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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 23.01.2003
Aktenzeichen: 14 U 32/02
Rechtsgebiete: StVG, BGB, ZPO


Vorschriften:

StVG § 9
StVG § 18
BGB § 254
BGB § 286
BGB § 288
BGB § 852 Abs. 1
ZPO § 92
ZPO § 100 Abs. 4
ZPO § 708 Nr. 10
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Bonn vom 05.06.2002 (9 O 466/01) teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 1.493,00 EUR nebst 4% Zinsen ab dem 06.11.1998 zu zahlen.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden dem Kläger zu 85% und den Beklagten als Gesamtschuldner zu 15% auferlegt, die Kosten des Berufungsverfahrens dem Kläger zu 15% und den Beklagten als Gesamtschuldner zu 85%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Schadenersatzansprüche des Klägers nach einem Verkehrsunfall am 07.06.1998 gegen 2 Uhr nachts in C, an dem der Kläger als Fußgänger beteiligt war, der Beklagte zu 1) als Fahrer eines gemieteten PKWs (P) und die Beklagte zu 2) als Haftpflichtversicherung des bei ihr versicherten PKWs.

Wegen des der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalts und der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, durch das die Klage abgewiesen worden ist.

Mit der Berufung lässt der Kläger den erstinstanzlich geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch fallen und beschränkt sich auf die Geltendmachung von 2/3 (= 1.994,05 EUR) des ihm nach seinem Vortrag entstandenen Verdienstausfalles nebst 4% Zinsen. Er hält das Ergebnis der Beweisaufnahme des Landgerichtes für nicht zutreffend, wonach die für ihn maßgebliche Fußgängerampel nicht grün und die für den Beklagten zu 1) maßgebliche Ampel nicht rot gewesen sein soll. Das sei weder durch den Zeugen I, noch durch das Gutachten des Sachverständigen Q bewiesen, noch durch die sonstigen vom Landgericht herangezogenen Umstände wie die Schadenspuren am PKW sowie die angebliche widersprüchlichen bzw. unzutreffenden Aussagen von ihm und dem Zeugen I zum zeitlichen Ablauf des Abends vor dem Unfall und zu seinem Alkoholkonsum.

Die Beklagten verteidigen das Urteil. Sie halten den Anspruch für verjährt und behaupten weiterhin, die Ampel sei für den Beklagten zu 1) grün gewesen. Mangels jeden Verschuldens des Beklagten zu 1), so meinen sie, handele es sich um ein unabwendbares Ereignis bzw. trete jedenfalls die Betriebsgefahr zurück. Dem gegenüber sei dem Kläger ein schweres Verschulden anzulasten, da er die Fahrbahn in betrunkenem Zustand bei für ihn roter Ampel überquert habe. Darüber hinaus bestreiten sie die Höhe des geltend gemachten Verdienstaufalles.

II.

Die zulässige Berufung des Klägers hat teilweise Erfolg. Der mit der Berufung nunmehr (in Höhe von 2/3) geltend gemachte Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalles ist in Höhe von 50% des dem Kläger insgesamt entstandenen Schadens begründet. Maßgeblich ist dafür folgendes:

Anspruchsgrundlage des vom Kläger geltend gemachten Verdienstausfallschadens ist § 18 StVG, wonach der Fahrer eines Kraftfahrzeuges grundsätzlich zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der beim Führen des Fahrzeuges entstanden ist. Dabei handelt es sich um eine Verschuldenshaftung mit umgekehrter Beweislast, d.h. das Verschulden des Fahrzeugführers wird vermutet, solange er sich nicht entlastet, dass er die gewöhnliche verkehrserforderliche Sorgfalt angewandt hat (vgl. Hentschel, Strassenverkehrsrecht, 36. Auflage, § 18 RZ 1 ff. m.w.N.). Dieser Entlastungsbeweis ist den Beklagten nicht gelungen. Die Aussage des Beklagten zu 1) gegenüber der am Unfallort eingetroffene Polizei, "die Lichtzeichenanlage zeigte für mich grün" ist vom Kläger bestritten worden. Auch die Erklärung des Beklagten zu 1) in der Verhandlung vor dem Strafgericht "ich bin mir sicher, dass ich grün hatte, sonst wäre ich bei diesem schlechten Wetter nicht so schnell gefahren" ist kein ausreichender Beweis.

Ebenso wenig ist selbst dann, wenn man es mit dem Landgericht als bewiesen ansieht, dass die Ampelanlage für den Kläger, d.h. die Fußgängerampel, nicht grün gezeigt hat - dazu näher noch unten -, daraus zu folgern, dass die Ampel für den Beklagten zu 1) dann nicht rot gezeigt hat. Dieser Rückschluss ist deshalb nicht zwingend, weil es durchaus Ampelphasen gibt, in denen sowohl die Fußgängerampel als auch die für den Fahrzeugverkehr rot zeigt, um nämlich dem Fußgängerverkehr, der in der Endphase grün gestartet ist, das gefahrlose Verlassen der Fahrbahn zu ermöglichen. Eine solche gleichzeitige Rotschaltung beider Ampeln ist gerade bei einer breiten Fahrbahn wie im vorliegenden Fall von nicht ganz kurzer Dauer.

Zutreffend wird in der Berufungsbegründung auch darauf hingewiesen, dass die weiteren vom Landgericht herangezogenen Umstände ebenfalls nicht den erforderlichen Entlastungsbeweis für den Beklagten zu 1) erbringen, dass er nämlich nicht bei für ihn roter Ampelschaltung gefahren ist. Weder der Alkoholkonsum des Klägers - mit einem unstreitigen Blutalkoholgehalt von 1,93 Promille -, noch seine Bekundungen im übrigen bzw. die des Zeugen I zu den Begleitumständen des Unfalls sind geeignet, auch nur irgendetwas zur Aufklärung insoweit beizutragen. Dasselbe gilt für die Schäden am Fahrzeug des Beklagten zu 1): Soweit die Parteien darüber streiten, ob der Kläger aus der Sicht des Beklagten zu 1) von links nach rechts die Strasse überquert hat, was nach dem Gutachten des Sachverständigen Q dem Schadensbild zuzuordnen wäre, oder aber von rechts nach links - wie der Kläger behauptet -, so ist dies für die Frage der Ampelschaltung ohne Bedeutung. Denkbar wäre im übrigen - ohne dass es hier darauf ankommt -, dass der Kläger gemäss seiner Schilderung zunächst von rechts kam, aber auf der Fahrbahn umgekehrt ist oder sich umgedreht hat, weil er auf den unstreitig zurückgebliebenen Zeugen I wartete.

Im Ergebnis ist damit davon auszugehen, dass sich die Beklagten nicht gegenüber der Behauptung des Klägers, der Beklagte zu 1) sei bei Rot über die für ihn maßgebliche Ampelanlage gefahren, entlastet haben.

Gegenüber dem vermuteten Verschulden des Beklagten zu 1) ist allerdings ein Mitverschulden des Klägers gemäss § 254 BGB zu berücksichtigen. Dies ist von der Beklagtenseite zu beweisen, und zwar sowohl dem Grunde als auch - im Rahmen der Abwägung der beiderseitig anzulastenden Verursachungsbeiträge - dem Gewicht nach (vgl. Hentschel, aaO, § 9 StVG RZ 25 m.w.N.).

Nachzuweisen ist dem Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme erster Instanz und nach den im übrigen feststehenden Umstände nicht, dass er die Fahrbahn bei für ihn roter Ampel betreten hat. Für eine solche Feststellung gibt es keine Zeugenaussage und sprechen keine sonstigen Umstände. Allein die Darstellung des Beklagten zu 1), er sei sich sicher, bei grün gefahren zu sein, erbringt angesichts des Bestreitens des Klägers nicht den notwendigen Beweis.

Ein leichtes Verschulden ist dem Kläger indessen deshalb anzulasten, weil er sich trotz grün geschalteter Ampel nicht vergewissert hat, dass die Fahrbahn frei von etwaigem KfZ-Verkehr war. Denn einen Fußgänger trifft trotz grünen Lichts der für ihn geltenden Ampel die Obliegenheit, sich vor dem Betreten der Fahrbahn durch einen beiläufigen Blick nach den Seiten zu vergewissern, dass er diese gefahrlos überqueren kann. Erst danach darf er auf die Beachtung seines Vorranges vertrauen (vgl. BGH VRS 31, 3; Heidelberger Kommentar zum Strassenverkehrsrecht, § 37 RZ 61).

Darüber hinaus spricht der Beweis des ersten Anscheins für eine schuldhafte Mitverursachung des Unfalls durch den Kläger, und zwar über ein nur leichtes Verschulden hinausgehend. Dies deshalb, weil der Kläger die Fahrbahn mit einem Blutalkoholgehalt von 1,93 Promille überquert hat; denn stößt einem erheblich alkoholisierten Fußgänger auf der Fahrbahn unter Umständen, die ein Nüchterner hätte meistern können, einen Unfall zu, so spricht der Anschein für eine Mitursächlichkeit der Trunkenheit und damit zugleich für ein Mitverschulden am Unfall (vgl. DAR 56,128; Hentschel, aaO, § 9 StVG RZ 15 und § §24 StVO RZ 54). Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Denn nach der allgemeinen Lebenserfahrung ist anzunehmen, dass ein Fußgänger im nüchternen Zustand das Fahrzeug des Beklagten zu 1) wahrgenommen und bemerkt hätte, dass sein Vorrang als Fußgänger nicht berücksichtigt würde. Da die Fahrbahn an der Unfallstelle gut einsehbar ist und da sich der Beklagte zu 1) mit unverminderter Geschwindigkeit näherte, hätte sich der Kläger im nüchternen Zustand im Zweifel darauf eingestellt und den Beklagten zu 1) passieren lassen.

Zusammenfassend ist damit auf Seiten des Beklagten zu 1) von einem vermuteten Verschulden auszugehen und auf Seiten des Klägers von einem Beweis des ersten Anscheines für eine schuldhafte Mitverursachung des Unfalls. Unter Abwägung der beiderseitigen Verschuldensbeiträge erscheint die Teilung des Schadens auf Klägerseite angemessen, d.h. eine Haftungsquote der Beklagten von 50%.

Hinsichtlich der Schadenshöhe ist von den Angaben des Klägers zu seinem Verdienstausfall auszugehen, die auch das Landgericht im PKH-Beschluss vom 05.03.2002 zugrundegelegt hat, d.h. von monatlich 1.300,00 DM als monatlichen Verdienstausfall für 4 1/2 Monate unstreitiger Arbeitsunfähigkeit. Das ergibt einen Gesamtschaden von 5.840,00 DM, von dem die Beklagten als Gesamtschuldner die Hälfte, das sind 2.920,00 DM = 1.493,00 EUR zu erstatten haben. Soweit die Beklagten erstinstanzlich bestritten haben, dass der Kläger unfallbedingt überhaupt einen Verdienstausfall erlitten habe, weil er in den betreffenden Monaten auch ohne Unfall keiner entgeltlichen Tätigkeit nachgegangen wäre, folgt der Senat dem nicht. Denn nach den vorgelegten Unterlagen hat der Kläger in den vergangenen Jahren regelmässig Aushilfstätigkeiten mit unterschiedlichen Einkünften wahrgenommen, die auf einen durchschnittlichen Verdienst von 1.300,00 DM monatlich schließen lassen.

Der Anspruch des Klägers ist auch nicht verjährt; denn die dreijährige Verjährungsfrist gemäss § 852 Abs. 1 BGB a.F. ist in der Zeitspanne vom 27.07. - 02.09.1998 sowie vom 22.10.1998 - 12.01.1999 gehemmt gewesen. Dazu wird auf die zutreffenden Ausführungen im PKH-Beschluss des Landgerichts vom 05.03.2002 verwiesen, denen sich der Senat anschließt.

Soweit die Beklagten die Auffassung vertreten, die Frist sei längstens nur bis zum 05.11.1998 gehemmt gewesen, nicht aber bis zum 12.01.1999 und sei mithin bei Klageeinreichung bereits abgelaufen gewesen, folgt der Senat dem nicht. Das Schreiben der Beklagten zu 2) vom 10.11.1998 beinhaltet keine endgültige ablehnende Erklärung zu den vom Kläger geltend gemachten Ansprüchen, was zur Beendigung der Verjährungshemmung erforderlich gewesen wäre (vgl. BGH NJW - RR 1991, 470, 472). Zwar wird in diesem Schreiben - wie bereits in der Vorkorrespondenz - darauf hingewiesen, dass ein Schadensersatzanspruch des Klägers nicht bestehe und speziell die zwischenzeitlich erfolgte Aussage des Zeugen I keinen Anlass gebe, die Sachlage anders zu beurteilen. Gleichzeitig wird jedoch mitgeteilt, dass der Vorgang nunmehr in der Hauptverwaltung der Beklagten zu 2) weiter bearbeitet werde und dass der dortige Sachbearbeiter sich infolge Urlaubs frühestens im Dezember mit der Sache befassen könne. Damit aber ist die Ablehnung von Schadensersatzansprüchen gerade nicht endgültig erklärt worden, sondern unter den Vorbehalt einer erneuten Prüfung durch den Sachbearbeiter der Hauptverwaltung gestellt worden. Erst mit dessen ablehnender Anwort vom 12.01.1999 ist daher die Hemmung der Verjährung aufgehoben worden mit der Folge, dass die Ansprüche bei Klageeinreichung noch nicht verjährt waren.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286, 288 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 100 Abs. 4 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 10 ZPO.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 1.944,05 EUR

Ende der Entscheidung

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