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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 10.03.2000
Aktenzeichen: 11 W 106/99
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
BGB § 428
BGB § 745
BGB § 745 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
11 W 106/99 10 O 444/99 LG Bonn

Beschluss

In der Prozesskostenhilfesache

pp.

hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Pastor, den Richter am Oberlandesgericht Zoll und den Richter am Landgericht Wurm

am 10.03.2000 beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss der 10. Zivilkammer des Landgerichts Bonn vom 29.11.1999 - 10 O 444/99 - teilweise abgeändert.

Der Antragsgegnerin wird für die beabsichtigte Klage ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt P. in B. bewilligt, hinsichtlich der geltend gemachten rückständigen Nutzungen jedoch nur für einen Klagebetrag in Höhe von 3.900,00 DM.

Der weitergehende Prozeßkostenhilfeantrag und die weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO statthafte Beschwerde hat in der Sache weitgehend Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die von der Antragstellerin beabsichtigte Klage verweigert. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung hat hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Antragstellerin verlangt von dem Antragsgegner, ihrem inzwischen getrennt lebenden Ehemann eine Nutzungsentschädigung, weil der Antragsgegner das bis zur Trennung gemeinsam bewohnte Haus nun alleine nutzt. Das Haus steht im Eigentum der Tante des Antragstellers. Diese hat den Parteien an dem Haus ein - im Grundbuch eingetragenes - lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht bestellt, das ihnen als Gesamtgläubigern gemäß § 428 BGB ungeschmälert bis zum Tode des Überlebenden zustehen soll. Der Antragsgegner zahlt die Finanzierungskosten in Höhe von 700,00 DM auch nach dem Auszug der Antragstellerin (25.11.1997) alleine. Die Antragstellerin beziffert den Mietwert des Hauses auf mindestens 2.000,00 DM monatlich; dies hat der Antragsgegner bisher nicht substantiiert bestritten. Mit Anwaltsschreiben vom 09.02.1999 hat die Antragstellerin eine Neuregelung der Benutzung des Hauses verlangt. Mit Schreiben vom 26.04.1999 hat sie die Regelung dahin verlangt, dass der Antragsgegner eine monatliche Nutzungsentschädigung in Höhe der Hälfte des Mietwertes abzüglich der Aufwendungen des Antragsgegners zahlt. Den sich so ergebenden Betrag will sie mit der beabsichtigten Klage geltend machen. Der Antragsgegner beruft sich darauf, er könne das Haus nur selbst nutzen und nicht fremdvermieten, die Alleinnutzung sei ihm aufgedrängt worden, er hindere die Antragstellerin nicht, ihr Nurtzungsrecht wahrzunehmen.

Nach dem von der Antragstellerin vorgetragenen Sachverhalt steht ihr der gegen den Antragsgegner geltend gemachte Anspruch zu. Den Parteien ist von der Eigentümerin des Hauses ein Wohnungsrecht (§ 1093 BGB) als Gesamtgläubigern gemäß § 428 BGB bestellt. Eine solche Bestellung ist - trotz des höchstpersönlichen Charakters des Wohnungsrechts - rechtlich möglich (BGHZ 46, 253, 256 ff.; Staudinger/Langhein, 13.Aufl., § 741 Rn. 128, 132). Gesamtgläubigerschaft begründet zwischen den Gesamtgläubigern ein Gemeinschaftsverhältnis (Staudinger/Langhein a.a.O. Rn. 105). Auch bei einem den Berechtigten als Gesamtgläubigern bestellten Wohnungsrecht ist im Innenverhältnis Gemeinschaftsrecht, zumindest analog, anzuwenden (Staudinger/Langhein a.a.O. Rn. 132). Für die Verwaltung und Benutzung gilt demgemäß § 745 BGB.

Trennen sich Eheleute endgültig und zieht einer aus der im Eigentum beider stehenden Wohnung aus, so gelten nach der Rechtsprechung (vgl. etwa BGH NJW 1982, 1753 f.; 1983, 1845 ff.; 1986, 1340 f.; 1994, 1721 f.) folgende Grundsätze: Der ausziehende Ehegatte kann eine Neuregelung der Verwaltung und Benutzung gemäß § 745 Abs. 2 BGB verlangen. Eine billige Regelung wird vielfach dahin gehen, dass der Ehegatte, der die Wohnung allein weiter nutzt, dem anderen eine Nutzungsentschädigung in Höhe des angemessenen Mietzinses zahlt. Der sich so ergebende Zahlungsanspruch kann sofort eingeklagt werden, die Frage der Nutzungsregelung ist als Vorfrage in einem solchen Klageverfahren zu prüfen. Eine angemessene Regelung kann auch darin bestehen, dass der Ehegatte, der die Wohnung weiter nutzt, die anfallenden Kosten alleine übernimmt.

Das Landgericht wendet diese Grundsätze im Streitfall deshalb nicht an, weil die Parteien nicht Eigentümer, sondern Inhaber eines Wohnungsrechts sind. Dem kann nicht gefolgt werden. Steht mehreren gemeinschaftlich ein dingliches Recht zu, so stellt § 745 Abs. 2 BGB sicher, dass eine angemessene Nutzungsregelung erfolgt, notfalls die fehlende Nutzungsmöglichkeit eines Berechtigten bei Alleinnutzung des anderen finanziell ausgeglichen wird. Eine unterschiedliche Behandlung von Grundstückseigentum und Wohnungsrecht ist insoweit jedenfalls dann nicht gerechtfertigt, wenn der Eigentümer es den Berechtigten gestattet, das Grundstück wie ihr Eigentum zu benutzen, insbesondere Dritten - etwa im Wege der Vermietung - zu überlassen (vgl. § 1092 Abs. 1 Satz 2 BGB) oder wenn der in dem Haus verbleibende Berechtigte es tatsächlich derart nutzt. Beides hat die Antragstellerin in der Beschwerdeschrift unter Benennung von Zeugen behauptet. In dem angefochtenen Beschluss vom 29.11.1999 stellt das Landgericht auf den gegenteiligen Vortrag des Antragsgegners in dem Schriftsatz vom 22.11.1999 ab, der der Antragstellerin erst am 24.11.1999 übersandt wurde und zu dem sie daher nicht innerhalb angemessener Frist Stellung nehmen konnte. Obwohl die Antragstellerin dies in der Beschwerdeschrift gerügt hat, geht das Landgericht in seinem Nichtabhilfebeschluss auf ihren abweichenden Vortrag nicht ein. Sollte sich der Vortrag der Antragstellerin als unzutreffend herausstellen, so wird ein Wertausgleich gleichwohl in Betracht kommen, wenn der Wert der Eigennutzung durch den Antragsgegner die von ihm übernommenen Belastungen übersteigt.

Nicht überzeugen kann das Argument des Landgerichts, die alleinige Nutzung des Antragsgegners werde dadurch kompensiert, dass er sämtliche Lasten des Hauses trage. Konkret vorgetragen ist eine monatliche Belastung von 700,00 DM. Diese hat die Antragstellerin bei der Berechnung der Nutzungsentschädigung aber berücksichtigt, da sie nur die Hälfte des nach Abzug dieser Belastung verbleibenden Mietwerts verlangt. Der Berechnung der Antragstellerin hat der Antragsgegner nicht konkret bestritten. Er ist auch nicht dem Vortrag der Antragstellerin entgegengetreten, dass sie keinerlei Unterhaltszahlungen erhält, ein angemessener Ausgleich auf diesem Wege also nicht erfolgt.

Die Überlegung des Antragsgegners und des Landgerichts, die Antragstellerin könne wieder in das Haus einziehen und so von ihrem Wohnungsrecht Gebrauch machen, ist verfehlt. Die Ehe ist unstreitig zerrüttet. Ein Zusammenleben mit dem Antragsgegner ist der Antragstellerin mithin nicht zuzumuten, wobei unerheblich ist, ob sie aus eigenen Stücken ausgezogen oder von dem Antragsgegner aus dem Haus gesetzt worden ist. Dass er bereit sei, das Haus zugunsten der Antragstellerin zu räumen, macht der Antragsgegner nicht geltend.

Ein Zahlungsanspruch der Antragstellerin kommt mithin in Betracht. Allerdings kann sie rückständige Nutzungsentschädigung nicht schon ab Februar 1999 verlangen. Eine die jetzt geltend gemachte Nutzungsentschädigung rechtfertigende Nutzungsregelung ist erst mit dem Schreiben vom 26.04.1999 verlangt worden. Sie ist daher erstmals ab Mai 1999 zu zahlen (vgl. dazu BGH NJW-RR 1993, 386, 387).

In diesem Umfang ist die Prozeßkostenhilfe zu bewilligen, da die persönlichen Bewilligungsvoraussetzungen vorliegen.

Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren wird nicht erhoben (KV Nr. 1952 a.E.).

Ende der Entscheidung

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