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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 11.03.1999
Aktenzeichen: 15 W 14/99
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO §§ 42 ff |
ZPO §§ 42 ff
Zum Umfang der Wartepflicht des abgelehnten Richters.
Ein einmaliger Verstoß gegen die Wartepflicht des § 47 ZPO kann, muß aber nicht die Besorgnis der Befangenheit begründen, speziell im Zusammenhang mit der Verwerfungskompetenz bei rechtsmißbräuchlichen Anträgen.
- 15 W 14/99 - Beschluß vom 11.03.1999 - unanfechtbar.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
15 W 14/99 12 S 128/98 LG Köln
221 C 468/97 AG Köln
In Sachen
pp.
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Jährig und die Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. Diederichs und Scheffler
am 11. März 1999
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) gegen den Beschluß der 10. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 21. Januar 1999 - 12 S 128/98 - wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Gründe:
Die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 1) ist zwar gemäß den §§ 46 Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die 10. Zivilkammer des Landgerichts Köln hat mit ihrem Beschluß vom 21.1.1999 zu Recht das gegen die Richter der 12. Zivilkammer des Landgerichts Köln - Vorsitzenden Richter am Landgericht B., Richter am Landgericht M. und Richter am Landgericht Dr. T. - gerichtete Ablehnungsgesuch des Beklagten zu 1) vom 10.10.1998 als unbegründet zurückgewiesen.
Allerdings teilt der Senat nicht die in dem angefochtenen Beschluß zum Ausdruck gebrachten Zweifel daran, ob die am 8.9.1998 ungeachtet der in § 47 ZPO statuierten Wartepflicht erfolgte Verkündung des von den abgelehnten Richtern der 12. Zivilkammer gefaßten Urteils allen drei an diesem Richterspruch beteiligten Richtern - und nicht lediglich dem mit der Verkündung befaßten Vorsitzenden Richter am Landgericht B. - als etwaiger Ablehnungsgrund zuzurechnen wäre. Über die Frage, ob das noch nicht rechtskräftig zurückgewiesene Ablehnungsgesuch des Beklagten zu 1) vom 30.8.1998 die Verkündung eines Urteils in dem auf den 8.9.1998 anberaumten Spruchtermin hinderte oder nicht, war nicht allein von dem Kammervorsitzenden zu befinden, sondern von allen erkennenden Richtern der 12. Zivilkammer. Es verhielt sich insoweit nicht anders, als wenn nach Schluß der mündlichen Verhandlung noch weiterer Sachvortrag der Parteien erfolgt. Ob dies Anlaß zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gibt, hat gemäß § 156 ZPO das Prozeßgericht und nicht lediglich der Vorsitzende zu entscheiden. Soweit dem Vorsitzenden gemäß § 313 Abs. 4 S. 1 ZPO die Verkündung von Spruchsachen zugewiesen ist, verleiht ihm dies eine alleinige Entscheidungsbefugnis lediglich im Hinblick auf die Art und Weise der Verkündung. Da das in § 47 ZPO enthaltene Gebot, vor Erledigung des Ablehnungsgesuches nur unaufschiebbare Handlungen vorzunehmen, für jeden abgelehnten Richter gilt, kann es nach Auffassung des Senats nicht zweifelhaft sein, daß eine unter Verstoß gegen die Wartepflicht vorgenommene Verkündung einer Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich auch geeignet ist, einen - erneuten - Ablehnungsgrund gegen alle an der Entscheidungsfindung beteiligten Richter zu bilden.
Auch nach Auffassung des Senats begründete aber der Verstoß gegen die Wartepflicht vorliegend nicht gemäß § 42 Abs. 2 ZPO die Besorgnis, daß Vorsitzender Richter am Landgericht B., Richter am Landgericht M. und Richter am Landgericht Dr. T. befangen sein könnten. Wie das Landgericht in seinem angefochtenen Beschluß zutreffend ausgeführt hat, läßt ein Verfahrensverstoß, wie er jedem Richter einmal unterlaufen kann, nicht bereits den Schluß auf eine unsachliche Einstellung des betreffenden Richters zu; erforderlich ist vielmehr das Hinzutreten weiterer Umstände, aus denen sich der Eindruck ergibt, daß der betreffende Richter zu einer vorurteilsfreien Beurteilung der Sache nicht in der Lage sei (vgl. dazu statt vieler Zöller/Vollkommer, ZPO- Kommentar, 20. Auflage § 42 Rdn. 28 m.w.N.). Gemessen an diesen Grundsätzen kann insbesondere ein wiederholter Verstoß gegen die Wartepflicht die Richterablehnung rechtfertigen, wie das Landgericht unter zutreffender Anführung der hierzu ergangenen Rechtsprechung gemeint hat. Aber auch schon ein einmaliger Verstoß gegen die Wartepflicht ist gegebenenfalls geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen, nämlich dann, wenn dieser Verfahrensfehler für die ablehnende Partei mit besonders gravierenden Folgen verbunden ist und auch eine besonnene Prozeßpartei den Eindruck gewinnen würde, daß es dem abgelehnten Richter allein darum zu tun war, die Sache um jeden Preis vom Tisch zu bekommen und durch die Mißachtung der Wartepflicht vollendete Tatsachen zu schaffen. Hierfür reicht es allerdings entgegen der vom OLG Bremen in OLGZ 93, 485ff vertretenen Auffassung nicht allein schon aus, wenn wie hier der Rechtsstreit mit einem unter Verstoß gegen die Wartepflicht verkündeten Urteil rechtskräftig beendet wird, auch wenn dies zur Folge hat, daß der durch das Urteil beschwerten Partei nur noch der umstrittene Weg über eine entsprechende Anwendung des § 579 Abs. 1 Nr. 3 ZPO verbleibt. Eine derart enge Betrachtungsweise würde nach Einschätzung des Senats dazu führen, daß in solchen Fällen von der im Bereich der Zivilprozeßordnung auf richterlichem Gewohnheitsrecht beruhenden (vgl. dazu etwa BGH NJW 1992, 983,984) Befugnis eines abgelehnten Richters, offensichtlich mißbräuchliche Ablehnungsgesuche selbst zu verwerfen und damit über die nach § 47 ZPO zulässigen unaufschiebbaren Maßnahmen hinaus den Weg zu einer zügigen Entscheidung in der Sache zu ebnen, aus Vorsichtsgründen in der Praxis voraussichtlich kaum noch angemessener Gebrauch gemacht würde. Wenngleich die auf rechtsmißbräuchliche Ablehnungsgesuche beschränkte Verwerfungskompetenz des abgelehnten Richters als Ausnahme begriffen werden muß, so wäre doch eine solche Entwicklung nicht wünschenswert, zumal nach den Erfahrungen des Senats gerade die Fälle, in denen eine Partei in Erwartung einer für sie ungünstigen, unmittelbar rechtskräftig werdenden Entscheidung mittels eines Befangenheitsantrages gegen den erkennenden Richter die "Notbremse" zu ziehen versucht, zahlenmäßig von nicht geringer Bedeutung sind. Richtiger Ansicht nach hat es deshalb auch in solchen Fällen für eine erfolgreiche Richterablehnung dabei zu verbleiben, daß zu dem Verstoß gegen die Wartepflicht weitere Gesichtspunkte hinzutreten müssen, die das Verhalten des abgelehnten Richters als nicht mehr nachvollziehbar und willkürlich erscheinen lassen. Insoweit sind vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Wie auch aus den nunmehr eingeholten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter (Bl. 114/115 d.A.) hervorgeht, haben diese die Reichweite der Verwerfungskompetenz eines abgelehnten Richters verkannt und gemeint, auch ein lediglich gemäß § 43 ZPO unzulässiges Ablehnungsgesuch selbst zurückweisen zu dürfen und deshalb der in § 47 ZPO bestimmten Wartepflicht enthoben zu sein. Hierbei handelte es sich um eine Fehleinschätzung der Art, wie sie jedem Richter einmal unterlaufen kann. Dies gilt um so mehr, als der Standpunkt, daß der abgelehnte Richter außer über rechtsmißbräuchliche Ablehnungsgesuche auch über sonstige offensichtlich unzulässige Befangenheitsanträge selbst entscheiden dürfe, in der einschlägigen Literatur vertreten wird (vgl. dazu Günther NJW 1986, 281, 290). Im Zeitpunkt der - auf der Basis des von ihnen eingenommenen Standpunktes folgerichtig durch den Verwerfungsbeschluß vom 2.9.1998 vorbereiteten - Verkündung des Urteils vom 8.9.1998 war den abgelehnten Richtern nun aber die Erkenntnis, daß dieser Standpunkt eine unzulässige Ausdehnung der richterrechtlich entwickelten Ausnahmen von der in § 47 ZPO statierten Wartepflicht bedeutet, noch nicht vermittelt worden. Auch lag zu diesem Zeitpunkt noch kein Rechtsmittel gegen den Beschluß vom 2.9.1998 vor. Von einem beharrlichen Verstoß der abgelehnten Richter gegen ihre Wartepflicht kann unter diesen Umständen keine Rede sein, so daß die Verkündung des unmittelbar mit Rechtskraft ausgestatteten Urteils am 8.9.1998 auch nicht geeignet war, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Der mit Schriftsatz des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten vom 1.9.1998 eingereichte Antrag auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung (Bl. 70 d.A.) führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Zu einer Wiedereröffnung wäre erst und nur dann Anlaß gewesen, wenn das Ablehnungsgesuch des Beklagten zu 1) bzw. seine am 22. September 1998 eingelegte sofortige Beschwerde gegen den Beschluß vom 2.9.1998 Erfolg gehabt hätte.
Auf die in dem angefochtenen Beschluß erörterte Frage, ob die mit der rechtskräftigen Zurückweisung des Ablehnungsgesuches vom 30.8.1998 verbundene Heilung des durch den Verstoß gegen § 47 ZPO begründeten Verfahrensfehlers Einfluß auf die Beurteilung des vorliegenden Ablehnungsgesuches hat, kommt es nach allem nicht mehr an. Allerdings dürfte es insoweit entgegen der vom Landgericht angenommenen Auffassung keine Automatik geben, da die Wartepflicht des abgelehnten Richters, abgesehen von den Fällen offensichtlich mißbräuchlicher Befangenheitsanträge, unabhängig davon besteht, ob das noch in der Schwebe befindliche Ablehnungsgesuch im Ergebnis berechtigt ist oder nicht. Die Besorgnis, daß ein Richter befangen sein könnte, knüpft nun einmal nicht allein an den etwaigen Fehler an, der dem jeweiligen abgelehnten Richter unterlaufen ist, sondern an den tatsächlichen Eindruck, der einer besonnenen Prozeßpartei anhand der Gesamtumstände vermittelt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Wert des Beschwerdeverfahrens: 19.395,80 DM
Ende der Entscheidung
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