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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 28.02.2001
Aktenzeichen: 13 W 8/01
Rechtsgebiete: ZPO, BVerfGG, BGB


Vorschriften:

ZPO § 767 Abs. 2
BVerfGG § 79 Abs. 2 S. 3
BGB § 826
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS

13 W 8/01 2 O 505/00 LG Köln

In der Prozesskostenhilfesache

pp.

hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 8. Januar 2001 gegen den Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 27. Dezember 2000 - 2 O 505/00 -

unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Eßer, des Richters am Oberlandesgericht Hentschel und des Richters am Landgericht Dahl

am 28. Februar 2001

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage, mit der sie die von der Antragsgegnerin betriebene Zwangsvollstreckung aus einem am 22.06.1983 ergangenen Vollstreckungsbescheid für unzulässig erklären lassen will. Dem Vollstreckungsbescheid lag eine Forderung der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin aus einem der Antragstellerin und ihrem Ehemann Ende 1980 gewährten Darlehen in Höhe von ca. 36.000,00 DM zugrunde. Die Ehe der Antragstellerin wurde am 28.06.2000 rechtskräftig geschieden. Die Antragstellerin meint, mit der Scheidung der Ehe sei die Geschäftsgrundlage für ihre wirtschaftlich sinnlose Mitverpflichtung aus dem Darlehensvertrag entfallen. Das Landgericht hat demgegenüber die Voraussetzungen, unter denen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Geschäftsgrundlage für eine vom einkommens- und vermögenslosen Ehegatten übernommene Bürgschaft oder Mithaftübernahme entfallen könne, wenn die Mitverpflichtung nur dazu diente, Vermögensverschiebungen unter den Eheleuten vorzubeugen, mit der Begründung verneint, dass die Antragstellerin nicht lediglich Mitverpflichtete im Sinne jener Rechtsprechung, sondern echte Mitdarlehensnehmerin gewesen sei.

II.

Die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragstellerin bleibt erfolglos.

1. Es sprechen hier in der Tat gewichtige Umstände dafür, dass die Antragstellerin seinerzeit nicht nur zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs in die Haftung einbezogen worden ist, sondern zusammen mit ihrem damaligen Ehemann in jeder Beziehung gleichberechtigte Mitdarlehensnehmerin war. Von solchen echten Mitdarlehensnehmern, bei denen eine Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages auch bei krasser finanzieller Überforderung grundsätzlich nicht in Betracht kommt, kann in aller Regel nur bei Personen ausgegangen werden, die ein eigenes Interesse an der Kreditgewährung haben, sich als Gesamtschuldner verpflichten und im wesentlichen gleichberechtigt über die Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden (BGH v. 14.11.2000 - XI ZR 248/99 -, ZIP 2001, 189). Das in Rede stehende Darlehen, dessen Höhe sich noch im Rahmen üblicher Konsumentenkredite hält, ist den Eheleuten nicht nur gemeinsam gewährt worden. Sie haben ausweislich der von der Antragsgegnerin vorgelegten Auszahlungsanweisung auch gemeinsam hierüber verfügt, und zwar zum weitaus überwiegenden Teil zur Tilgung eines ebenfalls gemeinsam aufgenommenen Vorkredits und weiterer Verbindlichkeiten.

2. Unabhängig davon scheitert die beabsichtigte Vollstreckungsgegenklage indessen schon daran, dass die angeführte Rechtsprechung des BGH zur Inanspruchnahme nicht leistungsfähiger Ehegatten als Bürgen oder Mithaftende weder unter dem Gesichtspunkt der Nichtigkeit der Mitverpflichtung wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) noch unter dem Gesichtspunkt eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 242 BGB) nach dem Tode des anderen Ehegatten einen neuen Umstand i.S.d. § 767 Abs.2 ZPO für die Erhebung einer Abwehrklage gegen einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid darstellt. Hierzu kann in erster Linie auf die Gründe des Senatsbeschlusses vom 27.04.1998 - 13 U 16/98 -, OLGR 1998, 329 = InVo 1998, 356 verwiesen werden. Die Änderung der Rechtsprechung führt nicht zu einer Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Rahmen des § 767 Abs.2 ZPO. Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht aus § 79 Abs.2 S.3 BVerfGG herleiten (Senat, a.a.O., sowie OLG Köln - 15 U 52/99 -, OLGR 2000, 70 = NJW-RR 2001, 139, jew.m.w. Nachw.).

3. Abgesehen davon, dass der inzwischen auch für Bürgschaftssachen zuständige XI. Zivilsenat des BGH die Lösungsansätze des IX. Senats zur Begrenzung der Mithaftung finanziell überforderter naher Angehöriger unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage wohl kaum fortsetzen wird, hat auch der IX. Zivilsenat des BGH diesen Lösungsansatz nur unter der Voraussetzung angewendet, dass die Verpflichtung den Rahmen üblicher Konsumentenkredite deutlich übersteigt und auch unter Berücksichtigung der Dauer der Lebensgemeinschaft nach Gewährung des Kredits nicht mehr vertretbar erscheint (z.B. Urteil vom 5.1.1995 - IX ZR 85/94 -, NJW 1995, 592). Davon kann hier bei einem Kredit über ca. 36.000,00 DM und einem fast 20-jährigen Zeitraum zwischen Kreditgewährung und Scheidung der Ehe ersichtlich keine Rede sein.

4. Einen Anspruch aus § 826 BGB auf Unterlassung der Zwangsvollstreckung aus dem rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid und auf Herausgabe des Titels erhebt die Antragstellerin offenbar selbst nicht, in der zutreffenden Erkenntnis, dass der Vollstreckungsbescheid zum damaligen Zeitpunkt zu Recht ergangen ist (Seite 4 der Antragsschrift). Die Durchbrechung der Rechtskraft des Vollstreckungsbescheides unter diesem Gesichtspunkt scheidet aus, wenn der Gläubiger im konkreten Fall - nach dem Stand der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruchs - damit rechnen konnte, dass er auch im Klageverfahren ein Versäumnisurteil gegen den Schuldner erwirken würde (vgl. BGH NJW 1999, 1257 m.w.Nachw.). Bei Vollstreckungsbescheiden, die - wie hier - lange vor der Rechtsprechungsänderung für die Mithaftung finanziell überforderter Ehegatten erwirkt wurden, müssten schon ganz besondere zusätzliche Umstände hinzukommen, um eine sittenwidrige Ausnutzung des Titels zu begründen. Solche Umstände macht auch die Beschwerde nicht geltend. Vielmehr ist unstreitig, dass die Antragsgegnerin den Eheleuten durch einen Teilzahlungsvergleich vom 13.09.1993 unter Reduzierung der zwischenzeitlich aufgelaufenen Kreditschuld entgegengekommen ist.

III.

Nach alledem hat es bei der Ablehnung der beantragten Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu verbleiben (§ 114 ZPO).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 127 Abs.4 ZPO).

Ende der Entscheidung

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