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Gericht: Oberlandesgericht Köln
Beschluss verkündet am 14.01.1999
Aktenzeichen: 15 W 144/98
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 769 |
ZPO § 769
Einstellungsbeschlüsse nach § 769 ZPO sind grundsätzlich unanfechtbar.
Für eine greifbare Gesetzeswidrigkeit eines solchen Beschlusses, die einen außerordentlichen Rechtsbehelf eröffnen könnte, reicht das Fehlen einer Begründung nicht aus.
- 15 W 144/98 - Beschluß vom 14.01.1999 - unanfechtbar.
OBERLANDESGERICHT KÖLN BESCHLUSS
041 15 W 144/98
29 O 187/98 LG Köln
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Köln durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Jährig und die Richterinnen am Oberlandesgericht Dr. Diederichs und Wahle
am 14. Januar 1999
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Einstellungsbeschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 28.09.1998 - 29 O 187/98 - wird auf Kosten der Beklagten als unzulässig verworfen.
Gründe:
I.
Die Kläger haben Vollstreckungsgegenklage erhoben mit dem Antrag, die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus zwei Grundschuldbestellungsurkunden für unzulässig zu erklären. Auf ihren weiteren Antrag hat das Landgericht die Zwangsvollstreckung aus den notariellen Urkunden einstweilen ohne Sicherheitsleistung eingestellt.
Gegen diesen der Beklagten am 15.10.1998 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29.10.1998 bei Gericht eingegangene sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der diese beantragt, den Beschluss der Kammer dahingehend abzuändern, dass eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung erfolgt. Zur Begründung führt die Beklagte aus, der angefochtene Beschluss leide an mehreren schweren Rechtsfehlern. Er enthalte keine Begründung, sei zudem ergangen, ohne dass die Kläger ihre Angaben glaubhaft gemacht hätten; und im übrigen sei er offensichtlich ermessenswidrig, weil nicht berücksichtigt worden sei, dass die Vollstreckungsgegenklage keinerlei Aussicht auf Erfolg habe.
Die Kammer hat das Rechtsmittel zunächst als Gegenvorstellung behandelt und - nach Vorlage eidesstattlicher Versicherungen der Kläger - eine Abänderung des angefochtenen Beschlusses abgelehnt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, weil unstatthaft.
Die Anfechtbarkeit von Einstellungsentscheidungen des Prozessgerichts nach § 769 ZPO ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Teilweise wird die sofortige Beschwerde gem. § 793 ZPO ohne weitere Zulässigkeitsvorraussetzungen (OLG Köln, 19. ZS., OLGR 92, 13 mit Rechtsprechungsnachweisen), teilweise nur mit sehr eingeschränkter Überprüfungsmöglichkeit (OLG Köln, 25. FamS, NJW-RR 98, 365; OLG Naumburg, NJW-RR 98, 366; Baumbach/Lauterbach-Hartmann, ZPO-Komm., 56. Aufl., § 769 Rdnr. 12; Thomas/Putzo, ZPO-Komm., 21. Aufl., § 769 Rdnr. 18; jeweils m.w.N.) für zulässig gehalten. Demgegenüber hält die inzwischen als herrschend zu bezeichnende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur Einstellungsbeschlüsse nach § 769 ZPO in Analogie zu §§ 707 Abs. 2 Satz 2, 719 ZPO grundsätzlich für unanfechtbar. Nur wenn nach dem Vortrag des Beschwerdeführers eine "greifbare Gesetzwidrigkeit" gegeben ist, etwa das Gericht die Voraussetzungen oder Grenzen seiner Ermessensausübung verkannt oder ein Ermessen gar nicht ausgeübt hat, soll - wie bei anderen grundsätzlich unanfechtbaren Beschlüssen auch (BGH, NJW 93, 135) - die sofortige Beschwerde als außerordentlicher Rechtsbehelf zulässig sein (OLG München, NJW-RR 88, 1532 m.w.N.; OLG Karlsruhe, 16. FamS, FamRZ 88, 634; JurBüro 98, 493; OLG Köln, 1. ZS., JMBl. 94, 283 m.w.N.; 14. FamS, NJW-RR 98, 364 m.w.N.; Zöller-Herget, ZPO, 21. Aufl., § 769 Rdnr. 13; MüKomm-Karsten Schmidt, ZPO-Komm., § 769 Rdnr. 33; Schneider, MDR 85, 547).
Diese letztgenannte Auffassung vertritt auch der Senat in ständiger Rechtsprechung. Sie stimmt, wie das OLG München und der 1. Zivilsenat des hiesigen Oberlandesgerichts in den zitierten Entscheidungen überzeugend ausgeführt haben, mit dem Willen des Gesetzgebers überein. Sie verhindert darüber hinaus, dass das Rechtsmittelgericht bereits in einem frühen Stadium des Prozesses mit einer umfänglichen Prüfung der Sach- und Rechtslage befasst wird und so die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts vorwegnimmt. Eine Benachteiligung der Parteien ist nicht zu befürchten, da das erstinstanzliche Gericht jederzeit befugt und im Falle neuen Vorbringens auch verpflichtet ist, die getroffene Entscheidung zu überprüfen und ggf. abzuändern.
Nach der vom Senat für zutreffend erachteten Auffassung war die sofortige Beschwerde der Beklagten als unzulässig zu verwerfen, da eine "greifbare Gesetzwidrigkeit" des angefochtenen Beschlusses von der Beklagten nicht dargetan ist. Eine solche ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH - ausser in den bereits erwähnten Fällen - generell nur dann gegeben, wenn die angefochtene Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar ist, weil sie jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (BGH a.a.O. m.w.N.).
Die Frage, ob schon das Fehlen einer Begründung den Beschluss greifbar gesetzwidrig macht, ist in Rechtsprechung und Literatur ebenfalls umstritten. Teilweise wird diese Frage bejaht (vom 19. ZS. des OLG Köln unter Hinweis auf die von diesem angenommene Rechtsmittelfähigkeit der Einstellungsentscheidung, JurBüro 93, 627; von dem 2. FamS des OLG Karlsruhe und dem 15. FamS des OLG Stuttgart speziell für die Fälle einer einstweiligen Einstellung der Zwangsvollstreckung aus Titeln über laufende Unterhaltsrenten wegen der dabei drohenden, besonders einschneidenden Folgen für die Unterhaltsberechtigten; in solchen Fällen müsse überprüfbar sein, ob die Voraussetzungen für einen ausnahmsweise zulässigen ausserordentlichen Rechtsbehelf gegeben seien, Karlsruhe, FamRZ 93, 225; JurBüro 98, 493; Stuttgart, MDR 98, 620). Überwiegend wird dagegen allein wegen Fehlens einer Begründung keine "greifbare Gesetzwidrigkeit" des Beschlusses angenommen (OLG Karlsruhe, 16. FamS, FamRZ 88, 634; OLG Köln, 2. ZS., MDR 89, 919; 25. FamS, NJW-RR 98, 365; Zöller-Herget, § 769 Rdnr. 6; MüKomm-Karsten Schmidt, § 769 Rdnr. 33; Thomas/Putzo, § 769 Rdnr. 18; Schneider, MDR 85, 547; 87, 64).
Dieser letzten Auffassung schließt sich der Senat an. Auch wenn ein Teil der Rechtsprechung und Literatur die Meinung vertritt, dass auch Einstellungsbeschlüsse begründet werden sollten (siehe Zöller-Herget, § 769 Rdnr. 6; Baumbach Lauterbach-Hartmann, § 329 Rdnr. 4, 6; § 769 Rdnr. 6; Thomas/Putzo, § 769 Rdnr. 10; jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen), sind Beschlüsse ohne eine solche Begründung deshalb nicht mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar. Eine Begründungspflicht besteht immer dann, wenn Entscheidungen rechtsmittelfähig sind, damit das Rechtsmittelgericht in die Lage versetzt wird, die Richtigkeit der Entscheidung zu überprüfen. Da stattgebende Einstellungsbeschlüsse aber gerade grundsätzlich unanfechtbar sind, werden diese in der Praxis regelmäßig auch nicht begründet. Es ist zwar richtig, dass durch die fehlende Begründung nicht ohne weiteres erkennbar ist, ob das Vordergericht bei seiner Entscheidung die Grenzen seines Ermessens verkannt hat oder sein Ermessen überhaupt ausgeübt hat. Dies bedeutet aber nicht, dass das Gericht tatsächlich seine Entscheidung unter Verkennung der ihm gesetzten Grenzen getroffen hat. Die bloße Möglichkeit, das Gericht könnte bei der nicht begründeten Entscheidung sein Ermessen nicht ausgeübt oder die Grenzen seines Ermessensspielraums verkannt haben, genügt nach Auffassung des erkennenden Senats nicht, um die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde zu bejahen. Hinzukommen müssen vielmehr weitere Gesichtspunkte, die dafür sprechen, dass das entscheidende Gericht seinen Ermessensspielraum verkannt oder Ermessen überhaupt nicht ausgeübt hat. Die fehlende Begründung nimmt dem Beschwerdegericht auch nicht die Möglichkeit, die Stichhaltigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung anhand des Akteninhalts zu überprüfen.
Solche weiteren Gesichtspunkte, die für eine greifbare Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses sprechen würden, fehlen hier.
Soweit die Beklagte eine fehlende Glaubhaftmachung seitens der Kläger gerügt hat, haben die Kläger durch Vorlage eidesstattlicher Versicherungen vom 26.11.1998 die Glaubhaftmachung nachgeholt. Zur Frage einer Einstellung der Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung hat die Kammer ihre Entscheidung diesbezüglich auch noch durch den Nichtabhilfebeschluss vom 03.12.1998 nachträglich begründet. Ein Ermessensfehlgebrauch ist insoweit weder dargetan noch sonst ersichtlich.
Soweit die Beklagte meint, der Beschluss sei zudem offensichtlich ermessenswidrig ergangen, weil die Klage keinerlei Aussicht auf Erfolg habe, ist damit ebenfalls keine "greifbare Gesetzwidrigkeit" dargetan. Die Beurteilung der Erfolgsaussicht der Klage ist in Fällen der vorliegenden Art gerade nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts (OLG Naumburg, NJW-RR 98, 366; Schneider, MDR 87, 64). Die im Rahmen der Einstellungsentscheidung nur summarisch zu prüfende Erfolgsaussicht der hier erhobenen Vollstreckungsgegenklage ist aber auch nicht eindeutig zu verneinen, so dass dem angefochtenen Beschluss auch nicht aus diesem Grunde nicht entnommen werden kann, dass das Landgericht die Voraussetzungen oder Grenzen seiner Ermessensentscheidung verkannt hätte.
Nach allem war die sofortige Beschwerde mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO als unzulässig zu verwerfen.
Beschwerdewert: 38.000,00 DM (1/5 der Hauptsumme)
Ende der Entscheidung
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