält die Ausführungen des Sachverständigen für überzeugend. Der Sachverständige ist für den Senat in Verkehrsunfallsachen, in denen der Verdacht einer Manipulation bestand, bereits vielfach tätig gewesen und hat sich jeweils als kompetent und zuverlässig erwiesen. Den Einwendungen, die die Klägerin gegen das Gutachten erhebt, kann auch in der Sache nicht gefolgt werden.

a) Die Klägerin führt aus, der Sachverständige habe eine Endstellung ihres Fahrzeugs im Bereich der linken Leitplanke angenommen, die so nicht zutreffe. In der Tat hat der Zeuge J. bekundet, nach dem Anstoß an die linke Leitplanke habe er mit der Fahrertür zur Gegenfahrbahn gestanden (GA 135). Richtig ist auch, dass die Anlage A 20 (GA 423) des Gutachtens eine solche Stellung des Fahrzeugs nicht ausweist. Richtig ist ferner, dass sich der Sachverständige mit der Frage beschäftigt, dass der zweite Anstoß an die rechte Leitplanke unter den von ihm angenommenen Ausgangspunkten nur nach einem Rangiervorgang denkbar ist (Gutachten S. 13 f. und S. 18 f. = GA 397 f., 402 f.), weil das Fahrzeug nach dem Anstoß links nicht wie von dem Zeugen beschrieben gestanden haben könne (GA 396 f., 402). Mit der Aussage, die Fahrertür habe sich zur Gegenfahrbahn hin befunden, soll wohl gesagt sein, dass nach dem linksseitigen Anstoß eine leichte Drehbewegung der Fahrzeugfront von der Leitplanke weg stattgefunden hat. Auf Bl. 40 der Strafakte hat der Zeuge J. - was dem entsprechen würde - auch nur bekundet, er habe wegen des entgegen kommenden LKW eine "Gegenbewegung nach rechts" gemacht, so dass er also im Prinzip weiter in seiner ursprünglichen Fahrrichtung am Rand der Gegenfahrbahn) gestanden haben muss. Der Sachverständige stellt auch ausdrücklich fest, dass der zweite rechtsseitige Anstoß mit der Darstellung des Zeugen J. zu vereinbaren ist; er meint lediglich, der rechtsseitige Anstoß könne nicht die Folge eines durchgehenden Fahrvorgangs sein (GA 402). Das ist aber auch nach der Aussage des Zeugen J. nicht der Fall, der ja das nach dem linksseitigen Anstoß bereits stehende Fahrzeug erneut beschleunigt haben will, um aus der Gefahrenzone heraus zu kommen. Insoweit mag man in Anbetracht der Aussage des Zeugen J. die Feststellung des Sachverständigen in Zweifel ziehen können, das Fahrzeug der Klägerin habe links nur wie auf der Zeichnung A 20 beschrieben zum Stillstand kommen können. Seine dahin gehende Meinung hat der Sachverständige aber GA 396 f. begründet. Die Demonstration der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Verhandlungstermin hat insoweit keine Erkenntnisse erbracht, die die Darstellung des Sachverständigen als unrichtig erscheinen lassen könnten. An den Feststellungen des Sachverständigen zur teilweisen Inkompatibilität der Schäden ändert das alles im übrigen auch nichts. Die beantragte Einholung eines weiteren Gutachtens ist im Hinblick auf diesen Punkt daher nicht erforderlich. Was die Gutachter H. und B. zu diesem Vorgang sollen bekunden können, ist nicht ersichtlich.

b) Die Klägerin beanstandet, dass der Sachverständige Aussagen zur teilweise fehlenden Plausibilität der Angaben des Zeugen J. macht, weil die Beweiswürdigung Sache des Gerichts sei. Dem kann in dieser Form nicht beigepflichtet werden. Ohne die Berücksichtigung vorliegender Zeugenaussagen kann der Sachverständige nicht die in Frage kommenden Fahrbewegungen beurteilen. Es versteht sich auch von selbst, dass er bei seiner Begutachtung mitzuteilen hat, wenn die Aussagen von Zeugen aus technischer Sicht als problematisch oder gar abwegig erscheinen.

c) Dass der Sachverständige sich die Aussagen des Zeugen Ba. (jetzt G.) "zu eigen" gemacht habe, kann der Senat dem Gutachten nicht entnehmen. Daraus ergibt sich aber in der Tat, dass die Rekonstruktion des Unfallgeschehens anhand der Fahrzeug- und Straßenschäden teilweise eher mit der früheren Aussage des Zeugen Ba. als mit der des Zeugen J. überein stimmt. Richtig ist, dass dem Zeugen Ba. im Strafverfahren offenbar nicht geglaubt worden ist (auch das Landgericht hat ihm nicht geglaubt). Wieso aber ein technischer Sachverständiger seine ihm richtig erscheinende Beurteilung nach dem Ausgang eines anderen Gerichtsverfahrens ausrichten soll, ist nicht nachvollziehbar. Es ist nicht erkennbar, wie der Sachverständige die Tatsache, dass der Ehemann der Klägerin und der Beklagte zu 1) im Strafverfahren freigesprochen wurden, "technisch" hätte umsetzen sollen und können.

d) Dass der Sachverständige zu einzelnen Ausführungen des Gutachters B. kritisch Stellung nimmt, ist nicht zu beanstanden, sondern, wenn jenes Gutachten nach Auffassung des Sachverständigen teilweise unrichtig ist, notwendig.

e) Die Klägerin beanstandet, dass der Sachverständige Fotos, welche die Sachverständigen H. und B. gefertigt haben, in seinem Gutachten verwendet hat. Die Beanstandung, dies sei nicht kenntlich gemacht, ist schon nicht richtig, da sich die Herkunft der Fotos aus den Unterschriften erschließt. Die Notwendigkeit der Heranziehung der Fotos für die Begutachtung liegt auch auf der Hand, weil der seinerzeitige Zustand des Fahrzeugs und der Leitplanken nur auf Grund der Bilder einigermaßen nachvollziehbar beurteilt werden kann. Deshalb haben der Sachverständige Sch. und der Senat sich intensiv bemüht, diese Fotos zu beschaffen.

f) Hinsichtlich der Angabe der Sichtweite von 275 m liegt auf Seite 15 des Gutachtens (GA 399) in der Tat ein Fehler vor, weil es dort "Sichttiefe nach links" heißt, während das Fahrzeug der Klägerin von rechts kam. Aus den Fotos B 2 und B 10 (GA 425, 433 jeweils unten) ergibt sich aber eindeutig, dass es sich insoweit um einen Schreibfehler handelt und der Sachverständige die Sichtweite nach recht gemeint hat.

g) Die Klägerin bestreitet, dass die aus der Unfallskizze ersichtlichen Schäden an den Leitplanken dem hier in Frage stehenden Unfall zuzuordnen seien. Inwieweit sich daraus ein Argument gegen die Richtigkeit des Gutachtens und für die Richtigkeit der Darstellung der Klägerin sollte herleiten lassen, ist nicht ersichtlich.

3) Als die Haftung der Beklagten begründende Voraussetzung hat die Klägerin den äußeren Tatbestand einer von den Beklagten zu vertretenden Rechtsgutverletzung zu beweisen (vgl. BGH NJW 1978, 2154, 2156). Dieses kann ihr bei der bestehenden Beweislage nicht gelingen.

a) Das Fahrzeug der Klägerin ist nicht durch das Fahrzeug des Beklagten zu 2) beschädigt worden. Insoweit unterscheidet sich der Sachverhalt von der Mehrzahl der Fälle, in denen eine Unfallmanipulation in Frage steht, weil dort die Rechtsgutverletzung als solche, nämlich die Beschädigung des Fahrzeugs des Anspruchstellers durch das Fahrzeug des in Anspruch Genommenen, vielfach unstreitig ist und dann der in Anspruch genommene bzw. dessen Haftpflichtversicherer das Einverständnis des Anspruchstellers mit der Beschädigung seines Fahrzeugs beweisen muss. Hier behauptet die Klägerin, ihr Ehemann sei durch eine Vorfahrtsverletzung des Beklagten zu 1) zu einer Ausweichbewegung veranlasst worden, durch die es zu der mehrfachen Berührung der Leitplanken und die später von den Sachverständigen festgestellten Fahrzeugschäden gekommen sei. Bei dieser Fallgestaltung ist eine von den Beklagten zu vertretende Rechtsgutsverletzung erst festgestellt, wenn bewiesen ist, dass das Fahrverhalten des Zeugen J. überhaupt durch den Betriebsvorgang des Fahrzeugs des Beklagten zu 2) veranlasst worden ist, wenn also mit ausreichender Gewissheit auszuschließen ist, dass - wie die Beklagte zu 3) unter Hinweis auf die frühere Aussage des Zeugen G. behauptet - der Fahrvorgang des Beklagten zu 1) verabredungsgemäß nur der äußere Anlass sein sollte, um die von dem Zeugen J. von vornherein beabsichtigte Beschädigung des Klägerfahrzeugs glaubhaft als "Versicherungsfall" erscheinen zu lassen.

b) Der Senat hat durchgreifende Zweifel daran, dass der Vortrag der Klägerin richtig ist. Durch die Aussage des - am Ausgang des Rechtsstreits zu Gunsten der Klägerin ersichtlich interessierten - Zeugen J. kann die Klägerin den ihr obliegenden Beweis nicht führen. Dabei kann unterstellt werden, dass bei einer isolierten Beurteilung die Aussage dieses Zeugen als glaubhaft erscheint und der Zeuge vor Gericht einen glaubwürdigen Eindruck macht, während die frühere Aussage des Zeugen G. und die Person dieses Zeugen zu Zweifeln Anlass geben. In Anbetracht der Feststellungen des Sachverständigen, nach denen das von dem Zeugen J. dargestellte Szenario mit den objektiven Umständen nicht in Übereinstimmung steht und jedenfalls eine Manipulation des Schadensumfangs stattgefunden haben muss, sieht sich der Senat außer Stande festzustellen, dass der Fahrvorgang des Zeugen J. überhaupt durch eine Vorfahrtsverletzung des Beklagten zu 1) veranlasst und die geltend gemachten Schäden dadurch entstanden sind.

c) Ein Anscheinsbeweis kommt der Klägerin nicht zu Gute. Zwar kann ein solcher Beweis in Betracht zu ziehen sein, wenn es im Zusammenhang mit dem verkehrswidrigen Verhalten des in Anspruch genommenen zu einem damit typisch verbundenen Unfallgeschehen gekommen ist, bei dem das Fahrzeug des Anspruchstellers ohne Fahrzeugberührung beschädigt wurde; Unfälle durch Ausweichbewegungen auf Grund der Vorfahrtverletzung eines anderen Kraftfahrzeugs mögen eine solch typische Fallgestaltung sein. Im Streitfall ist der Anschein indes entkräftet, da auf Grund des vorliegenden Gutachtens die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs fest steht.

Die Klage muss danach auf die Berufung abgewiesen werden. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Beschwer 60.000,00 DM.

Berufungsstreitwert: 25.932,00 DM DM

Ende der Entscheidung

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